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4. Wann muss eine Abnahme erfolgen?

Autoren: Dr. Christian Voit, Martin Loderer

4.1 Grundsatz

Die Frage des richtigen Abnahmezeitpunkts ist in der Baupraxis wenig bekannt und wird häufig vernachlässigt. Mit versäumten Fristen gehen immer wieder spätere Nachteile und Rechtsverluste – gerade für den Auftragnehmer – einher.

Wichtigste Voraussetzung dafür, dass die Arbeiten des Auftragnehmers abgenommen werden können, ist selbstverständlich, dass sie zum Abnahmezeitpunkt überhaupt noch vorhanden sind. Werden die Leistungen des Auftragnehmers vorher – durch welches Ereignis auch immer – zerstört, ist eine Abnahme gar nicht mehr möglich. Die rechtlichen Folgen einer Zerstörung vor der Abnahme ergeben sich aus dem sogenannten Gefahrübergang (§§ 644, 645 BGB bzw. § 7 VOB/B, siehe Kapitel 7.2.2). Bei seit dem 01.01.2018 geschlossenen Bauverträgen ist zudem eine ggf. durchgeführte Zustandsfeststellung nach § 650g BGB n. F. von Bedeutung (vgl. Kapitel 6.4).

Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass die Abnahme durch den Bauherrn erfolgen muss, wenn die Arbeiten des Unternehmers fertiggestellt sind. Klar ist, dass hierfür die Bauleistung nur im Wesentlichen vollendet sein muss. Das heißt, es dürfen noch unwesentliche Restarbeiten fehlen oder geringfügige Mängel vorhanden sein. Diesen Zustand nennt der Jurist „Abnahmereife“.

In jedem Fall müssen die Arbeiten des Auftragnehmers „funktionell“ fertiggestellt sein. Funktionell fertig sind die Leistungen des Auftragnehmers dann, wenn der Auftraggeber sie ungehindert bestimmungsgemäß benutzen kann. Auf Folgegewerke, die andere Handwerker ausführen, kommt es dabei nicht an.

Zur Verdeutlichung einige Beispiele:

Beim schlüsselfertigen Bau eines Hauses muss das Haus vom Auftraggeber bezogen und zu seinen Zwecken (z. B. Wohnen) benutzt werden können, ohne dass störende Fertigstellungsarbeiten noch ausgeführt werden müssen (z. B. fehlender Sockelputz, fehlende Eingangstreppe, fehlende Ver- und Entsorgungsanschlüsse).
Werden Gewerke getrennt vergeben (z. B. Fußbodenheizung und Estrich), dann hat jedes Gewerk Anspruch auf Abnahme vor der Ausführung des nachfolgenden Gewerks. Allerdings muss zu diesem Zeitpunkt das jeweilige Gewerk (z. B. Fußbodenheizung) selbstständig funktionsfähig sein, anderenfalls kommt nur eine Zustandsfeststellung (siehe Kapitel 2.5) in Betracht.
Der Dachdecker hat sein Werk funktionell fertiggestellt, wenn das Dach dicht und die Dachentwässerung angeschlossen ist.

Die funktionelle Fertigstellung {Fertigstellung, funktionelle} der Bauleistungen reicht natürlich dann nicht aus, wenn zwar die bestimmungsgemäße Nutzung möglich ist, aber dennoch die Bauleistung bauvertragswidrig und damit mangelhaft ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn z. B. ein bestimmtes Material oder ein bestimmtes Fabrikat in Auftrag gegeben, aber nicht vom Auftragnehmer verbaut wurde. Beispiel: Die vom Auftragnehmer installierte Fußbodenheizung funktioniert zwar, es handelt sich aber um ein wesentlich preisgünstigeres Fabrikat als das bauvertraglich Vereinbarte. In diesem Fall ist die Leistung des Auftragnehmers nicht abnahmereif.

In der Baupraxis kommt des Öfteren die Frage auf, ob die Abnahme schon vor Ablauf des bauvertraglichen Fertigstellungstermins {Fertigstellung} verlangt werden kann, wenn der Unternehmer vorher mit seinen Bauleistungen fertig wird: Für die Möglichkeit, eine Abnahme durchzuführen, ist der bauvertragliche Termin für die Fertigstellung nicht von Bedeutung. Die Fertigstellungsfrist muss also nicht abgewartet werden. Lediglich in Ausnahmefällen kann der Auftraggeber die Abnahme (weit) vor dem Fertigstellungstermin als unzumutbar ablehnen, wenn er z. B. noch keine Dispositionen für die Überprüfung treffen konnte oder auch noch gar keinen Bedarf für die Bauleistungen hat.

Dem Auftraggeber bleibt es unbenommen, freiwillig noch nicht fertiggestellte, unvollendete Leistungen des Auftragnehmers abzunehmen. Die Wirkungen der Abnahme treten dann ein, egal ob die Arbeiten des Auftragnehmers abnahmereif sind oder nicht (z. B. wegen erheblicher Mängel oder fehlender Leistungen).

4.2 Teilabnahme

{Teilabnahme}

Die Teilabnahme ist eine rechtsgeschäftliche Abnahme mit allen Abnahmewirkungen – allerdings nur für einen abgrenzbaren Teil der Bauleistungen des Auftragnehmers.

Teilabnahme nach BGB

Beim BGB-Bauvertrag besteht grundsätzlich kein Anspruch auf eine Teilabnahme. Die Parteien müssen also für den BGB-Bauvertrag die Teilabnahme vertraglich vereinbaren, wenn eine Pflicht zur Teilabnahme geschaffen werden soll. Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass ein Teilgewerk in sich abgeschlossen sowie vollständig für den Auftraggeber nutzbar ist (ähnlich: § 12 Abs. 2 VOB/B) und der Auftraggeber die Leistungen auch benutzen will (z. B. ein einzelnes Reihenhaus einer Reihenhausanlage). Freiwillig kann der Auftraggeber Teilabnahmen aber immer vornehmen.

Teilabnahme nach VOB/B

Für den VOB-Bauvertrag sieht § 12 Abs. 2 VOB/B einen Anspruch auf Teilabnahme vor. Diese (echte) Teilabnahme hat folgende Voraussetzungen (unechte Teilabnahme siehe unten).

Teilabnahmeantrag des Auftragnehmers Wenn der Auftragnehmer keine Teilabnahme verlangt, ist der Auftraggeber von sich aus nicht verpflichtet, eine Teilabnahme durchzuführen. Der Auftraggeber kann jedoch Teilabnahmen jederzeit freiwillig durchführen.
Einheitlicher Auftrag Bei einer echten Teilabnahme muss es sich um eine Teilleistung aus einem größeren Gesamtauftrag handeln. Liegen mehrere selbstständige Einzelbauverträge für verschiedene Gewerke vor (z. B. Bauverträge getrennt nach Rohbau und Dachdeckerarbeiten oder getrennt nach Losen), so ist die Abnahme eines Gewerks (z. B. Rohbau) keine Teilabnahme, sondern die Schlussabnahme aus diesem Einzelbauvertrag.
In sich abgeschlossene Teilleistung Mit einer Teilabnahme können nur selbstständige Teilleistungen abgenommen werden. Das heißt, die Teilleistung muss von ihrer Einzelfunktion von der Gesamtbauleistung des Auftragnehmers trennbar und selbstständig funktionsfähig sein. Beispiele hierfür sind die fertiggestellte Heizungsanlage, obwohl der Auftragnehmer noch das Gewerk Sanitärinstallation auszuführen hat, oder wenn im Schlüsselfertigbau ein Reihenhaus einer Reihenhausanlage komplett fertiggestellt ist. Die einzelnen Stockwerke eines Rohbaus berechtigen den Rohbauauftragnehmer nicht zur Teilabnahme. Im Verhältnis Generalunternehmer – Subunternehmer hat der Subunternehmer häufig schon Anspruch auf Schlussabnahme (z. B. Rohbau), wenn der Generalunternehmer gegenüber seinem Bauherrn noch nicht einmal eine Teilabnahme beanspruchen kann.

Die Teilabnahme kann ausdrücklich, stillschweigend oder fiktiv, d. h. in allen Abnahmearten, erfolgen. Die Teilabnahme führt für die abgenommene Teilleistung alle Abnahmewirkungen herbei. Der Auftraggeber muss sich auch bei der Teilabnahme ihm bekannte Mängel der Teilleistung und Vertragsstrafen für die abgenommene Teilleistung vorbehalten, um seine Rechte nicht zu verlieren. Der Auftragnehmer kann beim VOB-Bauvertrag eine Teilschlusszahlung auf eine Teilschlussrechnung (§ 16 Abs. 4 VOB/B) fordern.

Von der (echten) Teilabnahme ist die technische Abnahme/Zustandsfeststellung als unechte Teilabnahme zu unterscheiden (siehe Kapitel 2.5.1). Die Zustandsfeststellung {Zustandsfeststellung} führt die rechtlichen Abnahmewirkungen gerade nicht herbei und soll nur den später möglicherweise nicht mehr feststellbaren Zustand eines Gewerks vor der Ausführung eines Nachfolgegewerks dokumentieren bzw. die Abnahme im Rechtssinn vorbereiten.

Praxistipp
Für den Unternehmer ist es günstig, möglichst rasch nach der Fertigstellung einer Teilleistung {Teilleistung} auch eine Teilabnahme durchzuführen, um die Abnahmewirkungen für diese Teilleistung zu erreichen. Ist eine Teilabnahme nicht möglich (z. B. weil das Teilgewerk nicht selbstständig funktionsfähig ist oder Teilabnahmen laut Bauvertrag ausgeschlossen sind), sollten zumindest Zustandsfeststellungen stattfinden. Gerade Subunternehmer müssen darauf achten, ihr Gewerk nach der Fertigstellung unverzüglich vom Generalunternehmer abgenommen zu erhalten. Der Generalunternehmer wird dabei stets versuchen, die Abnahmen seiner Subunternehmer möglichst lange zu verzögern, um einen Gleichlauf mit seinen Gewährleistungsfristen gegenüber dem Bauherrn zu erreichen.

4.3 Bauvertragskündigung

Wird der Bauvertrag vor der Fertigstellung der Bauleistungen des Auftragnehmers gekündigt („vorzeitige“ Kündigung {Kündigung}) oder wird der Bauvertrag z. B. durch einen Rücktritt vom Vertrag beendet, können und müssen die bis dahin erbrachten Leistungen des Auftragnehmers vom Auftraggeber abgenommen werden. Anders als nach dem bisherigen Werkvertragsrecht des BGB a. F. ist für BGB-Bauverträge, die seit dem 01.01.2018 abgeschlossen wurden, eine Kündigung des Bauvertrags aus wichtigem Grund ausdrücklich geregelt. Allerdings war es auch zuvor (ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung) möglich, einen Bauvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen. Die Abnahme nach einer Vertragsbeendigung kann ausdrücklich, förmlich oder schlüssig erfolgen, nicht jedoch fiktiv.

Die Abnahme teilfertiger Leistungen nach der Kündigung ist keine Teilabnahme, sondern eine endgültige Abnahme. Sie beschränkt sich natürlich auf den Stand der Arbeiten des Auftragnehmers zum Zeitpunkt der Kündigung. In der Praxis ist diese Überprüfung der teilfertigen Leistungen häufig schwierig und erfordert großen technischen Sachverstand. Dies betrifft insbesondere die Abgrenzung zwischen noch nicht erbrachten und mangelhaften Teilleistungen, die zur Bestimmung der diesbezüglichen Rechte des Auftraggebers bedeutsam ist.

Der Anspruch des Auftragnehmers auf Abnahme besteht nach der Kündigung sowohl beim BGB-Bauvertrag als auch beim VOB-Bauvertrag. Beim VOB-Bauvertrag ist ausdrücklich geregelt, dass der Auftragnehmer nach der Kündigung die Abnahme und das Aufmaß seiner Arbeiten verlangen kann (§§ 8 Abs. 7, 12 Abs. 4 und 6 VOB/B).

Praxistipp
Nach der Bauvertragskündigung ist es sowohl für den Auftraggeber als auch für den Auftragnehmer angezeigt, sofort – möglichst gemeinsam und vor dem Beginn des Nachfolgeunternehmers – die bis zur Kündigung erbrachten Arbeiten zu dokumentieren, aufzumessen und ggf. abzunehmen. Nur so können spätere Streitigkeiten über die Restvergütung des Auftragnehmers eingedämmt und Beweisschwierigkeiten für beide Seiten vermieden werden. Für den Auftragnehmer ist es in jedem Fall wichtig, den Bauherrn durch eine Fristsetzung zur Abnahme zumindest in Abnahmeverzug zu bringen. Das Recht, die Abnahme zu verweigern, steht dem Auftraggeber nach den allgemeinen Grundsätzen zu, mit Ausnahme der durch die Kündigung fehlenden Leistungen (siehe Kapitel 6).

4.4 Entbehrlichkeit der Abnahme

{Abnahme, Entbehrlichkeit der}

Die Abnahme als Dreh- und Angelpunkt jedes Bauvertrags ist in etlichen Vorschriften des Werkvertragsrechts des BGB a. F. und n. F. sowie der VOB/B enthalten, die für die rechtliche Position des Auftraggebers und des Auftragnehmers von größter Wichtigkeit sind. Deshalb kann und darf auf die Abnahme aus rechtlichen Gesichtspunkten nur in seltenen Ausnahmefällen verzichtet werden.

Eine Abnahme ist damit nur dann nicht erforderlich, wenn der Bauherr wegen unvollständiger oder mangelhafter Leistungen des Auftragnehmers nur noch Geldansprüche (Selbstvornahmekosten, Minderung, Schadensersatz) verlangt. Voraussetzung ist, dass die Werkleistung an den Bauherrn übergeben ist (oder die Übergabe zumindest angeboten wurde) und auch beim Bauherrn verbleiben soll. Weiter muss der Bauherr statt der Fertigstellung oder der Mängelbeseitigung seine Geldansprüche geltend gemacht haben, und wegen der Unvollständigkeit bzw. der Mängel muss eine Abnahme des Werks ausgeschlossen sein, d. h., es darf keine Abnahmepflicht des Auftraggebers bestehen. Diese Konstellation wird häufig nach der Kündigung des Bauvertrags vorliegen, wenn der Bauherr danach vom Auftragnehmer weder die Fertigstellung noch die Mängelbeseitigung verlangt, sondern nur noch Schadenersatz für die Restfertigstellung und für Mängel (BGH, Urteil vom 22.09.2005).

Das Baustellenhandbuch Abnahme

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