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ОглавлениеIch will keinen Hund
Eigentlich will ich gar keinen Hund. Unsere Tochter liegt mir in den Ohren. Sie möchte so einen kleinen, weißen, quirligen Kuschelhund. Ich lehne ab. „Wenn überhaupt, dann doch eher einen aus dem Tierheim. Kein Tier hat es verdient, lange dort zu bleiben.“ Das sage ich so leicht dahin und sie wittert ihre Chance. Dann war sie für ein Schulprojekt in einem Tierheim und hat Bilder einer weißen Hündin aus Rumänien mitgebracht, die ganz lieb und zutraulich gewesen sein soll. Ich sage: „Nein, wir haben schon Goldhamster, das reicht und bindet unsere Familie genügend.“ Für zwei Goldhamster gleichzeitig Pflegefamilien während der Sommerferien zu finden, ist schon schwierig. Aber ein Hund? Den darf man ja nun auch nicht überall mit hinnehmen. Also bleibt es beim Nein. Erst mal.
Monate später liegt eine Stadtteilzeitung auf unserem Terrassentisch mit dem Bild eines Hundes auf der Rückseite. Es ist ein hübsches Tier. Hellbraunes Fell und weiße Pfoten, aufgerichtete Ohren, weiß im Gesicht mit einer dicken schwarzen Nase mittendrin. „Der liebe Moses“, lautet die Überschrift. Ich schaue im Vorbeigehen auf das Bild. Immer wieder. Ich glaube, meine Tochter hat die Zeitung bewusst dort abgelegt, denn zu dieser Jahreszeit gehe ich diesen Weg sehr oft nach draußen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Hund mich jedes Mal anschaut. Der Artikel handelt vom Tierheim und Moses, der ein neues Zuhause sucht. „Guck mal“, sagt meine Tochter, „ein Hund! Ist der nicht süß!?“ „Ich will keinen Hund.“ „Aber wenn ich mich darum kümmere? Ich verspreche es!“ Das würde sowieso nur noch für fünf bis sechs Jahre so sein, dann wäre sie aus dem Haus. Der Hund aber wäre immer noch bei uns und wahrscheinlich würde das „Kümmern“ schon eher auf mich zurückfallen. Man kennt das ja, in der Pubertät werden andere Dinge plötzlich viel wichtiger als Haustiere. Doch jedes Mal, wenn ich sein Bild sehe, habe ich den Eindruck, dass er mich immer eindringlicher anschaut. Fast wie in den Geschichten von Harry Potter, in denen die Figuren in den Bilderrahmen ein Eigenleben führen. „Wir können ihn uns ja mal angucken“, sage ich leichtsinnig, nachdem ich den Artikel gelesen habe. Moses, als Welpe ausgesetzt, angefahren, operiert und dann im Tierheim abgegeben, war einige Jahre in einer Familie, die ihn nun wieder zurückgebracht hat. Warum bleibt offen.