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Hudson Maxim.
Das 1000 jährige Reich der Maschinen
Der Kampf mit der Krankheit
ОглавлениеIn jedem Kriege kommen auf jeden einzelnen in der Schlacht Gefallenen Dutzende anderer, die Krankheit und Pestilenz dahingerafft haben. In den Kriegeswolken, die den Kampf mit den Krankheitskeimen aufnehmen, gibt es eben keine Risse. Da herrscht ein beständiger blutiger, immer weiter um sich greifender Krieg. Die schöne, reizende Tochter, in deren Gesicht Gesundheit und Glück lächeln, küßt einen Spielgefährten, an dessen Lippen die Bazillen der Tuberkulose haften, und fällt der schrecklichen Krankheit zum Opfer, und bei Diphtheritis, bei Scharlachfieber, Typhus und jeder anderen unserer zahlreichen ansteckenden Krankheiten droht ihr die Gefahr, selbst krank zu werden, ebenso oder noch mehr.
Wir haben noch keine Waffen, mit denen wir diesen Feind angreifen könnten. Wir müssen noch immer als hilflose Zuschauer zusehen, wie unsere Lieben von den mikroskopisch-kleinen Gegnern des Lebens unerbittlich dem Sensenmann überantwortet werden. Allerdings haben wir ein paar Gegenmittel gefunden; einige neue Behandlungsmethoden sind da und das Messer des Chirurgen. Die helfen aber leider nur wenig. Aus diesem Grunde haben wir eine immerwirkende Heilkraft auf das dringendste nötig. Eine Heilkraft, die alles zerstört, was unser Leben gefährdet, und alles erhält, was unserem Leben notwendig ist.
Mit anderen Worten: wir bedürfen der Entdeckung eines elektrochemischen Prozesses, durch welchen die Krankheitskeime im Gewebe, in der Lymphe und im Blute getötet werden, ohne den Zellen des lebendigen Körpers Schaden zu tun. Und daß dieses Problem wirklich gelöst werde, gehört zu den aussichtsreichsten Verheißungen der allernächsten Zukunft. Dann wird jedes Opfer jeder wie immer gearteten Krankheit in einem einzigen Tage wieder hergestellt werden können, und jede Krankheit wird mit einem Schlage verschwinden. Der aber, der dieses Problem endgültig lösen wird, wird der größte Wohltäter des Menschengeschlechts werden, größer als die Weltgeschichte jemals einen gehabt hat oder je wieder haben wird. Für einen anderen neben ihm ist kein zweiter Platz mehr vorhanden.
Chemiker, Elektriker und Physiker sollten dieser Aufgabe die ernsteste Beachtung schenken und tun es wohl auch, und ich möchte ihnen da gleich folgenden Wink geben, der ihnen möglicherweise von Nutzen sein könnte:
Seit geraumer Zeit ist es bekannt, daß, wenn man ein Diaphragma in einen Elektrolyten bringt und einen elektrischen Strom von ausreichenden Volts hindurchschickt, der Inhalt der einen Elektrodenkammer solange durch das Diaphragma hindurch in die andere eingepreßt wird, bis sich ein gewisser Druckunterschied zwischen den Lösungen der beiden Kammern eingestellt hat. Diesen Vorgang nennt man Elektro-Osmose oder Kataphorese. Gerber verwenden Elektro-Osmose beim Gerben von Häuten, indem sie eine Gerblösung auf das Fell einwirken lassen; sie sparen auf diese Weise viel Zeit und viel Geld.
Meine Anregung geht nun dahin, den ganzen menschlichen Körper als einen Teil des Diaphragmas in der Elektro-Osmose oder Kataphorese zu verwenden und so heilkräftige bezw. Krankheitskeime zerstörende Chemikalien in und durch das Hautgewebe, die Lymphe und das Blut zu pressen. Könnte nicht zum Beispiel, wenn der menschliche Körper einen Teil einer solchen Scheidewand darstellen müßte, eine Chlorlösung in die eine der Kammern gegossen und ein derartig starker elektrischer Strom hindurch geschickt werden, daß das Chlor in und durch das menschliche Zellengewebe, die Lymphe und das Blut gepreßt würde, wodurch alle Krankheitskeime zerstört werden müßten, ohne daß dadurch die Gewebe und die flüssigen Stoffe des Körpers auch nur im geringsten in Mitleidenschaft gezogen würden?
Chlor ist nämlich eines der stärksten und wundervollsten Desinfektionsmittel, das unsere Wissenschaft kennt; von ihm genügt eine weit schwächere Lösung als von den meisten anderen, unsere Krankheitskeime zerstörenden Chemikalien, wie zum Beispiel Karbolsäure (Phenol), Aetzsublimat und übermangansaures Kali. Wenn die Bandagen einer frischen Wunde sofort mit einer schwachen Chlorlösung, die ein wenig mit gewöhnlichem Kochsalz gemengt ist, angefeuchtet und feucht gehalten werden, so vernarbt die Wunde fast immer ohne jede Eiterung und hinterläßt keinerlei Schmerzhaftigkeit an der betreffenden Stelle. Das ist doch ein augenscheinlicher Beweis dafür, daß eine ausreichend starke Chlorlösung angewendet werden darf, um infizierende Krankheitskeime zu töten, ohne die Zellengewebe des menschlichen Körpers in Mitleidenschaft zu ziehen.
Der menschliche Organismus ist gleichsam eine komplizierte Maschine. Er ist eine Art elektrischer Generator. Sein Blut ist alkalisch, während die Lymphe oder der Körpersaft seines Fleisches sauer ist; beide sind durch eine undurchdringliche Membran von einander getrennt, so daß ein Mensch wohl an einer Erkrankung des Blutes leiden kann, ohne dabei kranke Lymphgefäße haben zu müssen. Umgekehrt können wieder seine Lymphgefäße erkrankt sein, wie dies beispielsweise bei der Tuberkulose der Lymphgefäße, die wir unter den Namen Skrofulose kennen, der Fall ist, ohne daß er an Tuberkulose des Blutes erkrankt zu sein braucht. Um daher jeden Krankheitskeim in der Lymphe und im Blut, in den Knochen und in den Muskeln sicher zu zerstören, wäre es notwendig, den ganzen Körper einheitlich mit einem Desinfektionsmittel zu durchdringen.
Und das zu erreichen, das muß das Ziel der desinfizierenden Elektro-Osmose sein. Ein Ziel, dem wir – ich wiederhole es – heute schon nahe sind.