Читать книгу Final Game - Valuta Tomas - Страница 3
Prolog
ОглавлениеJean
Auszug aus Graceful Body
Sams Hände krallen sich in den luftgepolsterten Rand des Geburtsbeckens. Kniend lässt sie ihren Kopf zwischen den ausgestreckten Armen hängen. Schwer atmend versucht sie den Schmerz zu ertragen.
Die Hände ballen sich zu Fäusten, während sie zu stöhnen beginnt. Neve hockt neben ihr und massiert sanft ihren Rücken.
»Geht's?«, fragt sie fürsorglich. Sams Antwort ist ein weiteres schmerzverzerrtes Stöhnen. Wimmernd erträgt sie die erneute Kontraktion, bis diese nach und nach abebbt. Zitternd beugt sie sich etwas vor. Sie stützt die Ellenbogen auf den Beckenrand und wischt sich ein paar Haarsträhnen von der schweißnassen Stirn. Laura ist ihr behilflich und schiebt eine hinter das Ohr.
»Noch ein Wort von dir, Neve, und ich schmeiße dich raus. Seit Stunden redest du wie ein Wasserfall. Ich kann deine Stimme nicht mehr hören«, keift Sam wütend und blickt zu ihrer Frau nach hinten. Ihre Augen werfen ihr einen so unnachgiebigen und wütenden Blick zu, dass das warme Wasser im Becken eigentlich mit einem Schlag gefrieren müsste.
Neve presst schuldbewusst, aber erschlagen über Sams Worte, die Lippen aufeinander. Leicht betreten blickt sie um sich. Sam hat ja recht. Seit vor Stunden bei ihrer Frau die Wehen eingesetzt haben, hat sie den Mund tatsächlich keine fünf Minuten durchgängig geschlossen gehalten.
»Sei nicht so hart zu ihr«, versucht Laura ihre Freundin zu beruhigen. Sanft streicht sie ihr über den Kopf. Sam blickt zu ihr hoch.
»Wir sprechen uns in ein paar Tagen wieder, wenn du in den Wehen bist und zur Oberzicke mutierst«, raunt sie zynisch. Laura lächelt und stupst ihr auf die Nasenspitze.
»Mit Sicherheit werde ich nicht so zickig wie du.«
»Nein, schlimmer«, gluckst Jessica von der Couch hinüber. Laura reißt den Kopf in die Richtung ihrer Frau. Den Blick den sie ihr zuwirft, kann mit Sams von eben in hundert Jahren mithalten.
»Siehst du, geht schon los«, lacht Jessica, ohne sich bewusst zu sein, wie gefährlich diese Aussage für sie enden könnte. Laura schnaubt wütend.
»Vorsicht, Wasser kommt.« Neve rutscht im Becken etwas zur Seite, damit Matt und Damon jeder einen Topf mit warmem Wasser nachkippen können. Mit vorsichtig kreisenden Bewegungen verteilt sie die wohltuende Wärme. Sam stöhnt kurz wohlig auf, als die Wärme sie erreicht. Sie legt die Unterarme auf den Rand und legt den Kopf ab. Genießerisch schließt sie die Augen für ein paar Sekunden, bis Matt ihr fürsorglich über die Haare streicht.
Auch wenn es ihr schwerfällt und sie eigentlich nur noch schlafen will, öffnet sie ihre Augen und blickt zu ihm hoch.
»Meine tapfere kleine Sam«, lächelt er vertraut. Bevor sein treuster Hund aber antworten kann, setzt auch schon die nächste Wehe wieder ein. Stöhnend und wimmernd erträgt sie die Schmerzen, bis sie plötzlich zu schreien beginnt.
Seit Stunden wechselten sie und Neve aus dem Becken wieder heraus, damit Sam sich etwas bewegen konnte. Neve folgte ihr auf Schritt und Tritt. Sie stützte sie und konnte immer genau sehen, wann die Schmerzen größer und stärker wurden. Aber noch nie schrie ihre Frau vor Schmerzen auf.
Von daher schießt sie alarmierend hoch, rutscht zu Sam hinüber und massiert ihr wieder den Rücken. Sam reißt eine Hand vom Rand und legt sie sich auf den Bauch. Sie schreit noch immer, bis es zu einem Stöhnen abschwächt.
»Wann hört das endlich auf?«, krächzt sie schluchzend, kaum das sie Luftholen kann.
»Ich werde den Muttermund nochmal überprüfen«, lenkt die Hebamme Sam von den Schmerzen ab. Neve rutscht etwas zur Seite, damit die gute Frau an Sam herankommt. Vorsichtig tastet diese sie ab und hört gleich darauf zur Sicherheit noch einmal die Herztöne ab. Kaum kann Neve dieses aufgeregte und schnelle Pochen hören, schießen ihr Tränen in die Augen.
Bei jedem Ultraschalltermin begleitete sie ihre Frau, auch wenn sie deshalb ihren neuen Job unterbrechen musste. Ihr war es aber immer wichtiger bei ihrer Frau und ihrem Kind zu sein, anstatt Verbrecher zu jagen.
Auch Precious war jedes Mal dabei und starrte begeistert zu diesem kleinen Wesen auf den Bildschirm. Beide Frauen bereiteten sie schon früh darauf vor, dass sie bald ein Geschwisterchen haben würde. Sie hüpfte immer voller Aufregung herum und bettelte darum, dass sie eine Schwester haben möchte. Einen Bruder hätte sie ja schon. Aber sobald sie dieses kleine Etwas auf dem Monitor sah, war es ihr egal, ob sie eine Schwester oder einen Bruder bekam. Sie fand diesen Anblick einfach nur faszinierend. Auch war das eine der seltenen Momente, wo sie vollkommen ruhig wurde. Sie sprang nicht wie gewohnt durch die Weltgeschichte oder quietsche mit ruderndem Armen herum. Nein, sie war bei jedem Termin unfassbar ruhig und gebannt.
Bis heute wissen die Frauen nicht, ob es ein Junge oder Mädchen wird. Es ist ihnen auch egal. Matt rümpfte zwar immer die Nase, weil er schon neugierig war, akzeptierte aber die Entscheidung seiner Frauen.
Die Namensfindung für ein Mädchen war ja schon geklärt. Bei einem Jungen konnten sie sich auch recht schnell einigen. Dylan.
Laura tippte dann irgendwann auf den Küchentisch der beiden und erhob Besitzansprüche auf diesen Namen.
»Wenn es bei euch ein Mädchen wird, nehmen wir den Namen.« Ihr ernster Tonfall ließ keine weiteren Kommentare zu. Selbst Jessica hielt still, als Laura das in diesem Augenblick scheinbar vollkommen alleine entschied.
Die Geburtstermine der beiden liegen nur ein paar Tage auseinander. Laura ist froh, dass Sam die erste ist. Denn somit kann sie sich entscheiden, ob sie zuhause ebenfalls eine Wassergeburt haben möchte, oder doch lieber traditionell ins Krankenhaus geht. Bis heute scheint sie sich noch nicht entschieden zu haben.
Durch die Entscheidung von Sam und Neve, das Kind zuhause zur Welt zu bringen, umgingen die beiden Freundinnen aber auch die kleine Prügel um den Kreißsaal.
Die Hebamme blickt zu Neve zurück und nickt bestätigend. Dann schaut sie Sam zuversichtlich an.
»Der Muttermund ist weit genug geöffnet. Du machst das wirklich super. Es kann eigentlich jeden Augenblick losgehen.«
»Wehe wenn nicht«, grunzt Sam gereizt. Nach Luft ringend richtet sie sich etwas auf und stützt sich zur Seite. Neve versteht diese Aufforderung ohne Worte, rutscht zu ihr hinüber und zieht sie vorsichtig zwischen ihre Beine.
Schwer atmend lehnt sich Sam mit dem Rücken gegen sie. Atmend entspannt sie sich etwas und schließt erschöpft die Augen.
Behutsam legt Neve beide Arme um sie. Sanft streichen ihre Hände über Sams Bauch.
Als wenn es erst gestern gewesen wäre, weiß sie noch, wie sie eines Morgens im Bett hochschrak, als sie Sam lauthals schreien hörte. Schlaftrunken stolperte sie besorgt aus dem Bett und stürzte in das Ankleidezimmer. Ihre klebrigen Augen erfassten ihre Frau, die sich fassungslos im großen Spiegel anstarrte.
»Was ist?«, hechelte Neve von diesem kleinen Sprint. Sam drehte sich zu ihr um. Als wenn sie die Frage nicht fassen könnte, quietschte sie entrüstet »Siehst du das nicht?«. Neve blickte an ihr entlang. Mehr als diesen hinreißend und entzückend runden Bauch ihrer Frau, konnte sie nicht sehen. Von daher zog sie unwissentlich die Schultern hoch.
Sam blickte an sich hinunter. Sie konnte scheinbar nicht glauben, dass ihre Frau diese körperliche Veränderung nicht bemerkte. Sie war damals in der 31. Woche und schob somit schon eine gute Kugel vor sich her, aber irgendetwas schien sie nun in diesem Augenblick völlig aus der Fassung zu bringen.
»Ich sehe wie ein Pottwal aus«, quietschte sie geschockt. Sie drehte sich zum Spiegel zurück.
»Ich bin ein Elefant. Das ist ja widerlich«, schimpfte sie entrüstet.
»Ach, wird es ein Junge?«
»Was?« Sam schaute Neve fragend an. Die zog ein weiteres Mal die Schultern noch. Der Schlaf stand ihr noch immer ins Gesicht geschrieben.
»Wenn du ein Elefant bist und es ein Junge wird, dann hängt sicherlich schon der Rüssel raus«, gluckste sie verschlafen. Dann überlegte sie angestrengt.
»Nein, der Spruch ging irgendwie anders«, winkte sie lachend ab.
»Neve!« quietschte Sam wütend und stampfte mit einem Fuß auf.
Die ältere Frau drehte sich mit einem Mal um, murmelte »Hormone« vor sich hin und ließ sich in die Kissen zurückstürzen.
Da sahen beide Frauen dabei zu, wie Sams Bauch von Woche zu Woche wuchs und von einem Tag auf den anderen, fühlte sich ihre Frau fett? Das konnten nur die Hormone sein.
Mit einem kräftigen Schwung landete im nächsten Augenblick ein Kissen hart in ihrem Gesicht.
»Beweg sofort deinen Arsch. Du musst dich um mich kümmern«, keifte Sam wütend. Neve blinzelte verschlafen zu ihr hoch. Als sie diese Wut in ihren Augen erkennen konnte, erhob sie sich widerwillig aus den Kissen.
»Ok, ich mache dir einen Tee«, murmelte sie. Schlafend und mit hängendem Kopf schlurfte sie aus dem Schlafzimmer, durch den Flur und trottete dann die Treppe hinunter.
»Das kann ja noch heiter werden«, gähnte sie vor sich hin, während das Wasser nur langsam zu kochen begann.
***
Schmerzend schlingt Sam eine Hand um Neves Finger, die andere schiebt sie in ihren Nacken, wo sie sich leicht festkrallt. Aber schon nach ein paar Sekunden entspannt sie sich wieder. Erschöpft lässt sie den Kopf auf ihre Schulter fallen.
»Ich halte das nicht mehr lange aus«, flüstert sie entkräftet. Neves streichelnde Hände beruhigen sie für einen kurzen Moment, bis Sam sie schmunzeln hört. Sie kommt aber nicht dazu zu fragen, weshalb sich dieses entzückende Lächeln auf den Lippen ihrer Frau befindet. Denn die gleitet an ihr Ohr und flüstert »Brauchst du auch nicht. Deine Fruchtblase ist eben geplatzt«. Als Antwort entspannt sich Sam noch mehr. Sie weiß selbst, dass sie jetzt ihre letzten Kraftreserven irgendwie anzapfen muss.
»Wenn…«, sie schluckt schwer »wenn du meinst, mich nochmal schwängern zu wollen, werde ich dir den Hals umdrehen«, pustet sie angestrengt. Neve lacht leise.
»Ich würde es jederzeit wieder tun«, flüstert sie und haucht ihrer Frau einen sanften Kuss auf den Hals.
»Aber ohne mich«, murmelt Sam erschöpft. Sie holt einige Male tief Luft, bis die nächste Kontraktion beginnt. Krampfend und schreiend hält sie sich an ihrer Frau fest. Die drückt ihre Wange gegen Sams Kopf und gibt ihr vereinzelnd ein paar Küsse gegen die Schläfe. Sie kann spüren, wie viel Kraft Sam dieser ganze Prozess kostet. Wie erschöpft sie ist und wie die Schmerzen sie zerreißen. Wenn es dafür nicht diesen wunderschönen Grund gäbe, wäre sie vor Sorge schon tausend Tode gestorben.
Dennoch erinnert sie sich an dem Abend, als Matt in das Bad des Schlafzimmers schlenderte und den beiden einen kleinen Plastikbecher auf die Armatur stellte.
»Schönen Abend noch und viel Spaß damit«, gluckste er frech. Zuerst starrte Neve mit großen Augen auf dieses kleine Behältnis, streckte dann aber einen Arm aus und zeigte Richtung Tür.
»Verschwinde«, lachte sie. Es dauerte eine paar Momente, bis sich die Haustür öffnete und danach wieder verschloss. Neve begab sich gleich darauf vor der Armatur in die Hocke. Ihre Augen erfassten den Becher. Wie ein wissbegieriges Kind im Biologie-Unterricht, blickte sie mit großen Augen auf den Inhalt dieses Gefäßes.
»Das ist sooo widerlich«, schluckte sie hart. Ihr Blick glitt zu Sam, die ein paar Meter vom Bad entfernt stand. Ein Ausdruck, der puren Ekel ausdrückte, hatte sich auf ihrem Gesicht ausgebreitet. Sie schien zu überlegen, ob sie diese Idee tatsächlich in die Tat umsetzten. Auch sie musste schwer schlucken.
Neve blickte zu dem Becher zurück und schüttelte angewidert den Kopf.
»Und du hast das Zeug geschluckt.« Ein wütendes Schnauben war zu hören.
»Das musste jetzt sein, oder?«, keifte Sam wütend. Dann fuchtelte sie mit einer Hand zu dem Becher hin.
»Mach… fang lieber an, bevor die Dinger da drinnen…. Man, warum braucht man dafür nur unbedingt diese Scheiße?« Als wenn sie sich jeden Augenblick übergeben würde, unterdrückte sie tapfer ein Würgen. Neve zog entschuldigend die Schultern hoch.
»Tut mir leid, dass ich das nun mal leider nicht kann.«
»Ja ja, fang endlich an«, brummte Sam wütend und machte einen weiteren Schritt zurück.
Neve holte tief Luft, schluckte und griff zur Seite. Etwas zittrig zog sie sich die vertrauten Gummihandschuhe über und griff nach dem Becher. Fast in Zeitlupe drehte sie den Deckel auf. Vorsichtig nahm sie diesen ab. Angespannt spähte sie in den Becher hinein. Im nächsten Moment schoss sie einen Schritt zurück.
»Warum zur Hölle muss dieses Zeug nur so pervers stinken?«, keifte sie wütend und schlug sich eine Hand auf Nase und Mund.
»Boah, das geht gar nicht.« Weil Sam in ausreichender Entfernung stand, bekam sie von dem Odeur nichts ab. Von daher traute sie sich frech zu lachen, als sie Neves angewidertes Gesicht sah.
Die ältere Frau blickte zu ihr hinüber. Sie schnaubte wütend.
»Lach ruhig weiter. Ich schütte dir das Zeug gleich über den Kopf«, drohte sie murmelnd hinter vorgehaltener Hand. Sofort beendete Sam das Lachen, konnte es aber nicht verhindern, dass sie noch ein kleines Lächeln auf den Lippen hatte.
Neve trat wieder an die Armatur, blieb dann aber stehen. Hastig schüttelte sie den Kopf. Mit einem Satz huschte sie an Sam vorbei und verließ das Schlafzimmer. Ihre Frau schaute ihr etwas sparsam hinterher.
Es dauert etwas bis Neve zurückkehrte. Sam brach gleich darauf in schallendes Gelächter aus, als sie die Wäscheklammer auf der Nase ihrer Frau sah.
»Du kannst mich gerne auslachen, aber das Zeug stinkt wie die Pest«, fluchte Neve mit unbekannter Nasenstimme. Sam presste ihre Lippen aufeinander, nur damit sich Neve nicht allzu verspottet fühlte. Allerdings konnte sie ein kurzes prusten beim besten Willen nicht unterdrücken.
Mit zusammengekniffenen Augen blickte Neve sie noch einmal an, bis sie zur Armatur zurückging. Sie fuchtelte einige Zeit vor sich hin, schnappte mit weggedrehtem Kopf immer wieder nach Luft, bis sie fast salutierend vor ihrer Frau stand.
»Bewaffnet und bereit, Ma'am«, verkündete sie mit ihrer Nasenstimme stolz. Sam schmunzelte, griff ihr in die Bluse und zog sie in das Schafzimmer zurück.
»Komm Schatz, mach mir ein Kind«, lachte sie schalkhaft und sarkastisch. Sie nahm Neve die Wäscheklammer ab, schmiss sie achtlos zur Seite und zog sie näher zu sich, nur um ihre Lippen voll und ganz für sich in Besitz zu nehmen.
»Oh, ich werde es dir so richtig besorgen, Baby«, murmelte Neve mit gespielt männlicher Stimme. Beiden entfuhr gleichzeitig ein Lachen, bis sie sich auf das Bett fallen ließen und ihren ersten Versuch von zwei starteten.
***
»Oh Gott, Neve«, schreit Sam mit einem Mal unfassbar ängstlich. Nur mit einem einzigen schnellen Blick nach oben, reicht Neve Laura, Sams Hand. Diese übernimmt hastig und kniet sich am Becken hinter ihre Freundin. Beschützend hält sie sie, während Neve vorsichtig hinter Sam wegrutscht.
Die Hebamme eilt um das Becken herum. Zitternd und mit dieser Situation plötzlich völlig überfordert, kniet sich Neve zwischen Sams Beine.
Schreiend wirft Sam den Kopf auf den Rand zurück. Behutsam streichelt Laura sie, hält ihre Hand aber noch immer fest, die ihr bei dieser Kraftanstrengung fast die Knochen bricht.
Nur nebenbei bemerkt Neve, dass Laura ihrer Freundin irgendwelche Worte zuflüstert. Sie kann zwar keines davon verstehen, weiß aber, dass sie Sam beruhigen. Denn ihre Frau wechselt von einem Schrei, zu einem Brummen. Mit aller Kraft die sie besitzt, presst sie die Lippen aufeinander und die Augen zusammen. Aus dem Schreien ist ein kontrolliert schnelles atmen geworden. Wie ein Hund nach einer ausgiebigen Fahrradtour, hechelt Sam und klammert sich an Lauras Hand.
»Du machst das super«, lobt ihre Freundin sie. Als wenn sie die Worte kaum verstehen würde, schüttelt Sam den Kopf. Sie reißt ihn nach vorne, schaut ihre Frau an und beginnt wieder zu schreien.
Mit den Worten der Hebamme »Das Baby kommt«, wirft Sam den Kopf wieder zurück. Ihr ganzer Körper spannt sich bis in die letzte Faser an, als sie das erste Mal zu pressen beginnt.
Wenn Neve glaubte bisher jeden Schmerzensschrei ihrer Frau gehört zu haben, dann war es nichts gegen das, was ihre Ohren in diesem Augenblick zu hören bekommen. Sie überkommt eine Gänsehaut, wird sich aber schlagartig wieder bewusst, in welcher Verantwortung sie sich im Augenblick befindet.
Sam entspannt sich für einen kurzen Moment, nur um gleich darauf erneut vor Schmerzen zu schreien.
»Ruhig weiter atmen«, rät ihr die Hebamme, was Sam aber kaum wahrnimmt. Sie krallt sich weiter in Lauras Hand und lässt es sich nicht nehmen, ein lautes »Fuck« zu schreien.
Laura streicht ihr behutsam über den Kopf und haucht ihr während der weiteren Zeit immer wieder beruhigende Küsse auf das Haar. Sie blickt zu Neve vor, die zwischen Sams Beinen kniet und den Blick starr auf deren Schritt gerichtet hat.
Als sich deren Augen nach einer gefühlten Ewigkeit und unendlichen Schmerzen für ihre Frau weiten und sie irgendwie geschockt nach Luft schnappt, flüstert Laura Sam beruhigend »Weiter pressen« zu. Aber wieder schüttelt ihre Freundin den Kopf. Sie ist kaum noch bei Verstand. Benommen agiert sie nur noch und hört auf ihren Körper. Er sagt ihr, was sie zutun hat.
Von daher reißt sie erst wenige Sekunden nach Lauras Aussage den Kopf wieder vor. Ihre Augen halten sich an Neve fest, die wie hypnotisiert zu ihr hinunterblickt. Ihre Hände schwimmen zitternd aber aufmerksam vor Sam. Nur kurz hebt sie den Blick. Sie sieht ihre Frau voller Konzentration und mit hochrotem Kopf pressen und gleichzeitig den Schmerz ertragen. Sie selbst durfte dieses Gefühl mit Precious leider nie erfahren und ist für einen kurzen Augenblick tatsächlich neidisch auf Sam.
Diesen wichtigen und herzerfüllenden Schritt nun aber mit ihr teilen zu dürfen, reißt sie wieder in ihre Aufgabe zurück.
Zitternd aber zaghaft legt sie ihre Hände unter das Köpfchen des Babys. Sie bekommt kaum mit, dass ihr die Hebamme behilflich ist und unter Wasser die ersten Reste der Fruchtblase vom Köpfchen streicht.
Fassungslos und von diesem kleinen Wunder überwältigt, starrt sie zu diesem winzigen Wesen hinunter, dass sich noch nicht ganz zeigen mag.
Erst als Sam für ein paar Sekunden den Kopf wieder zurücklegt, Luft holt und sich ein letztes Mal anspannt, scheint sich das Baby den restlichen Werdegang überlegt zu haben.
Mit einem lauten Aufschrei, gibt Sam ihrem Kind einen letzten kleinen Stups, bis sich der Zwerg sanft von Neves Händen in einer einzigen fließenden Bewegung vollständig auffangen lässt.
So wie die Hebamme ihr das in mehreren Gesprächen zuvor genau erklärt hat, hebt Neve den Zwerg schnell aber zugleich vorsichtig aus dem Wasser und legt ihn Sam auf die Brust.
Ihre Frau braucht noch ein paar Sekunden, bis sie wieder bei klarem Verstand ist. Laura drückt ihr unaufhaltsam schluchzende Küsse auf die Haare, bis sie ihre Hand loslässt.
Kraftlos hebt Sam den Kopf und blickt zu diesem winzigen nackten Bündel auf ihrer Brust. Von den Schmerzen zwar noch benommen, aber mit dem Wissen, dass dieser Schritt nun vollendet ist, nimmt sie die Hände vor und legt sie vorsichtig um den kleinen Hosenscheißer. Schluchzend und weinend, streicht sie dem Zwerg über den faltigen und blassen Körper. Kaum beginnt das Baby zu schreien, fängt sie zu lachen an.
Erschöpft lässt sie für einen kurzen Moment den Kopf nach hinten fallen, blickt dann aber wieder nach vorne. Sie erfasst ihre Frau, die noch immer vor ihr kniet. Mit großen Augen und nassen Wangen starrt sie schon fast apathisch auf dieses neue Leben, bis Sam eine Hand zu ihr ausstreckt. Wortlos nimmt Neve diese und rutscht an ihre Seite. Ihre Ohren nehmen das Schreien des Babys wahr. Ihre Hand nimmt Sams sanfte Hand wahr und dennoch kommt ihr dieser Moment so unglaublich surreal vor. Sie kann das alles gar nicht so schnell verarbeiten, wie das nun gelaufen ist.
Stunden warteten alle auf diesen Augenblick und dann ging alles so schnell, dass Neve am liebsten noch einmal zurückspulen möchte, um das alles erneut zu erleben.
Erst als Sams Hand über ihre Wange streicht, kommt sie wieder zu sich. Benommen schaut sie ihre Frau an. Trotz der Erschöpfung, leuchten deren Augen voller Freude. Sie nimmt Neves Hand und führt sie vorsichtig zu dem kleinen Zwerg. Kaum spürt sie dessen Haut, laufen ihr noch mehr Tränen geräuschlos über die Wangen. Sie spürt den Hosenscheißer atmen, hört ihn schreien und könnte in diesem Augenblick selbst vor Freude schreien.
Sam holt sich erneut ihre Aufmerksamkeit, als sie ihre eigene Hand auf Neves legt. Kaum berühren sie beide den Zwerg, schauen sie sich an und wissen was sie wollen.
Neugierig blicken zwei Augenpaare an diesem winzigen Körper entlang, bis Sam die erste ist, die zu lächeln beginnt.
»Hallo Jean«, begrüßt sie weinend die kleine Maus auf dieser Welt.
Sam legt den Kopf zurück und sucht ihre Tochter. Zwischen all den Erwachsenen, kann sie sie dann ausfindig machen und lächelt sie voller Stolz an.
»Du hast eine Schwester«, verkündet sie erschöpft. Anstatt laut aufzuschreien, kniet sich Precious neben ihrer Mutter an das Becken. Faszinierend blickt sie auf das kleine Wesen. Erst durch das schwache Nicken, zeigt sie somit, dass sie die Aussage ihrer Mutter verstanden hat. Ihre braunen Augen tasten den kleinen schreienden Körper ab.
»Sie sieht komisch aus.« Neve schiebt einen Arm in Sams Nacken um sie zu stützen und streicht Precious mit der anderen Hand über den Kopf.
»Das ist ganz normal. Das wird schon.« Sam kann spüren, wie anstrengend diese kleine Aussage für ihre Frau war. Das ganze scheint sie doch mehr Kraft gekostet zu haben, als sie sich wahrscheinlich selbst zugemutet hätte.
Ihre eigenen erschöpften Augen blicken um das Becken herum. Auch wenn ihr die dortigen Menschen die liebsten auf der Erde sind, fühlt sie sich im Augenblick doch etwas beobachtet. Jessica und Laura kommen aus dem schluchzen und heulen gar nicht mehr heraus. Matt hat seine Unterarme auf den Beckenrand abgelegt und den Kopf dort platziert. Glücklich, fasziniert und mit nassen Wangen lässt er sein weiteres Kind keine Sekunde aus den Augen, während Damon hinter ihm steht und ebenfalls leicht benommen auf den Zwerg blickt.
Als wenn er es sich von Matt abgeschaut hätte, hat selbst Marley seine große Schnauze auf den Rand gelegt und miekst Schwanzwedelnd. Die Hebamme hat sich für diesen Augenblick kurz zurückgezogen. Sie wird gleich noch genug zutun haben. Diesen Moment will sie einfach nicht stören.
»Ich liebe dich«, reißt Neve ihre Frau flüsternd aus dem verträumten Blick. Strahlend schaut Sam sie an. Ihre Augen reden ohne Unterlass, aber ihre Lippen bewegen sich nicht. Sie deuten nur ein schüchternes Lächeln an. So lange, bis sich Neve zu ihr lehnt und sich einen vorsichtigen Kuss klaut.
Gemeinsam blicken sie zu ihrer Tochter und streicheln die kleine schreiende Jean zaghaft.