Читать книгу Renate Müller - Ihr Leben ein Drahtseilakt - Uwe Klöckner-Draga - Страница 5

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Filmstar

Sie ist bekannt aus tausend Rollen

Ihr Bild schmückt jedes Magazin.

Was alle Frauen werden wollen,

Was alle möchten und nicht sollen -

Den Wunschtraum, sie verkörpert ihn.

Bald ist sie reiche Baronesse,

Bald Bettlerin vom Pont des arts.

Das allerbrennendste Interesse Erregt

bei Publikum und Presse Ihr Hund,

ihr Haar, ihr Honorar.

Bald fährt sie Opel, bald Mercedes.

Bald ist sie blond und bald brünett.

Um elf Uhr morgens, denkt ein jedes

Auf Grund des üblichen Geredes,

Bringt ihr die Zofe Tee ans Bett.

In Wahrheit steht sie auf um sieben,

Schwimmt kalt-geschmeidig wie ein Aal.

Dann wird massiert und abgerieben,

Gymnastik oder Sport getrieben

Und nachtrainiert im Zandersaal.

Eingang von Briefen. Kurze Sichtung:

Kritiken. Neues Drehprogramm.

Filmdichtung der modernsten Richtung.

Zum Winter Hollywood-Verpflichtung.

Rest: Bitten um ein Autogramm.

Das Auto saust zum Filmgelände.

Ein Mann schreit durch ein Megaphon.

Rings aufgebaut Kulissenwände.

Komparsen warten. Achtung, Blende!

Hilfsregisseure laufen schon.

Zugluft in Ateliergarderoben.

Nur Rheumatismus macht berühmt

Und heilige Geduld der Proben, Wenn

sie, geblendet von schräg oben,

Sechsmal dieselbe Szene mimt.

Umkleiden. Schminken. Lächeln. Weinen.

Jetzt sanft und hold. Jetzt frech und keß.

Jetzt als Gemeinste der Gemeinen,

Jetzt edel und verklärt erscheinen.

Zu Fuß. Zu Pferd. Im Autodreß.

Umdröhnt von Rufen und Gebrause,

Umzischt, umklappert und umgellt

Rollt ab ihr Tagwerk ohne Pause,

Bis sie, spät angelangt, zu Hause

In traumlos tiefen Schlummer fällt.

Indes, zehntausend Augen labend,

Von ihr gelöst und unberührt,

Ihr Bild, sein eignes Leben habend,

In jedem Kino jeden Abend

Ein schattenhaftes Dasein führt ...

George A. Goldschlag, Berlin 1930


Vorwort

„Ich bin ja heut’ so glücklich, so glücklich, so glücklich, ich fühl’ mich augenblicklich so glücklich wie noch nie...“ hieß der Erfolgsschlager, den Renate Müller in dem Tonfilm Die Privatsekretärin 1931 sang. Mit diesem Streifen wurde aus der bereits bekannten Bühnendarstellerin über Nacht ein Leinwandstar.

Von Peter der Matrose bis Togger währte die Filmkarriere von Renate Müller nur 7 Jahre. In dieser kurzen Zeit entwickelte sie sich zum Publikumsliebling des europäischen Films der dreißiger Jahre. Mit ihrer attraktiven, sympathischen Ausstrahlung, dem selbstbewußten, modernen Spiel und dem strahlenden Lächeln, verkörperte sie die junge moderne Frau ihrer Zeit. Ihre Darstellungen in: Die Privatsekretärin, Wenn die Liebe Mode macht, Die englische Heirat, Allotria und ganz besonders in Viktor und Viktoria enthüllten ihr komödiantisches Talent in überzeugender Weise. Renate Müller besaß die Fähigkeit, dem Publikum die menschlichen Schwächen und Stärken der berufstätigen Frau authentisch näherzubringen. Jahre hat sie daran gearbeitet, ein Vollprofi zu werden und sie wußte genau, was sie wollte - zumindest in den für sie geschriebenen Filmrollen. Phantasie und Disziplin waren bei der Arbeit immer in Einklang. Doch hinter diesem heiteren Image verbarg sich ein düsteres privates Schicksal. Renate Müller, die in ihren Filmen glückliche Menschen so überzeugend verkörpern konnte, hatte in ihrem privaten Leben wenig Glück. Krankheit, Drogen und Alkohol zogen sie wie eine nicht aufzuhaltende Lawine in den Abgrund.

Nachdem die Nazis in Deutschland die Macht ergriffen hatten, geriet Renate Müller auch ins Fadenkreuz der Geheimen Staatspolizei. Ihre Tätigkeiten und Aktionen wurden überwacht. Warum? Der „Schirmherr des deutschen Films“, Propagandaminister Dr. Joseph Goebbels, hatte Renate Müller - die als Verkörperung des nationalsozialistischen Rassenideals: blond, blauäugig, fraulich, schön, galt - zunächst ausersehen, sie mit dem Reichskanzler Adolf Hitler zu verkuppeln. Renate hatte kein Interesse und lehnte ab. Mit ihrer Absage an private Treffen mit der Macht in der Reichskanzlei zog sie sich den Zorn des Ministers und des „Führers“ zu. Die Gestapo fand den Grund für ihre Weigerung heraus: Renate Müller, die als Inbegriff der „deutschen Frau“ galt, hatte ein Verhältnis mit einem Juden.

Minister Goebbels wollte sie daraufhin aus der Reichsfilmkammer ausschließen, was einem Arbeitsverbot gleichkam. Ihre Popularität konnte das verhindern. Goebbels begann nun mit einer Hetzjagd, mit Schikanen. Renate Müller war nicht mehr frei, weder in ihren beruflichen Entscheidungen, noch in ihren privaten Entschlüssen. Das Einzige, was sie sich in ihren letzten - von der Partei kontrollierten - Lebensjahren noch bewahren konnte, waren die Freiheit der Gedanken und der Gefühle.

Diese Hetzjagd endete am 7. Oktober 1937 - mit ihrem Tod. Mit diesem frühzeitigen Ende der erst Einunddreißigjährigen, begann die Legende Renate Müller zu leben, und wurde im Laufe der Jahre zum Symbol, zur Metapher.

Ich möchte in diesem Buch Lebensstationen dieser hochsensiblen und couragierten Künstlerin skizzieren und die verblaßte Karriere der Renate Müller erhellen, die im Laufe der Jahre in Vergessenheit geraten ist. Es ist an der Zeit, diesen beliebten Filmstar der dreißiger Jahre, der Millionen Menschen in Europa faszinierte und selber in politisch düsterer Zeit an der menschenverachtenden Politik der Nazis zerbrach, ins Bewußtsein der heutigen Kinogänger zurückzuholen.

Uwe Klöckner-Draga Berlin, im Herbst 2005

Renate Müller - Ihr Leben ein Drahtseilakt

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