Читать книгу Unerfreuliche Geheimnisse - Ute Dombrowski - Страница 11

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In der Schule passten die Mädchen immer gut auf, dass Nelly und Marius sich nicht begegneten. Sie sah ihn ab und zu, aber wenn er sie anschaute, lief sie schnell weg. Simona war empört gewesen, als Nelly ihr die Begegnung von Paolo und Marius beschrieben hatte.

Nach dem Englischunterricht lief Nelly mit ihrer Freundin zur Sporthalle und die beiden wurden Zeugen, wie Frau Bürau mit gewohnt schlechter Laune einem Mädchen aus der Neunten den Zugang zur Turnhalle verweigerte. Nelly erkannte Juliette und ging zu ihr. Mit einem freundlichen Lächeln griff sie in die vordere Tasche ihrer Sporttasche und reichte dem verzweifelten Mädchen einen ihrer Haargummis. Heide Büraus Lippen waren zu einem schmalen Strich geworden. Sie drehte sich abrupt um und ließ die Mädchen stehen. Juliette atmete hörbar auf.

„Jetzt hast du mich schon wieder gerettet. Danke, Nelly.“

„Das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Als ich in der Neunten meinen Haargummi vergessen hatte, begann eine aufregende Zeit.“

Simona hatte schweigend zugehört und betrachtete eingehend ihre Schuhe. Sie wusste, was Nelly meinte und schämte sich. Wie gut, dass die Katastrophe damals noch einmal gut ausgegangen war.

„Das ist Juliette, das ist meine Freundin Simona“, erklärte Nelly. „Juliette und ich sind uns am Wochenende in Eltville begegnet. Da hat aber Leon sie gerettet. Komm, wir gehen rein, sonst bekommst du noch mehr Stress.“

„Oh ja, ich beneide euch, dass ihr nicht mehr bei der blöden Kuh Sport habt. Nochmal danke, vielleicht können wir uns mal verabreden.“

„Gerne, du kannst ja mal mit Simona und mir in die Stadt gehen.“

Damit waren sie an der Tür zur Umkleidekabine der Neuntklässlerinnen angekommen, hinter der wildes Mädchengekicher ertönte. Eine Tür weiter saßen die abgeklärten, jungen Damen und zogen sich um.

„Wo wart ihr denn noch?“, wollte Ina wissen.

Simona setzte sich zu ihr.

„Wir haben eine aus der neunten Klasse vor dem Hofdienst gerettet. Ihr hättet das Gesicht der Bürau sehen sollen.“

Die Mädchen applaudierten. Ina sah Nelly herausfordernd an.

„Ich dachte schon, du hast eine Verabredung mit Marius.“

„Was soll das denn?“, fauchte Nelly sie an. „Hast du keine eigenen Probleme? Ich habe echt keine Lust mehr, mich ständig von dir damit nerven zu lassen. Verabrede du dich mit dem Kerl und lass mich in Ruhe.“

„Uh, Nelly, nun sei doch mal nicht so empfindlich. Das ist nur Spaß!“

„Auf so einen Spaß kann ich verzichten.“

Nach dem Sport rannten sie zum Bus, denn das Umziehen hatte ein bisschen zu lange gedauert. Im letzten Augenblick saßen sie auf den Plätzen. Was für ein Tag, dachte Nelly. Zuhause angekommen wartete die nächste unangenehme Überraschung auf sie.

„Die kleine Zicke! Guten Tag, liebe Nelly.“

Nelly war um die Ecke gekommen und direkt mit Marius zusammengeprallt. Er suchte nach Benjamin und wollte eben an der Haustür klingeln.

„Was willst du?“, fragte Nelly schroff.

„Ich muss etwas mit deinem Onkel besprechen, aber hier ist niemand. Kannst du mir sagen, wo ich noch suchen soll?“

Nelly wollte wütend antworten, dann dachte sie an Benjamins mahnende Worte, jeden Kunden mit Respekt zu behandeln, auch wenn er Marius Kopplings hieß. Sie schnaufte und stellte Schultasche und Sportsachen an die Seite.

„Komm mit! Ich gucke mal im Keller.“

Friedlich trabte der junge Mann hinter Nelly her. Benjamin war nicht im Keller, auch nicht in der Vinothek. Also gingen sie ins Haus, wo auf dem Küchentisch ein Zettel lag.

Ehe Nelly danach greifen konnte, nahm Marius ihn in die Hand und las laut vor: „Liebste Nelly, wir sind noch im Baumarkt. Nachher kommt der Sohn von deinem Direktor und will mit mir eine Feier besprechen. Sei nett zu ihm, sonst gibt es Ärger! Kuss Benni!“

Er ließ den Zettel auf den Tisch flattern und grinste.

„Dann sei mal schön nett zu mir, liebste Nelly. Kriege ich einen Kaffee? Das wäre sehr nett. Und dann setzen wir uns auf die Bank unter der Kastanie.“

Nelly presste die Lippen zusammen, stellte die Kaffeemaschine an und holte wortlos eine Tasse aus dem Schrank. Marius hatte ihr mit einem breiten Grinsen zugesehen.

„Sehr nett von dir, liebste Nelly. Ich hätte bitte ger­ne Milch und Zucker. Warum redest du nicht mit mir?“

„Weil ich nett sein soll. Wenn ich das sagen würde, was ich denke, würdest du gleich wieder petzen.“

„Du bist schon eine harte Nuss, muss ich sagen. Aber ich bin ein sehr geduldiger Mensch und kann warten, bis meine Chance gekommen ist. Sei ruhig zickig, irgendwann kommt meine Zeit.“

„Träum weiter. Hier ist dein Kaffee.“

Marius war zu ihr getreten und nahm ihr die Tasse ab, wobei er ihr sanft über die Finger strich. Böse blitzte es in Nellys Augen. Aber sie schwieg. Wenn das Paolo gesehen hätte, wäre der Teufel los. Sie folgte Marius nach draußen und setzte sich mit dem größtmöglichen Abstand zu ihm auf die Bank. Sie schwieg beharrlich, auch Marius sagte nichts, aber er saß entspannt und mit ausgestreckten Beinen dort und trank seinen Kaffee. Endlich kamen die Männer. Benjamin trat auf sie zu, was Nelly nutzte, um zu verschwinden.

„Guten Tag, Herr Kopplings, ich hoffe, meine Nichte hat sie gut unterhalten“, hörte Nelly und lief zu Paolo, der ihr grimmig entgegensah.

„Alles bestens, sie war charmant und sehr nett!“, erwiderte Marius und sah Nelly hinterher.

Bei Paolo angekommen, küsste sie ihn gierig. Paolos Laune war im Keller.

„Was will der Affe schon wieder hier? Hat er dich angemacht?“

„Er will etwas mit Benjamin besprechen und nein, er hat mich nicht angemacht. Ich war nur höflich. Paolo, ich kann nichts dafür, dass er so blöd ist.“

„Der soll dich nur einmal anfassen, dann breche ich ihm alle Knochen.“

„Ich will so etwas nicht hören. Das bist nicht du! Jetzt komm mit rein und reg dich wieder ab.“

Paolo ließ sich von Nelly in die Küche ziehen, wo sie ihm auch noch eine Tasse Kaffee eingoss und sich auf seinen Schoß setzte.

„Ich habe heute mit Juliette geredet, weißt du, die mit den Inline-Skatern. Sie hatte ihren Haargummi vergessen.“

Obwohl Paolo noch sauer war, musste er bei der Erwähnung des Haargummis lachen. Damit hat alles angefangen, dachte er und küsste Nelly sanft.

„Hallo, ihr Turteltauben“, rief Christian von der Tür her. „Ich komme jetzt rein und hoffe, ihr seid angezogen.“

Nelly streckte ihm die Faust entgegen.

„Papa, du bist so peinlich. Wir sind immer angezogen. Also sag mal!“

„Paolo, dachtest du, ich räume alleine das Auto aus?“

„Entschuldige, ich komme. Nelly, gib deinem Papa einen Kaffee, ich gehe arbeiten. Vielleicht sehe ich den Typen noch draußen, dann sage ich ihm was!“

Mit diesen Worten war er aus der Tür und Christian schaute seine Tochter nachdenklich an. Was war hier los?

„Kummer? Was für ein Typ?“

„Ach nichts, Papa. Der Kerl, mit dem Benni gerade redet, ist an meiner Schule und der Sohn vom Direx. Paolo mag ihn nicht, weil er mich … naja … er hat mich eingeladen. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich einen Freund habe.“

„Ei, ei, das klingt nach Ärger. Ich kenne das von deiner Mutter. Mädchen, sei brav und lass dich auf nichts ein, was du im nächsten Moment bereuen würdest.“

Nelly schüttelte den Kopf und goss Milch in den Kaffee. Sie setzte sich zu ihrem Vater an den Tisch und nahm das Mathematikbuch aus der Tasche, um sich die Hausaufgaben anzusehen. Es waren acht Aufgaben, aber sie waren nicht schwer. Nelly seufzte und begann mit der Arbeit. Als Paolo später wieder hereinkam, war das Thema Marius vom Tisch.


Unerfreuliche Geheimnisse

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