Читать книгу Das Ende ist immer nahe 2 - Urs Herzog - Страница 8

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Herbi

Herbi steckte in der Klemme. Und es war allein seine Schuld. Die Vorbereitungen hatten schon Wochen in Anspruch genommen und als er losziehen wollte stellte er fest, dass sein Pass demnächst ablaufen würde.

„Das darf doch nicht wahr sein“, rief er laut aus und knallte das rote Büchlein auf den Boden.

Ohne gültigen Pass würde man nicht einfach umgehend ausgewiesen, sondern landete erst einmal im Gefängnis. Und dann liessen sich die Behörden Zeit, und es konnten Wochen ins Land gehen bis sich jemand um ihn kümmern würde.

„Dann eben zurück in die „Heimat“, das würde auch eine Weile dauern, würde ihn viel Geld kosten, war aber der einfachste Weg zu einem gültigen Pass zu kommen. Er wollte nicht in der Botschaft nachfragen ob sie seinen Pass verlängern könnten. Wenn niemand wusste, wo er sich aufhielt, ging er damit auch Ärger aus dem Weg. Es gab genug Leute die sich gerne mit ihm unterhalten hätten.

Er würde zuerst ins Nachbarland reisen und von da in die Schweiz fliegen. Die Rückreise würde dann über ein weiteres Nachbarland erfolgen. Möglichst wenig Spuren hinterlassen, damit war er immer gut gefahren.

Er hob das Büchlein auf und begann zu packen.

Viel hatte er nicht zu verstauen und zwei Tage später sass er im Flugzeug, zurück in seine „Heimat“, zurück in die Schweiz.

****

Um sich die Wartezeit zu verkürzen sass Herbi in seinem Lieblingslokal und dachte über seine nächsten Schritte nach. Warten war nicht seine Stärke.

„Hallo Herbi, lange nicht gesehen.“

Sie setzte sich zu ihm an den Tisch unter den Platanen.

„Zwei Bier, grosse“ rief sie dem Kellner zu der sich daraufhin umdrehte und im Haus verschwand.

„Ich habe lange nach dir gesucht, du bist nicht einfach zu finden.“

Überrascht starrte der Mann die Besucherin an, dann leuchteten seine Augen auf.

Andrea!

Er fühlte sich um Jahre zurückversetzt.

„Ich glaube es nicht, du hier! Schön dich wieder zu sehen, es muss eine Ewigkeit her sein.“

„Fast zehn Jahre, beim letzten Klassentreffen, auch hier im Platanenhof. Immer noch dein Stammlokal?“

„Ja, immer noch, wenn ich wieder mal hier bin. Bin viel unterwegs.“

„Das habe ich gehört, du bist überall auf der Welt unterwegs. Aus welcher Ecke kommst du diesmal?“

„Du hast Glück mich hier zu finden, wenn mein Pass nicht abgelaufen wäre, hättest du mich in Südamerika suchen müssen“.

„Ich weiss, und ich wusste auch, dass dein Pass abläuft“.

Erstaunt und fragend schaute er sie an.

Lächelnd sagte sie, „frag nicht, ich wusste es eben.“

„Immer noch dieselben Seilschaften wie früher?“

„Nicht dieselben, besser“.

Einen Moment sassen sie sich schweigend gegenüber.

„Herbi du siehst aus wie ein Abenteurer.“

„Und du bist immer noch so schön wie vor zwanzig Jahren.“ Sein Blick sprach Bände.

„Immer noch der gleiche Charmeur, du hast dich nicht verändert.“

Beide lachten und als der Kellner die beiden Biere brachte tranken sie auf ihr Wiedersehen, das Leben und die Liebe.

Herbi war der Prototyp des Abenteurers. Braun gebrannt, dunkle Haare, blaue Augen, kleine Furchen im Gesicht und Lachfältchen um die Augen. Beinahe zwei Meter gross und von kräftiger Statur. Jeans und ein offenes Leinenhemd. Ein Kerl wie aus einem Survival-Magazin.

„Ich habe dich gesucht, Herbi. Ich brauche deinen Rat und deine Erfahrung. Und nur du kannst mir helfen. Ich muss dir aber schon zu Beginn sagen, dass es kompliziert werden kann und es wohl auch wird.“

Herbi schaute sie an. Ihre dunklen Locken zeigten ein paar kleine, graue Strähnen und ihre braunen Augen blickten nicht mehr so strahlend wie er es in Erinnerung hatte. Ihr schmales Gesicht wirkte blass und hart. Wo war das fröhliche und lustige junge Mädchen geblieben?

„Wenn ich kann, helfe ich dir gerne. Es kann aber noch etwas dauern, denn ich muss erst ein paar Dinge erledigen die keinen Aufschub dulden.“

„Aber sag mir erst, wie ist es dir ergangen? Verheiratet?“

Herbi wartete gespannt auf die Antwort.

„Verheirate, ich heisse jetzt Walther.“

Er spürte einen kleinen Stich ins Herz, konnte nichts dagegen tun.

„Kenne ich ihn?“

„Ich glaube nicht, oder hast du manchmal mit der Polizei zu tun?

„Nein, nicht hier in der Schweiz, hier bin ich ein braver Bürger, ein unbeschriebenes Blatt.“

Herbi lachte leise und gab dem Kellner ein Zeichen.

„Ich habe Lust auf einen kühlen Weisswein, trinkst du ein Glas mit?“

„Wenn es ein Grauburgunder ist?“

Herbi bestellte den Wein und wandte sich dann wieder Andrea zu.

„Hast du Kinder“?

„Kinder? Nein. Und ich führe ein ganz normales Leben.“

Forschend schaute er in ihr Gesicht, dann schüttelte er seinen Kopf.

„Wenn du ein normales Leben führen würdest, dann wärst du nicht hier und würdest mich nicht um Hilfe bitten.

Was also ist passiert?“

Lange schaute sie ihn an.

„Hast du denn Zeit? Es wird eine längere Geschichte.“

„Für dich habe ich alle Zeit der Welt“.

****

Als er endlich den neuen Pass erhalten hatte, kehrte mit dem ersten Flieger nach Südamerika zurück. Nun hätte es losgehen sollen. Doch seit Tagen wartete er auf eine Entscheidung. Er wollte los, doch noch immer hinderte ihn eine träge und korrupte Bürokratie. Und ohne eine amtlich beglaubigte Bewilligung, würde es ihm nicht möglich sein, weiter zu reisen.

Vor einem Jahr war das noch anders gewesen, doch es hatte sich in dieser Gegend viel verändert. Seit hier Rohdiamanten gefunden wurden, waren zahlreiche Abenteurer und Schatzsucher aufgetaucht die in das Gebiet reisen wollten.

Und sie alle brauchten dafür eine Genehmigung. Eine Genehmigung die sich die örtlichen Behörden teuer bezahlen liessen.

Doch was sollte er sich auch aufregen, es brauchte nur Geduld zu haben. Auch wenn das einer seiner Schwächen war.

„Schieb mir noch ein Bier herüber“. Er lümmelte seit zwei Tagen in der Bar herum und hatte nichts anderes zu tun als zu warten.

Der Wirt stellte ein neues Glas unter den Zapfhahn und drückte den Hebel nach oben.

„He, nicht wieder so viel Schaum, ich bezahle für Bier und nicht für Luft“.

Der Wirt brummte etwas vor sich hin, zog langsam den Hebel nach unten und kippte das Glas dem Zapfhahn entgegen.

„Wenn ich schon der einzige Gast in dieser Bude bin, dann…….“.

Weiter kam er nicht, denn in seinem Rücken hörte er die niedrige Pendeltüre in den Scharnieren quietschen. Er drehte den Kopf und blickte zur Tür.

Es war dunkel in der heruntergekommenen Kaschemme und seine Augen mussten sich erst an die Helligkeit gewöhnen. Doch er sah nur einen Schatten gegen das grelle Sonnenlicht.

Er blinzelte. Es brachte nichts.

Dann nicht, dachte er und wandte sich wieder der Theke zu. Gerade rechtzeitig denn der Wirt schickte das Bier über den Tresen. Wenn er es nicht aufgefangen hätte, es wäre über die Theke hinaus geschossen und am Boden zerschellt.

„Ein Bier“ hörte er eine tiefe Stimme neben sich und erneut drehte er den Kopf.

Der breitkrempige Hut liess das Gesicht des neuen Gastes nur Erahnen und sein schwarzes Hemd tat ein Übriges um den Eindruck eines Mannes zu vermitteln der nur in Ruhe sein Bier trinken wollte.

„Schick mir noch einen Mezcal herüber, oder besser zwei, für ihn auch einen.“ Er zeigte mit dem Daumen zur Seite, auf den neuen Gast ohne den Blick von den Flaschen zu nehmen die vor dem grossen Wandspiegel in Reih und Glied aufgestellt waren.

Den Inhalt der Meisten kannte er, hatte er in den letzten zwei Tagen kennen gelernt. Das Meiste war Fusel der im Hals kratzte und brannte. Er vermutete dass der Wirt die guten Tropfen selber trank.

Nach den zwei Tagen kannte er auch jeden Mückenschiss an den Wänden und der altersschwachen Musikbox konnte er nur noch kratzende und jaulende Töne entlocken.

Warten war anstrengend und ermüdend.

Der Wirt kann herüber und stellte die Schnäpse vor die beiden Männer. Sein rundes, bleiches Gesicht mit den dunklen Augen passte nicht so recht zu dem langen, schlaksigen Körper.

Wortlos drehte er sich um und ging wieder ans andere Ende der Bar. Auch er wollte seine Ruhe haben.

Die Männer hoben die kleinen Gläser und stürzten den Schnaps in einem Zug hinunter.

Hart stellten sie die Gläser auf die Theke zurück dass es knallte.

Wieder Schweigen. Nur der altersschwache Deckenventilator gab bei jeder Umdrehung ein Geräusch von sich, das durch Mark und Bein ging und kalte Schauer über den Rücken jagte. Es hörte sich an als würde mit einer Kreide über eine Schiefertafel gekratzt.

Schweigend tranken die Männer ihr Bier.

****

Vielleicht morgen, wenn die Papiere endlich bereit lagen. Er würde, wie so oft, das Büro des Bürgermeisters aufsuchen, sich nach den Bewilligungen erkundigen und wie immer, diskret ein paar Scheine über den blank polierten Schreibtisch schieben. Und wie immer würde der Beamte das Geld sehr schnell verschwinden lassen und ihm anschliessend höflich mitteilen, dass seine Bewilligung beim Bürgermeister zur Unterschrift bereit liege, sein Chef dringende Geschäfte in der Hauptstadt erledigen müsse und wahrscheinlich erst in der kommenden Woche wieder hier sein werde. Dann aber würde er das Gesuch umgehend bearbeiten.

So erging es ihm schon zum wiederholten Male.

Er hatte zwischendurch den Gedanken ohne die Papiere loszuziehen. Doch ohne Unterstützung durch eine zweite Person würde er wohl nicht weit kommen.

Er hatte keinen zweiten Mann. So liess er den Gedanken wieder fallen und hing weiter in diesem Kaff, in dieser Bar herum. Und trank.

****

„Ich bin der Partner den du suchst.“

Der Fremde gab dem Wirt ein Zeichen und dieser beeilte sich zwei weitere Biere und zwei Mezcal zu bringen.

„Und ich brauche keine Genehmigung um durch die Pampa zu ziehen.“

Der Fremde zog seinen Hut und legte ihn neben dem Bierglas auf den Tresen.

„Mein Name ist Dugin, Peter I. Dugin. Man nennt mich Peter.“

„Herbert D. Focker, das D steht für Daniel, mich nennt man Herbi. Wofür steht das I.?“

„Steht für Ivan.“

Beide tranken bedächtig ihr Bier.

„Und woher kommst du?“ fragte Herbi.

„Ist das wichtig?“

„Möchte in etwa wissen mit wem ich es zu tun habe.“

„Wenn's denn sein muss.“ Peter nahm erneut einen Schluck.

„Bin im Osten Deutschlands aufgewachsen, hiess damals noch DDR. Meine Familie ist in den Westen ausgewandert, auch wenn man dem damals anders sagte.“ Peter lachte leise.

„Dann bin ich rumgezogen und jetzt bin ich hier. Genügt das“?

„Genügt.“

„Und wie bist du hier gelandet“? fragte Peter.

„Bin in der Schweiz aufgewachsen, ich habe Dieses und jenes gemacht, war für eine internationale Firma unterwegs. Wollte mich zur Ruhe setzen. War aber nichts für mich, zu langweilig.

Habe dann gehört hier soll was los sein.“ Herbi sah sich um.

„War wohl ein Irrtum.“

Er winkte dem Barkeeper. „Noch zwei Bier“

Und an Peter gewandt, „und wohin wolltest du?“

„Wollte nur durchreisen, bis ich dich gesehen habe. Und da ich weiter nichts vorhabe…..“

„Dann kannst du ja mitfahren, quer durch die Pampa. Es wird aber kein Spaziergang werden. Mit der Polizei, den Minengesellschaften und den Grossgrundbesitzern soll nicht gut Kirschen essen sein.“

Peter grinste.

„Das macht es doch gerade interessant, sonst wäre es eine öde Nummer für Warmduscher und Muttersöhnchen.“

„Deine Ausrüstung?“

„Sage mir, wohin die Reise geht und ich besorge das Notwendige.“

„Wie ich sagte, mitten in die Pampa, da soll man reich werden können.“

„Gold?“

„Diamanten.“

„In der Pampa?“

„In der Pampa.“

„Und wann geht es los?“

„Wenn du bereit bist.“

„Morgen.“

„Dann Morgen.“

„Darauf trinken wir.“

Sie kippten weitere Biere und Mezcal.

****

„Hat du genügend Schnaps mit?“ fragte Peter.

„Reichen zwei Liter?“

„Ja, für den Anfang.“

Peter legte seinen Seesack auf die Ladepritsche des Pickup.

„Eine Flasche brauche ich immer um Wunden zu desinfizieren, Feuer oder Fackeln zu entfachen.“

„Was für eine Verschwendung.“ Peter warf seinen Rucksack auf die Pritsche und legte zwei Spaten, einen Vorschlaghammer und vier Holzpfähle dazu.

„Holzpfähle? Wofür denn“, fragte Herbi.

„Man kann nie wissen“, sagte Peter, „sind für vieles zu gebrauchen.“

Dann stampfte er zur Beifahrertüre und riss sie auf.

„Mein Gewehr lege ich in der Kabine unter die Rückbank, soll nicht jeder gleich sehen.“

„Gut, aber lass noch etwas Platz für meine beiden Knarren.“

Herbi schloss die Ladepritsche und kam ebenfalls nach vorne.

Einen kurzen Augenblick hielt er inne.

„Gut, aber nach einer Stunde bist du daran.“

Er schwang sich hinters Lenkrad und wartete bis Peter neben ihm sass und die Tür geschlossen hatte.

Er drehte den Zündschlüssel und der grosse Motor erwachte brüllend zum Leben.

Langsam rollte der Wagen vom Hof des heruntergekommenen Hotels.

Nach einer Stunde holpernder Fahrt über staubtrockene, ausgefahrene Schotterpisten hielt Herbi rechts an und stellte den Motor ab.

Langsam senkte sich der aufgewirbelte Staub. Herbi steckte sich, seine Gelenke knackten.

„Jetzt bist du an der Reihe, ich habe eine Stunde heruntergerissen, kein Schleck bei diesen Strassen, das kann ich dir sagen.“

Sie stiegen beide aus, reckten sich und tauschten dann die Plätze.

Peter rückte den Sitz nach vorne, damit er mit seinen Füssen auch bis an die Pedalen reichte. Auch wenn die Beiden fast gleich gross waren, Herbis Beine waren länger.

„Dann wollen wir mal“ sagte Peter, startete den Wagen und weiter ging die Reise.

„Kannst du mir mal die Flasche rüberschieben?“ fragte Peter nach einer halben Stunde. „Fahren macht Durst und in dieser staubtrockenen Gegend erst recht.“

Herbi packte die Wasserflasche, öffnete sie und reichte sie hinüber.

„Danke“, sagte Peter und nahm einen kräftigen Schluck. „Bier wäre besser“, grinste er dann und gab die Flasche zurück.

„Dann wären wir beide stockbesoffen, noch bevor wir ankommen“, meinte Herbi und trank ebenfalls. „Na ja, schlecht ist es nicht, Wasser eben.“

Nach zwei weiteren Fahrerwechseln näherten sie sich den Bergen, auf die sie die letzten Stunden zugefahren waren.

„Wirst sehen, das Erste was wir zu Gesicht bekommen werden, ist die Polizei.“

Er sollte Recht behalten.

****

Als die ersten, halb verfallenen Hütten auftauchten, versperrte ein Schlagbaum die Strasse und die beiden Polizisten die sich in ihren schäbigen und schlecht sitzenden Uniformen gegen den Wagen gelehnt hatten, kamen nun gemächlich auf sie zu.

Beide hatten sie, wie zufällige, die Hand auf dem Pistolengriff liegen.

Herbi bremste ab und hielt vor dem Schlagbaum an.

Eilig kurbelten sie die Fenster herunter und legten dann die Hände, von aussen gut sichtbar, auf Lenkrad und Abdeckung.

Die beiden Uniformierten stellten sich links und rechts des Wagens auf, so, dass sie aus dem Schwenkbereich der Türen waren und ihnen keine Bewegung der Insassen entgehen konnte. Das Ganze zeugte von langjähriger Erfahrung.

Peter und Herbi wussten was nun kam. Er war immer das Gleiche Prozedere.

„Ausweise und Fahrzeugpapiere“, sagte der Polizist zu Herbi.

Dieser griff langsam nach oben und holte die Papiere hinter der Sonnenblende hervor. Wortlos hielt er die Ausweise aus dem Fenster. Peter sass regungslos auf dem Beifahrersitz.

Der Beamte öffnete Pässe und Fahrzeugausweis und bei jedem Dokument griff er hinein und schob dann seine Hand diskret in die Hosentasche.

Herbi hatte wie immer in alle Dokument einen Fünfzigdollarschein gesteckt und hoffte nun, dass die Polizisten nicht ihr Gepäck sehen wollten. Dann wäre es noch teurer geworden.

Der Beamte gab Herbi die Papiere zurück und nickte seinem Kollegen zu. Dieser ging zum Schlagbaum hin und öffnet ihn langsam.

„Danke“, sagte Herbi, startete den Wagen und langsam führen sie unter dem Schlagbaum durch.

„Das ging besser als erhofft“, sagte nun Peter und war froh, seine Hände wieder von der Abdeckung nehmen zu können. „Bis in die Stadt sollten wir nun Ruhe haben.“

„Bei diesen Wegelagerern weiss du nie. Wenn ihre Kasse leer ist, stehen sie wieder an der Strasse und du kannst zum Bettler werden, bevor der Tag um ist.“

„Du hast recht, aber hoffen wir das Beste, und nun gib Gas, wir wollen doch bis zur Dämmerung dort sein.“

Weiter ging es über die unbefestigten Strassen. Die ausgefahrenen Spuren wurden immer tiefer, ein Zeichen dafür, dass hier mehr Fahrzeuge unterwegs waren.

****

Die Sonne sank unaufhaltsam zum Horizont. Es waren nur noch wenige Augenblicke und sie würde für heute verschwinden. Die letzten Sonnenstrahlen warfen ihr Licht auf die roten Ziegeldächer der ersten Häuser und sie fuhren langsam in die Stadt hinein.

Öde und verlassen wirkten die ersten Gassen, doch als sie sich dem Zentrum näherten wurde es lebhafter und Scharen von Leuten, prächtig gekleidet, versperrten ihnen den Weg.

„Muss wohl eine Festtag sein, für irgendeinen Heiligen, von denen gibt es hier genug“, brummte Peter und steuerte den Wagen an den Strassenrand. „Zeit eine Bleibe zu finden und dem Trubel aus dem Weg zu gehen“.

„Das mit der Bleibe finde ich gut. Aber nachher sollten wir uns unter die Leute mischen und mitfeiern. Nie sind die Menschen gesprächiger, als wenn sie so gut drauf sind wie heute.“

„Wenn sie genügend getrunken haben, das wolltest du doch sagen.“ Peters Stimmung war immer noch auf tiefem Niveau. Er war müde von der langen Fahrt und zudem hungrig und - er lechzte nach einem kühlen Bier.

„Fahr da vorne nach links, da sollte ein Gasthof sein, mit Innenhof, für unseren Wagen. Wenn wir das Auto an der Strasse stehen lassen, fehlt Morgen die Hälfte.“

Peter brummte etwas vor sich hin, fuhr dann aber langsam weiter. Die Leute wichen zur Seite und er konnte in die Seitengasse einbiegen. Nach hundert Meter hatten sie das Hotel erreicht.

Die Fassaden in verblasstem blau, die hölzernen Balkongeländer und Verzierungen unter der rostigen Dachrinne waren zerbrochen oder fehlten ganz.

Die schmutzigen Fenster und das rostige Schild das im Wind hin und her schwang und quietschende Töne von sich gab, passten zum Eindruck einer heruntergekommenen Absteige.

Zum goldenen ….. konnte man von der Schrift auf dem Wirtshausschild noch entziffern. Das verblasste Bild hatte früher wohl ein Pferd oder Einhorn dargestellt.

Doch den Beiden war das recht. Erstens hatten sie nicht das Geld für eine Luxusherberge und zweitens wollten sie auch nicht unnötig auffallen.

Ein schäbiges Zimmer. Ein kleiner, wackliger Tisch, zwei Stühle, zwei Betten mit durchhängenden Matratzen und ein Schrank dem die Türe fehlte, das war die ganze Einrichtung.

Die grauen, fleckigen Wände liessen an wenigen Stellen noch die ursprüngliche Tapete erahnen. Der undefinierbare Boden war wohl ursprünglich ein Teppich gewesen. Zum Waschen standen eine Blechkanne und eine Blechschüssel auf dem kleinen Tisch. Die Toilette war hinterm Haus.

****

Nachdem die zwei ihr Gepäck verstaut hatten, machten sie sich auf in Richtung Zentrum. Ein grosses Bier und etwas zu essen, das war alles was sie wollten.

An der nächsten Strassenecke, noch ein ganzes Stück vom Zentrum entfernt, liessen sie sich auf der Veranda einer kleinen Kneipe nieder. Sie waren die einzigen Gäste und der Wirt froh, nicht nur Daumen drehen zu müssen.

Das Bier aus dem Fass war kühl und erfrischend – und löschte den ersten Durst.

Auf die Frage, was er zu Essen anbieten könne sagte er, er habe noch drei gefüllte Hühner im Ofen, diese sollten in etwa einer Viertelstunde gar sein. Dazu könne er Kartoffeln oder Maisbrot servieren.

„Dann zwei Hühner und Maisbrot, und noch zwei Bier“, bestellte Peter und Herbi nickte zustimmend.

Der Wirt verschwand im Dunkel des Schankraumes um kurz darauf mit zwei frischgezapften Humpen wieder zu kommen.

Eine Viertelstunde später erschien er wieder und stellte zwei Hühner auf den Tisch. Goldbraun und knusprig gebraten verbreiteten sie einen betörenden Duft.

Peter und Herbi griffen zu, rissen einen Schenkel der Hühner ab und bissen genussvoll in das saftige Fleisch.

„Noch nie habe ich ein so gutes Huhn gegessen“ sagte Herbi zwischen zwei Bissen.

„Du hast Recht, das Huhn ist besser als alles was ich bisher gegessen habe. Bin gespannt wie die Füllung schmeckt.“ Sagte es und zerteilte den Rumpf des Huhnes.

Mais, Karotten, rote Bohnen und Chilischoten, eine ungewöhnliche, aber schmackhafte Füllung die wunderbar mit dem saftigen Fleisch harmonierte.

Nach dem sie schweigend die Hühner verzehrt und dazu noch ein weiteres Bier getrunken hatten, lehnten sie sich zurück und Herbi zog eine Zigarillo aus seiner Brusttasche.

„Nach einem solchen Essen gibt es nichts besseres“, meinte er, zündete die handgedrehte Zigarillo an und zog genüsslich daran.

„Da weiss ich etwas besseres“ sagte Peter, drehte seinen Kopf in Richtung Schrankraum und auf sein Nicken hin, erschien der Wirt im Türrahmen.

„Zwei grosse Wodka mit Eis“.

Der Wirt verschwand wieder und balancierte zwei, bis zum Rand gefüllte Gläsern auf einem zerbeulten Tablett an den Tisch. In der warmen Luft beschlugen die Gläser sofort.

Herbi legte seine Zigarillo zur Seite und griff nach dem Glas. Es war so kalt, dass er meinte seine Finger würden gefrieren.

„Guter Wirt, hat die Gläser im Eisschrank, der Mann versteht sein Metier“.

Peter hatte grinsend zugesehen, packte sein Glas und hob es Herbi entgegen.

„Prost, auf unsere Gesundheit“. Dann kippte er den ganzen Inhalt mit einem Mal.

Herbi starrte ihn ungläubig an.

„Nur Säufer trinken so, wahre Geniesser lassen sich Zeit“. Er nahm einen kleinen Schluck und stellte das Glas wieder hin. Dann packte er wieder seine Zigarillo und paffte genüsslich weiter.

„Dein Wodka wird warm“, brummte Peter und bestellte sich noch einen Drink. Diesmal kippte er ihn nicht in einem Mal.

„Wollen wir noch losziehen und versuchen Informationen zu bekommen, oder verschieben wir es auf Morgen.“

„Heute sind die Leute gesprächig, Morgen nicht, denn dann sind sie verkatert und mürrisch und du erfährst gar nichts. Nein, wir müssen es schon heute Abend versuchen. Wenn du ausgetrunken hast und deine Zigarillo abgebrannt ist, können wir los. Ich geh mal zahlen“. Peter stand auf und verschwand im Dunkeln der Kneipe.

****

Auf dem grossen Platz vor der Kirche feierten die Leute das alljährliche Fest zu Ehren des heiligen Nikolaus, dem Beschützer ihrer Stadt.

In farbenfrohen, edlen Kleidern vergnügten sie die Menschen beim Tanz. Eine grosse Musikkapelle in rotgoldenen Fantasieuniformen spielte laut auf. Nicht immer trafen die Musiker den richtigen Ton, aber dies kümmerte heute niemanden. Heute war der grösste Festtag des Jahres und den galt es zu geniessen.

Sie schlenderten am Rand des Platzes entlang, versuchten sich unter den Arkaden einen Weg zu bahnen.

An den Säulen hingen bunte Plakate die auf das heutige Fest hinwiesen, auf künftige Attraktionen und schon vergilbte Plakate zeugten von vergangenen Festen.

Unter all diesen entdeckte Herbi ein graues, verblasstes Plakat der Polizei auf dem ein gesuchter Verbrecher abgebildet war. Irgendwie kam ihm das Konterfei bekannt vor. Er drehte sich nach Peter um.

Dieser war ihm gefolgt und bemerkte Herbis Blick auf das alte Plakat. Er wusste was nun kam. Herbi schaute ihn fragend an und wartete.

„Ich war früher mal in der Gegend.“

„Und? Noch aktuell?“

„Weiss nicht“, Peter zog die Schultern hoch, „könnte sein“.

Herbi blickte ihn prüfend an. „Was war?“

„Sind an einen Grossgrundbesitzer geraten“. Wurde eine hässliche Sache. Für meinen Teil ist es erledigt.“

„Und der Grossgrundbesitzer?“

„Lebt nicht mehr, hatte wohl zu viele Feinde.“

„Hast du ihn…?“

„Nein, sie versuchten es nur mir in die Schuhe zu schieben weil ich ein Fremder war.“

Herbi nickte und sie kämpften sich weiter durch die Menschenmenge.

„Da drüben sind gerade ein paar Plätze frei geworden“ Und tatsächlich, an einer Bar unter den Arkaden klaffte eine Lücke.

„Zwei Bier“, bestellte Herbi bei der dunkelhaarigen, vollbusigen Barmaid. Sie versuchte nicht ihre Doppel-D zu verstecken, sondern präsentierte sie in einem eng geschnürten Mieder.

„Endlich standen die Gläser mit dem kühlen Gerstensaft vor ihnen und als Peter danach greifen wollte, zersprang des Glas in tausend Stücke und das Bier spritzte über die Theke. Nur, wer den Umgang mit Schusswaffen gewohnt war, konnte den Schuss unter all dem Lärm der Feuerwerkskörper heraushören. Herbi und Peter kannten den Unterschied, die Gäste um sie herum reagierten nicht. Ein Wimpernschlag lag standen sie wie erstarrt am Tresen.

Dann sprangen sie hinter eine der Säulen welche die Arkaden trugen und sahen sich angespannt um. Auf dem Platz und unter den Arkaden ging das Fest weiter als wäre nichts geschehen.

Die Barmaid schaute auf Peter, dann senkte sie ihren Blick und starrte ungläubig auf ihr Mieder. Immer grösser breitete sich der rote Fleck darauf aus.

Dann hob sie wieder ihren Blick und schaute auf Peter. Ihre Lippen öffneten sich und ohne einen Laut von sich zu geben kippte sie nach hinten weg, verschwand hinter der Theke.

„Wir müssen sofort weg, die da drüben haben etwas bemerkt“.

Peter zeigte auf zwei Polizisten die langsam näher kamen. Er packte Herbi am Arm und zerrte ihn in Richtung der nächsten Gasse.

„Nur nicht rennen, nur nicht auffallen“, presste er durch seine geschlossenen Lippen.“

Sie kämpften sich durch die fröhlich tanzende Menschenmenge und ein kurzer Blick zurück sagte ihnen, dass die Polizisten die Barfrau gefunden hatten.

Einer sprach in sein Funkgerät und der andere zückte seine Waffe. Er wollte hinter ihnen her, blieb aber schon nach wenigen Schritten in der Menschenmasse stecken.

„Und du hast gesagt es wäre vorbei“

„Dachte ich auch, lauf schneller“

Sie drängten sich durch die Leute und erreichten eine stille Gasse die zu ihrem Hotel führte.

Hinter ihnen hörten sie es knallen und als sie sich erschrocken umdrehten, sahen sie nur die bunten Lichter des Feuerwerkes.

„Dumm dass es die Polizei schon mitgekriegt hat“, meinte Peter.

„Die haben uns bestimmt nicht erkannt“, frohlockte Herbi.“

Peter zerstörte seine Illusionen.

„Was meinst du wie viele Fremde heute in der Stadt sind. Sie werden uns schneller finden als uns lieb sein kann.“

Herbi lehnte sich, noch ganz ausser Atem, an die nächste Hauswand.

„Du kannst einem Mut machen. Also wenn es Dir gegolten hat, dann war der Schütze ein Amateur, oder er hat absichtlich danebengeschossen.“

Peter lehnte sich ebenfalls gegen die Wand.

„Es ist wohl das Beste, wenn wir aus der Gegen verschwinden“.

Dann stiess er sich ab und ging er zielstrebig die Gasse hinunter.

Herbi lief hinterher.

„Und was wird aus der Schatzsuche? Soll ich mit leeren Händen zurückfahren? Du kannst ja gehen, von mir wollen die nichts“.

Herbi war Peter gefolgt und schaute ihn vorwurfsvoll an. Er war sauer.

Peter sagte nichts dazu und so trotteten sie weiter in Richtung Hotel.

****

Am Ende der Gasse blieben sie stehen. Sie konnten die Absteige auf der anderen Strassenseite sehen.

Und auch die zwei Männer die anscheinend gelangweilt vor dem Hotel sassen. Auch wenn sie wie Landarbeiter gekleidet waren und die Hüte tief ins Gesicht gezogen hatten, zweifelte Peter keine Sekunde daran, dass diese beiden nur darauf warteten sie umzulegen. Ihre Jacken waren im Brustbereich auffällig ausgebeult und die langen Gegenstände auf dem Tisch, mit einem Tuch zugedeckt, mussten Gewehre sein die da griffbereit lagen.

„Kennst du die Typen“ fragte Herbi.

„Nein, noch nie gesehen“.

„Wenn wir Glück haben, steht auf der Rückseite keiner und wir kommen bis in unser Zimmer. Den Wagen können wir erst später holen, wenn sie weg sind. Was sagst du dazu? fragte Herbi.

„Könnte klappen, wenn sie merken dass unser Zimmer leer ist, doch der Wagen noch im Hof steht, bleiben sie ewig da sitzen. Hier ist keiner ohne Wagen unterwegs.“

„Stimmt, du hast recht, daran habe ich nicht gedacht“ meinte Herbi und fragte, „was schlägst du dann vor“?

„Wir tun nichts, wir warten bis es den beiden zu langweilig wird und sie gehen“.

„Ich glaube nicht, dass sie gehen, sie wissen, dass wir zurückkommen um unsere Sachen zu holen, wohin sollten wir ohne unser Gepäck und den Wagen gehen können?“

„Du vergisst, dass ich schon mal in der Gegend war.

Wenn wir uns in den nächsten Stunden nicht blicken lassen, glauben sie wahrscheinlich, dass ich meine alten Kontakte noch habe und untergetaucht bin.“

„Hast du noch Kontakte?“ fragte Herbi neugierig.

„Nein, die sind alle tot, aber das wissen sie nicht und darum werden sie auch bald wieder verschwinden. Wir brauchen nur zu warten.“

„Was meinst du, wie haben sie dich so schnell gefunden?“

„Wahrscheinlich sammelt der Wirt Steckbriefe und hat mich auf einem wiedererkannt, das hast du ja auch. Dann hat er die richtigen Leute abgerufen und das war's dann“.

„Und wohin willst du, die werden dich doch überall suchen“? fragte Herbi.

„Du meinst uns. Sorry, aber sie werden dich jetzt für meinen Kumpel halten und genauso hinter dir her sein. Auch wenn du jetzt allein losziehst. Sie werden dir folgen und sei es auch nur um herauszufinden, wo ich bin. Entweder du verschwindest ganz aus der Gegend oder wir verschwinden hier gemeinsam.

„Das sind ja schöne Aussichten, du kannst einem richtig Mut machen. Ich bleibe nur, wenn die Möglichkeit besteht, mit der Schatzsuche weiter zu machen und dabei deinen Häschern zu entgehen.“ Herbi wirkte angespannt.

„Meinen Feinden zu entgehen ist möglich, habe ich schon einmal geschafft. Und wenn du mir sagst was du eigentlich finden willst und wo, kann ich dir auch sagen ob wir das hinkriegen oder nicht.“

„Ich bin Schatzsucher und will in die Mondberge. Wo genau ich hin will werde ich dir nicht sagen, dazu kenne ich dich zu wenig. Vielleicht ist es doch besser, wenn sich unsere Wege trennen.

Ich könnte zur Polizei gehen und denen erklären, dass ich dich erst vor zwei Tagen kennengelernt habe und mit deiner Vergangenheit nichts zu tun habe.“

Peter schaute Herbi mitleidig an.

„Das kannst du vergessen, das interessiert hier niemanden, für die gehören wir zusammen.

Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich hier keine Kontakte mehr habe, dass diese Leute alle tot sind, was meinst du, warum das so ist.“

„Du willst sagen die sind alle tot weil sie dich gekannt haben?“

Herbi starrte Peter ungläubig an.

„Jetzt hast du es begriffen. Es tut mir leid, dass du da hineingeraten bist, ich habe auch nicht damit gerechnet, nach so langer Zeit, aber da hilft nun alles nichts, wir müssen schnellstens verschwinden.

„Das muss ich erst mal verdauen. Ich wusste, dass es kein Spaziergang werden wird, aber so extrem habe ich es nicht erwartet. Sag mal. Von wie vielen Toten sprichst du?

Du könntest mehr darüber erzählen. Wenn ich schon meinen Kopf hinhalten muss, dann möchte ich auch wissen warum?“

„Erst mal weg von hier, suchen wir uns ein Lokal in das man von aussen nicht hineinsehen kann, dann erzähle ich dir die Geschichte.“

Das Lokal war schnell gefunden und auch wenn es von aussen eher schäbig wirkte, innen war es sauber und gemütlich, die Bedienung freundlich und zurückhaltend und das Bier kühl. Sie setzen sich an einen kleinen Tisch in der Nähe des Einganges und nach dem ersten, kühlen Schluck begann Peter zu erzählen. Da sie sich in Deutsch unterhielten, war es unwahrscheinlich, dass sie hier jemand verstand.

„Zu Anfang waren für zu viert und kümmerten uns nur um unsere Geschäfte. Wir hatten einen Auftrag über den ich auch heute noch nichts sagen darf. Nur so viel, es war ein heisser Job. Alles lief nach Plan, bis wir dem Grossgrundbesitzer auf die Füsse traten. Es war nicht eingeplant, hatte aber weitreichende Konsequenzen.

Den Auftrag haben wir erledigt und es wäre besser gewesen wir wären sofort aus dem Land verschwunden. Wir haben nicht damit gerechnet, dass der Arm dieses Grossgrundbesitzers so weit reicht. Tausend Kilometer waren nicht genug.

„Was habt ihr denn verbrochen, dass er hinter euch her war?“

„Wir waren in einer Bar und haben Geburtstag gefeiert. Die Barfrau flirtete mit einem meiner Kameraden was einem anderen Gast gar nicht gefiel.

Er wurde eifersüchtig und die beiden gerieten in Streit. Der andere zückte ein Messer und ging auf meinen Kameraden los. Pech für ihn, denn wir haben alle eine Nahkampf - Ausbildung und der Andere fiel in sein eigenes Messer. Dumm nur, dass es ein Sohn des Grossgrundbesitzers war. Seit dem hat er uns gejagt.

Wie er uns gefunden hat weiss ich bis heute noch nicht. Vielleicht war Verrat im Spiel. Eine andere Erklärung habe ich nicht.“

„Und du bist hier um das herauszufinden?“

„Ja, das war mein Plan. Ich dachte nach so langer Zeit fragt keiner mehr danach und ich sollte auch nicht erkannt werden. Ausser es schaut einer auf das dämliche, alte Plakat.“

„Und die anderen drei sind alle tot?

„Zwei habe ich sterben sehen, der Vierte ist verschwunden, nicht mehr zu finden. Und auch an unseren alten Treffpunkten ist sie nicht wieder aufgetaucht.“

„Sie? Also eine Frau?“

„Ja, eine Frau, das war bei uns normal.“

Peter bestellte noch zwei Bier und als sich die Bedienung zurückgezogen hatte, erzählte er weiter.

„Auch gemeinsame Freunde haben nichts von ihr gehört. Sie ist spurlos verschwunden. Geschieht hier öfter wenn man den falschen Leuten in die Quere kommt.“

„Und was nun? Jetzt sind die Killer hinter uns her und auch die Polizei wird uns nicht in Ruhe lassen. Wahrscheinlich sind schon überall Strassensperren aufgebaut und wir sitzen in der Falle. Oder willst du zu Fuss weiter.“

„Wir kommen da heraus. Ich habe dir doch gesagt, dass ich schon mal hier war. Ich kenne die Gegend gut und weiss einen Weg an unseren Häschern vorbei. Wir werden unter ihrer Nase verschwinden“

Peter lachte auf und prostete Herbi zu.

„Auf unsere erfolgreiche Abreise aus diesem schönen und erholsamen Kurort.“

Herbi grinste und hob ebenfalls sein Glas.

„Auf Alles was noch kommt. Was uns nicht umbringt macht uns stark.“

Eine Weile noch blieben sie im Lokal sitzen, tranken noch ein paar Gläser und Assen dazu schmackhafte Tortillas.

„Lass uns zurückgehen um zu schauen ob die Kerle noch da sind.“ Herbi stand auf und ging an die Theke um die Rechnung zu begleichen.

****

In der Zwischenzeit war es Nacht geworden und die Gassen von nur wenigen alten Lampen in ein schummriges Licht getaucht. Vorsichtig näherten sie sich der Herberge und hatten Mühe in der Dunkelheit etwas zu erkennen.

Die Männer hätten sich im Dunkeln einer Nische verbergen oder sie hätten sich im Innern der Herberge aufhalten können. So beschlossen sie erst mal zu warten und schauten sich angespannt um. Nach einer Weile schlich sich Herbi zur Herberge und schaute durch ein Fenster hinein. Der Besitzer sass an einem der Holztische und las die Zeitung. Vor ihm stand ein grosses Glas Bier. Sonst war niemand zu sehen, die Männer waren verschwunden. Er winkte Peter zu sich.

„Ausser dem Alten ist niemand zu sehen. Wir nehmen besser den Hintereingang. Der Wirt muss uns nicht unbedingt sehen und wenn wir es geschickt anstellen, bemerkt er uns erst, wenn wir wegfahren.“

Durch die Hintertür schlichen sie sich in ihr Zimmer. Sie packten ihre Ausrüstung zusammen und legten einige ihrer besten Kleider auf das Bett, so, dass der Wirt glauben musste sie würden wieder kommen.

Dann schlichen sie sich aus dem Haus und stiegen in ihren Wagen. Im Schritttempo fuhren sie aus dem Innenhof, bereit sofort aufs Gaspedal zu treten, sollten sich irgendwelche Leute für sie interessieren. Niemand beachtete sie und auch dem Wirt schien ihre Abreise zu entgehen.

„Jetzt aber aufs Gas getreten, sonst rennt uns noch einer hinterher weil wir die Zeche geprellt haben“, grinste Peter und Herbi trat aufs Pedal.

„So schlimm ist die Zechprellerei nicht, das Bett war von der übelsten Sorte, eine Frechheit dafür auch noch Geld zu verlangen.“

Herbi lachte laut heraus. Ein befreiendes Lachen.

„Und nun musste du mir sagen wohin ich fahren soll.“

„Die übernächste Gasse links hinein und dann die nächste rechts.

Dann geht es durchs Bachbett und über ein paar unscheinbare und überaus holperige Feldwege. Da fährt die Polizei nie durch, ist denen zu ungemütlich. Glück für uns.“

Herbi lenkte durch die engen Gassen.

Die Sicht war schlecht weil die Scheinwerfer schmutzig geworden waren und nun kurvte er im Blindflug, aber mit viel Schwung, durch das ausgetrocknete Bachbett. Anschliessend schwenkte er auf den nächsten Feldweg ein.

„Ich verstehe die Polizei, das kann man ja schlecht Weg nennen, das ist eher ein Kartoffelacker“.

„Besser als unseren Häschern eine Verfolgungsjagd zu liefern. So können wir es ruhiger angehen lassen.“ Peter steckte seine Glieder aus, dass es knackte.

„Wenn du schon so entspannt bist, dann kannst du doch fahren und ich pflege in der Zwischenzeit meinen zerschlagenen Rücken“.

Sie tauschten die Plätze und nach einem wilden Ritt über Stock und Stein gelangten sie auf eine bessere Piste.

Nun kamen sie auch zügiger voran.

„Und du bist sicher, dass dies der richtige Weg ist?“, fragte Herbi, „wenn ich nach vorne schaue dann sehe ich viele schwarze Wolken und wir fahren genau darauf zu.“

„Das kann nur gut sein“, meinte Peter und drehte seelenruhig am Lenkrad.

Die Strasse wurde kurviger und stieg langsam an.

Peter schaute auf die schwarzen Wolken die schnell näher kamen.

„Bevor es anfängt zu schütten müssen wir uns einen geeigneten Platz suchen um den Wagen zu parkieren. Wenn es hier regnet, und das hat es schon lange nicht mehr, darum ist der Boden auch so ausgetrocknet und hart, dann giesst es wie aus Kübeln und die Strasse kann zu einem Wildbach werden. Wir suchen also einen Platz der nicht überschwemmt werden kann und wo wir vor möglichen Geröll-Lawinen sicher sind. Denn die gibt es hier auch.“

„Du hast wirklich die Ruhe weg, sag mir wonach ich Ausschau halten soll.“

„Am besten ist es wenn …. dort drüben, da ist der ideale Platz.“ Peter verliess die Strasse und steuerte den Wagen eine kleine, felsige Anhöhe hinauf.

„Hier sind wir weg von der Strasse und auf dem Fels müssen wir nicht damit rechnen, dass uns der Hang unter dem Arsch weggeschwemmt wird.“

Es reichte noch für eine Zigarette im Freien, dann begann es urplötzlich sintflutartig zu regen. Der Regen prasselte so laut auf das Dach, das sie schreien mussten um sich zu verständigen.

„Bleib vom Metall weg, es ist möglich dass der Blitz einschlägt und dann siehst du alt aus.“

Herbi zog seine Hände und Arme zurück.

„Worauf habe ich mich da nur eingelassen“, der Lärm übertönte seine Worte.

Und so schnell wie es gekommen, war das Unwetter auch wieder vorbei.

„Dumm dass es ganz aufgehört hat zu schütten, wir könnten jetzt einen leichten Regen brauchen, mindestens während den nächsten Stunden.“

„Kaum ist es trocken hast du wieder etwas zu meckern. Sei doch froh dass es vorbei ist, nun können wir weiterfahren.“

„Mein lieber Herbi, ich möchte nicht den Anschein erwecken, dass ich schon wieder am jammern bin“. Peter sprach mit ruhiger, salbungsvoller Stimme. „Nur wenn wir jetzt weiterfahren werden wir leider Spuren hinterlassen denen andere folgen können. Würde der Himmel noch ein bisschen Regen fallen lassen, könnten wir die Hoffnung hegen, unsere Spuren würden vom Wasser weggeschwemmt. Dies ist der einzige Grund warum ich noch etwas Regen erhofft habe.

Und bevor Herbi noch etwas sagen konnte, setzte erneut Regen ein.

Der Himmel hatte Peters Wunsch erhört und dieser sass nun hinter dem Lenkrad und hatte ein überirdisches, verklärtes Lächeln aufgesetzt.

Und tatsächlich, der Regen schwemmte ihre Reifenspuren weg. Fürs Erste waren sie sicher, waren sie ihre Verfolger losgeworden.

„Es ist Zeit dass wir einen Unterschlupf finden, langsam werde ich müde. Fahren bei Nacht und Regen ist kein Vergnügen. Ich kenne in der Nähe eine Höhle die für uns gross genug ist. Sie ist von der Strasse aus nicht zu sehen und da können wir uns aufs Ohr hauen. Einverstanden?“

„Wenn's trocken ist und wir unsere Ruhe haben bin ich mit allem einverstanden“, gähnte Herbi und reckte seine Arme aus.

****

Als sich Herbi am folgenden Morgen in der geräumigen Höhle umsah, bemerkte er, dass der Schlafsack von Peter leer war. „Muss ein Frühaufsteher sein“, dachte er und schälte sich ebenfalls aus seinem Schlafsack.

Er streckte und reckte sich um die Lebensgeister zu wecken und schlenderte dann aus der Höhle.

Unweit davon sah er Peter nackt an einem kleinen Bach sitzen, die Füssen im Wasser. Grinsend ging er zu ihm hin.

„Du musst nur achtgeben, dass dich hier keine hübschen Señoritas finden, sonst ist es mit der Ruhe vorbei.“

„Das wird nicht geschehen. Hier hin kommt niemand und wenn du noch etwas von dem kühlen Wasser geniessen willst, musst du dich beeilen, in einer halben Stunde ist der Bach wieder trocken wie die Sahara.“

„Das sagst du erst jetzt? Wir sollten unsere Wasservorräte auffüllen.“

Herbi wollte zum Wagen laufen.

„Langsam, mein Freund, das habe ich längst getan. Du hast es einfach verschlafen. Komm und stecke deine Füsse ins Wasser, es ist herrlich.“

Herbi zog seine Stiefel aus und versenkte seine Füsse im kühlen Nass.

„Wo hast du Deutsch gelernt? Bestimmt nicht in der russischen Armee.“

Herbi deutete auf Peters Tattoo. Auf seinem linken Oberarm hatte er eine Schlange eintätowiert die sich in einem Kreis um ein keltisches Kreuz schlang.

„Bist du immer so neugierig?“

„Nur wenn ich wissen will, mit wem ich unterwegs bin. Vielleicht kann ich dann besser abschätzen was noch auf mich zukommt.“

Peter schwieg lange.

„Deutsch habe ich in Leipzig gelernt. So wie meine Kameraden auch.“

„Deine Partner?“

„Ja.“ Wieder schwieg Peter. Herbi sass neben ihm und schaute wie der Bach zu seinen Füssen langsam versiegte.

„Wenn du willst, helfe ich dir bei der Suche nach deiner verschwundenen Kameradin.“

„Ich weiss nicht ob sie noch lebt. Und es ist ein grosses Land, vielleicht zu gross um sie zu finden. Kann auch sein, dass sie nicht gefunden werden will.“

„Vergiss nicht, auch wenn sie sich dem Leben hier angepasst hat, sie wird immer als Ausländerin auffallen. Das siehst du doch bei uns beiden. So könnten wir sie finden.“

Peter sass schweigend am ausgetrockneten Bach.

„Du willst in die Mondberge zur Schatzsuche? Und das soll ich dir glauben?“ Peter drehte sich zu Herbi um.

„Ich kenne die Berge, da oben gibt es nichts, keine Minen, keine Schätze, nur Steine – und Banden die von Kokainschmuggel und Erpressung leben. Und zu dehnen willst du gehen?“

Herbi schaute Peter ruhig in die Augen.

„Du hast Recht, da oben gibt es nichts was sich lohnen würde und es war auch nie mein Ziel.“

„Und was ist dein Ziel?“ Hinter sich hörte Peter das metallische Klicken von Gewehrverschlüssen. Ruhig blieb er sitzen.

„Das also ist dein Ziel?“

Herbi schaute Peter noch immer ruhig in die Augen.

„Meine Aufgabe war vier Auftragsmörder zu finden und ihrer gerechten Strafe zu zuführen. Zwei sind schon tot, eine in den Händen einer Bande in den Bergen und der Vierte bist du.

Dumm nur, dass du jetzt so nackt und hilflos den Menschen ausgeliefert bist, deren Existenz und Leben ihr zerstört habt.“

„Bist du so sicher, dass ich daran beteiligt war?“

„Wir haben den Land Rover gefunden.“

„Das heisst noch nichts.“

„Die Spezialvorrichtung war noch fest montiert. Es hat eine Weile gedauert bis ich begriffen habe wie es funktioniert.

Ich hätte nie gedacht, dass man Projektile aus Eis so präzis und auf so grosse Distanzen Schiessen kann. Genial wie ihr es geschafft habt, bei diesem Klima das Wasser so schnell gefrieren zu lassen. Ich vermute, dass ihr das Eis mit Nervengift versetzt habt.

Darum starben die Opfer so schnell und deshalb sah es immer so aus als wäre es ein Herzinfarkt gewesen.“

„Was geschieht mit dem Apparat? Du willst ihn doch nicht denen überlassen?“

Peter drehte leicht den Kopf nach hinten.

„Nein, die Maschine habe ich auseinandergenommen und sie ist nun auf dem Weg zu meinem Auftraggeber. Was der damit macht ist seine Sache. Hier wird es keinen Mord mehr damit geben.“

„Es scheint als hätten wir die Kanone mehr einsetzten sollen, dann wären wir vielleicht davon gekommen.“

„Was dir nun bestimmt nicht mehr gelingen wird.“

Herbi schaute auf die Männer hinter Peter. Die entschlossenen Gesichter und die schussbereiten Gewehre liessen keinen Zweifel aufkommen. Wenn nötig würden sie sofort Schiessen.

Peter drehte sich nicht um, sondern blieb ruhig sitzen. Er wusste wenn er verloren hatte.

„Und die haben dich angeheuert? Die können dir keinen einzigen Peso zahlen und du machst das bestimmt nicht aus Nächstenliebe.“

„Diese Leute sind nicht meine Auftraggeber, sie sind nur Opfer, so wie andere Menschen auf dieser Welt. Auch sie waren im Weg und mussten weg. Und dafür habt ihr gesorgt, an vielen Orten, - an zu vielen Orten.“

„Wie hast du erfahren wo wir sind?“

„Wie mein Auftraggeber euch gefunden hat, weiss ich nicht. Ich erfuhr nur, wer ihr seid und wo ich euch finden kann und das habe ich. Zu mindestens noch zwei von euch.

Euer Fehler war, dass ihr nicht regelmässig das Fahrzeug gewechselt habt. Ihr seid am Ende deshalb aufgefallen.

„Und wie hast du mich gefunden?

Wenn ich nun nicht in die Bar gekommen wäre?“

„Ich wusste, wo du bist und wusste auch, dass du in der Bar auftauchen wirst, es war nur eine Frage der Zeit“.

„Und die hier?“

Peter deutete auf die Männer hinter sich.

„Die hatten keine Mühe uns zu folgen, mit einem Peilsender ist das keine allzu schwierige Aufgabe.“

Herbi stand langsam auf und schaute auf Peter hinunter.

„Dein Pech ist, das jemand herausgefunden hat, wer ihr seid und für wen ihr arbeitet.

Die Suche nach euch und den Drahtziehern hat lange gedauert. Nun sind auch deine Auftraggeber bekannt und auch sie werden zur Rechenschaft gezogen.“

Peter sass immer noch regungslos da.

„Du wirst bald Besuch aus den Mondbergen bekommen. Deine Kameradin lebt noch und ist auf dem Weg hierher.

Hat nicht mal Lösegeld gekostet. Das wollten sie nicht. Sie wollen etwas anderes.“

„Du weisst, dass sie uns umbringen werden“.

„Darauf habe ich keinen Einfluss. Sie haben gesagt, dass sie für Gerechtigkeit sorgen werden. Sie werden euch den Prozess machen. Und das ist mehr als ihr ihnen zugestanden habt.“

Herbi zog seine Stiefel an.

„Du entschuldigst mich, ich muss weiter, ich habe von einem kleinen Diamantenfeld gehört und wenn ich schon mal in der Gegend bin, kann ich mich ja mal umschauen.“

Er ging an Peter vorbei auf die Höhle zu und schaute nicht mehr zurück.

Sein Job war erledigt und er konnte sich endlich wieder auf Schatzsuche begeben. Hoffentlich würde ihm die Polizei keinen Strich durch die Rechnung machen.

Er hatte noch immer keine Erlaubnis sich in dieser Gegend aufzuhalten und er konnte sich schöneres vorstellen als hier im Gefängnis zu verrotten.

Doch das war sein Risiko.

Das Ende ist immer nahe 2

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