Читать книгу Affären einer Pharmareferentin - Ute Richter - Страница 7
B – wie Dr. Braumeier
ОглавлениеNur schwach konnte Susi sich an Dr. Braumeier erinnern, es waren schon viele Monate vergangen, seit ihrem letzten Besuch in seiner Praxis. Dabei zählte er zu den Favoriten in ihrem Bezirk, denn er bestellte ihre Medikamente massiv und kontinuierlich, mit anderen Worten – der Verkauf lief auch ohne ihr Zutun.
Er musste ca. sechzig Jahre alt sein. War das zu alt für Susi? Bisher hatte sie nur gleichaltrige Männer, doch inzwischen würde sie vielleicht einen Altersunterschied akzeptieren. Sie nahm sich vor, diesen Dr. Braumeier aufzusuchen, um genau das herauszufinden. Schon am folgenden Tag ging ihr dieser Doktor nicht mehr aus den Sinn. Dann endlich griff sie zum Telefon und hatte ihn höchstpersönlich an der Leine.
Eine tiefe, männliche Stimme meldete sich: „Braumeier, Guten Tag!“ Sie antwortete: „Guten Tag Dr. Braumeier, hier ist Frau Reuther. Wir haben uns lang nicht mehr gesprochen. Ich würde gern mal wieder bei Ihnen vorbeischauen, um Ihnen unsere neuen Produkte vorzustellen. Wann hätten Sie denn mal Zeit für mich?“
„Ach ja, Frau Reuther Sie können schon morgen kommen, denn im Augenblick ist nicht viel los hier. Aber bitte am Nachmittag, dann ist es in Ordnung!“ so der Doktor.
Sie bedankte sich und verabredete einen Termin um 16.00 Uhr in seiner Praxis.
Es passierte nicht oft, dass so schnell eine Absprache zustande kam und noch dazu mit dem Arzt persönlich.
In der darauf folgenden Nacht schlief sie kaum.
Immer wieder schwirrten ihr die Erlebnisse mit Dr. Albertino durch den Kopf. Sollte sie ihren ABC-Plan doch lieber vergessen? Und dieser Doktor Braumeier? Er konnte ebenso sein. Doch schnell verwarf sie diesen Gedanken, indem sie sich vorstellte, wie sie mit ihm zusammen ein Theater besuchte.
In dem neuen roten Kleid und mit hochgesteckter Frisur würde auch er ihr nicht widerstehen können. Sicher gehörte er zu der Gattung Männer, die ihre Hörner schon längst abgestoßen hatten!?
Auf die Frage, ob sie einen Vater-Ersatz suche, fand sie jedoch keine Antwort. Geduld musste sie bewahren, aber eben das fiel ihr schwer bei dieser immer noch anhaltenden Affenhitze.
Endlich schlief sie ein.
Von den ersten Sonnenstrahlen, die sanft auf ihr Gesicht fielen, erwachte sie schließlich und als das Telefon klingelte, vernahm sie Imkes Stimme. Sie verabredeten sich für den Abend, um erneut gemeinsam auszugehen. ‚Das wird ein anstrengender Tag‘ dachte Susi, ‚aber Imke wird dafür Sorge tragen, dass sie heute viel Spaß zusammen haben werden.‘ Soviel wusste sie im Voraus.
Im Laufe des Vormittags zogen schwere, dunkle Gewitterwolken auf. Nach wochenlangen tropischen Temperaturen, würde man sich nun auf einen kräftigen Gewitterregen einstellen müssen. Jeder wünschte sich sehnlichst eine Abkühlung.
Ein gewaltiger Sturzregen schmetterte nieder und vom starken Wind begleitet, schien sich der Weltuntergang anzukündigen. Durch die menschenleeren Straßen fegte der Sturm.
Alles, was nicht niet- und nagelfest war, flog durch die Luft. Susi stoppte ihr Auto, denn ihre Sicht war total eingeschränkt. Selbst die Scheibenwischer versagten. Das laute Knallen der Regenmassen aufs Wagendach hörte sich bedrohlich an.
In diesen Minuten wurde ihr wieder einmal klar, wie stark die Natur und machtlos der Mensch hingegen ist.
Sie erschrak und zuckte zusammen, als der Wind eine Mülltonne in seinen Bann zog und mit sich riss. Ein Knall, der die Ohren betäubte! Unmittelbar neben ihren Wagen öffnete sich der Tonnendeckel und aller Unrat schwebte mit dem Wind die Straße entlang. Sie hatte großes Glück, dass ihr Auto nichts abbekommen hatte.
Nach einigen Minuten endete das Naturschauspiel und Susi konnte ihre Fahrt langsam fortsetzen.
Es regnete leicht weiter und die Luft kühlte sich merklich ab. Arbeitsmäßig lief es an diesen Tag wie am Schnürchen und der Erfolg stand auf ihrer Seite. Die vereinbarten Termine konnte Susi pünktlich wahrnehmen und sämtliche Ärzte waren interessiert an ihren Besuchen, sodass sich bei ihr eine innerliche Zufriedenheit einstellte.
Scheinbar machten viele Leute Urlaub, viele Stühle im Wartezimmer blieben leer.
Völlig stressfrei begegnete sie ihren Klienten und das gefiel Susi nur zu gut! Wenn das so bliebe, dann hätte sie ihren Traumberuf gefunden, denn für die Präparate, die sie verkaufte, stand sie zweifelsfrei ein. So liebte sie ihren Job.
Mit vier Praxisbesuchen erwirtschaftete sie einen Umsatz, der normalerweise nur in zwei Wochen erreicht werden konnte.
Sie glaubte auf Wolken zu schweben vor lauter Glück, und hatte keine Angst mehr, ihre Arbeit zu verlieren. Mutz würde ihr die Füße küssen und sie anflehen, zu bleiben. Nichts ist erotischer, als Erfolg!!! Das hatte sie einmal gelesen. Heute war sie bereit, daran zu glauben. Ihr Adrenalinspiegel hatte das Ende der Fahnenstange erreicht. Es war mittlerweile 15.30 Uhr und sie hätte beinahe, den Besuch bei Dr. Braumeier verpasst.
Ein Blick in den Spiegel sagte ihr, schmink mich bitte!!! Ohne nachzudenken, schwang sie den Rougepinsel über ihre Wangen, zog den rosafarbigen Lippenstift aus ihrer Kosmetiktasche und legte los. Unsicherheit machte sich breit. Wie sollte sie sich schminken? Was sollte sie tun? Dick auftragen oder lieber weniger? Manchmal ist weniger mehr! Susi wusste das genau einzuschätzen, und zog die natürliche Variante vor, denn sie wollte einen soliden Eindruck schinden, wie auch immer?! Vor seiner Praxis bekam sie Herzklopfen.
Im Wartezimmer angekommen, stand sie da, aber niemand war zu sehen. Aus dem Sprechzimmer hörte sie Stimmen, konnte zwar kein Wort verstehen, trotzdem wusste sie sofort, dass es die Stimme von Dr. Braumeier war!
Sie holte tief Luft und räusperte sich so laut, dass es jemand hören musste. Einige Sekunden später kam die Assistentin in den Warteraum und fragte nach Susis Anliegen. Es dauerte nur zwei Minuten bis sie aufgefordert wurde, das Sprechzimmer zu betreten. Voller Neugier und mit großer Anspannung betrat sie den Raum und begrüßte Dr. Braumeier, den sie fast nicht mehr wiedererkannte.
Er hatte sich sehr verändert seit ihrem letzten Besuch.
Seine Augen sahen müde aus und die männliche Ausstrahlung schien verflogen zu sein.
Nur mühevoll konnte sie dieses Entsetzen vor ihm verbergen. Fast teilnahmslos saß er ihr gegenüber. Hörte er ihr überhaupt zu? Mit feuchten Händen gestikulierte sie aufgeregt, beschrieb die Medikamente und ihre Anwendungsbereiche, die neu auf dem Markt erschienen waren. Sie bemerkte die Unsicherheit, die sie erfasste und sich in ihr festfraß, doch nichts hielt sie davon ab, das Gespräch fortzusetzen. Was sie sah, gefiel ihr gar nicht. Ein Wrack war aus ihm geworden. Sehr gelassen lehnte er sich zurück, betrachtete Susi und lächelte ein wenig: „Frau Reuther, wir beide wissen, wie gut diese Medizin ist und viele meiner Patienten könnten ohne Ihre Pillen gar nicht mehr leben. Darum nehme ich Ihnen gleich die doppelte Menge ab, wenn der Preis stabil bleibt. Sehen Sie, es kommen täglich so viele Pharmareferenten zu mir und nicht immer stimmt das Preis-Leistungsverhältnis, aber mit Ihren Medikamenten habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht und daran möchte ich gern festhalten. Außerdem finde ich Sie sehr charmant! Auch das muss einmal gesagt werden!“
Er zwinkerte ihr zu mit einem Lächeln und nun schien er wieder der Alte zu sein. Im weiteren Gespräch bekam sein Gesicht etwas Farbe. Hatte sie ihm vielleicht zum Flirten angeregt? Ja, es schien so. Beiden blieb genug Zeit für eine persönliche Unterhaltung, denn das Wartezimmer war noch stets leer. Warum auch nicht, ihr Umsatz stimmte und nun konnte sie zum gemütlichen Teil übergehen.
Susi schaute auf seine Hände, die so viel über einen Mann sagen können. Schön und gepflegt sahen sie aus. Außerdem trug er keinen Ehering! Somit nahm im Laufe der Unterhaltung ihr Interesse an ihm wieder zu und seine Intelligenz spielte dabei keine unwesentliche Rolle!
„Frau Reuther, lieben Sie Jazz? Wissen Sie, ich gehe jeden Sonntag ins Jazz-Cafe und wenn Sie möchten, können Sie gern einmal mitkommen!“ sagte der Doktor.
Sie war sehr überrascht und antwortete spontan: „Gern, sehr gern! Auch ich bin ein Fan von Jazz, z. B. finde ich Django Reinhardt toll. Seine Musik machte die Menschen schon vor ca. fünfzig Jahren glücklich und heute sind es meist Zigeuner, die seine Stücke noch wirklich gut spielen können.“
„Sie kennen Reinhardt, das beeindruckt mich und das hätte ich – ehrlich gesagt – nicht erwartet von Ihnen!“ strahlte Dr. Braumeier. Beide waren von diesem Gespräch angetan, und vereinbarten für den kommenden Sonntag einen gemeinsamen Besuch im Jazz-Cafe.
„Also dann bis Sonntag Dr. Braumeier!“ verabschiedete sich Susi mit einem kräftigen Händedruck.
Er erwiderte: „Ich freue mich darauf! Auf Wiedersehen!“ Zu Hause nahm sie ein Bad und machte sich schick für den gemeinsamen Abend mit Imke.
Mit Sicherheit würde sie alles über die neue Errungenschaft, Richard den Grafiker, erfahren und wie weit die beiden zusammen gekommen waren. Imke hatte noch nie etwas anbrennen lassen.
Nur allzu gut kannte sie ihre Freundin, und wusste deshalb genau, dass sie ihre erotischen Erlebnisse und Bettgeschichten preisgeben würde. Unter beiden Freundinnen gab es keine Geheimnisse, bis ins Detail erzählten sie sich alles und das war okay so!
Imke beriet Susi stets perfekt in Sachen Männer, deshalb nahm sie sich vor, das Gespräch heute auf reifere Männer zu lenken, sprich auf Dr. Braumeier. Sie trafen sich, wie verabredet in einem griechischen Restaurant, unweit von Susis Wohnung.
Beide begrüßten sich herzlich und während sie sich umarmten, flüsterte Imke: „Hab’ Dir viel zu erzählen, ich glaube, mich hat es wiedermal mächtig erwischt. So verknallt war ich noch nie!“
Oft genug hatte Susi das schon gehört, aber naja vielleicht meinte sie es dieses Mal seriös. Kaum vorstellbar bei Imke und doch möglich, denn sie hatte etwas, was Männer betörte.
Sie sah einfach umwerfend aus.
Stets war sie perfekt gekleidet und fand für jeglichen Anlass die passenden bzw. entsprechenden Klamotten.
Überall konnte sie sich sehen lassen, ob es nobel zuging und sie im kleinen Schwarzen erschien oder ganz leger im Jeanslook mit Stirnband in einer verqualmten Kneipe rumhing, sie machte stets eine gute Figur und jeder Kerl versuchte, sie abzuschleppen.
Susi beneidete sie deshalb, denn solche Fähigkeiten besaß sie leider nicht. Im griechischen Restaurant setzten sich die Beiden an einen Tisch, an dem sie ungestört plaudern konnten.
Sie bestellten eine Flasche Wein und einen Kreta-Teller für zwei Personen. Ein gut gewachsener, griechischer Kellner bediente und verwöhnte die Freundinnen mit seinem Charme.
„Mit einem Griechen hab’ ich es noch nie getan! Und Du?“ kicherte Imke. „Natürlich nicht, Du kennst mich doch! Aber letzte Woche hatte ich einen Italiener!“ betonte Susi, denn sie wollte endlich mitreden können, wenn es um Männer ging.
Imke sperrte Maul und Nase auf und antwortete völlig verwirrt: „Wie bitte, Du hast es mit einem Italiener getrieben? Wow! Das hätte ich Dir nicht zugetraut. Mein Gott, Du überraschst mich immer wieder. Erzähl’, wie war es!“
Voller Neugier beugte sie sich über den Tisch, um kein Wort zu verpassen und ihre Augen leuchteten vor Aufregung.
Susi begann beim Urschleim, um die Affäre mit Silvio in allen Farben und Einzelheiten zu schildern.
Imke verfolgte die Geschichte sehr aufmerksam, ohne dabei ein Wort zu verlieren, denn wenn es um Männer ging, war sie in ihren Element. Prompt kam ihr Kommentar: „Mein Gott Susi, da bist Du aber sehr naiv gewesen. Die Italiener sind doch bestens dafür bekannt, dass sie nur auf Sex fixiert sind. Eine heiße Nacht und dann Arrivederci. Ich habe zweimal mit einem italienischen Mann geschlafen, natürlich nicht mit ein und demselben. Einen Zweiten probierte ich aus, um mein Urteil abzurunden und was soll ich Dir sagen? Die gleiche Scheiße nochmal! Nach einigen Minuten rein und raus, waren sie fertig, schön, he? Und ich hatte noch nicht einmal Zeit, um warmzulaufen. Diese Karnickelnummer ist so ziemlich das Allerletzte, für mich jedenfalls! Nie wieder einen Italiener, soviel weiß ich inzwischen.“
Nun legte sie ein sanftes Lächeln auf, zeigte mit ihrem Finger zum Kellner und fuhr weiter fort: „Aber einen Griechen möchte ich gern mal vernaschen. Die haben Feuer im Blut, da verwette ich meinen Arsch. Guck ihn Dir doch mal genauer an, dieser Ausdruck von Leidenschaft in seinen Augen, siehst du das? Glaub’ mir Susi, so einer kann es Dir besorgen, dass Du zum Schluss nicht mehr weißt, was hinten und vorne ist. Ich kann es förmlich riechen, da ist nix mit hopphopp und fertig! Die nehmen sich Zeit für die Liebe und so muss es auch sein, sonst hat eine Frau nichts davon. Was meinst Du, soll ich ihn anmachen?“
„Aber Imke, ich denke, Du bist verliebt in Richard?“ fragte Susi.
Sie konterte sofort: „Na und, er muss es doch nicht erfahren. Aber ich wäre wieder eine Erfahrung reicher, was die Männer angeht. Ehrlich gesagt, dieser Kellner könnte mir schon ganz gut gefallen. Man muss kein Architekt sein, um zu sehen, dass auch hinter der Fassade ein solides Mauerwerk steckt. Man Susi, sei doch nicht so prüde, das Leben ist zu kurz, um sich ständig über alles Gedanken machen zu müssen. Weißt Du, dass ich innerhalb von Europa Männer fast aller Nationalitäten ausprobiert habe? Es fehlen mir noch – präzise gesagt – ein Finne, ein Schwede, und natürlich ein Grieche. Sogar zwei Russen habe ich schon vernascht! Wenn ich soweit bin, werde ich meine Erfahrungen mit diesen Männern in einem Buch veröffentlichen. Wie findest Du das? Natürlich benutze ich ein Pseudonym zum Schreiben, bin ja nicht verrückt, und lasse mir von all’ den Kerlen die Rübe einschlagen. ‚Das Sexualverhalten der europäischen Männer‘ so der Titel des Buches. Klingt doch cool – oder?“
Susi sah man ihre Sprachlosigkeit an. Konnte sie das glauben oder bluffte sie nur? Schließlich war Imke ihre beste Freundin und keine Nutte! Oder doch? Nein, sie tat es ausschließlich für ihr Buch, um den Lesern ihre Erfahrungen mitteilen zu können.
Dafür gebührte ihr Respekt, denn mit Sicherheit gab es nicht viele Frauen, die sich wie Imke, dafür aufopferten. Ja, sie war eine Heldin! Susi – von Stolz erfüllt, eine solche Freundin zu besitzen – antwortete: „Warum hast Du mir nie etwas davon erzählt? Wirklich, ich bewundere Dich dafür!“
Imke schmunzelte verwegen und meinte: „Beobachte mal diesen Kellner, er hat angebissen, da bin ich mir sicher! Schade, dass ich ihn nicht wie einen Baum zersägen kann, um seine Jahresringe zählen zu können! Hihihi! Aber ich schätze, er ist noch ein junger Hirsch!“
In diesem Moment kam er mit einem Tablett an den Tisch und servierte beiden Damen einen Verdauungsschnaps. Mit Grazie schwang er die Gläser vom Tablett über seine breiten Schultern.
Seine dunklen Augen blieben an Imkes Bluse hängen. Er lächelte und fragte, ob alles nach Wunsch sei.
Susi sah zu, wie ihre Freundin mit ihm flirtete. Sie tauschten ihre Namen aus und Imke steckte ihm ein Papier zu. Er nahm es an sich, ließ es in seiner schwarzen Hose verschwinden, grinste zufrieden und ging vom Tisch. Imke hatte wieder dieses Funkeln im Gesicht und meinte lässig: „Er hat nun meine Telefonnummer, wetten dass er sich schon morgen bei mir melden wird? Ich finde, er hat einen geilen Knackarsch, und der Rest ist auch nicht schlecht, oder?“
„Mit anderen Worten, Du brauchst ab folgender Woche nur noch zwei Männer für Dein Buch. Den Finnen und den Schweden, richtig?“ so Susi. „Du hast es begriffen, meine Gute. Was würdest Du davon halten, wenn wir beide zusammen eine Urlaubsreise buchen, vielleicht nach Stockholm und dann weiter nach Helsinki? Dann könnte ich theoretisch mit meinem Buch abschließen.“ schmunzelte Imke.
Susi fand diese Urlaubsidee ausgezeichnet, und lenkte das Gespräch auf Dr. Braumeier.
Anschließend erzählte sie von ihrem ABC-Plan, aber was war der schon im Vergleich zu Imkes Buch?
Imke fand Susis Vorhaben, sich einen Doktor zu angeln, genial und bot ihr jegliche Hilfe an.
„Dr. Braumeier solltest Du Dir im Jazz-Cafe gut anschauen! Vielleicht zeigt er sich privat ganz anders“ schlug sie vor „er wird Dir ohne seinen weißen Kittel sicher besser gefallen. Gebe Dich gelassen, und stelle nicht zu viele Fragen, dass könnte ihn abschrecken! Bleib ganz natürlich und warte ab, bis er Dir von seinem Leben erzählt! Zur Kleidung rate ich Dir, keine Jeans zu tragen, sondern etwas Elegantes, aber auch nicht zu schick. Mit wenig Schminke und Schmuck wirst Du Eindruck machen!“ schlug Imke vor. Für all diese Tipps war Susi sehr dankbar.
Nun endlich begann Imke von Richard, dem Grafiker, zu berichten. Ihre Stimme veränderte sich so abrupt, dass dies einem Gesang glich. In allen Fassetten beschrieb sie die gemeinsame Nacht mit ihm. Dabei schien sie auf einer Wolke zu schweben.
‚Sie muss in diesen Mann verliebt sein‘, dachte Susi ‚aber warum treibt sie es dennoch mit anderen Kerlen?‘
Das verstand sie nicht. Und das Buch war sicher nur ein Vorwand, um für alle ihre Affären, eine Entschuldigung zu haben.
Kurz vor Mitternacht verabschiedeten sich die beiden und machten sich auf den Heimweg. Susi fand den Abend super und hatte neue Kraft und Energie getankt. Das brauchte sie auch, um ihren Job zu behalten. Am Morgen fühlte sie sich fit und machte Umsätze, wie schon lange nicht mehr.
‚Dies ist sicher eine Glückssträhne‘ dachte Susi ‚hoffentlich hält sie noch eine Weile an!‘
Auch die kommenden Tage waren erfolgreich.
Jeden Freitagabend mailte sie die Verkaufszahlen an ihren Chef, Herrn Mutz. Diese Woche würde er Augen machen – ganz bestimmt sogar! Die Angst, aus der Firma zu fliegen, war verschwunden. Nun konnte sie sich wieder besser auf ihren ABC-Plan konzentrieren. Von Braumeier hatte Susi noch nichts gehört. Ob er kein Interesse mehr an ihr hatte? Spät abends schrillte das Telefon, aber sie nahm nicht ab und ging zu Bett.
Morgens klingelte es wieder, doch sie ignorierte es und blieb noch wenige Minuten im Bett liegen.
Etwas später hörte sie beim Duschen ihr Handy piepsen. Schnell huschte sie tropfnass ins Wohnzimmer.
Mutz meldete sich: „Hallo Frau Reuther, wie geht es Ihnen?“ Susi antwortete: „Guten Morgen Herr Mutz, danke – mir geht es super!“ „Das glaube ich Ihnen aufs Wort, denn ich kann es an Ihren Zahlen sehen! Nun, Sie haben mich überrascht und ich bin der Meinung, Sie unterschätzt zu haben. Sie sind in diesem Monat die beste Pharmareferentin meiner Region. Während alle anderen mit dem sogenannten „Sommerloch“ zu kämpfen haben, legen Sie noch einen drauf und machen Plus zum Vorjahr. Toll, Frau Reuther! Weiter so!“ schmeichelte Mutz „Ich melde mich kommende Woche wieder bei Ihnen – Auf Wiederhören!“
Susi stand splitternackt und triefend auf dem Teppich, der die Nässe wie ein Schwamm in sich aufnahm.
Nur gut, dass Mutz sie so nicht sehen konnte!
Kaum hatte sie die Duschkabine erneut bestiegen, um ihre Körperpflege fortzusetzen, klingelte schon wieder das Telefon.
„Mein Gott, was für eine Hektik in aller Frühe!“ schrie sie wütend vor sich hin und meldete sich: „Ja!“
Am anderen Ende vernahm sie eine männliche Stimme: „Braumeier hier, guten Morgen! Frau Reuther, kommen Sie mit zum Jazz?“ „Hallo Dr. Braumeier, ja … hm … natürlich gerne … gehe ich mit!“ stammelte sie.
„Okay, dann hole ich Sie gegen 15.00 Uhr ab! Mozartstraße 5, ja?“ vergewisserte er sich.
Ohne ihre Glücksgefühle dabei zu verbergen, verabschiedete sie sich. Auch er schien sich auf diesen gemeinsamen Nachmittag zu freuen. Hinsichtlich ihres Outfits befolgte sie Imkes Rat. Sehr natürlich und adrett sah sie aus, als sie sich im Spiegelbild anschaute. Sie trug ein pastellgrünes Sommerkostüm, kombiniert mit einer weißen Hemdbluse, die ihrem Erscheinungsbild einen sportlichen Charakter gab. Dazu passten ihre neuen hellen Pumps perfekt. Eine kleine Perlenkette schmeichelte ihren Hals und das dazugehörige Armband stellte eine Verbindung zum Fingerring her, der ebenfalls eine kleine Perle umfasste. Ihr Haar trug sie offen und etwas Gel gab der Frisur Form und Halt. Susi war sehr zufrieden.
Mittlerweile war es 15.00 Uhr geworden und pünktlich, wie ein Schneider, stand Dr. Braumeier vor ihrer Tür, um sie abzuholen. Er sprang aus dem silbergrauen Mercedes, um ihr die Tür zu öffnen, und begrüßte sie mit einen charmanten Lächeln.
Im hellen sportlichen Blazer, den er zu einer beigen Cordhose trug, stellte er mehr dar, als im weißen Kittel. Um den Hals schlingerte ein passendes Tuch. Kurzum perfekt gekleidet! Sein Aftershave roch verdammt gut und vor allem teuer!!!
Im Wagen, so eng beieinander sitzend, überströmte Susi ein vertrautes Gefühl. Braumeier schlug vor, sich zu duzen und nannte seinen Vornamen. Sie meinte: „Angenehm Walter, ich heiße Susi!“
Inzwischen lachten sie miteinander und die Atmosphäre lockerte sich.
„Da schau mal, an der Ecke ist der Jazzclub, wir sind schon da!“ so der Doktor.
Er parkte in einer Seitenstraße und sie gingen in den Club. Die Musik war gut, aber laut, ja ohrenbetäubend!
An der Theke konnten beide keinen Platz mehr ergattern, deshalb nahmen sie einen der hinteren Tische in Beschlag und tranken Schwarzbier. Der enormen Lautstärke wegen, konnten sie sich kaum unterhalten. Für einen Moment sah Walter wie ein kleiner Junge aus, der soeben ein neues Spielzeugauto bekommen hatte, so fand sie. Es war diese Musik, die ihn so wahnsinnig faszinierte!
Sie stand eigentlich mehr auf Blues, doch das musste sie ihm ja nicht auf die Nase binden.
Die meisten Gäste in diesem Club trugen graues bis schneeweißes Haar und die Band bestand aus einer handvoll betagter Männer, die tolle Musik machten.
Walter bewegte seinen Kopf im Rhythmus. Auf einer kleinen Tanzfläche inmitten des Lokals fanden sich immer mehr Paare ein, um ihre Beine im Takt zu schwingen.
Plötzlich stand Walter auf und fragte Susi, ob sie es auch einmal probieren sollten. Mit einem kurzen Nicken zeigte sie ihre Bereitschaft. Er hielt sie fest in seinem Arm, und sie fühlte sich geborgen wie ein kleines Mädchen.
Tanzen gehörte zu ihren Hobbys. Doch einen Partner zu finden, der im gleichen Stil tanzen konnte, war stets ein Problem für sie. Nun hatte sie einen erwischt. Zufall?
Die Veranstaltung dauerte bis 21.00 Uhr und sie blieben bis zum Schluss. Danach gingen sie in ein chinesisches Restaurant essen. Walter war ein Mann von alter Schule und zeigte sich von allen Seiten wie ein echter Gentleman. Er rutschte dem Stuhl nach vorn und bat Susi, Platz zu nehmen, erst danach setzte er sich selbst.
‚Solche kleine Dinge imponieren den meisten Frauen‘, dachte sie. Aber er machte ihr keinerlei Komplimente, warum auch? ‚Dafür muss die Zeit reifen‘, beschloss sie spontan für sich und zu ihrer eigenen Zufriedenheit. Endlich begann er über sein Privatleben zu erzählen, darauf hatte sie voller Ungeduld gewartet. Dabei stellte sich heraus, dass er in der Tat allein lebte. Seine Frau war vor einigen Jahren verstorben, nun hatte er niemanden mehr, denn die Ehe war kinderlos geblieben.
Eine Haushälterin kam jeden Tag für ein paar Stunden in seine große Villa, um für Ordnung zu sorgen.
„Die Einsamkeit macht mich kaputt, verstehst Du das? Nach dem Tod meiner Frau dachte ich, dass die Zeit alle Wunden heilen würde, doch bei mir scheint es nicht der Fall zu sein. Nur meine Arbeit erfüllt mich noch, aber kommendes Jahr ist auch das vorbei, denn dann gehe ich in Rente. Für meine Praxis habe ich schon einen Käufer gefunden. Was ich danach tue, weiß ich nicht. Vielleicht gebe ich wöchentlich eine Vorlesung an der Uni, wer weiß? Nur, ob das genügt? Darum möchte ich eigentlich gern wieder eine Frau haben. Gemeinsam die Welt bereisen und jeden Tag genießen, als wäre es der letzte!“ sagte Walter.
Susi empfand Mitleid und Verständnis zugleich und eines war sicher, sie konnte ihm vertrauen!
Mit sanfter Stimme antwortete sie: „Es tut mir leid für Dich, wirklich! Eines Tages wirst Du der Richtigen begegnen, davon bin ich überzeugt. Denn Liebe kann man nicht suchen, man kann sie nur finden!“ „In diesem Punkt gebe ich Dir absolut Recht, in Deinem Alter ergibt sich schnell etwas, wenn auch der erste Griff daneben geht, aber mit Mitte sechzig wird es zum Problem. Da muss schon eine ganze Menge Glück im Spiel sein, ohne den läuft gar nichts, “ beteuerte der Doktor. Vertrauensvoll schaute er in ihre tiefgrünen Augen und berührte kurz ihre rechte Hand, ohne Absicht und doch gewollt.
Darauf wusste Susi nichts mehr zu sagen, und blickte ihn fragend an. Walter räusperte sich und erzählte weiter: „Beantworte mir bitte eine Frage! Könntest Du Dir vorstellen, mit einem alten Knacker – wie mit mir – zu leben? Versteh’ mich nicht falsch, ich will nur gern wissen, ob ich auch für eine jüngere Frau akzeptabel bin! Findest Du mich noch attraktiv genug? Sei ehrlich Susi!“
Nun war sie ganz durch den Wind, und wusste keine Antwort darauf.
Er bemerkte ihre Sprachlosigkeit und entschuldigte sich für die direkte, ja sehr indiskrete, Frage.
Kurz darauf bat er um die Rechnung, zahlte mit einen dicken Trinkgeld und beide verließen das Restaurant.
Dieses Gespräch war so peinlich, dass er ihre Gegenwart nicht länger ertragen konnte.
Susi fühlte seine Gedanken und stammelte nur belanglose Dinge daher. Somit ergab sich im Wagen für beide eine angespannte Situation. Walter verabschiedete sich kurz, bedankte sich für ihre Gesellschaft und entschuldigte sich nochmals für seine Direktheit. Danach setzte er sie vor ihrer Wohnung ab und machte sich aus dem Staub!
‚Das war es!‘ dachte sie, denn er hatte keinen Versuch unternommen, um ein Wiedersehen mit ihr zu vereinbaren. Waren ihre Erwartungen zu groß? Die Schuld für die verpatzte Angelegenheit suchte sie bei sich selbst. Warum war sie so überrascht über seine direkte Frage? Damit hätte sie doch rechnen müssen. Inzwischen wurde ihr klar, dass sie für solche Spielchen, noch nicht clever genug war, denn ihrer Freundin Imke wäre dies mit Sicherheit nicht passiert!
Es stimmte sie traurig, dass sie alles vermasselt hatte. Von einer Weltreise träumte sie ihr ganzes Leben schon und natürlich auch vom Luxusleben in einer großen Villa. Ob sie noch eine Chance hatte bei Walter?
Sie beschloss, ihn am kommenden Tag anzurufen, zuvor musste sie es nochmal überschlafen.
In der Nacht schwitzte sie und wachte immer wieder auf. Sollte sie jetzt schon in die Wechseljahre kommen?
Susi hatte genug Informationen gesammelt zu diesem Thema. Allein der Gedanke war ein Horror für sie und doch erwartete sie diese Zeit. Die fehlenden Östrogene lassen dann ihre Haut schneller altern, Haare und Zähne werden ihr ausfallen usw. usw. usw …
Schwere Depressionen würden zum ständigen Begleiter werden und Nacht für Nacht sollten sie böse Dämonen heimsuchen. Furchtbar!!! Wie sollte sie das alles ertragen bzw. überstehen können, ohne einen geliebten, fürsorglichen Mann an ihrer Seite?
Als sich der Wecker meldete, hatte Susi keine Lust, aufzustehen. Ihr Bett war so kuschelig warm und weich, sie drehte sich auf die andere Seite und dachte: ‚Nur noch fünf Minuten … ‘
Doch sie schlief fester als zuvor und erwachte mit Schrecken als das Telefon schellte. Die Uhr zeigte auf zehn vor zehn.
Sie nahm ab und es meldete sich eine nette Damenstimme: „Guten Morgen Frau Reuther, wir machen eine Umfrage über Fernsehsender. Hätten Sie ein paar Minuten Zeit für mich?“
Völlig entnervt antwortete Susi: „Das hat mir gerade noch gefehlt, ich habe verschlafen und keine Zeit für so einen Scheiß!“ und knallte den Hörer auf.
‚Schnell unter die Dusche, anziehen und weg! Das Frühstück muss heute ausfallen‘ dachte sie.
Ihr Terminkalender bestätigte ihr, dass sie schon zwei Termine verpasst hatte und der folgende war 11.00 Uhr bei Dr. Chlement am Rande ihres Bezirkes. Das bedeutete Vollgas für Susi, denn nur so konnte sie noch rechtzeitig erscheinen. Auf der Schnellstraße bemerkte sie kurz das Aufleuchten einer roten Lampe. Das könnte ein Blitzer gewesen sein.
‚Mist! Das kostet mich wieder eine Stange Geld‘ realisierte sie sich eben.
120 km/h zeigte ihr Tacho in einer 100 km/h Zone.
Dieser Tag schien von vornherein, nichts Gutes zu bringen. Wäre sie lieber im Bett geblieben und eines war sicher, die Schuld daran trug einzig und allein diese blöde Tussi mit ihrer blöden Umfrage, die sie geweckt hatte. Susi war entschlossen, Walter Braumeier nicht anzurufen.
Falls er Interesse an ihr hatte, sollte er den ersten Schritt tun – so fand sie!