Читать книгу Die Droste - Biografie von Annette von Droste-Hülshoff - Utta Keppler - Страница 4
ОглавлениеDas Grab der Droste
Es regnet sanft. Fett drängt das Gras
Um blaue Samtgesichter der Violen,
Zitternde Zweige, nasse Mauerquader.
Das quillt und leuchtet: Regen, warmer Regen,
Dampfender Teppich. Dämmernd hingegeben
Spür ich sein buntes Vlies, halb unbewußt.
– Da find ich, was ich suchte: Schüchtern schmale
Gereihte Gräber, unscheinbare Male,
Kreuz, Pfeiler, Tafel, Hieroglyph.
Da steht der Name, der mich rief,
Der Falterfisch.
Aufbricht der sattgedüngte Grund,
Der Mütter Höhle, Ceres dunkler Mund,
Klafft auf. Blauzuckend faunisch Feuer
Schwelt hin. Ein glockenhafter Alt
Spricht Formeln: »… Moos … und Ammonshorn im Wald,
Der See, im knisternden Gespinst
Der trocknen Halme wie geschmolz’nes Zinn …«
Und eine Hand, Däumlein wie Vogelsporen,
Berührt mit starkem Zauberbann die Welt,
Aufspringt die Kruste, Grundgebirg zerschellt,
Türkisen glimmt in magischem Geleucht
Ein Auge. Wahr dich, du bestehst sie nicht,
Den Blick, die Stimme, das Gericht,
Das sie bestand und faßte, im Gedicht.
Utta Keppler