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Wie Diebe in der Nacht

Ich wollte mit der Planung für unsere Reise beginnen, sobald wir am nächsten Tag aus der Schule kamen. Es fiel mir schwer, mich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren. Es gab einiges, das ich gerne auf die Reise mitnehmen wollte. Deshalb hatte ich vor, auf dem Heimweg von der Schule einen Zwischenstopp im Warenhaus einzulegen. Aber ich hatte vergessen, dass Raven, Crystal und ich Speisesaaldienst hatten. Crystal erinnerte mich daran, als wir uns an unseren Schließfächern trafen und ich ihr von meinem Plan erzählte.

»Das geht nicht. Wir müssen sofort zurück und Grandma Kelly helfen, alles fürs Abendessen vorzubereiten. Wenn wir zu spät kommen, geht Gordon auf uns los«, sagte sie. Nach dem, was er ihr gestern Abend im Badezimmer angetan hatte, versetzte sie diese Vorstellung in Panik.

»Mach dir keine Sorgen. Wir kommen nicht zu spät«, beschwichtigte ich sie. »Wir brauchen doch nur zwanzig Minuten für den Heimweg.«

»Wir besorgen uns alles, was wir brauchen, morgen. Wir haben doch den ganzen Nachmittag Zeit, nicht wahr?«, bat sie mit angstverzerrtem Gesicht.

Crystal sah aus, als glaubte sie gar nicht, dass wir weglaufen würden. Sie schien das nur zu sagen, um mir einen Gefallen zu tun. Raven warf mir einen warnenden Blick zu, und ich nickte zum Zeichen des Einverständnisses.

»In Ordnung. Lasst uns gehen«, schlug ich zögernd vor.

Also nahmen wir den Bus zurück, statt uns auf unsere Reise vorzubereiten. Im Bus redeten wir nicht einmal darüber. Stattdessen unterhielten wir uns mit den anderen Schülern über die Prüfungen, die wir gerade hinter uns gebracht hatten. Langsam hatte ich das Gefühl, Crystal hätte recht, alles wäre nur ein Luftschloss, ein Fantasiegebilde.

Merkwürdigerweise fand ich die Abschlussklausuren gar nicht so schwierig, wie ich befürchtet hatte. Das meiste, was ich gelernt hatte, war hängen geblieben oder leicht aus meinem Gedächtnis abrufbar. Ich fühlte mich, als sei mein Gehirn durch die Aufregung elektrifiziert und jeder Gedanke hätte ein Neonschild, das genau anzeigte, wo er sich befand.

Crystal blieb nachdenklich. Sie sagte einfach nur, dass sie die Tests gut geschafft hätte, ließ sich untypischerweise aber nicht weiter darüber aus. Normalerweise lieferte sie uns, ob wir wollten oder nicht, eine ausführliche Kritik der Tests und gab ihr Urteil darüber ab, ob der Lehrer oder die Lehrerin die wichtigsten Punkte in dem Test abgedeckt hatte. Was Gordon ihr am Abend zuvor angetan hatte, lastete ihr wie Blei auf der Seele. Sie hatte panische Angst davor, ihn zu sehen, fürchtete sich aber genauso vor dem, was ich vorgeschlagen hatte.

Als wir in Lakewood House ankamen, hastete sie ins Gebäude, hoch in ihr Zimmer, um sich umzuziehen, und hoffte, dass sie ihn nicht sah.

»Sie ist in einer schrecklichen Verfassung. Sie hier herauszuholen ist das Beste, was wir für sie tun können«, meinte ich zu Raven.

»Das Beste, was wir für uns alle tun können«, erwiderte Raven. »Ich hoffe, du hast wirklich einen guten Plan, Brooke.«

»Das habe ich«, versprach ich.

Butterfly, die uns wie ein ängstliches Hündchen hinterherlief, hörte zu und riss besorgt die Augen auf. Sie hatte eigentlich keinen Dienst, kam aber trotzdem mit uns in die Küche. Seit sie wusste, wozu Gordon fähig war, war sie zu nervös, um allein zu bleiben.

Ich wollte so bald wie möglich unsere Pläne in allen Einzelheiten besprechen, aber da Grandma Kelly in der Küche wirtschaftete, war es schwierig, sich dort zu unterhalten. Ich war so frustriert, dass ich Angst hatte zu platzen wie ein zu stark aufgeblasener Ballon. Raven und ich warfen einander erwartungsvolle Blicke zu, aber wir arbeiteten ruhig neben Crystal und Butterfly, stapelten Geschirr, legten Besteck zurecht und bereiteten die Serviertabletts vor.

»Nach dem Abräumen treffen wir uns in unserem Zimmer«, raunte ich Crystal zu, sobald wir in der Küche unseren Dienst begonnen hatten. »Dann werde ich euch alles erklären.«

Sie nickte, dabei schossen ihre Blicke immer von unserer Arbeit zur Tür. Ganz offensichtlich litt sie unter entsetzlicher Angst.

Einmal tauchte Gordon auch in der Küchentür auf und starrte uns vier an. Raven, die trotzigste von uns, funkelte ihn an und kehrte ihm dann den Rücken zu. Ich sah, wie sein rechter Mundwinkel zuckte. Crystal, die zitternd dastand, hielt den Blick gesenkt. Achtlos fummelte sie an den glühend heißen Tellern herum, bis sie sich den Daumen verbrannte. Gordons Grinsen wurde noch breiter, dann verschwand er.

Raven fluchte leise.

»Was ist los, Liebes?«, fragte Grandma Kelly.

»Nichts«, erwiderte ich rasch. »Wir sind bloß hungrig. Wenn es doch schon Zeit zum Essen wäre«, fügte ich hinzu.

Daraufhin fing sie mit einer Geschichte über Lakewood House in seiner großen Zeit an. Sie schilderte uns, wie sehr die Gäste das Essen schätzten und sich voll stopften, bis sie beinahe platzten.

»Normalerweise machten sie nach jeder Mahlzeit lange Spaziergänge. Wenn ich nach Hause fuhr, sah ich sie im Gänsemarsch die Straße entlangtraben. Hinterher schliefen viele in den Liegestühlen und Hängematten im Schatten ein. Jeder sorgte dafür, dass er auch etwas bekam für sein Geld«, lachte sie. Dann seufzte sie tief und sah sich kopfschüttelnd in der Küche um. »Als Louises Mutter und Vater noch den Betrieb führten, war alles so anders. Ich wünschte, ihr Mädchen wärt damals hier gewesen.«

Sie schaute auf Butterfly, die ihren Geschichten wie Märchen lauschte.

»Seht euch nur dieses liebe Gesichtchen an«, sagte sie und umarmte Butterfly. »Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, würde ich selbst sie adoptieren. Ich würde euch alle adoptieren«, versicherte sie uns, bevor sie weiterkochte.

Wir würden sie vermissen, dachte ich traurig. Sie war praktisch die Einzige, die wir vermissen würden.

Am liebsten wäre ich zu ihr gegangen, hätte sie umarmt und gesagt: »Auf Wiedersehen, Grandma Kelly. Heute Abend helfen wir dir zum letzten Mal in der Küche. Danke, dass du uns magst, dass du dich um uns kümmerst, dass du uns behandelst wie deine eigenen Enkel. Hör auf mich und verschwinde auch von hier.«

Natürlich sagte ich nichts. Wir durften nichts verraten und wollten sie auch nicht mit unseren Geheimnissen belasten. Wir tischten das Abendessen auf, aßen und räumten hinterher so schnell wie möglich auf. Megan fiel auf, wie sehr wir uns anstrengten, und zog uns damit auf.

»Meine Güte, heute Abend seid ihr ja emsig wie die Biber. Was habt ihr vor, Gordons weiches Herz rühren?«, lästerte sie.

»Der hat überhaupt kein Herz«, erwiderte Raven schnippisch.

»Was würdest du denn davon halten, wenn ich ihm das sage?«, fragte Megan. Crystal warf mir einen ängstlichen Blick zu.

»Lass uns bloß in Ruhe«, warnte ich sie.

Sie starrte mich einen Augenblick an und überlegte, ob sie mich herausfordern sollte oder nicht. Sie litt immer noch darunter, was wir ihr angetan hatten, und hatte das ganze Wochenende Stubenarrest.

»Ich beobachte euch«, sagte sie. »Meine Chance wird kommen. Darauf könnt ihr wetten.«

Sie drehte sich um und ging.

»Wenn sie je herausfände, was wir vorhaben …«, meinte Crystal.

»Das wird sie nicht. Wenn sie es herausfindet, sind wir längst weg«, versprach ich.

Wir sagten Grandma Kelly gute Nacht, und sie dankte uns, wie schon hundert Mal zuvor, für unsere Hilfe. Ruhig gingen wir gemeinsam mit den anderen, die für den letzten Klausurtag üben mussten, auf unsere Zimmer. Die jüngeren Kinder gingen in den Freizeitraum, um fernzusehen. Raven und ich gesellten uns, nachdem wir zunächst in unser Zimmer verschwunden waren, zu Crystal und Butterfly. Leise schloss ich die Tür hinter mir. Endlich kamen wir zur Sache. Die Luft dort war zum Schneiden dick, ich hatte das Gefühl, mich durch ein Zimmer voller Spinnweben zu bewegen.

»Wo sind die Karten?«, wisperte ich.

Crystal wandte sich um und legte sie nebeneinander auf ihren Schreibtisch.

»Dies ist die nördliche Route, und diese führt quer durchs Land«, erläuterte sie. »Es gibt auch noch eine südliche Strecke. Ich habe aber herausgefunden, dass es in den Rocky Mountains noch schneien könnte und wir dann Probleme mit dem Wetter bekommen Daher sollten wir diese Route besser meiden. Zu Beginn sollten wir auf der 17th East bis zum Jersey Turnpike fahren«, meinte sie.

»Wie lange brauchen wir für den ganzen Weg nach Kalifornien?«, erkundigte Butterfly sich.

»Das hängt davon ab, für welche Route wir uns schließlich entscheiden. Aber wenn man den ganzen Tag unterwegs ist und keine Besichtigungspausen macht, wohl vier Tage«, erwiderte Crystal. Dann wandte sie sich mir zu.

»Also, Brooke, ich habe getan, worum du mich gebeten hast. Jetzt erzähl mir bitte, wie du uns quer durch die Vereinigten Staaten schaffen willst«, forderte sie mich auf und lehnte sich mit über der Brust verschränkten Armen zurück.

»Ich fahre«, sagte ich und zuckte dabei die Achseln, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt.

»Du hast doch keinen Führerschein«, entgegnete sie rasch. »Du hast doch keine Prüfung gemacht.«

»Zum Fahren braucht man doch keinen Führerschein, man darf sich nur nicht erwischen lassen. Fahrstunden habe ich genommen, vergiss das nicht.«

»Okay, aber du brauchst ein Fahrzeug«, wandte sie ein. Es war wie ein Schachspiel mit Worten.

»Das haben wir.«

»Das haben wir?« Sie schaute Raven an, die die Achseln zuckte, dann Butterfly, die überrascht die Augen aufriss. »Wo ist es denn?«

»Direkt vor der Tür«, sagte ich grinsend und nickte in Richtung Fenster, »steht es bereit.«

Crystal fing an zu lächeln, weil sie dachte, ich machte Witze, aber ihr Lächeln gefror, als ihr klar wurde, was ich meinte. Sie stand auf und ging zum Fenster. Butterfly und Raven folgten ihr. Sie alle schauten zum Fenster hinaus auf Gordons Kombi.

»Du willst sein Auto stehlen?«, fragte Raven.

»Warum nicht? Er bestiehlt uns doch auch, oder?«

Sie waren ganz ruhig und starrten mich an, als sei ich komplett verrückt geworden. Dann riss Crystal sich zusammen und setzte ihre Lehrerinnenmiene auf.

»Wenn wir sein Auto stehlen, wird er die Polizei benachrichtigen, und sie werden uns verfolgen«, meinte sie.

»Aber erst nach einer Weile. Außerdem müssen wir nur weit genug wegkommen, um ein anderes Transportmittel zu finden, einen Bus oder einen Zug. Wir können diese Karten eingehend studieren und uns von den meistbefahrenen Straßen fern halten. Wir müssen das Land ja nicht in vier oder fünf oder zehn Tagen durchqueren. Wir können uns doch Zeit lassen«, gab ich zu bedenken.

»Sich Zeit zu lassen, kostet Geld, Brooke. Reisen ist teuer«, gab Crystal zu bedenken.

»Ich weiß. Morgen gehen wir zur Bank und heben alle unsere Ersparnisse ab. Wenn ihr nicht Geld für etwas ausgegeben habt, von dem ich nichts weiß, müssten wir zusammen etwa vierzehnhundert Dollar haben«, sagte ich.

»Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, was wir vorhaben. Wahrscheinlich geben wir es schon in den ersten Tagen aus. Wir müssen Benzin bezahlen und Essen und Mautgebühren«, entgegnete Crystal. »Ganz zu schweigen von Motelzimmern und unvorhergesehenen Problemen mit dem Auto.«

»Ja und? Wir suchen uns unterwegs Arbeit. Du, Raven und ich haben alle schon früher gejobbt, und Butterfly …«, ich lächelte sie an, »… Butterfly kann die Leute wahrscheinlich ganz leicht dazu bringen, ihr Geld zu schenken. Sie kann an einer Straßenecke tanzen oder so was.«

»Ich habe doch gewusst, dass es ein Hirngespinst ist«, meinte Crystal und schüttelte missbilligend den Kopf.

»Hör auf damit«, schrie ich. »Für mich ist es kein Hirngespinst. Ich habe alles genau geplant. Ich weiß, wo Gordon die Autoschlüssel aufbewahrt. Er steckt sie in die abgetragene Lederjacke, die immer an der Innenseite der Schlafzimmertür hängt. Ich habe selbst gesehen, wie er sie dort hineinsteckte.«

»Du willst dich in Gordons Schlafzimmer schleichen und seine Schlüssel klauen?«, fragte Butterfly.

»Genau. Das ist doch nicht schwer. Louise schließt nachts nie die Tür ab.«

Butterfly starrte mich an, verblüfft über meinen Mut. »Vielleicht benachrichtigt er gar nicht die Polizei«, meinte Raven plötzlich nachdenklich. »Vielleicht verfolgt er uns selbst mit seinem Laster.«

Diese Vorstellung ließ mich einen Augenblick verstummen. Ich malte mir aus, wie ein wutentbrannter Gordon Tooey mit verzerrtem Mund und geblähten Nüstern über die Autobahn preschte. Die Augen traten ihm hervor, während er das Gaspedal immer stärker niedertrat. Es war völlig unvorhersehbar, was er tun würde, wenn er uns schnappte. Dann schon besser von der Polizei erwischt werden.

Crystal starrte auf ihre Karten. »Wir könnten ihn in die Irre schicken«, murmelte sie mit Blick auf ihre Unterlagen.

»Wie?«, fragte ich.

»Wir lassen eine Karte von einer Strecke, die wir nicht nehmen, zurück. Vielleicht tun wir so, als hätten wir sie vergessen. Er wird sie finden und glauben, er könnte uns leicht aufstöbern, und setzt sich dann auf die falsche Fährte«, erklärte sie.

»Das ist brillant, Crystal. Einfach brillant«, sagte ich, ermutigt durch ihren hilfreichen Vorschlag.

»Trotzdem bleibt es eine äußerst riskante Angelegenheit, Brooke. Ich weiß nicht«, sagte sie, nahm ihre Brille ab, um sie zu putzen, und schüttelte den Kopf.

»Das ist doch besser, als nur hier herumzusitzen und darauf zu warten, bis wir achtzehn werden«, entgegnete ich, »oder bis Gordon versucht, sich wieder an einer von uns zu vergreifen. Wir wissen doch nicht, auf wen er es das nächste Mal abgesehen hat.«

Ich warf einen Blick auf Butterfly. Mir war jedes Mittel recht, um Crystal zu überzeugen.

»Sie hat Recht, Crystal«, sagte Butterfly. »Wenn ihr das macht, will ich es auch versuchen.«

»Wenn wir den Kombi nehmen, brauchen wir kein Geld für Übernachtungen«, fuhr ich fort. »Er ist groß genug, dass wir alle darin schlafen können, wenn ich die Rückbank umklappe. Morgen Nacht, wenn alle schlafen, schleichen Raven und Crystal sich in die Küche und packen so viel Lebensmittel wie möglich ein. Auch damit können wir Geld sparen. In der Zwischenzeit sucht sich jede so viel Kleidungsstücke aus, wie in einen Kopfkissenbezug passen. Wir können nicht viel mitnehmen, und die voll gestopften Bezüge können wir außerdem als Kopfkissen benutzen.«

»Du denkst wirklich schon lange darüber nach, nicht wahr?«, fragte Crystal mich.

»Länger als ich denken kann«, erwiderte ich.

»Vergesst eure Zahnbürsten nicht«, ermahnte Butterfly uns. Da musste selbst Crystal lachen.

»In Ordnung«, sagte ich. »Jetzt wollen wir uns die Karte einmal genau anschauen.«

Crystal warf Raven und Butterfly einen Blick zu, ob sie noch immer damit einverstanden waren, und legte dann eine der Karten auf ihren Schreibtisch.

»Diese hier lassen wir für Gordon zurück«, erklärte Crystal. »Die Route führt über Pennsylvania, Virginia und Florida nach Texas. Vielleicht merkt er ja erst in Florida, dass er auf einer falschen Fährte ist. Zu der Zeit sind wir schon lange weg.«

Butterfly lachte. Wir schätzten, wo wir am ersten Tag sein würden und wo am zweiten. Alle redeten durcheinander. Es war wunderbar; wir fühlten uns voller Hoffnung.

Später war es fast unmöglich einzuschlafen. Etliche Minuten, nachdem wir in unserem Zimmer das Licht ausgemacht hatten, rief Raven mich.

»Was ist?«

»Du wirst doch deine Meinung nicht ändern, Brooke?« Ravens Stimme zitterte ein wenig.

»Bestimmt nicht. Du glaubst doch nicht, dass wir das Falsche tun, oder?« Plötzlich bekam auch ich Angst.

»Keine Sorge, Brooke, ganz gleich, was uns auf der Straße widerfährt, es wird nur halb so schlimm sein wie unsere Zukunft hier.«

»Gute Nacht«, sagte ich leise.

»Brooke?«

»Ja?«

»Mir fiel gerade ein … dies ist unsere letzte Nacht hier«, flüsterte sie.

Ich überlegte einen Augenblick. Natürlich hatte sie Recht. Ich war froh, diese vier Wände hinter mir zu lassen. Und ebenso das Gefühl, ein Nobody zu sein, namenlos und allein. Morgen würden wir unterwegs in unsere Zukunft sein.

»Ich bin wirklich glücklich darüber«, sagte ich. »Mir ist es gleich, wie schwierig es wird, wenn wir hier weg sind. Ich bin froh, dass wir es tun. Ich bin froh, dass wir unsere Leben endlich selbst in die Hand nehmen.«

»Ich auch. Gute Nacht.«

»Gute Nacht«, sagte ich noch einmal und wandte mich meinen Träumen zu.

In der letzten Unterrichtswoche brauchten wir nur zur Schule zu gehen, wenn wir Arbeiten schreiben mussten. Wenn man am Nachmittag keine Prüfungen hatte, konnte man danach nach Hause gehen. Wir waren alle nach den Vormittagsklausuren fertig, aber weder Louise noch Gordon wussten das. Daher gingen wir nach den Arbeiten nicht nach Hause, sondern zur Bank, um unser Geld abzuholen. Die Kassiererin wirkte äußerst misstrauisch. Crystal befürchtete schon, sie würde Louise anrufen, aber das tat sie nicht. Den Rest des Schultages verbrachten wir damit, Kleinigkeiten zu besorgen, die wir auf unserer Reise möglicherweise brauchten.

Als wir zum Lakewood House zurückkehrten, waren wie üblich unsere Haushaltspflichten angeschlagen. Gordon gestattete auch heute keine Ausnahme, Abschlussprüfungen hin oder her. Wir machten uns an die Arbeit und hofften, unsere Aufregung und Angst verbergen zu können. Es war ein seltsames Gefühl, durch das Gebäude zu gehen und zu wissen, dass wir es diese Nacht für immer verließen. Als wir an jenem Abend aßen, schauten wir uns verschwörerisch an. Butterfly war so nervös, dass sie kaum einen Bissen hinunterbrachte. Ich brachte sie dazu, wenigstens ein bisschen zu versuchen, weil ich mit unserem Verhalten nicht das geringste Misstrauen wecken wollte.

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen gingen wir in unser Zimmer hinauf und warteten, dass die Zeit verging und es dunkel und still wurde, als alle schliefen. Louise kam in jedes Zimmer und erkundigte sich, wie wir in den Prüfungen abgeschnitten hätten. »Ich hoffe, alle bekommen Einsen«, sagte sie. »Ich bin immer sehr stolz auf die Schulleistungen meiner Kinder. Nächstes Jahr wird Crystal die Abschlussrede ihrer Klasse halten. Stellt euch das vor, eins von Louise Tooeys Kindern hält die Abschlussrede.«

Keiner von uns reagierte darauf, weil wir hofften, dass sie schnell weiterging, wenn wir nichts sagten. Aber sie harrte aus, redete über den Sommer, die Aussichten auf Jobs und die Verbesserungen, die sie am Haus vornehmen wollte. Endlich sagte sie gute Nacht und ging in ihr Büro hinunter.

»Ich dachte schon, sie würde nie gehen«, seufzte ich erleichtert. »Wir gehen jetzt ins Bett und benehmen uns so normal wie immer. Aber lasst eure Kleidung an, damit ihr bereit seid«, wies ich sie an.

Meine Clique war wie erstarrt vor Aufregung, alle schienen die Luft anzuhalten.

Es wurde spät. Ich hörte, wie Louise und Gordon heraufkamen und ins Schlafzimmer gingen. Gordons Stimme hörte sich an, als hätte er getrunken. Ich hoffte, das stimmte, weil er dann schneller einschlief. Das hatte ich schon früher erlebt. Wenn er getrunken hatte, konnte er überall schlafen, selbst auf diesen alten unbequemen Holzstühlen. Seine Gliedmaßen baumelten dann wie die Beine eines riesigen toten Insektes herunter.

Kurz nach Mitternacht stand ich mit klopfendem Herzen auf. Raven setzte sich auf. Offenbar hatte sie mit weit aufgerissenen Augen dagelegen und mich beobachtet.

»Ist es Zeit?«, fragte sie.

»Ja. Hol Crystal und geh mit ihr in die Küche. Die Luft müsste rein sein. Sei ganz leise und vorsichtig. Denk daran: Nimm nicht zu viel mit. Ich besorge jetzt die Autoschlüssel«, sagte ich, als sei gar nichts dabei, sie aus dem Schlafzimmer der Tooeys zu entwenden.

»Du musst aufpassen, Brooke«, warnte sie mich. »Wenn nur die geringste Gefahr besteht, dass er dich erwischt, lass es sein.«

»Die Gefahr besteht nicht«, versicherte ich ihr und machte mir selbst damit Mut.

»Vielleicht sollten wir erst die Köpfe zusammenstecken und unsere Beschwörungsformel rezitieren.«

»Mir geht es gut, Raven. Mach dir keine Sorgen. Das schaffe ich schon«, sagte ich. Ich brannte darauf, diese Schlüssel in die Finger zu bekommen. Dann wüsste ich, dass es wirklich losging.

Bevor ich mein Bett verließ, klopfte ich sacht an die Wand zwischen unserem Zimmer und dem von Crystal und Butterfly. Eine von ihnen klopfte ebenfalls.

»Auf geht’s«, sagte ich.

Meine Schuhe zog ich noch nicht an, damit ich mich lautlos den Flur entlang bewegen konnte. Ich trat vor die Tür. Crystal und Butterfly standen vor ihrem Zimmer.

»Mir geht es gut«, sagte ich, bevor Crystal fragte. »Du und Raven, ihr besorgt das Essen. Butterfly, du hältst Wache.«

Die beiden eilten davon, ich drehte mich um und starrte den Flur hinab auf Louises und Gordons Schlafzimmer. Der Flur wurde durch drei schwache Deckenleuchten erhellt. Ein fahles gelbes Licht fiel auf die verwohnten Wände. Die Tür zu Gordons und Louises Schlafzimmer schien weiter entfernt zu sein denn je. Jeder Schritt ließ den Holzboden knarren, und in meinen Ohren hörte sich dieses Knarren unendlich laut an. Ich zögerte, lauschte, ob jemand aufgewacht war. Es würde schwer sein zu erklären, was ich hier wollte, wenn man mich entdeckte. Ich hatte Angst, eines der anderen Kinder würde mich sehen und auch ein Geräusch verursachen.

Mein Herz pochte so heftig, dass ich Angst hatte, in Ohnmacht zu fallen. Wie war ich nur darauf gekommen, dass ich die Kraft und die Fähigkeit für so etwas besaß? Das fragte ich mich jetzt, als ich dabei war, es zu tun. Crystal hatte Recht. Das Ganze war ein Hirngespinst. Ich konnte diese Tür nicht öffnen und herumtasten, um die Lederjacke zu finden. Wenn die Jacke nun herunterfiel und die Schlüssel klapperten? Wenn er gar nicht schlief?

Ich geriet in Panik. Mein Herzschlag setzte zwischendurch aus. Raven hatte Recht. Wir hätten zusammenkommen und unseren Gesang anstimmen sollen. Ich war zu zuversichtlich gewesen. Ich schaute mich um. Butterfly stand in der Tür und wartete mit angehaltenem Atem. Ihr Anblick, klein und ängstlich, aber voller Hoffnung, gab mir wieder Kraft. Ich musste sie hier herausholen. Ich musste einfach.

Ich winkte ihr zu und nickte zum Zeichen, dass mit mir alles in Ordnung sei, obwohl ich davon weit entfernt war. Wieder schaute ich zu Louises und Gordons Schlafzimmertür und glitt an der Wand entlang darauf zu. Endlich war ich dort. Ich schloss die Augen, holte tief Luft und drückte die Klinke herunter. Mit einem ganz schwachen Quietschen öffnete sich die Tür.

Aus dem einen oder anderen Grund war ich etwa ein halbes Dutzend Mal in ihrem Schlafzimmer gewesen. Manchmal hatte ich Louise etwas hochgebracht. Ich wusste, dass die Tür in einen kleinen Vorraum führte. Zur Linken befand sich ihr Schlafzimmer mit zwei großen Fenstern, die auf den See hinausgingen. Links von den Fenstern stand ein riesiger Kleiderschrank. Zur Rechten standen ihre Kommoden, in der Ecke war die Tür zu ihrem Badezimmer.

Ich öffnete die Tür so weit, dass ich hindurchschlüpfen konnte. Rasch schloss ich die Tür hinter mir wieder, damit so wenig Licht wie möglich vom Flur hereinfiel. Jetzt stand ich dort in der Dunkelheit und hielt die Luft an. Ich hatte es geschafft. Jetzt war es zu spät umzukehren.

In winzigen Bewegungen, die Stunden zu dauern schienen, fand ich die Jacke dort, wo sie immer hing, und fuhr mit den Fingern in die erste Tasche. Gerade als meine Fingerspitzen den Schlüsselbund berührten, ging eine Nachttischlampe an. Ich erstarrte.

»Was ist los?«, hörte ich Gordon stöhnen.

»Ich muss ins Bad«, erwiderte Louise.

»Kannst du denn nicht gehen, ohne das verdammte Licht anzuknipsen und mich zu wecken, um Himmels willen?«

»Ich wollte nicht stolpern«, erklärte sie.

Er stöhnte, ein durch die Kissen gedämpftes Geräusch. Ich rührte mich nicht und hielt sogar die Luft an. Ich hörte, wie sie ins Bad ging und die Tür schloss. Ich verhielt mich so leise wie möglich und wartete. Endlich hörte ich die Toilettenspülung, sah das Licht, als sie die Tür öffnete, hörte, wie sie ins Bett zurückging und die Nachttischlampe ausknipste.

»t’schuldigung«, murmelte sie. Er reagierte nicht. Ich wartete, Schweiß trat mir ins Genick. Ich wollte sicher sein, dass sie wieder eingeschlafen waren. Mein ganzer Körper fühlte sich taub und kalt an. Plötzlich hatte ich das Gefühl, als knickten meine Beine unter mir weg. Bald würde ich auf dem Boden zusammensinken. Besser erledigte ich, weshalb ich hergekommen war.

Erneut griff ich in die Tasche, fand die Schlüssel und zog sie zentimeterweise heraus. Mit dem Handrücken berührte ich etwas anderes und hielt inne, als mir klar wurde, was das sein könnte. Wenn ich recht hatte, wäre das toll. Ich zog die Schlüssel heraus und dann auch noch die Benzinkreditkarte. Was für ein Glück, dachte ich.

Jetzt musste ich so leise und so schnell wie möglich wieder hinausschlüpfen. Behutsam öffnete ich die Tür und versuchte dabei so wenig Lärm wie möglich zu machen, bis der Spalt breit genug war, um mich hindurchzuschlängeln. Das tat ich auf allen vieren und schloss danach leise die Tür. Einen Augenblick hockte ich draußen, lauschte und wartete auf Gordons Gebrüll, als er mich verfolgte. Aber alles blieb still. Am Ende des Flures sah ich Crystal, Raven und Butterfly, die mich beobachteten. Raven und Crystal waren aus der Küche zurückgekehrt und schleppten einen Sack mit Nahrungsmitteln. Ich hob triumphierend den Daumen, stand dann auf und schlich auf Zehenspitzen zurück.

Wir versammelten uns tuschelnd in meinem und Ravens Zimmer.

»Du warst so lange da drin, dass wir glaubten, er hätte dich erwischt«, sagte Raven.

Rasch erzählte ich ihnen, was passiert war, und zeigte ihnen dann die Kreditkarte.

»Gordon leiht uns nicht nur sein Auto, sondern auch Geld für Benzin«, sagte ich.

»Bist du sicher, dass dich keiner gehört hat?«, fragte Crystal.

»Wenn das der Fall wäre, hätten wir Gordon längst auf dem Hals«, erwiderte ich. »Wie ist es euch ergangen?«

Sie zeigten mir, was in ihrem Sack war, hauptsächlich Konservendosen und haltbare Lebensmittel.

»Eine gute Wahl«, bestätigte ich. »Wir sind bereit. Jetzt kann uns nichts mehr aufhalten.«

»Ich habe Angst«, wimmerte Butterfly. Die Tatsache, dass wir alles hatten, was wir für unsere Flucht brauchten, jagte ihr Furcht ein.

»Wir wollen uns zusammentun«, schlug Raven vor, schaute von Butterfly zu Crystal und dann zu mir. »Ich brauche es auch«, gestand sie. Ich sah Crystal an. Sie nickte.

Wir vier reichten uns die Hände und rezitierten leise unsere Sprüche, um uns Mut zu machen, um Stärke in uns aufzubauen. Dann trennten wir uns, schluckten noch einmal und rafften unsere Sachen zusammen. Wie vier Gespenster glitten wir an der Wand entlang Richtung Treppe. Als wir gerade dort angelangt waren, kam Megan Callaway aus ihrem Zimmer, um auf die Toilette zu gehen.

Alle erstarrten.

»Was macht ihr Idioten denn hier?«, fragte sie und schlenderte zu uns.

»Sprich leise«, flüsterte ich ihr zu und blickte voll panischer Angst auf Gordons und Louises Schlafzimmertür.

Sie schaute auf unsere Kopfkissenbezüge und den Sack mit Lebensmitteln.

»Was ist das denn?«

»Wir laufen weg«, erklärte ich sachlich.

Sie schaute von einem zum anderen und zuletzt auf mich.

»Ernsthaft?«

»Wirklich. Und wenn du jetzt einen Ton von dir gibst, mache ich so viele Fotos von dir, dass wir den Speisesaal damit tapezieren können.«

Ich starrte sie unverwandt an. Als sie merkte, dass ich es ernst meinte, schrumpfte sie in sich zusammen.

»Es ist mir doch völlig egal, wenn ihr weglauft. Nur zu. Gut, dass ich euch los bin«, fauchte sie. »Ein schönes Leben wünsche ich euch.«

Ich nickte Raven zu, und sie ging weiter Richtung Treppe. Megan blieb hinter uns und beobachtete uns. Crystal packte mich am Arm, ich schaute sie an. Sie rollte mit den Augen und zog dann die Karte mit der falschen Fährte aus der Tasche. Ich begriff und lächelte.

Bevor wir hinunterstiegen, ließ sie die Karte wie zufällig fallen. Rasch stiegen wir die Treppe hinunter und versuchten dabei die Stufen zu meiden, die bei jedem Schritt ächzten und quietschten.

»Sie wird es nicht für sich behalten können«, prophezeite Crystal mit Blick auf Megan. »Sobald wir weg sind, gibt sie Gordon die Karte.«

»Crystal, du weißt, dass du brillant bist«, sagte ich, »und sogar ein bisschen durchtrieben.«

»Ich weiß«, erwiderte sie mit einem leisen Lächeln.

Wir setzten unseren Weg durch das Haus fort. Butterfly schlich bis zur Hintertür nur auf Zehenspitzen.

Ich öffnete sie langsam und warf meinen Schwestern einen Blick zu. In ihren Augen lag Erwartung und Furcht.

»Es ist ein Kinderspiel«, sagte ich und bemühte mich, tapferer zu klingen, als ich mich fühlte. Raven lächelte nervös. Butterfly sah immer noch so aus, als würde sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Ich beschloss, mich zu beeilen, bevor sie es sich anders überlegten.

Wir hasteten aus dem Haus zum Kombi. In Sommernächten wie dieser ließ Gordon das Auto vor der Garage stehen. Behutsam und leise öffnete ich die Tür und schlüpfte hinter das Lenkrad. Die anderen eilten um das Auto herum und stiegen ein, Raven vorne, Butterfly und Crystal hinten. Alle Türen wurden mit einem sanften Klicken von Metall auf Metall geschlossen. Als ich den Schlüssel ins Zündschloss steckte, zitterten meine Finger ein wenig.

»Hier drinnen riecht es modrig wie in einem Keller«, meinte Raven und hielt sich die Nase zu. »Igitt.«

»Hier ist der Grund dafür«, sagte Crystal und zeigte uns eine Flasche billigen Wein, der wahrscheinlich auf dem Boden vergossen worden war.

»Wir müssen hier sauber machen, bevor wir hier schlafen«, stellte Butterfly fest.

»Bist du dir sicher, dass du diese Kiste wirklich fahren kannst?«, fragte Raven besorgt.

»Das weißt du doch«, antwortete ich mit einem zuversichtlichen Lächeln. »Ich war doch in der Fahrschule wirklich gut. Habe ich nicht im Unterricht am besten abgeschnitten?«

»Das war doch nur ein Test. Das hier ist das wahre Leben – ohne einen Lehrer, der die ganze Zeit neben dir sitzt.«

»Hör auf, dir Sorgen zu machen«, beschwichtigte ich Crystal. »Seid ihr bereit, Mädchen?«

Alle murmelten ja, und ich drehte den Zündschlüssel. Der Wagen sprang sofort mit einem Rumpeln an, das das ganze Fahrzeug erschütterte.

»Der Benzintank ist voll«, verkündete ich. »Guter alter Gordon, hat sein Auto allzeit bereit.« Ich warf einen Blick zurück auf das große, dunkle Gebäude. »Danke, Gordon.«

Ich fuhr an und beschleunigte ein bisschen zu schnell. Die Reifen wirbelten etwas Kies auf, aber ich hielt das Lenkrad eisern fest und steuerte die lange Auffahrt hinab zur Straße. Die anderen sollten es nicht erfahren, aber ich war selbst überrascht.

Wir fuhren den Highway entlang, der sich vor uns wie die Straße ins Wunderland erstreckte, ein Silberstreif, der ins Unbekannte führte. Alles war still. Es war so spät, dass die Dunkelheit sich in Stein verwandelt zu haben schien.

»Ich würde gerne morgen früh sein Gesicht sehen«, sagte Raven.

»Ich nicht«, murmelte Crystal.

»Er wird Louise die Schuld geben«, sagte ich. »Ständig wirft er ihr vor, sie sei zu nachgiebig zu uns.«

»Mir tut sie Leid«, meinte Raven. »Ich weiß nicht, warum sie ihn überhaupt geheiratet hat.«

»Morgen früh wird sie sich das auch fragen«, sagte ich. Plötzlich musste ich laut lachen.

»Was ist?«, fragte Raven.

»Ich dachte gerade an Megan. Sie wird ihm morgen früh die Karte geben, damit sie seine kleine Heldin ist, und er wird dann einer falschen Fährte nachjagen.«

»Ja, und?«, sagte Raven. »Das wolltest du doch, oder?« Ich schaute Crystal an, sie lächelte und wandte sich Raven zu.

»Er wird glauben, dass sie das mit Absicht getan hat, dass sie mit zu unserem Plan gehörte.«

»Oh. Das ist wirklich komisch. Oder vielleicht auch nicht«, meinte sie, nachdem sie einen Augenblick nachgedacht hatte. »Vielleicht bringt er sie um.«

Wir schwiegen und grübelten über Gordons Wutausbrüche nach.

»Vielleicht sollten wir zurückfahren«, schlug Butterfly nach ein paar Minuten Schweigen vor.

»Zurück? Wohin? Es gibt kein Zurück. Es gibt nur ein Vorwärts«, sagte ich. »Mach dir keine Sorgen, Butterfly. Wir sind alle zusammen, alle bei dir.«

Niemand sprach. Schließlich konnte niemand dem widersprechen.

»Wir haben es getan«, stellte Crystal überrascht fest. Sie hielt den Blick auf die Straße vor uns gerichtet. »Wir haben es wirklich getan.«

»Ich wusste immer, dass wir das schaffen«, sagte ich. Über uns am Himmel funkelten die Sterne.

»Mach das Radio an«, forderte Raven mich auf.

Ich beugte mich vor und schaltete es ein. Wir fanden einen Sender mit Rockmusik, Raven drehte das Radio lauter und sang mit, erfüllte das Auto mit ihrer melodiösen Stimme.

Ich gewann an Selbstvertrauen hinter dem Steuerrad und beschleunigte ein wenig.

Unsere Reise hatte begonnen.

Die Flucht der Waisen

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