Читать книгу Generation Z - Valentina Vapaux - Страница 12
SAFE SPACES
ОглавлениеSind wir also wirklich nur diese deprimierte, internetsüchtige Generation? Ist das Internet wirklich so schrecklich und böse? Ich bin fest davon überzeugt, dass die Strukturen, Ideen und Mechanismen, auf denen das Internet basiert, in der vollen Bandbreite in sich eine Gefahr für unser Wohlbefinden und unser Glücklichsein sind.
Doch mit seiner Schnelllebigkeit, seinen menschenverachtenden Seiten und dem Kampf um Aufmerksamkeit ist das Internet auch nur ein Symptom unserer Zeit. Und wir sind die Generation, die nichts anderes kennt. Wir kennen nichts als beschleunigten Spätkapitalismus.
Doch was ist das überhaupt? Viele Probleme und Erfolgserlebnisse, die wir als unsere eigenen bezeichnen, sind typisch für unsere Zeit.
Um mal ein paar Jahrhunderte kurz zu überschlagen: Die Schwerpunkte des Kapitalismus haben sich von seiner ursprünglichen industriellen Form und der Arbeitergesellschaft vor allem im Westen in Richtung einer Dienstleistungsgesellschaft entwickelt.
Mittlerweile legen der technische Fortschritt und die zunehmende Nutzung von Maschinen, die menschliche Arbeit ersetzen, den Fokus mehr und mehr auf geistige Arbeit. Spoiler alert: Auch diese wird mit künstlicher Intelligenz immer unwichtiger werden. Das Adjektiv beschleunigt beschreibt in diesem Kontext die mit der Erfindung des Internets beginnende Periode. Entwicklungen, die sich in den Jahrzehnten zuvor angebahnt hatten, werden durch digitale Technologien katalysiert und beschleunigt. Und da sind wir also heute, in einer Welt, die sich schnell und schneller dreht. Bei dieser Dynamik geht es um mehr als um Wirtschaftstheorie oder historische Zusammenhänge. Die Beschleunigung ist vor allem ein Gefühl. Unser ganzes Leben – alles ist hyper, crazy, fast.
Wenn wir uns konkret den Lebensbereich Internet und uns als Konsumenten betrachten, dann gibt es da einerseits sehr viel Negatives. Doch die Wolke, unser Spielkasino, ist nicht nur Verdammnis, sondern auch Verheißung.
Ich bin in dem Teil unserer Generation aufgewachsen, der an der Schnittstelle steht. Meine Kindheit war vergleichsweise analog. Im Fernsehen kam das, was kam, wir hatten einen Familienlaptop, den ich für Hausaufgaben und Fakten-Googeln benutzen konnte. Manchmal durfte ich am Handy meiner Tante Spiele spielen. Das war’s eigentlich schon. Mein erstes Smartphone bekam ich mit 13. Ich kenne die Zeit, »in der wir noch draußen gespielt haben«. Oft werden analoge Zeiten verherrlicht und romantisiert. Doch für mich waren soziale Medien in ihren Anfängen eine Form von Rettung.
Mit 13 habe ich mich zum ersten Mal wirklich einsam gefühlt. Auf Partys küsste ich betrunken meine Freundinnen und merkte irgendwann, dass es für mich mehr war als nur ein Partyspiel. Als ich mit 15 in die USA zog, meinte mein Freund, mit dem ich in einer Fernbeziehung war, ich könne ja noch was mit Mädchen haben. Er fand das hot. Es ist dann einfach so passiert, Sex mit einem Mädchen. Am nächsten Morgen kam ich zu Hause an und rief eine Freundin an. Ich habe bis heute noch einen Screenshot von ihrer Reaktion auf meinem alten iPad in der pinken Silikonhülle. Ihre Augen sind riesengroß und in ihrem offenen Mund glitzert eine Zahnspange. Ich wusste nicht, wohin mit mir. Was bedeutete das jetzt? Tränenüberflossen rief ich meine Mutter an, die zu mir sagte, das sei nur eine Phase. Die Worte meiner Mutter und das elitär-konservative Umfeld, in dem ich aufwuchs, brachten mich dazu, dass ich mich erst zwei Jahre später wirklich outete.
In der Zwischenzeit wurde das Internet mein Safe Space. Ich schaute queere YouTuber und YouTuberinnen, lernte immer mehr über Feminismus, Diskriminierung und verschiedene Identitäten. Meine Meinung, meine politische Zugehörigkeit und meine Persönlichkeit wurden immer stärker. Endlich hatte ich klare Vorbilder, die so waren wie ich.
Und bis heute ist das die große Stärke der sozialen Medien. Wir finden Anschluss, Zugehörigkeit und können lernen. Doch hier ist auch schon das Problem. Wir selbst kreieren gemeinsam mit den Algorithmen unsere Realität. Folgen wir Menschen, die uns wirklich weiterbringen oder glücklich machen, oder nur denen, die wir zwar bewundern, die uns aber unsere eigenen Unsicherheiten und Unterlegenheitsgefühle überproportional vor Augen halten?