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3.8Rechtsschutz von Parteien

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162Die Zwitterstellung der Parteien als in der Gesellschaft wurzelnde Organisationen einerseits, mit unentbehrlicher Mittlerfunktion für die Besetzung von Staatsorganen andererseits, zeigt auch Auswirkungen im Prozessrecht.

Inner- und zwischenparteiliche Streitigkeiten werden in der Regel gemäß § 13 GVG vor den Zivilgerichten ausgetragen. Insoweit dominiert der Charakter als privatrechtliche Vereinigung. Die Aktiv- und Passivlegitimation, dh. die Fähigkeit, Ansprüche gerichtlich geltend zu machen und die Eigenschaft, gerichtlich in Anspruch genommen werden zu können, ist in § 3 PartG geregelt.108 Diese Vorschrift gilt für alle Gerichtszweige.

163Sieht eine Partei sich durch Träger hoheitlicher Gewalt beeinträchtigt, die nicht Verfassungsorgane sind, also etwa bei Streitigkeiten um den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen, ist gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.109 Ist dieser Rechtsweg erschöpft, so besteht die Möglichkeit eine etwaige Grundrechtsverletzung durch den Träger öffentlicher Gewalt im Wege der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht geltend zu machen.

164Geht die behauptete Verletzung dagegen unmittelbar von einem Verfassungsorgan aus, insbesondere von Bundestag und Bundesrat als Parteien- oder Wahlrechtsgesetzgeber, so hält das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung das Organstreitverfahren für zulässig. Parteien110 sollen dann als „andere Beteiligte, die durch dieses Grundgesetz mit eigenen Rechten ausgestattet sind“, namentlich wegen ihrer besonderen Rechtsstellung gemäß Art. 21 GG, beteiligtenfähig sein. Die Anerkennung der Beteiligtenfähigkeit im Organstreitverfahren geht zurück bis auf den Staatsgerichtshof der Weimarer Republik.111 Allerdings kannte die Weimarer Reichsverfassung keine Verfassungsbeschwerde. Mit Einführung der Verfassungsbeschwerde ist die Beteiligtenfähigkeit der Parteien im Organstreitverfahren aus Rechtsschutzgründen nicht mehr nötig. Sie ist auch systematisch nicht zwingend. Tatsächlich entscheidet nicht die jeweils betroffene Rechtsposition der Partei über den Rechtsweg oder den Rechtsbehelf, sondern allein, ob Gegner im Rechtsstreit ein nach Verfassungsrecht handelndes Verfassungsorgan ist.112 Das Bundesverfassungsgericht hält allerdings unbeirrt an seiner Rechtsprechung fest.

164aDurch das 59. GG-Änderungsgesetz vom 11.7.2012 hat die Beschwerde von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag Eingang in die Verfassung gefunden. Das Verfahren ist in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c GG iVm. § 13 Nr. 3a BVerfGG, §§ 96a – d BVerfGG näher geregelt. Das Verfahren dient allein dazu, im Hinblick auf eine konkrete Wahl die Parteieigenschaft zu prüfen, um zu verhindern, dass eine Vereinigung zu Unrecht von der Wahl ausgeschlossen wird. Mit ihr kann nicht der Zweck verfolgt werden, ganz allgemein die Eigenschaft als Partei höchstrichterlich feststellen zu lassen.113

Rechtsprechung: BVerfGE 4, 27 – Wahlrechtsgleichheit; 134, 121 – Nichtanerkennungsbeschwerde.

Literatur: H. Maurer, Die politischen Parteien im Prozess, JuS 1992, 296.

Lösung zu Fall 3: Spitzenkandidaten114

Haben die ausgeschlossenen Parteien einen Anspruch auf Teilnahme ihrer Spitzenkandidaten an der geplanten Fernsehsendung?

Die ausgeschlossenen Parteien haben einen Anspruch auf Teilnahme ihrer Spitzenkandidaten, wenn hierfür eine gesetzliche Anspruchsgrundlage besteht und deren Voraussetzungen erfüllt sind.

I.Anspruch aus dem ZDF-Staatsvertrag

Ein Anspruch könnte im ZDF-Staatsvertrag zu finden sein.

Gemäß § 11 Abs. 1 ZDF-Staatsvertrag ist Parteien während ihrer Beteiligung an den Wahlen zum Deutschen Bundestag angemessene Sendezeit einzuräumen, wenn mindestens eine Landesliste für sie zugelassen wurde. Allerdings beanspruchen die Parteien hier keine Sendezeit für eigene Wahlwerbung, sondern Beteiligung in einer redaktionell gestalteten Sendung. Damit ist die in § 11 ZDF-Staatsvertrag ausgesprochene Rechtsfolge nicht geeignet, das Begehren der Parteien zu verwirklichen. § 11 ZDF-Staatsvertrag ist keine taugliche Anspruchsgrundlage.

II.Anspruch aus § 5 PartG

1. Anspruchsgrundlage. Ein Rechtsanspruch auf Teilnahme könnte sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG ergeben, der Parteien einen Anspruch auf Gleichbehandlung gegenüber Trägern öffentlicher Gewalt gewährt, die Parteien Einrichtungen zur Verfügung stellen oder andere öffentliche Leistungen gewähren.

2. Anspruchsvoraussetzungen. Die formellen und materiellen Anspruchsvoraussetzungen müssten erfüllt sein.

a) Formelle Anspruchsvoraussetzungen. Formell ist Voraussetzung, dass die Parteien einen entsprechenden Antrag beim ZDF stellen. Dies ist der Fall.

b) Materielle Anspruchsvoraussetzungen

aa) Träger öffentlicher Gewalt. Das ZDF müsste ein Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG sein. Das ZDF ist gemäß § 1 Abs. 1 ZDF-Staatsvertrag eine Anstalt des öffentlichen Rechts und damit eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Damit ist es grundsätzlich zur Ausübung öffentlicher Gewalt befähigt. Allerdings ist das ZDF in Bezug auf die Veranstaltung von Fernsehsendungen auch Träger der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Für die Beantwortung der Frage, ob das ZDF Träger öffentlicher Gewalt ist, ist also danach zu unterscheiden, welche seiner Aufgaben es wahrnimmt. Soweit es in seiner Eigenschaft als öffentliche Einrichtung den Parteien Sendezeiten für Wahlwerbespots zuteilt oder verweigert, übt es öffentliche Gewalt aus. Hier handelt es sich jedoch um eine redaktionell gestaltete Sendung. Damit handelt das ZDF in dem von der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Bereich. Es ist insoweit nicht Träger öffentlicher Gewalt.

bb) Einrichtungen zur Verfügung stellen oder Leistungen gewähren. Aus dem zuvor Gesagten folgt bereits, dass das ZDF mit der Einladung zu einer redaktionell gestalteten Sendung keine Einrichtung zur Verfügung stellt. Die Tatsache, dass die Spitzenkandidaten die Gelegenheit zur Darstellung erhalten, kann allerdings als das Gewähren einer Leistung aufgefasst werden. Diese Leistung ist aber – wie ausgeführt – gerade keine Leistung eines Trägers öffentlicher Gewalt. Sie ist tatsächliche Folge der Ausübung der Rundfunkfreiheit durch das ZDF.

3. Ergebnis. Ein Anspruch auf Beteiligung aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG besteht nicht.

III.Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 iVm. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG

1. Anspruchsgrundlage. Die Parteien könnten jedoch einen Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 iVm. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG haben.

2. Anspruchsvoraussetzungen. Voraussetzung ist, dass die Parteien sich gegenüber dem ZDF auf den Grundsatz der Chancengleichheit berufen können und dass eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vorliegt, die allein durch Beteiligung der bisher ausgeschlossenen Spitzenkandidaten beseitigt werden kann.

a) Geltung des Grundsatzes der Chancengleichheit. Die Anspruchsteller sind Parteien, so dass ihnen das Recht auf gleiche Chancen gemäß Art. 3 Abs. 1 iVm. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG zusteht. Fraglich ist, ob das ZDF verpflichtet ist, die Parteien gleich zu behandeln. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das ZDF bei redaktionell gestalteten Sendungen zwar Gebrauch von dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit macht (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 iVm. Art. 19 Abs. 3 GG), deshalb aber dennoch keine Privatperson ist, die von ihrer Freiheit nach Belieben Gebrauch machen kann. Die dem ZDF zustehende Rundfunkfreiheit steht im Dienst einer freien Meinungsbildung in der Öffentlichkeit. Daraus folgt, dass das ZDF die Rundfunkfreiheit nicht dazu nutzen darf, ihrerseits in den Wahlkampf einzugreifen. Die öffentliche Rundfunkanstalt hat folglich bei Ausübung ihrer Rundfunkfreiheit den Grundsatz der Chancengleichheit zu beachten.

b) Ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Der Grundsatz der Chancengleichheit verbietet eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung.

aa) Ungleichbehandlung. Indem das ZDF nur die Spitzenkandidaten der drei größten im Bundestag vertretenen Parteien zu der Sendung „Zuschauer fragen Spitzenkandidaten“ einladen will, schließt es die Spitzenkandidaten der anderen Parteien aus und behandelt sie damit ungleich.

bb) Rechtfertigung. Diese Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt, wenn sie notwendige Folge eines schlüssigen redaktionellen Konzepts ist, das seinerseits der Chancengleichheit der Parteien hinreichend Rechnung trägt. Chancengleichheit der Parteien und Rundfunkfreiheit des ZDF müssen zum Ausgleich gebracht werden.

Die Begründung für die Beschränkung auf die drei größten im Bundestag vertretenen Parteien erschöpft sich hinsichtlich der drei kleineren Parteien in dem Hinweis auf die begrenzte Zeit. Angesichts des geringen zeitlichen Abstands zum Wahltag und der großen Bedeutung, die der Sendung zukommen soll, liegt in dem Ausschluss ein erheblicher Eingriff in die öffentlichkeitswirksamen Möglichkeiten der Parteien zur Selbstdarstellung und zur Darstellung ihrer Spitzenkandidaten. Dem Zeitfaktor könnte durch die Gestaltung der Sendung Rechnung getragen werden. Gerade, wenn den Interessen der Zuschauer Raum gegeben werden soll, erscheint der Ausschluss dreier im Bundestag vertretener Parteien nicht als notwendige oder auch nur folgerichtige Umsetzung des Konzepts.

Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn allein die Spitzenkandidaten der drei größten Parteien Aussicht auf das Kanzleramt haben und es in der Sendung darum geht, die Kanzlerkandidaten vorzustellen und dies auch im Titel der Sendung zum Ausdruck kommt. Dann wäre die Beschränkung die sachgerechte Umsetzung des redaktionellen Konzepts.115

Hinsichtlich des Ausschlusses der nicht im Bundestag vertretenen Partei fällt als rechtfertigender Grund ins Gewicht, dass die Spitzenkandidaten zu ihren bisherigen Leistungen und Erfahrungen in der Bundestagsarbeit befragt werden sollen. Da es sich – jedenfalls mit sechs Spitzenkandidaten – bereits um eine größere Runde handelt, ist das Kriterium „Vertretung im Bundestag“ ein sachgerechter Gesichtspunkt.116

3. Ergebnis. Die drei kleineren im Bundestag vertretenen Parteien haben einen Anspruch auf Einladung auch ihrer Spitzenkandidaten. Dagegen hat die Spitzenkandidatin der L-Partei keinen Anspruch auf Teilnahme an der Wahlsendung.

Zusatzbemerkung: Wegen des Zeitfaktors würde der Rechtsstreit im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes vor den Verwaltungsgerichten und ggf. vor dem Bundesverfassungsgericht gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG ausgetragen werden. Zulässiges Verfahren in der Hauptsache vor dem Bundesverfassungsgericht wäre eine Verfassungsbeschwerde.

Staatsrecht I

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