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Einleitung

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Es könnte wohl als selbstverständlich scheinen und ist doch wohl nicht ganz unnötig, hier einleitend zu betonen, daß ein Band humoristische Gedichte, von der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung herausgegeben, seinen besonderen Charakter haben wird, daß manch einer nach dem Titel vielleicht ein anderes Buch vermuten wird, als er es hernach findet. Es wird sich hier nicht lediglich um eine Sammlung von spaßigen Schnurren handeln können, mögen auch solche Schnurren in guter Zahl darin vertreten sein. Die da Aufnahme gefunden haben, haben sich indes auch immer ausweisen müssen, daß sie mehr bieten konnten als eine Anekdote, bei der der Spaß, die Pointe am Schluß das allein Wertvolle, weswegen es sich verlohnte, die Geschichte überhaupt anzuhören. Hier soll die Schnurre schon schnurrig sein vor dem Schluß, der Humor soll bereits in der ganzen Behandlung des Stoffs, ja gar schon in der äußern Form des Gedichts liegen.

Doch ist nun mit solchen Schnurren das Reich des Humors keineswegs zu Ende, sondern es erstreckt sich viel, viel weiter. Wo immer der Widerstreit zwischen Idee und Wirklichkeit zutage tritt, da hat er auch sein Banner mit der „lachenden Träne“ aufgepflanzt. Grenzstreitigkeiten können sich allerdings jeweilig ergeben mit der benachbarten Satire. Auch für diese Sammlung bestand die Aufgabe, nach dieser Seite hin die richtige Grenze zu ziehen. Sie dürfte wohl im großen und ganzen getroffen sein, wo nach dem Grundsatz verfahren ward, Gedichte von tendenziösem und didaktischem Charakter beiseite zu lassen. Bei dem Satiriker herrscht das ethische Moment vor, er zeigt den Abstand von Idee und Wirklichkeit, „die Menschen zu bessern und zu bekehren“, er will reizen und anstacheln; und auch, wo er alle Hoffnung fahren läßt, nach der Seite der Tat hin etwas zu erreichen, da noch mit bitterm Spott und Hohn klagt er und klagt er an, wie die ideale Forderung so schlecht gedeckt wird. Der Humor aber bleibt im Gebiet des rein Ästhetischen, er nimmt den Gegensatz zwischen Idee und Wirklichkeit, ob auch jeweilig mit wehmütiger Resignation, als unabänderlich gegeben hin. Dieser Kontrast zwischen der Idee und ihrer Erscheinungsform reizt ihn rein als künstlerisches Motiv, und wie er resigniert sich bescheidet, erwächst ihm aus seinem Bescheiden ein tiefer, frommer Optimismus, eine bejahende Freude, daß doch noch in allem Niedrigen und Widrigen der Welt, durch alle Krümmungen und Verzerrungen hindurch die Herrlichkeit der Idee sich offenbart. Und wo er auch ihres Glanzes nur einen matten Schimmer und ein flüchtiges Aufleuchten gewahrt, ist er darob gleich bereit, dem ganzen peinlichen Erdenrest zu vergeben. Wenn solcher Art sein Spott keine Gebrechen und Schwächen verschont, so wirkt der Humor doch bei alledem mild und versöhnend, er weiß zu verstehen und zu verzeihen und läßt keinen Stachel zurück. So gleicht er jener heiligen Lanze, die die Wunden, die sie geschlagen, auch selbst wieder zu heilen vermochte.

Wo irgendwie in dieser Sammlung jedennoch das Element des Didaktischen, Tendenziösen, Satirischen sich geltend macht, da wird es nur als ein sekundäres Element erscheinen gegenüber dem vorherrschenden des reinen Humors, der jenes unterworfen und bewältigt hat. Natürlich konnte das Didaktische in dem Falle ohne weiteres seinen Platz beanspruchen, wo die Didaktik darauf hinausläuft, den Humor als Weltanschauung zu lehren und zu feiern. Doch wird auch wohl bei manchen Fabeln und Schnurren, wie sie hier aufgenommen, schließlich noch irgendeine Weisheit mit behaglich überlegenem Schmunzeln zugegeben; der Dichter drapiert sich als Weiser, der, nur diese Weisheit zu beweisen, die Geschichte erzählt hat, doch der Schalk guckt ihm dabei über die Schulter. Und in dem Schillerschen Poem vom „Pegasus im Joche“ – dem einzigen Gedichte unseres großen Meisters, das für diese Sammlung sich eignete, einem Gedichte, das recht als ein Grenzstein sich eignet, bis wohin deren Gebiet abgesteckt werden konnte – wird alles bittere Satirische schließlich überflutet und überstrahlt von der Sonne des reinen Humors; wie am Ende der Hippogryph sieghaft emporsteigt und seinen Flug nach oben nimmt in reinere Lüfte, weit über alle Erdenschwere und Misere hinweg, so schwingen auch wir uns empor, alle Tendenz und die ernste Schwere des Gedankens dahinter lassend, in die Höhe der reinen Imagination, in jene heitern Regionen, wo die reinen Formen wohnen.

Innerhalb der so gegebenen Grenze erscheint nun hier der Humor nach all seinen mannigfachen Ausstrahlungen und Spielarten. Die da zusammengetreten sind, um für dieses Buch zu sammeln und zu sichten1, sind sorglich bedacht und bemüht gewesen, daß keine der Varianten zu kurz kommen möge. So findet sich denn hier der trockene und der feuchte Humor, der wein- wie der tränenfeuchte, der zierliche und der derbe und biderbe, der leise und der überschäumende, der innige und der unsinnige, neben der behaglichen Schnurre steht der kaustische Witz, neben dem leicht graziösen Scherz jener erhabene tiefste Humor, der alles liebt und alles segnet; auch fehlen nicht jene Schöpfungen einer ungebundenen phantastischen Laune, jene Capriccios und Grotesken, wie die vor allem sie schätzen, denen gegeben ward, Welt und Dasein ironisch zu nehmen und „des Lebens Unverstand mit Wehmut zu genießen“.

Hinsichtlich der Reihenfolge der Gedichte ist als das beste befunden worden, im allgemeinen chronologisch zu verfahren, ohne indes in jedem einzelnen Fall sich mit ängstlicher Genauigkeit an dies Verfahren zu binden, wenn nach dem Charakter des Dichters oder des Gedichts eine Abweichung davon geschmackvoller und daher gebotener erschien.

Und so ist reiche Auswahl geboten; jeder, der irgendwie Sinn für echten Humor besitzt, wird finden, was ihm mundet. Sollten indes etwa etliche zarte Seelchen aufstehen und klagen und maulen, daß einige Stücke ihnen nicht munden wollen, weil der Humor darin zu keck und saftig und gewürzt sei, als daß ihre empfindlichen Mägen dies vertragen könnten – ja – wie heißt es noch in Shakespeares köstlicher Komödie? – „Meint ihr, weil ihr tugendhaft seid, sollte es in der Welt keine Torten und keinen Wein mehr geben? – Das soll’s, bei Sankt Kathrinen! und der Ingwer soll euch noch im Munde brennen.“

Hamburg, Oktober 1908.

William Meyer.

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William Meyer, Dr. Max Goos, Anna Flickwier, Marta Klöckner, Eduard Mörike.

Deutsche Humoristen, 4. und 5. Band (von 8)

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