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Muskelgewebe

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Muskel wiederum war ein sehr technisch begabter Held; so kam es, dass er gleich zwei verschiedene Arten von Fabriken erfand, und zwar die glatte Muskulatur und die quergestreifte Muskulatur. Glatte Muskelzellen setzte er überall dort hin, wo eine Bewegung für die Körperfunktionen vonnöten war; im Darm zum Beispiel wird der Speisebrei heutzutage durch die Kontraktion von Millionen glatter Muskelzellen voran gepumpt, im Harnleiter wird der Urin durch die glatten Muskelzellen von der Niere zur Blase befördert. Die quergestreiften Muskeln entwickelte er sogar noch weiter; so gab es zwei Arten dieser gestreiften Muskulatur: Das Skelettmuskelgewebe konnte man bewusst kontrollieren und auf diese Weise sich selbst und andere Objekte in Bewegung versetzen; nur wegen diesen Skelettmuskeln können Rockstars, die zu viel getrunken haben, ihre Gitarren auf der Bühne zerstören. Das Herzmuskelgewebe sollte sich sogar soweit entwickeln, dass es später ein eigenständiges, lebensnotwendiges Organ werden konnte. Denn die mächtigen Muskeln des Herzens pumpen tagtäglich das Blut durch den Körper, und das sogar im Schlaf; eine richtige Arbeitsmaschine. Doch was wurde in diesen Muskeln genannten Fabriken hergestellt? Muskels Ziel war es, eine Produktionsstätte für Bewegung zu errichten, also Bewegungsenergie in diesen Fabriken zu erzeugen; und dafür nahm er sich gleich drei verschiedene, komplexe Proteine und eine Ansammlung Calcium-Ionen. Das Genie namens Muskel hämmerte Tag und Nacht an seinem Werk, bis er zwei lange Ketten aus Aktinfilamenten hergestellt hatte; zwischen diese langen Ketten baute er eine Vielzahl widerstandsfähiger Myosinfilamente aus dem Protein Myosin ein, die aussahen wie Golfschläger. Als hätte die Natur schon vor Jahrmillionen gewusst, dass wir heute Golf spielen! Die Köpfe der Golfschläger zeigten nach außen, zu den sogenannten Z-Scheiben, die die Muskeln im Innersten zusammenhielten. Wenn ein Muskel zu sehr beansprucht wurde, so gab es kleine Risse in diesen Z-Scheiben und man hatte ein neues Haustier, nämlich einen Muskelkater. Damit sich der Muskel später kontrahieren konnte, mussten diese Scheiben nun noch mit dem Aktin zusammengeschweißt werden; eine leichte Aufgabe für den begabten Ingenieur namens Muskel. Die Köpfe der Myosinfilamente mussten nun nur noch an das Aktin binden und dann umgekippt werden; dabei schoben die Köpfe der Myosinfilamente die Ketten aus Aktin näher zusammen und so zog sich der Muskel ein Stück zusammen. Dann würden sich die Köpfe der Golfschläger, also die Köpfe der Myosinfilamente, wieder vom Aktin lösen, dann wieder an das Aktin binden, dann wieder umgekippt werden und die Aktinketten noch näher aneinander schieben, und so weiter. Dazu wurde wertvolle Energie verbrannt, die aus der Substanz ATP gewonnen wurde – doch Halt! Es gab ein Problem: Dann würde der Muskel ja immer weiter und weiter und weiter kontrahieren und niemals aufhören! Das war ein Problem; Unser Held namens Muskel dachte lange nach, um es zu lösen und schließlich hatte er die glorreiche Idee, das dritte Protein, das sogenannte Tropomyosin, zwischen die Golfschläger aus Myosin und die langen Ketten aus Aktin zu legen. Nun konnten die Köpfe der Myosinfilamente nicht mehr an das Aktin binden; der Muskel konnte auf einmal nicht mehr kontrahieren. Jetzt bewegte sich plötzlich gar nichts mehr! Das war auch nicht gut. Also dachte Muskel noch länger nach – bis er schließlich den entscheidenden Einfall hatte: Man müsste dieses ominöse Tropomyosin kontrollieren, es zur Seite schieben können. Und das konnte man nur mit Calcium-Zwei-Plus-Ionen machen. Diese Ionen wurden tief in der Muskelzelle, im sogenannten Sarkoplasmatischen Retikulum, gespeichert. Wenn ein elektrisches Signal einer Nervenzelle eine Muskelzelle erreichte, dann breitete sich dieses elektrische Signal einfach gesagt durch die Muskelzelle aus – und öffnete dabei bestimmte Calcium-Ionen-Transporter in der Wand des Sarkoplasmatischen Retikulums. So konnten die gespeicherten Calcium-Ionen das Tropomyosin erreichen und es für die Myosinfilamente zur Seite schieben! Was für eine geniale Erfindung, so eine Muskelzelle!

Bezeichnung der Strukturen in der nächsten Abbildung


A – Myosinfilament

B – Z-Scheibe

C – Calcium-Ion

D - Tropomyosin

E - Aktin


Hier ist einmal ein Sarkomer schematisch dargestellt – davon gibt es in einer Muskelzelle viele, die alle zusammen die Kontraktion der Muskeln ermöglichen.

1 – Calcium-Ionen binden an das Tropomyosin und setzen so die Ansatzstelle an den Aktinfilamenten frei.

2 – Die Myosinfilamente können nun an das Aktin binden – und tun das auch.

3 – Die Köpfe der Myosinfilamente werden umgeknickt und so wird eine Art Ruderbewegung erzeugt, die die Aktinfilamente ins Zentrum des Sarkomers drücken. Dadurch wird das Sarkomer verkürzt. Wenn sich alle Sarkomere in einem Muskel verkürzen, wird also auch der ganze Muskel kürzer – er kontrahiert.

Und schließlich lösen sich die Myosinfilamente wieder, damit sie an das nächst-äußere Aktinfilament binden können – dann knicken sie wieder um, lösen sich wieder, binden erneut an das nächst-äußere Aktinfilament, und so weiter. Die Darstellung hier ist bewusst nur mit einem solchem „Umknicken“ dargestellt, da das Bild sonst zu klein und unerkennbar werden würde. Tatsächlich knickt ein solches Myosinfilament aber mehrfach pro Kontraktion um. Außerdem wichtig zu wissen: Auch der Prozess, bei dem sich die Köpfe der Myosinfilamente vom Aktin lösen, kostet Energie. Mit anderen Worten: Ohne Energie kann ein Muskel sich nicht entspannen. Deswegen setzt bei Toten zum Beispiel nach einer gewissen Zeit die Leichenstarre ein – die Energie der Muskeln ist aufgebraucht und sie können sich nicht mehr entspannen, Energienachschub gibt es bei einem Toten logischerweise auch nicht. Außer bei Zombies.

Wenn ein Nerv keine Lust mehr hat, elektrische Signale durch einen Muskel zu jagen, wenn ein Nervensignal also abbricht, dann verschließen sich die Calcium-Ionen-Transporter in der Wand des Sarkoplasmatischen Retikulums. Es kommen also keine neuen Calcium-Ionen mehr nach. Gleichzeitig werden die Ionen aus Calcium von einer anderen Art von Transporter zurück in das Sarkoplasmatische Retikulum gepumpt; da jetzt aber keine neuen Ladungen aus Calcium mehr nachkommen, sinkt natürlich die Konzentration der Ionen hart. Dann geht das Tropomyosin zurück und verschließt wieder die Andockstellen für das Myosin. Jetzt kann der Muskel also nicht mehr kontrahieren – und zwar solange nicht, bis ein neues elektrisches Signal von einer Nervenzelle durch den Muskel geleitet wird.


Glatte Muskulatur (links), Skelettmuskulatur (Mitte) und Herzmuskulatur (rechts). Die dunkelroten, kleinen Kreise sind die Zellkerne der einzelnen Muskelzellen; Bei der Skelettmuskulatur sind die Zellen in mehreren Reihen direkt hintereinander angeordnet und miteinander verbunden. Bei glattem Muskelgewebe sind die Zellen zwar auch nebeneinander, aber nicht in Reihen angeordnet. Bei Herzmuskelgewebe gehen die Muskelzellen kreuz und quer ineinander über.

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