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Wandrer und Mädchen
von
Ludwig Achim von Arnim
ОглавлениеWie glänzt mir jede Stadt so hell,
wo mir kein Haus gebauet,
wo ich als wandernder Gesell
mich lustig umgeschauet;
wenn in der leichten Abendtracht
die Mädchen in den Türen,
weil sie vom hellen Mond bewacht,
so manchen Mutwill spüren.
Sie: „Hilf Gott,“ so spricht mich eine an,
„das nenne ich noch gähnen,
bist du nicht auch ein Leiermann,
sing mir von Lust und Tränen! —
Sing langsam, daß ich’s von dir lern,
ich will’s dem Liebsten singen,
das Wetter leuchtet still von fern,
die Grillen Ständchen bringen.“
Ich sing von einem Ort im Rhein,
da liegen große Glocken,
und wird im Jahr ein edler Wein,
da stehen sie ganz trocken,
und schlagen drauf die Schiffer an,
da rufen sie nach Weine;
ich bin ein durst’ger Leiermann
und habe müde Beine.
Sie: „Hier hast du eine Flasche Wein,
und hier die Bank von Steinen,
und denke, du säßest hier am Rhein
und tränkst von edlen Weinen;
und greif mir nicht nach meinem Arm,
ich wärm ihn in der Schürze,
und singe mir, es ist nicht warm,
und mir die Zeit verkürze.“ —
Am Rheine war ein geiz’ger Abt,
der gönnt es nicht den Leuten,
daß sie an Trauben sich erlabt,
wenn sie zur Lese schreiten;
darum erfand der list’ge Mann,
sie mußten immer singen:
dieweil dann keiner essen kann,
und in die Butten springen.
So soll ich singen vor der Tür,
und möcht’ dich lieber küssen,
o Mädchen, nimm mich doch zu dir,
und morgen will ich grüßen,
mit allem süßen Zaubersang,
geschöpft aus deinem Munde,
jetzt schweigt mein Mund in Liebesdrang,
der Wächter ruft die Stunde.
Sie: „Der Wächter singt sein Verslein gut,
so gut magst du nicht singen,
er hat so einen tapfern Mut
und kann Gespenster zwingen.
Er hat gar ein gewaltig Horn
und bläst recht mit zum Spaße,
sein’ Lieb’ zu mir hat grimmen Zorn,
darum zieh deine Straße.“
Als ich die Warnung kaum vernehm,
hör ich die Hunde heulen,
da ist’s auch mir so unbequem,
daß ich davon muß eilen:
ich seh’ den Wächter an der Tür,
er tut mein Mädchen küssen,
doch hat sie drauf, das glaubet mir,
die Tür ihm zugeschmissen.
Und wie er nun in seinem Grimm,
und ich in meinem Lachen,
da ruft er mir mit starker Stimm’:
„Was hast du nachts zu machen?“ —
„Die Lieb’ ist leer, die Flasch’ ist aus,
auf dir sei sie zerschmissen!“
Das tat ich und sie lacht’ im Haus;
dann bin ich ausgerissen.