Читать книгу Affären einer Pharmareferentin - Ute Richter - Страница 6

A – wie Dr. Albertino

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„Hallo, Dr. Albertino, ich bin froh, Sie nach dem letzten peinlichen Zwischenfall zu Ihrer Praxiseröffnung, hier ganz allein wiederzusehen und natürlich muss ich mich bei Ihnen entschuldigen für das etwas unpassende Mitbringsel, auch wenn es einige Besucher sehr witzig fanden – glauben Sie mir bitte – mir ist es immer noch sehr fatal!“ sagte Susi.

„Sorry, im Moment kann ich mich überhaupt nicht an Sie erinnern!“ erwiderte der Doktor.

„Na, ich bin doch die Pharmareferentin mit dem dämlichen Fernrohr! Sie haben gelacht über mich.“ so Susi.

„Ach ja, natürlich jetzt fällt es mir wieder ein! War doch lustig von Ihnen, ich meine dieses Geschenk. Wissen Sie, viele Leute können natürlich nicht darüber lachen, das wissen wir beide! Intelligente Menschen haben bekannter Weise immer Humor und darum – wo liegt denn Ihr Problem?“ schmunzelte der Doktor.

„Ja, aber ich kam mir so unendlich dumm vor und deswegen bin ich jetzt hier, um mich bei Ihnen zu entschuldigen.“ betonte Susi. „Ach nun übertreiben Sie aber, “ meinte der Doktor „und um dieser Angelegenheit, die Sie doch mehr oder weniger verlegen macht, ein Ende zu bereiten, habe ich hier einen Vorschlag, wenn Sie möchten?“

„Und was soll das Ihrer Meinung nach sein?“ Susi verklickerte ihn mit einem fast bösen Blick, dass er nicht zu viel von ihr erwarten durfte. Albertino schmunzelte und das stand ihm fantastisch.

Mit seinem italienischen Charme sagte er sehr gelassen: „Zunächst kann ich Ihnen nur das DU anbieten, denn wie ich festgestellt habe, sind Sie oder auch Du meine zuständige Pharmareferentin und wir werden es sicher eine Weile miteinander aushalten müssen, ob wir nun wollen oder nicht, habe ich recht?“

Susi war perplex, und erwiderte sehr spontan: „Ach ja, ich hoffe, Sie nicht nur durch ein Fernglas zum Lachen bringen zu können, denn ein altes Sprichwort sagt: ‚Wozu in die Ferne schauen, sieh das Gute liegt so nah!‘“

„Das ist auch meine Meinung und deshalb möchte ich Dich für morgen Abend in mein Stammlokal einladen, gleich hier um die Ecke links, Du musst also kein Fernrohr mitbringen, wenn Du weißt, was ich meine?“

Susi fühlte sich angemacht von dem kleinen und viel zu schönen Italiener. Sie sagte gelassen: „Ich werde kommen, wie spät?“

„Ja, das ist immer so eine Sache, aber 20.00 Uhr ist okay und Du bist selbstverständlich von mir eingeladen!“ versicherte Albertino. Inzwischen waren aus dem Wartezimmer Stimmen zu hören, und es wurde Zeit für Susi zu gehen. Noch ein letzter Blick und mit einem fast zufriedenem Gesicht, verschwand sie wieder.

Zartlächelnd sagte sie: „Bis dann!“

Der Warteraum präsentierte sich übervoll mit schwangeren Frauen. Sie schaute kurz auf, und dachte: ‚Kinder kann ich keine kriegen, aber euren Doktor schon!‘

Dennoch erfasste sie eine gewisse Unsicherheit. Ob er sie seriös nahm? In ihrem Wagen angelangt, fragte sich Susi, was sie wohl am Abend anziehen könnte. Ihr Kleiderschrank sprang zwar bald aus den Nähten, doch etwas Passendes für diesen speziellen Anlass fehlte ihr. Lange Rede kurzer Sinn, sie hatte es wieder geschafft, ihren inneren Schweinehund zu besiegen und hielt es für zwingend nötig, in ihrer kleinen Nobelboutique vorbeizuschauen!

Für Susi eine wahre Fundgrube bei ausgebreiteter Schatzsuche. Nachdem sie endlich einen Parkplatz gefunden hatte, was in der Innenstadt nicht immer einfach war, lief sie zielorientiert durch die Fußgängerzone und verschwand in den kleinen Eckladen.

Schon lange hegte sie den Wunsch, in dieser Boutique wenigstens nur einmal unbegrenzt und nach Herzenslust einkaufen zu können, ohne an das nötige Kleingeld denken zu müssen!

‚Wer weiß, vielleicht ist es schon bald möglich? Mit der Visa-card von meinem Doktor natürlich. Ach, man müsste wenigstens ein paar Monate voraussehen können‘ dachte sie ‚welcher Name würde wohl beim Bezahlen herhalten müssen?‘

Sollte sie vielleicht mal zu einer Wahrsagerin gehen? Ihr erster Blick fiel auf ein knallrotes Minikleid.

‚Super das nehme ich!‘ dachte Susi und riss es vom Haken. Der Preis von satten 175 Euro schreckte sie ab. Aber, was soll’s?

Geiz war nun gar nicht angebracht, und sie musste investieren, sonst konnte sie ihren ABC-Plan vergessen.

Dieses Teil musste sie unbedingt haben, nicht nur für den Albertino-Abend!

Auf ging’s zur Anprobe, denn viel Zeit blieb ihr nicht zum Nachdenken, in wenigen Minuten erwartete man sie schon in der nächsten Praxis. Kaum hatte sie sich aus ihrem viel zu engen Shirt befreit, machte sich ein unangenehmer Duft breit. Sie war total verschwitzt, und ihr Deo lag wie immer im Auto.

Ein kurzer Blick in den Spiegel ließ Susi erschrecken.

Der abgetragene und mittlerweile vergraute BH konnte ihren Brüsten keinerlei Form verleihen. Einer der Bügel am Brustansatz fehlte. Beim Schleudergang der Waschmaschine hatte er Zuflucht in einem mit gewaschenem Slip gesucht. Nun verhielt sich ihre linke Brust anders als die rechte, hüpfte hin und her und auf und ab bei der kleinsten Bewegung. Der zu eng sitzende Slip versagte ihrer Figur jeglichen Liebreiz. Kurzum sie fühlte sich wie das Michelin-Männchen aus der Reifenreklame.

Ganz klar, so konnte sie niemals einen Mann verführen! ‚Hoffentlich passt das Kleid‘ dachte Susi und streifte es hastig über den Kopf, doch schon beim Busen blieb das Teil hängen. Kräftiges Ziehen half nichts, sie war gefangen in diesem Fetzen. Zornig auf alle Modemacher brach sie beinahe in Panik aus.

Das Etikett zierte eine kleine 44! Sollte sie nach 46 fragen? ‚Oh nein – das kommt nicht in Frage!‘ dachte Susi.

Nun kreuzte eine gutaussehende, schlanke Verkäuferin auf und fragte: „Kann ich Ihnen helfen?“

„Ja, holen Sie mich bitte ganz schnell aus diesem Fummel raus!“ befahl Susi „Und übrigens – das hier ist niemals meine Größe!“ Die Dame verkniff sich ein Schmunzeln, und erwiderte freundlich: „Dann nehmen Sie es doch einfach eine Nummer größer!“

„Na gut!“ stöhnte sie.

Die Verkäuferin brachte ihr schließlich diese Alternative, und Susi war schier begeistert von ihrem Erscheinungsbild.

Sie dachte: ‚Da wird der kleine Albertino aber große Augen machen!‘ und nahm sich vor, das kleine Etikett (Gr. 46) noch am Abend verschwinden zu lassen.

Am Parkplatz angekommen, erstaunte sie ein kleines weißes Papier an der Frontschutzscheibe ihres Wagens. Das hatte ihr gerade noch gefehlt, ein Strafzettel über 10 Euro, weil sie in aller Aufregung den Parkzettel in der Tasche statt im Auto verstaut hatte.

„Scheiße!“ brüllte Susi laut.

Daraufhin drehte sich ein sehr eleganter, weißhaariger Mann zu ihr um und schüttelte mit dem Kopf, als wollte er ihr sagen, wie gewöhnlich sie sei. Doch ohne ein Wort zu verlieren, stieg er in seinen BMW und fuhr mit Volldampf davon.

Susi schämte sich fürchterlich vor diesem attraktiven Mann. Was war denn nur in sie gefahren?

Ach, egal! Er würde ihr kein zweites Mal über den Weg laufen. Während der Fahrt zur nächsten Praxis drehte sie das Radio bis hinten auf. Es lief ihr Lieblingslied „SUPERGIRL“!

So laut sie konnte – sang sie mit und wollte somit ihren innerlichen Frust abbauen.

‚Susi – ein Supergirl!‘ dachte sie verträumt ein paar Minuten lang. Doch die Realität holte sie schnell wieder ein, als sie vor einer Ampel stehend, ein wildes Hupkonzert hinter sich hörte.

Grüner wurde es nicht mehr, doch sie hatte es nicht bemerkt. Susi wusste, dass nun keine Zeit für Träumereien war. Einen letzten Termin musste sie noch wahrnehmen, um ihre Medikamente an den Mann zu kriegen. Danach war endlich Feierabend bei dieser Affenhitze.

Ziemlich abgespannt betrat sie ihre kleine Wohnung und sah sich um. ‚Hier muss sich auch viel verändern‘, dachte sie bei sich. Die Tapeten hatte Rolf vor einigen Jahren angeklebt, die Möbel waren unmodern geworden und der Teppich zeigte mehr Flecken als Muster auf. So konnte sie keinen Mann empfangen, das war sicher! Aber wie sollte sie das nötige Geld auftreiben?

‚Eventuell kann mir ein Kredit weiterhelfen‘, überlegte Susi. Schon morgen würde sie zu ihrer Bank gehen und um ein Darlehen bitten, immerhin stand ihr Konto wieder im Plusbereich.

Nach dem Duschen ging Susi sofort ins Bett. Ihr letzter Gedanke vorm Einschlafen war, dass sie unbedingt neue Bettwäsche kaufen müsste. Danach schlummerte sie ins Land der Träume.

Am folgenden Morgen hatte Susi keine Lust aufzustehen. Als der Wecker schellte, fühlte sie eine innere Unruhe.

Dieser Abend würde für sie sicher unvergesslich bleiben, denn Dr. Albertino war der erste Mann in ihrem ABC-Plan.

In der morgendlichen Nüchternheit, die sie durchströmte, kam ihr das Ganze für einen Augenblick sogar etwas lächerlich vor. Ihre Antennen standen noch nicht auf Empfang, sie fühlte sich kaputt und ausgelaugt.

Ob sie sich auf ein Abenteuer mit diesem kleinen Italiener einlassen sollte? Sie würde niemanden betrügen und somit kein schlechtes Gewissen haben müssen.

Mit einem Schwung hüpfte sie aus ihrem Bett, stellte das Radio an und begann mit ihrer morgendlichen Toilette.

Unter der Dusche stehend, betrachtete sie ihren Körper und überlegte krampfhaft, wann sie zum letzten Mal Sex hatte. Mein Gott war das lange her! Vielleicht anderthalb Jahre? Oder auch schon zwei? Hatte sie es überhaupt noch drauf, mit einem Mann in die Kiste zu steigen? Diese Unsicherheit bereitete ihr plötzliches Kopfzerbrechen.

‚Den Tag ruhig angehen lassen‘, dachte sie.

Am Abend wollte sie fit sein und sehr gut aussehen. Was stand auf dem heutigen Tourenplan?

Ihr erster Termin war bei einer arroganten und sehr unsympathischen Allgemeinmedizinerin namens Wagenbrecht.

Diese Dame mittleren Alters war der Horror eines jeden Vertreters. Das hatte Susi gerade noch gefehlt! Sie nahm sich fest vor, cool zu bleiben und sich keinesfalls von dieser Person, den Tag verderben zu lassen. Mit gemischten Gefühlen betrat sie das Wartezimmer und schon packte sie eine Art Panikanfall.

Sie ging zu einer der Arzthelferinnen und piepte mit dezenter Stimme: „Für neun Uhr hatte ich einen Termin bei Frau Doktor Wagenbrecht!“ „Moment bitte, Sie sehen doch was hier los ist!“ antwortete diese schroff. Susi fühlte sich wie in der Höhle des Löwen und wäre am liebsten weggelaufen, doch sie blieb, denn genau das gehörte zu ihrem Job! In nur wenigen Minuten würde sie wieder in ihrem Auto sitzen und sich auf den bevorstehenden Abend mit Dr. Albertino freuen können. Plötzlich wurde sie aufgefordert, ins Sprechzimmer zu kommen – von Frau Doktor persönlich.

Mit einer eleganten Geste schwang Susi ihre Aktentasche unterm Arm und betrat das gefürchtete Terrain. Doch sie traute ihren Augen nicht, denn diese Wagenbrecht schien heute unheimlich gut drauf zu sein. Sie begrüßte Susi beinah herzlich mit einem kräftigen Handschlag. Das Beratungsgespräch lief gut ab, und beide hatten dieses Mal keine Unstimmigkeiten miteinander. Kaum zu glauben, dass so etwas möglich sein konnte.

Beim Verabschieden war Susis Angst verflogen und endlich durfte sie den Raum, dieser viel gefürchteten Dame, verlassen.

Schon an der Tür angekommen, vernahm sie eine Frage aus dem Hinterhalt: „Was ist das eigentlich für ein Gestank, den sie mir hier zumuten?“ „Meinen Sie mein Parfüm?“ fragte Susi unsicher und schaute sich um. „Falls sie mich nochmals konsultieren möchten, dann bitte ich sie hiermit eindringlich, ohne diesen penetranten Geruch zu erscheinen. Von diesem Gestank wird einem ja übel. Nun muss ich wegen ihnen noch das Fenster aufreißen, finden sie das normal?“ fauchte die Doktorin vor Wut. Susi stammelte ein paar Worte der Entschuldigung, und zog sich zurück, indem sie die Tür von außen zumachte.

Erst als sie in ihrem Auto saß, realisierte sie sich, was vorgefallen war. Diese Wagenbrecht war wirklich der Teufel in Person. Musste sie sich das gefallen lassen? Dabei hatte sie viel Geld ausgegeben für ihr neues Parfüm.

Kein Wunder, dass diese alte Ziege keinen Mann abbekommen hatte. Minuten später beruhigte sich Susi wieder, denn ihr fiel ein, dass auch sie keinen Mann mehr hatte!

Bei den weiteren Arztbesuchen passierte nichts Außergewöhnliches an diesem Tag.

Auf dem Stellplatz vor ihrer Wohnung angekommen, fiel ihr die Tasche aus der Hand.

Lippenstift, Puder, Schlüssel etc. verstreuten sich über den rissigen und auch staubigen Boden unterm Auto.

Plötzlich klingelte ihr Handy. Sie fand es zwischen den beiden Vorderrädern und auf dem Display erschien die Nummer von ihrem Chef, den viel geliebten Mutz.

Der hatte ihr heute noch gefehlt, was er wohl schon wieder von ihr wollte? „Hallo, Herr Mutz, wie geht’s?“ fragte Susi unterm Auto liegend. Am anderen Ende war eine ziemlich piepsige Stimme wahrzunehmen: „Guten Tag Frau Reuther, wir gehen morgen zusammen auf Tour! Ich bin acht Uhr bei Ihnen vor der Tür und fahre dann mit Ihnen mit. Sie haben doch hoffentlich einen vollen Terminkalender? Anschließend müssen wir uns über Ihre Verkaufszahlen unterhalten. Haben Sie noch Fragen?“

„Nein!“ antwortete Susi kurz entschlossen.

„Also dann bis morgen!“ erwiderte Mutz und legte auf, bevor Susi sich verabschieden konnte.

Sie war total von den Socken, den ganzen Tag würde er ihr wieder auf die Nerven gehen, dieser Gnom von einem Möchte-Gern-Typen. Sie fand ihn zum Kotzen und musste doch immer schleimen, um ihn bei Laune zu halten. ‚Hoffentlich geht das morgen gut!‘ dachte Susi.

Sooft kam es gar nicht vor, dass er mit ihr mitfuhr. Dennoch, wenn es dann soweit war, brach sie regelrecht in Panik aus.

Die Umsätze waren momentan nicht so gut, denn die Urlaubszeit und das damit verbundene Sommerloch prägten den Verkauf. Wiedermal wurde ihr bewusst, was sie doch für einen erbärmlichen Job hatte.

Für heute hatte sie die Nase voll. Zuerst diese überdrehte Wagenbrecht und jetzt noch diese Witzfigur von Mutz. Wie lange würde sie dies alles noch ertragen können?

Inzwischen dachte sie an den bevorstehenden Abend mit Dr. Albertino.

Ganz bestimmt wollte er nicht nur essen mit ihr!? Hoffentlich nicht!!! Susi ließ der Fantasie freien Lauf und erinnerte sich an seinen letzten Blick auf ihren Hintern, als sie sein Sprechzimmer verließ. Dieser war ziemlich eindeutig ihrer Meinung nach. Natürlich wollte er mehr von ihr – ganz klar!

In Windeseile ging sie duschen, rasierte die Beine und auch andere diverse Körperteile, die es nötig hatten. Sie wollte umwerfend aussehen, um diesen aparten Italiener verführen zu können.

Mittlerweile war es 19.00 Uhr und sie musste sich beeilen, wenn sie pünktlich sein wollte.

Zufrieden schaute sie in den Spiegel und fühlte sich unheimlich sexy in dem neuen roten Kleid. Ihr Haar trug sie hochgesteckt, was sie noch einen Hauch anziehender machte.

Irgendwie ähnelte Albertino diesem smarten Typ aus der Fernsehwerbung von der Cappuccino-Reklame, der da immer sagte: „Aber ich habe doch gar keinen Wagen … “

Susi wurde zunehmend nervöser, innerhalb weniger Minuten musste sie loslaufen und das brachte sie beinah um den Verstand. Ihr Herz klopfte wie verrückt vor lauter Aufregung. Beinah hätte sie die Kontrolle über sich selbst verloren.

Voller Anspannung verließ sie ihre Wohnung, lief durch die noch stark frequentierten Straßen bis sie endlich am Ziel anlangte.

‚Hier muss es sein‘, dachte sie und riss die Eingangstür entschlossen auf. Keiner sollte merken, wie stressig sie sich fühlte. Selbstbewusst wollte sie erscheinen und das gelang ihr auch, denn jedermann im Lokal drehte sich nach ihr um. Auch die anwesenden Frauen schauten Susi taxierend an. Das gab ihr Selbstvertrauen und sie strotzte vor Stolz. Plötzlich begannen ihre Augen zu leuchten, nein unendlich viele Blitze schienen ihre Pupillen zu verformen. Wie aus dem Nichts stand ihr Traumprinz, Dr. Albertino, vor ihr.

„Guten Abend Susi, ich freue mich sehr, dass Du kommen konntest!“ sagte der Doktor.

„Hallo, schön Dich zu sehen!“ entgegnete Susi.

„Komm, wir setzen uns gemütlich an den hintersten Tisch, da sind wir beide ungestört und können in Ruhe essen.“

Er nahm sie am Arm und glitt gefühlsvoll bis zum Handgelenk hinunter. Sie spürte ein leichtes, aber durchaus angenehmes, Kribbeln auf der Haut. An einem kleinen, runden Tisch im Kerzenlicht nahmen beide Platz. Er hielt noch stets ihre linke Hand fest, und meinte: „Der Champagner kommt sofort und dann besiegeln wir unser Du, recht so?“ „Ja, gerne!“ stammelte sie.

15

Eine attraktive Serviererin brachte den Sekt an den Tisch. Mit viel Geschick öffnete sie die Flasche, und goss beide Gläser voll. „Danke, Conny!“ sagte der Doktor und zwinkerte verwegen dem jungen Mädchen zu.

„Prost meine Schöne, ich bin Silvio, auf Dein Wohl!“ so der Charmeur. „Salute, Silvio, ich bin Susi! Auf Dein Wohl!“ antwortete sie. Sie schauten sich in die Augen. Er hielt ihrem Blick stand und das machte sie unsicher. Es war lange her, dass ein Mann sie in Verlegenheit brachte. Mit einem weiteren Glas Champagner in der Hand fühlte sie sich zunehmend sicherer und trank es in vollen Zügen aus.

Silvio hatte das ‚gewisse Etwas‘ und das wusste er selber auch. Sein italienischer Charme mit dem dazugehörigen Akzent, sowie die gepflegte Erscheinung, ließen jedes Frauenherz höher schlagen. Susi war hin- und hergerissen von ihrem Gegenüber. Sie bemerkte sehr schnell, dass sie bereits Feuer gefangen hatte.

Beide unterhielten sich angeregt, und sprachen natürlich auch über ihre Arbeit, die sie verband und durch die sie sich kennengelernt hatten. „Bist Du eigentlich verheiratet?“ fragte Susi und erschrak über die direkte Frage. Es war ihr einfach so rausgerutscht.

„Natürlich nicht, sonst dürfte ich kaum hier bei Dir sitzen. Aber ich stand einmal kurz davor – vorm Altar, meine ich!“ antwortete Albertino. „Und warum ist es schiefgegangen?“ wollte Susi wissen. Sein Gesicht verfärbte sich in Bruchteilen von Sekunden und es schien, als hatte er etwas zu verbergen.

Sie war neugierig, und wollte seine Vergangenheit gern etwas näher unter die Lupe nehmen. Das bedurfte aber Einfühlvermögen, darum stellte sie keine weiteren Fragen.

Bis er dann von selbst begann: „Meine damalige Freundin ist mit meinem besten Kumpel durchgebrannt.“

Er holte tief Luft und sprach weiter: „Darum habe ich damals Italien verlassen. Aber nun gut, heute bin ich hier und es geht mir besser. Und jetzt lass uns bitte das Thema wechseln.“

Er zog seine schwarzen Augenbrauen hoch, schaute Susi beinah teilnahmslos an, und schien in seinen Gedanken zu versinken.

Die Serviererin brachte das Essen. Beide nahmen Steinofenpizza und Susi bemerkte schnell, dass Silvio sich bemühte, unterhaltend zu sein. Mit einem verschmitzten Blick machte er ihr seine Zuneigung klar. Das bedurfte bei seinem Charme keiner Worte.

Ein italienischer Rotwein rundete das Essen ab. Sie war entzückt von seinen Umgangsformen. Ja, das war ein Mann von Welt. Es gab sie also wirklich, nicht nur im Film, wie sie stets glaubte. Sie fühlte sich pudelwohl und der Alkohol brachte eine gewisse Lässigkeit in ihr Gespräch. Ihr Gesicht wurde von einer bezauberten Röte überflutet, was sie zunehmend unwiderstehlich machte.

Im Hintergrund plätscherte leise Musik. Eros Ramazotti war zu hören und das löste noch einen zusätzlichen Reiz aus, denn sie war ein großer Fan von ihm.

Mittlerweile lachten sie miteinander so laut, dass einige Gäste mit den Köpfen schüttelten.

‚Na und‘ – dachte Susi ‚was ist schon dabei, auch sie wollte einmal ausgelassen sein und über die Stränge hauen dürfen.‘

Die anderen Paare im Restaurant sahen ziemlich gelangweilt aus, hatten sich offenbar nichts mehr zu sagen. Sie musste automatisch an die Zeit mit Rolf denken.

Was konnte sie von dem heutigen Abend noch erwarten? Sollte sie Silvio mit zu sich nach Hause nehmen, wenn er sie darum bat? Das dürfte sie keinesfalls beim ersten Treffen tun!

Vielleicht würde er sie auch zu sich einladen – und dann? An seinem Wohnstil könnte sie vieles über ihn erfahren, oder?

Je länger sie sich das einredete, desto schneller kam sie zu dem Entschluss, mit ihm mitzugehen. Schließlich war sie Single und hatte niemanden Rechenschaft abzulegen. Außerdem ist es Jahre her, dass sie etwas mit einem Mann hatte.

Sie sehnte sich ungemein nach Zärtlichkeit und ihre Gefühle begannen bei ihr anzuklopfen: bitte, bitte – tue es!!!

Silvio hielt sein Weinglas in der linken Hand, schaute ihr tief in die Augen und strich gefühlvoll mit seinem rechten Handrücken über ihre Wange. „Du bist wunderschön und Deine grünen Augen sind im Kerzenlicht ebenso einzigartig, wie das Funkeln zweier Smaragde beim Sonnenaufgang. Sage mir bitte, wieso eine so bezaubernde Frau noch zu haben ist!“ fragte er. Susi war benebelt von diesen Worten, konnte das alles wahr sein oder träumte sie? Noch nie zuvor hatte sie derartige Komplimente bekommen. Er musste es sein, der Mann ihrer Träume. Am liebsten hätte sie die Zeit angehalten … so happy fühlte sie sich.

Ihr ABC-Plan war also genial, schon bei A macht es klick. Einen Augenblick schwieg Susi.

Dann antwortete sie: „Vielleicht weil der Richtige noch nicht gekommen ist?“

Ohne jegliche Hemmung hielt sie seinem gierigen und beinah geilen Blick stand und provozierte ihn zusätzlich mit freizügigen Gesten. Silvio schien dies überaus zu imponieren und er packte sie kräftig am Nacken, zog ihren Kopf übern Tisch und küsste sie ungefragt mit wilder Leidenschaft. Seine Zunge sog sich an der ihren fest, dass sie glaubte, keine Luft mehr zu kriegen. Dennoch genoss sie diesen unendlichen Kuss in vollen Zügen. Ihr war jetzt klar, dass sie mit diesem tollen Doktor schlafen würde. Susis Körper bebte vor Aufbegehren und niemand könnte sie nun noch abhalten, mit Silvio in die Kiste zu steigen.

Als sich die zwei wieder voneinander lösten, hielt er ihre Hand fest und ein warmes Gefühl machte sich in Susis Herzen breit. Sie vertraute ihm und war hoffnungslos verknallt.

Silvio bezahlte die Rechnung.

Beim Verlassen des Lokals kam er mit seinem Mund an ihr Ohr und flüsterte: „Komm schnell, wir gehen zu mir!“

Mit der Schnelligkeit einer Schlange biss er sie sanft in ihr Ohrläppchen und schob seine Zunge ins Ohr hinein.

Das stimulierte sie unheimlich und sie konnte es kaum erwarten, mit ihm allein zu sein.

Nur zwei Straßen weiter befand sich seine Arztpraxis. Silvio schob den Schlüssel ins Haustürschloss und zog die Tür hinter ihr zu.

Plötzlich drückte er sie an die Wand vom Treppenaufgang und küsste sie erneut mit großer Leidenschaft.

Seine Hände glitten von ihren Schultern hinab, krallten sich taxierend an den Brüsten fest und vereinten sich schließlich an ihrem Hinterteil. Sie bekam kaum noch Luft und wehrte ihn kurz ab mit der Bemerkung: „Was, wenn uns hier jemand sieht?“

Er deutete mit dem Zeigefinger nach oben auf eine Mansardenwohnung über seiner Praxis und zerrte Susi hinter sich die Stufen hoch. In der Wohnung angekommen, scheute er keine Mühe, um sich über sie herzumachen. Ihr Blazer flog auf den Teppich und ehe sie sich versah, machte er sich schon an ihrem neuen, roten Kleid zu schaffen. Gern wollte sie sich seine Wohnung ansehen und vielleicht noch ein letztes Glas trinken, aber in Windeseile hatte er Susi ausgezogen. Er verhielt sich wie ein Stier und wollte nur ein Ding – hemmungslosen Sex!

Sie kam nicht gegen ihn an. Innerhalb von Sekunden stand er splitternackt vor ihr und sie erschrak gewaltig. Eine solche Erektion hatte sie noch nie zuvor bei einem Mann gesehen.

‚Das kann nicht gutgehen‘ dachte sie bei sich ‚der macht mich ganz kaputt.‘ Das waren ihre letzten klaren Gedanken, die ihr durch den Kopf schwirrten. Ohne Gnade nahm er sie und drang mit heftigen Stößen in sie ein, so dass sie glaubte, das Bewusstsein verlieren zu müssen. Sie konnte diesen Akt nicht genießen, er war zu brutal in seiner Art.

Endlich ergoss er sich ihn ihr und stöhnte einige Male: “Mamamia, mamamia … “

Anschließend stieg er von Susi, wie ein Reiter von seinem Pferd, ging zum Kühlschrank, trank ein Glas Wasser und verschwand im Bad. Völlig benebelt und fassungslos über das, was eben passiert war, lag sie regungslos da.

‚Was war das denn?‘ fragte sie sich.

Wie ein Stück Dreck kam sie sich vor. Sie suchte ihre Sachen, die im ganzen Zimmer herumlagen, zog sich schnell an und hatte nur noch einen Wunsch – weg hier!!!

In der Dusche hörte sie Wasser laufen.

Schnell, ja fast fluchtartig, verließ sie die Wohnung.

Auf dem Heimweg drehte sie sich ständig um, weil sie glaubte, verfolgt zu werden.

Zu Hause angekommen, ließ sie sich auf die Couch fallen und kippte ein großes Glas Whisky in sich hinein.

Auf den Fußboden starrend, ließ sie den gesamten Abend mit Albertino noch einmal vor sich ablaufen. Es hatte so schön angefangen. Ihre Gedanken waren durcheinander und sie fand keine Erklärung, wie es so enden konnte.

Susi wollte diesen Mann verführen, soviel war sicher. Aber auf ihre eigene Art und Weise.

Nun hatte er sie missbraucht – oder hatte er das nicht? Fragen über Fragen machten sich in ihrem Kopf breit. Eine Vergewaltigung war es jedenfalls nicht, das stand fest! Warum ist sie weggerannt, vielleicht wollte er ihr nach dem Duschen alles erklären?

Sie erschrak als ihr Telefon klingelte.

‚Wer ruft so spät noch an?‘ dachte sie und nahm den Hörer ab. „Ja bitte!“ hauchte sie.

„Susi, was ist los mit Dir? Warum bist Du so schnell weggegangen? Du machst mich traurig, denn ich wollte gern die ganze Nacht mit Dir verbringen. Das war doch erst der Anfang. Bist Du enttäuscht? Sag es mir bitte!“ betörte Silvio.

Dies hatte sie nicht erwartet, und sie fand keine Worte. Einen Moment herrschte tiefes Schweigen auf beiden Seiten.

Bis Sie sich fasste und ins Telefon stammelte: „Entschuldigung, aber mir ging das zu schnell und dann, naja Du bist einfach im Bad verschwunden. Ich dachte, hm … Du bedauerst alles, was zwischen uns passiert ist!“ „Aber keineswegs, es war wunderschön mit Dir, glaube mir bitte! Naja, ich bin schnell gewesen, ist das denn ein Wunder, wenn ich Dir sage, dass ich lange Zeit keine Frau mehr hatte?“ erklärte Silvio unmissverständlich. Darauf Susi: „Bitte, lass mich jetzt schlafen gehen, morgen habe ich einen harten Tag vor mir, denn mein blöder Chef klemmt mir den ganzen Tag an den Sohlen. Ich melde mich.“

„Na dann, schlaf gut! Bitte sei nicht böse mit mir! Ich war einfach zu geil auf Dich!“ versicherte er.

Sie legte auf und wusste nicht, was sie glauben sollte. Darum ging sie sofort ins Bett und ihre letzten Gedanken widmete sie Mutz. Wie sollte sie nur diesen Vollidioten den ganzen Tag ertragen? Langsam zeigte der Alkohol seine Wirkung und riss Susi in den Schlaf. Sieben Uhr morgens meldete sich der Wecker bei ihr. Sie wollte gern noch weiterschlafen, doch dann begriff sie, dass sie ihr geliebtes Bett verlassen musste.

Als sie sich aufrichtete, bemerkte sie ihren schweren Kopf. Schnell ging sie zum Kühlschrank und trank eine Flasche Wasser.

Der Alkohol vom letzten Abend machte sich bemerkbar und sie schluckte eine Aspirin-Tablette. Susi war kotzübel, völlig verkatert nahm sie sich vor, niemals mehr so viel zu trinken, schon gar nicht, wenn sie am darauffolgenden Tag arbeiten musste.

Mutz stand pünktlich acht Uhr morgens an der Tür.

Sie gab sich sehr freundlich und begrüßte ihn wie einen Gott. Er fühlte sich geschmeichelt und stieg zu ihr ins Auto.

Zu aller Vorsicht hatte sie ihren Mund mit Pfefferminzbonbons gefüllt, denn er sollte keinesfalls ihre Alkoholfahne wahrnehmen und Kaugummi war im Dienst nicht erlaubt – ganz klar!

Viel Make-up hatte sie aufgetragen, um die Spuren vom letzten Abend zu vertuschen.

Der Tag war sehr anstrengend für Susi. Mutz sprach die ganze Zeit über kaum ein Wort.

„Tun Sie so, als wäre ich nicht da!“ wiederholte er ständig. Sie dachte: ‚Das wäre mir auch viel lieber, Du Arsch!‘ Dieses sinnlose Schleimen vor diesem Kotzbrocken ging ihr schon lange auf die Nerven, aber nun war es extrem geworden und sie musste sich verdammt zusammenreißen, um nicht zu explodieren. Sie hatte es satt, auf diese Art und Weise ihr Geld zu verdienen.

Von einer Praxis fuhren sie zur nächsten und die Zeit blieb beinahe stehen. Wenn Susi allein unterwegs war, verging der Tag dagegen wie im Flug. Schließlich forderte er sie auf, mit ihm in ein Cafe zu gehen, um über ihre Umsatzzahlen sprechen zu können.

Nun erwartete sie den allerschlimmsten Teil des Tages, das wusste sie nur zu gut.

Also begann er mit seiner Predigt: „Ja, Frau Reuther, in Ihrem Gebiet sind die Verkaufsergebnisse nicht zufriedenstellend. Wissen Sie, eigentlich müsste ich Sie entlassen!“ und schaute sie fragend an. Susi traute ihren Ohren nicht.

‚Das darf nicht wahr sein‘ dachte sie ‚ich verliere meinen Job!?‘ Fassungslos sah sie ihn an, es herrschte Stillschweigen. Völlig geschockt saß ihr der Schreck in allen Gliedern.

Bis Mutz dann endlich wieder begann: „Okay, Frau Reuther, eine letzte Chance gebe ich Ihnen noch! Doch Sie müssen mehr Eigeninitiative zeigen und verantwortungsbewusster mit dem Ärztepotenzial umgehen. Werden Sie sich endlich mal bewusst, welche Position Sie in unserem Unternehmen einnehmen! Sie vertreten unsere Firma an der Basis und Sie können unseren Umsatz stark beeinflussen. Ich erwarte Fleiß, Einsatz und Zielstrebigkeit von Ihnen. Denken Sie nach und kommende Woche möchte ich nochmal mit Ihnen darüber sprechen, dann sehen wir weiter. Klar? Noch Fragen?“

Susi wirkte niedergeschlagen und antwortete kaum hörbar: „Okay, Herr Mutz!“

Daraufhin trennten sich ihre Wege.

Mit allen hatte sie gerechnet, aber damit …? Sie verabscheute diese direkte Art von Mutz. Ihre letzte Chance musste sie nutzen, nur wie? Was könnte sie tun, um den Umsatz zu steigern? Oder sollte sie sich eher nach einem anderen Job umsehen? Immerhin hatte sie schon lange die Lust an dieser Schinderei verloren.

Auf alle diese Fragen fand Susi wieder keine Antworten, genauso im privaten Bereich wusste sie nicht, wie es weitergehen sollte. Was war nur los mit ihr?

Um aus diesem Loch rauszukommen, musste sie etwas tun. ‚Positiv Denken‘ hieß das Buch, welches sie sich zulegte und mit großer Begeisterung las. Von jetzt an wollte Susi nicht mehr negativ sein. Also, der Herr Mutz ist gar nicht so unfair zu ihr gewesen, schließlich hätte er sie schon lange aus der Firma schmeißen können.

Ihre Arbeit hatte viele Vorteile und ihr Einkommen konnte sich wirklich sehen lassen. Sie sollte mehr als zufrieden sein.

Susi ergriff das dringende Bedürfnis, sich jemanden anzuvertrauen. Daher beschloss sie, ihre Freundin Imke anzurufen, die stets ein offenes Ohr für sie hatte.

Imke war ihr persönlicher Mülleimer. Stets musste sie Susis Leben analysieren, und allen Abfall in sich reinschlucken. Von daher konnte man sie als ihren Psychiater betrachten.

Also rief sie sie an, und schilderte ihre Sorgen in allen Einzelheiten. Imke war stets ein guter Zuhörer und schlug vor, gemeinsam in eine Kneipe zu gehen. Ebenso alt wie Susi, lebte auch sie allein und kinderlos. Sie sah toll aus und trug ihr langes, lockiges Haar meist offen, welches von Natur aus blond war. Im ständigem Wechsel, was Haarfarbe und Liebhaber angingen, war sie für alles Neue offen und damit eine ausgeflippte Type. Imke hatte – im Gegensatz zu Susi – schon viele Männer vernascht. Immer hübsch einen nach dem anderen, denn sie hielt es nie lange bei ein und demselben aus. Ohne jegliches Tabu, wenn es nur aufregend genug war. Gelegentlich schlief sie mit Frauen, liebte Gruppensex oder feierte Orgien bei fragwürdigen Gastgebern! Wirklich alles hatte sie schon ausprobiert. Sie arbeitete in der Pathologie, sprach aber niemals darüber, trennte stets Beruf und Privatleben voneinander.

Susi und Imke konnten unterschiedlicher nicht sein.

Beide kannten sich seit der Schulzeit, waren gute Freundinnen geblieben, auch wenn sie mal monatelang nichts voneinander hörten, diese Freundschaft hielt Stand und war somit etwas ganz Besonderes. Beide trafen sich vor einer kleinen, gemütlichen Eckkneipe in der Innenstadt, in der Imke ab und zu versackte.

Die restaurierte Fassade schillerte in verschiedenen Farben, stilvoll präsentierten sich viele bunte Blumen und belagerten üppig die Fensterbänke. Über dem Eingang des Lokals hing ein altes, eisernes Logo. Es zeigte eine Straßenlaterne mit einem daneben liegenden (wahrscheinlich besoffenen) Kerl und den Namenszug: Zum Penner!

Aus der offen stehenden Tür plättscherte Musik aus den 70er Jahren, die beide sehr liebten und an die Jugendzeit erinnerte.

Während sie an der Bar miteinander plauderten, füllte sich die Kneipe mehr und mehr mit Männern. In ganzen Scharen stolperten diese herein. Plötzlich bekamen die Frauen vom Wirt ein Glas Sekt vor die Nase gestellt, mit der Bemerkung: „Von dem Herrn da gegenüber, bitte!“ Beide erschraken förmlich, guckten sich verwundert an und kicherten zusammen, wie schon lange nicht mehr.

Sie erhoben die Gläser und an der anderen Seite der Bar hielt ein großer, starker Kerl mit schwarzen Locken seinen Kelch in die Luft. Er prostete den Damen zu, und schien etwas zu sagen, doch bei dem Lärm war nichts zu verstehen. Die Beatles im Radio gaben noch ihren Teil dazu. Hier war scheinbar ein Männerabend angelaufen.

Dies realisierten die beiden, schauten sich in der Runde um, und lachten drauf los.

Alle Ängste schienen verflogen und der Alkohol stimmte sie fröhlich. Sie amüsierten sich köstlich und kicherten immerzu, fast so wie früher, wenn sie zusammen etwas ausgefressen hatten und dabei erwischt wurden. Plötzlich sagte Imke: „Wo sind wir hier, vielleicht im Klub der einsamen Herzen?“

Susi hielt sich die Hand vor den Mund und schüttelte mit dem Kopf vor Lachen. Tränen rollten über ihr Gesicht.

Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal so lustig war. Imke hatte in der Menge einen interessanten Mann entdeckt. Er musste so um die Fünfzig sein und erwiderte, mit offenbar großem Interesse, ihre Blicke.

Susi bemerkte dies sofort: „Naaaa, brauchbares Material gefunden?“ Imke erwiderte spontan: „Ja, es scheint so! Was meinst Du, ob das was für mich ist?“

„Er sieht sehr gut aus, könnte mir auch zusagen!“ so Susi. „Meine Fantasie flüstert mir, dass er ein Tiger im Bett ist. Da er meine Entdeckung ist, habe ich die älteren Rechte. Aber Du kannst ihn gerne kriegen, wenn ich ihn satt habe, sprich: vielleicht schon morgen, hihihi!“ kicherte Imke.

„Du wirst Dich auch nie ändern, Imke. Die armen Kerle!“ lachte sie. „Alle Männer benutzen ihre Frauen und später werden sie einfach gegen eine andere ausgetauscht. Findest Du das fair? Ich zeige der Welt, dass es auch anders herum funktioniert. Einen Kerl verrückt zu machen, das finde ich cool und aufregend. Das Ende der Beziehung lege ich dann fest, indem er den Laufpass bekommt, bevor es zu stressig wird. Mein Timing dabei ist perfekt, sag ich Dir! Nach einiger Zeit werden alle Kerle langweilig, oder etwa nicht? Nenne mir bitte einen Mann, der das nicht verdient hat! Siehst Du, Du kennst auch keinen!“ überzeugte Imke spöttisch.

„Vielleicht hast Du recht, aber ich könnte das nicht!“ antwortete Susi.

„Weißt Du, man soll Männer, wie rohe Eier behandeln“ und ein schelmischer Blick in Imkes Augen sagte weiter, „um sie später in die Pfanne zu hauen. Hahaha!!!“

Inzwischen hatte Imke wieder Blickkontakt mit dem gutaussehenden Verehrer von der gegenüberliegenden Seite der Theke aufgenommen. Auch Susi bemerkte, dass sie von all’ den Mannsbildern angestarrt wurde. Sie hätte sich aus der Vielfalt einen aussuchen können, doch sie hatte keinen Bock, nach der Affäre mit Albertino, die ihr immer noch wie Blei im Magen lag.

Imke dagegen ging in die Offensive und setzte ihren Flirt fort, indem sie ihr Opfer heranwinkte.

Sofort darauf kam dieser, namens Richard, zu den beiden herüber. Mit angenehmer Stimme erzählte er von seiner Arbeit als Grafiker. Imke war hin und weg, so toll fand sie diesen Typ.

Sie flüsterte Susi ins Ohr: „Ich glaube nicht, dass ich heute Abend allein nach Hause gehen muss, hahaha! Den kralle ich mir!“ Damit waren die Weichen gestellt.

Susi fühlte sich wie das fünfte Rad am Wagen, darum verabschiedete sie sich und ging.

Für ihre Albertino-Story und die Mutz-Geschichte blieb somit keine Zeit mehr.

Auf dem Heimweg dachte sie an Imkes Lebenswandel und deren Einstellung zum männlichen Geschlecht. Irgendwie fand sie ihre Denkweise imposant, obwohl sie selbst ganz anders gestrickt war und immer noch an die große Liebe glauben wollte.

Sie fasste den Entschluss, Silvio Albertino zu den Akten zu legen. Eine Erfahrung reicher dachte sie: ‚Nie mehr einen Italiener!‘ Bei der Erarbeitung ihres Tourenplanes stieß sie auf Dr. Braumeier, den sie dringend mal wieder konsultieren sollte, so ihr Verkaufsinstinkt! Automatisch kam ihr ABC-Plan ins Gedächtnis zurück, denn B stand für Braumeier!

Affären einer Pharmareferentin

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