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KIT

Ich streckte meinen Arm unter der Decke hervor und schlug auf meinen Wecker, damit er Ruhe gab. Gott, es war zu früh. Obwohl die Sonne unter meinen Jalousien durchsickerte, wollte ich mich noch ein paar Stunden tiefer in meine Decke kuscheln. Ächzend schwang ich meine Beine aus dem Bett und setzte mich auf. Die Hochzeit gestern Abend war problemlos verlaufen; zumindest waren die Braut und Bräutigam der Meinung gewesen. Erin und mir war es gelungen, den Onkel des Bräutigams gerade rechtzeitig für die Familienfotos mit zwei Tassen Kaffee auszunüchtern. Sie hatten auch nicht bemerkt, dass das Gemüseallerlei beim Abendessen gar kein Allerlei gewesen war, sondern nur aus Brokkoli bestanden hatte.

Während das Paar einen denkwürdigen Hochzeitstag, und höchstwahrscheinlich auch Nacht, gefeiert hatte, war mein Tag weniger aufregend gewesen. Mein wilder Samstagabend hatte so ausgesehen, dass ich auf dem Heimweg den täglichen Lottoschein für meine Mutter abgeholt hatte, an der Eingangstür meine Heels von den Füßen getreten hatte und dann wie ein gefällter Baum ins Bett gefallen war und geschlafen hatte bis… der nervige Wecker losgegangen war.

Wir hatten ein Frühstücks-Meeting mit unserem neuen – und größten – Kunden und all diese Arbeit war der Grund für meine Rückkehr nach Cutthroat, aber einige zusätzliche Stunden Schlaf hätten nicht geschadet.

Ich roch noch keinen Kaffee, was bedeutete, dass Erin noch schlief. Sie hatte das frühe Meeting ausgemacht. Also hätte sie wenigstens als erste aufstehen und die Koffeininjektion vorbereiten können.

In bereits übler Laune machte ich schnell mein Bett und tapste aus meinem Zimmer und durch den Flur, wobei ich mein Schlafshirt nach unten zog. Ich schaffte es bis zur Couch im Wohnzimmer, dann stoppte ich. Starrte. Blinzelte. Ich war noch nicht ganz wach, mein Gehirn arbeitete noch nicht auf Hochtouren, aber als ich Erin ausgestreckt auf dem Boden liegen sah, war ich von einem Moment auf den anderen schlagartig hellwach.

„Erin!“, schrie ich und fiel vor ihr auf die Knie. Ihre blonden Haare klebten blutig an ihrem Kopf. Da war so viel Blut, dass es den Teppich durchweicht hatte. Ihre blauen Augen starrten zu mir hoch, blicklos und leer. „Oh mein Gott, Erin. Wach auf!“

Rein rational wusste ich, dass sie tot war. Ihre Augen bewegten sich nicht. Ihre Lippen waren grau. Die Seite ihres Kopfes… Gott, es war schlimm. Rein irrational hob ich ihn auf meinen Schoß, strich ihre Haare zurück und drängte sie beständig dazu, aufzuwachen. Als ich realisierte, dass ich das Blut verschmierte, stoppte ich. Ich begann, zu zittern und mich umzusehen, um herauszufinden, wie sie in diese Lage gekommen war. Hilfe. Sie brauchte Hilfe.

Vorsichtig legte ich sie wieder auf den Boden und rannte in mein Zimmer, wo ich mein Handy vom Ladekabel riss. Mit zitternden Fingern versuchte ich, über das Display zu streichen, um es zu entsperren. „Komm schon“, wimmerte ich, aber meine Finger waren voller Blut und es funktionierte einfach nicht. Ich wischte sie an meinen Schlafshorts ab und probierte es erneut.

„9-1-1, was für einen Notfall haben Sie?“

„Ich… meine Freundin… sie ist tot. Oh Gott. Sie müssen einen Krankenwagen schicken.“

„Ma’am, wie lautet Ihre Adresse?“

Ich nannte sie ihr und beantwortete anschließend all die Fragen, die sie in ihrer effizienten Stimme auf mich abfeuerte. Ich blieb bei ihr in der Leitung, bis ich die Sirene hörte. Daraufhin legte ich auf und rannte nach draußen. Erins Haus war eine Sonderanfertigung mit viel Holz und Glas und mehr Zimmern als eine Person brauchte. Es gehörte zu einer Highend-Enklave von Häusern mit großen Gärten und großartiger Aussicht, die in die Konten der meisten Leute riesengroße Löcher reißen würden, aber nicht in Erins. Sie war eine Mills. Ich rannte barfuß über den kleinen Weg, um dem Feuerwehrwagen und Krankenwagen entgegen zu kommen, die in die kreisrunde Einfahrt gefahren waren und zum Haus zeigten.

„Sind Sie verletzt?“, fragte einer der Rettungssanitäter und musterte mich von Kopf bis Fuß, während die anderen ins Haus eilten.

Ich schüttelte den Kopf. „Es ist… es ist nicht mein Blut. Ich hab sie gefunden.“

Ich folgte ihm zurück ins Haus, wo der andere Rettungssanitäter und drei Feuerwehrmänner vor dem Steinkamin im Wohnzimmer, welches zwei Stockwerke hoch war, standen, aber nichts unternahmen, um Erin zu helfen. Einer sprach in ein Walkie-Talkie, ich achtete jedoch nicht darauf, was er sagte.

Ich blickte hinab auf Erin, die noch immer so neben der Couch lag, wie ich sie zurückgelassen hatte. Die Ersthelfer unternahmen nichts, weil sie wussten, dass sie tot war. Sie sah tot aus, obgleich sie ihre üblichen schwarzen Yogahosen und weißes Tank Top trug. Das Oberteil war auf der rechten Seite mit Blut bespritzt.

„Ma’am, können Sie mir erzählen, was hier passiert ist?“, fragte ein Feuerwehrmann, der meine Erscheinung musterte. „Hatten Sie einen Streit?“

Mein Mund klappte auf. „Was? Nein. Ich… ich bin gerade erst aufgewacht. Ich hab sie so gefunden.“ Ich deutete auf Erin.

„Warum bist du voller Blut?“

Ich wirbelte beim Klang der Stimme herum. Sie gehörte keinem der Ersthelfer, sondern jemand anderem. Jemandem, den ich allein am tiefen Tonfall seiner Worte erkannte.

„Nix“, wisperte ich.

Der Mann, der in meinen nächtlichen Fantasien eine Hauptrolle besaß, stand in all seiner über sechs Fuß großen Pracht vor mir. Er trug Jeans und ein Button-down-Hemd, einen Gürtel mit einer großen Gürtelschnalle, die er beim Rodeo gewonnen hatte, um die Taille. Eine Dienstpistole steckte im Holster an seiner Hüfte direkt neben seiner Marke und direkt daneben war… eine unverkennbare Wölbung.

Ich blinzelte und schaute weg. Gott, meine Mitbewohnerin war tot und ich glotzte auf das beste Stück von Nixon Knight. Aber es war Nix. Alles an ihm war vertraut, als käme ich nach Hause, obwohl ich ihn über ein Jahr nicht gesehen hatte. Obwohl er einer der Gründe war, warum ich Cutthroat verlassen hatte. Obwohl er absolut null Interesse an mir hatte. Das veranlasste mich dazu, den Blick abzuwenden, und trieb mir die Röte in die Wangen. Nicht, weil ich erwischt worden war, sondern aus Scham wegen des letzten Jahres. Meiner verschwendeten Träume. Meiner unerwiderten Liebe.

„Kit“, erwiderte er, streckte seine Hand aus, legte sie auf meine Schulter und beugte sich an der Taille nach vorne, sodass seine dunklen Augen meinen begegneten. „Du bist nicht verletzt?“

Sein Blick war durchdringend, abschätzend und erfasste jeden Zentimeter von mir.

„Nein. Das ist alles von ihr.“ Ich hob meine Hände und ließ sie fallen. „Ich… wollte ihr helfen, aber… aber ich konnte nichts tun. Ich habe 9-1-1 angerufen.“

Ich wollte in seine Arme rennen, dass er mich fest umarmte und dafür sorgte, dass all die schlimmen Dinge verschwanden. Aber er war nicht als Freund hier und auch nicht als ehemaliger fast-fester-Freund. Er arbeitete. Ich war sein Job.

„Ich wusste nicht, dass du wieder in der Stadt bist“, sagte er.

Ich biss auf meine Lippe und drehte den Kopf von seinem prüfenden Blick weg. „Ähm… seit letztem Monat.“

„Du wohnst hier bei Erin?“

„Ja. Ich arbeite mit ihr bei Mills Moments.“ Er sah verwirrt aus. „Ihrem Eventplanungs-Business.“

„Oh. Richtig.“

„Ich war dabei Geld zu sparen, um mir selbst etwas zu mieten. Wir hatten allerdings wirklich viel zu tun, da wir einige kleinere Events ausgerichtet haben – wie beispielsweise die Hochzeit gestern Abend. Doch der Großteil unserer Zeit wurde in letzter Zeit von einem Großkunden beansprucht. Wir kümmern uns nämlich um das Catering, die Partys und Marketing-Events für den neuen Film von Eddie Nickel. Wir hätten uns heute Morgen mit ihm treffen sollen.“

Eddie Nickel war ein berühmter Filmstar, aber besaß ein Haus in Cutthroat. Er hatte zwei Kinder. Shane war ein paar Jahre älter als ich, aber Poppy war in der Highschool in meiner Klasse gewesen. Beide wuchsen hier mit einer Nanny auf, während Eddie in Hollywood war oder an einer Location drehte.

„An einem Sonntag?“

Ich zuckte mit den Achseln. „Sie arbeiten jeden Tag, wenn sie an einer Location drehen.“

„Ich werde ihn von jemandem kontaktieren lassen“, entgegnete er. Offensichtlich würde ich es nicht zu dem Meeting schaffen. Genauso wenig wie Erin. Ich schluckte hart, weil mir bewusst wurde, wie schrecklich das war. Tränen drohten, mir aus den Augen zu kullern, doch ich zwang sie zurück.

Er lief zu Erins Körper, aber nicht zu nahe, ging in die Hocke und erfasste alles. Ich wusste, er sah Dinge, die ich nicht sehen konnte.

Nach einer Minute stand er auf und wandte sich mir zu. „Erzähl mir, was passiert ist.“

„Ich weiß nicht, was ihr passiert ist. Ich… schlief und kam raus, um Kaffee zu machen. Ich fand sie, dann rief ich 9-1-1.“

„Wo ist dein Schlafzimmer?“ Er sah sich in dem Raum um. Die riesige Küche war dem Wohnzimmer angeschlossen und eine gewundene Treppe befand sich neben dem Kamin.

Ich deutete den Flur hinab und zum hinteren Teil des Hauses. „Hinter der Küche. Erins Zimmer ist oben. Der zweite Stock ist im Grunde ein einziges großes Schlafzimmer.“

Er blickte in die Richtung, in die ich gedeutet hatte, und dann wieder zu mir. „Warum bist du voller Blut?“

Ich sah an mir hinab, drehte meine Handflächen nach oben und entdeckte, dass sie vollkommen mit Blut bedeckt waren. Anschließend erzählte ich ihm, dass ich sie auf meinen Schoß gelegt und mich ausgerechnet gefragt hatte, wie sie sich den Kopf angeschlagen hatte. Das war nicht gerade viel und die Ersthelfer hörten schweigend zu. Nur die Stimme, die durch das Walkie-Talkie drang, durchbrach die Stille.

Ich erschauerte und verschränkte die Arme vor der Brust, als mir klar wurde, dass ich vor Nix und fünf anderen Männern in lediglich einem hauchdünnen Tank Top – ohne BH – und kurzen Schlafshorts stand. Als ich nach unten blickte, sah ich, dass sich meine Nippel gegen den dehnbaren Baumwollstoff drängten, doch dann entdeckte ich all das Blut an mir. Die gelbe Farbe war rot gesprenkelt, meine Hände waren davon bedeckt, meine Arme damit beschmiert. Da war sogar etwas Blut auf meinen blau gestreiften Shorts und Schenkeln.

„Wann hast du sie das letzte Mal gesehen?“

Ich sah vom Blut meiner besten Freundin hoch. „Gestern Abend in der Red Barn. Auf der Hochzeit, die wir geplant hatten.“

Es war ein beliebter Ort für Hochzeitsfeiern, der gerade außerhalb der Stadt auf zehn Acre Land lag. Es handelte sich um eine alte Scheune, die für eine Vielzahl an Feiern hergerichtet worden war.

„Ich bin vor ihr gegangen. Sie sagte, sie hätte noch Pläne“, fügte ich hinzu.

„Welcher Art waren die?“

Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Sie hat es mir nicht erzählt, aber ich tippe mal auf einen Mann.“

„War die Eingangstür geöffnet?“ Er deutete mit dem Kopf zum momentan geöffneten Eingang. Der Morgen war kühl, wie jeder Sommermorgen in Montana, aber es würde wärmer werden, wenn die Sonne höher stieg.

Ich runzelte die Stirn. Dachte nach. „Nein. Ich öffnete sie, als ich die Sirene hörte.“

„War sie abgeschlossen?“

„Nein.“ Ich erschauere abermals.

„Ich sehe dort neben der Tür ein Alarmanlagenbedienfeld.“ Er deutete auf die hochmoderne Anlage. „War sie nicht eingeschaltet?“

„So weit ich weiß, hat sie sie nie programmiert. Ich kenne den Code nicht. Kann ich… kann ich mir ein Sweatshirt oder so was holen?“ Das Blut an meinen Händen war getrocknet, wodurch meine Haut spannte.

„Ich werde dich begleiten, aber die Spurensicherung muss ihren Job machen.“

„Spurensicherung?“, wiederholte ich.

Seine dunklen Brauen hoben sich „Sie ist nicht gestolpert, Kit.“ Er sah zu Erins Körper auf dem Boden. „Sie wurde ermordet.“

Mountain Darkness – befreit mich aus der Dunkelheit

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