Читать книгу Haus der Tränen - V.C. Andrews - Страница 6

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Prolog

»Ich habe nicht darum gebeten, auf die Welt zu kommen«, schleuderte ich meiner Mutter entgegen, als sie sich darüber beklagte, wie viel Ärger ich ihr schon bereitet hatte seit dem Tage, als ich auf die Welt kam. Die Schule hatte angerufen und gedroht, Mama vor Gericht zu bringen, wenn ich noch einmal den Unterricht schwänzte. Ich hasste die Schule. Ein Haufen eingebildeter Angeber kreiste um diese oder jene Bienenkönigin und drohte, mich zu stechen, wenn ich auch nur versuchte, in ihre kostbaren kleinen Zirkel einzudringen. Meine Klassen waren so groß, dass die meisten Lehrer mich sowieso nicht kannten. Wenn wir nicht dieses neue Stechuhrsystem gehabt hätten, um die Anwesenheit zu überprüfen, wäre es niemandem aufgefallen, dass ich nicht zur Schule gegangen war.

Mama stieß die Kühlschranktür mit dem nackten Fuß zu und knallte eine Bierflasche so heftig auf die Arbeitsplatte, dass sie fast zersprang. Mit dem Öffner riss sie den Kronenkorken herunter und starrte mich mit blutunterlaufenen Augen an. Der Anruf aus der Schule hatte sie aus dem Tiefschlaf gerissen. Sie setzte die Flasche an und trank, dass die Muskeln ihres dünnen Halses bei dem Versuch, so viel wie möglich in einem Schluck herunterzubringen, pochten. Ich sah, dass sie sich einen Ellenbogen aufgeschürft hatte und am rechten Unterarm ein blauer Fleck prangte.

Wir hatten einen dieser wunderschönen Altweibersommer. Es war 32 Grad warm, und das am 20. Oktober. Mama hing das Haar, das genauso schwarz war wie meines, strähnig über die Wangen. Der Pony war fransig und zu lang.

Sie schob die Unterlippe vor und blies sich die Strähnen aus den Augen. Sie war einmal eine Schönheit gewesen mit Augen, die wie Jetperlen funkelten, einem dunklen Teint, markanten hohen Wangenknochen und vollkommenen Gesichtszügen. Andere Frauen ließen sich mit Silikon behandeln, um so üppige, schön geschwungene Lippen zu bekommen, wie Mama sie von Natur aus besaß. Als ich klein war, fühlte ich mich immer sehr geschmeichelt, wenn Leute mich mit ihr verglichen. Es war mein Traum, so hübsch zu werden wie meine Mutter.

Jetzt wäre ich am liebsten gar nicht mit ihr verwandt. Manchmal tat ich sogar so, als sei sie überhaupt nicht vorhanden.

»Wie soll ich denn mühsam meinen Lebensunterhalt verdienen und dabei auch noch auf eine Zwölfjährige aufpassen? Sie sollten mir lieber eine Medaille verleihen, statt mich zu bedrohen.«

Mamas mühsam verdienten Lebensunterhalt bekam sie als Barfrau in einer Kaschemme namens Charlie Boy’s in Newburg, New York. Manchmal kehrte sie erst um vier Uhr morgens nach Hause zurück, lange nachdem die Bar geschlossen hatte. Wenn sie nicht betrunken war, war sie high von irgendetwas, stolperte durch unser Ein-Zimmer-Apartment, stieß gegen die Möbel und ließ Sachen fallen.

Ich schlief auf der ausgezogenen Couch, daher wachte ich normalerweise auf oder hörte sie, tat aber so, als schliefe ich weiter. Ich hasste es, mit ihr zu reden, wenn sie in diesem Zustand war. Manchmal konnte ich sie riechen, bevor ich sie hörte. Als wäre ihre Kleidung in Whisky und Bier getränkt.

Mama sah jetzt viel älter aus als einunddreißig. Unter den Augen hatte sie dunkle Ränder, in den Augenwinkeln Falten, die wie mit einem Augenbrauenstift nachgezogen wirkten. Ihr Teint war zu einem kalkigen Gelb verblasst, das einst so seidige Haar erinnerte an einen Mopp aus Klaviersaiten. Es war durchzogen von vorzeitig ergrauten Strähnen und wirkte immer dreckig und struppig.

Mama rauchte und trank; ihr schien es völlig gleichgültig zu sein, mit welchem Mann sie ausging, solange er nur bereit war für das zu zahlen, was sie haben wollte. Ich hatte aufgehört, über ihre Namen Buch zu führen. Ihre Gesichter verschwammen ineinander, ihre roten Augen starrten mich mit vagem Interesse an. Normalerweise bedeutete ich für sie genau so eine Überraschung wie sie für mich.

»Du hast mir überhaupt nicht gesagt, dass du eine Tochter hast«, meinten die meisten.

Mama zuckte dann die Achseln und erwiderte: »Tatsächlich nicht? Nun, so ist es aber. Ist das für dich ein Problem?«

Manche antworteten darauf überhaupt nicht, andere sagten Nein oder schüttelten den Kopf und lachten.

»Das Problem hast du«, erwiderte ihr ein Mann. Daraufhin brach sie in eine Tirade über meinen Vater aus.

Wir sprachen kaum über ihn. Mama erzählte nur, dass er ein gut aussehender Latino war, aber eine Enttäuschung, als es darum ging, Verantwortung zu übernehmen.

»So sind die meisten Männer«, warnte sie mich.

Sie erweckte in mir den Eindruck, dass die Versprechungen meines leiblichen Vaters Regenbögen glichen – schön anzusehen, aber sie verblassten schnell und zurück blieben nur vage Erinnerungen. Er kam nie zurück, und er schickte uns auch nie irgendetwas.

So lange ich mich erinnern konnte, wohnten wir in diesem kleinen Apartment in einem Haus, das aussah, als könnte ein starker Sturm es über den Haufen blasen. Die Wände in den Korridoren waren stellenweise abgebröckelt und ausgehöhlt, als hätte ein Verrückter versucht, einen Weg nach draußen zu graben. Die Außenwände waren mit Graffitis beschmiert, der Bürgersteig voller Löcher – wo einst Zement gewesen war, starrte jetzt nur noch Dreck. Der kleine Rasenfleck zwischen Gebäude und Straße war schon vor Jahren sauer geworden. Das Gras hatte eine ungesund hellgrüne Farbe, und es türmte sich so viel Abfall darauf, dass niemand einem Rasenmäher darüber schieben konnte.

Die Becken in unserer Wohnung machten ständig Ärger: Entweder tropften sie oder waren verstopft. Wie oft die Toilette übergelaufen war, konnte ich nicht einmal annähernd abschätzen. Der Ablauf der Badewanne war völlig verrostet, die Dusche tropfte und spendete normalerweise kein heißes Wasser mehr, bevor ich fertig war oder meine Haare gewaschen hatte. Es wimmelte auch von Mäusen, ständig fand ich ihren Kot in Schubladen, unter Kommoden oder Tischen. Manchmal hörte ich, wie sie umherhuschten, und ein paar Mal sah ich auch eine, bevor sie unter einem Möbelstück verschwand. Wir stellten Fallen auf und fingen einige, aber für jede gefangene Maus kamen zehn neue.

Mama versprach stets, uns hier herauszuholen. Direkt um die Ecke lockte eine schöne neue Wohnung, sie musste nur noch weitere hundert Dollar für die Kaution sparen. Aber ich wusste, wenn sie tatsächlich Geld übrig hatte, gab sie es für Whisky, Bier oder Hasch aus. Durch einen ihrer neuen Freunde lernte sie auch Kokain kennen. Hin und wieder schnupfte sie auch das, aber normalerweise war es ihr zu teuer.

Wir hatten einen Fernseher, bei dem oft das Bild verschwand. Manchmal kam es wieder, wenn ich hart auf die Seite schlug. Manchmal bekam Mama Sozialhilfe. Ich verstand nie, warum sie sie bekam oder warum nicht. Sie verfluchte das System und beklagte sich darüber, wenn sie kein Geld bekam. Wenn ich es als erste in die Finger kriegte, kaufte ich etwas Vernünftiges zu essen und Kleidung für mich. Wenn nicht, versteckte sie es oder gab es mir in homöopathischen Dosen, und ich musste damit zurechtkommen.

Ich wusste, dass andere Kinder meines Alters stahlen, was sie sich nicht leisten konnten, aber für mich war das nichts. Im Haus lebte ein Mädchen, Lila Thomas, die zusammen mit anderen Mädchen am Wochenende die Einkaufscenter heimsuchte. Sie war einmal beim Ladendiebstahl ertappt worden, schien aber keine Angst davor zu haben, wieder erwischt zu werden. Die ganze Zeit machte sie sich über mich lustig, weil ich nicht mitgehen wollte. Sie nannte mich die Pfadfinderin und erzählte allen, ich würde noch als Keksverkäuferin enden.

Es machte mir gar nichts aus, dass sie nicht meine Freundin war. Meistens war ich mit mir allein glücklich und zufrieden, las eine Zeitschrift oder schaute mir eine Seifenoper im Fernseher an, wenn ich ihn in Gang setzen konnte. Ich versuchte nicht an Mama zu denken, die in ihrem Zimmer lange schlief, vielleicht mit irgendeinem neuen Mann. Ich war so weit, dass ich durch Leute hindurchsehen und so tun konnte, als seien sie gar nicht vorhanden.

»Du gehst morgen besser zur Schule, verdammt noch mal. Ich brauche keine Leute vom Jugendamt, die hierher kommen und herumschnüffeln«, maulte sie und wischte sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Hörst du mir eigentlich zu?«

»Ja«, erwiderte ich.

Sie starrte mich eindringlich an und trank wieder von ihrem Bier. Es war erst Viertel nach neun morgens. Ich konnte den Geschmack von Bier sowieso nicht ausstehen, aber beim Gedanken, es so früh zu trinken, drehte sich mir der Magen um. Mama wurde plötzlich klar, welcher Wochentag war und dass ich auch jetzt in der Schule sein sollte. Ihre Augen traten hervor.

»Was machst du eigentlich zu Hause?«, schrie sie.

»Ich hatte Bauchweh«, erklärte ich. »Ich kriege meine Periode. Das hat mir auch die Krankenschwester in der Schule gesagt, als ich Krämpfe bekam und die Klasse verlassen musste.«

Sie schaute mich mit einem kalten Glitzern ihrer dunklen Augen an und nickte.

»Willkommen in der Hölle«, sagte sie. »Bald wirst du begreifen, warum Eltern froh sind, wenn sie einen Jungen bekommen. Männer haben es so viel leichter. Du musst jetzt besser auf dich aufpassen«, warnte sie mich und wies mit dem Hals der Bierflasche auf mich.

»Was meinst du damit?«

»Was meinst du damit?«, äffte sie mich nach. »Ich meine, wenn du deine Periode bekommst, kannst du auch schwanger werden, Raven, und ich werde dein Baby nicht hüten, ich nicht.«

»Ich werde nicht schwanger, Mama«, erwiderte ich scharf. Sie lachte. »Das habe ich auch einmal behauptet, und schau dir an, was passiert ist.«

»Zum Teufel, warum hast du mich dann bekommen?«, fuhr ich sie an. Ich hatte es satt, dauernd zu hören, welche Last ich war. Schließlich war ich das nicht. Ich war diejenige, die die Wohnung in Ordnung hielt, die nach ihren Rauschzuständen sauber machte, das Geschirr spülte, die Wäsche wusch, das Badezimmer wischte. Ich war diejenige, die meistens einkaufte und kochte.

Manchmal, wenn sie daran dachte, brachte sie Essen aus dem Restaurant mit. Aber wenn sie nach Hause kam, war es normalerweise kalt und fettig.

»Warum habe ich dich bekommen? Warum habe ich dich bekommen?«, murmelte sie und schaute verwirrt drein, als sei diese Frage zu schwierig zu beantworten. Zorn hellte ihr Gesicht auf. »Ich werde dir sagen warum. Weil dein kubanischer Machovater für uns ein Zuhause schaffen wollte. Er war ganz sicher, dass du ein Junge würdest. Wie könnte er etwas anderes bekommen als einen Jungen? Doch nicht Mr. Macho. Dann, als du auf die Welt kamst …«

»Was war dann?«, fragte ich schnell. Es war genauso schwierig, sie dazu zu bewegen, irgendetwas über meinen Vater zu erzählen, wie Top-Regierungsgeheimnisse zu lüften.

»Er rannte davon. Sobald er dich sah, zog er eine hässliche Grimasse und sagte: ›Es ist ein Mädchen? Dann kann sie nicht von mir sein.‹ Und er rannte davon. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört«, murrte sie. Einen Augenblick schaute sie nachdenklich drein, dann wandte sie sich wieder mir zu. »Lass dir das eine Lektion über Männer sein.«

Was für eine Lektion, fragte ich mich. Was glaubte sie, was ich empfand, als ich erfuhr, dass mein Vater meinen Anblick nicht ertragen konnte, dass meine Geburt ihn davongejagt hatte? Was glaubte sie, was ich empfand, wenn ich fast jeden Tag hörte, dass sie nie darum gebeten hatte, mich zu bekommen? Manchmal nannte sie mich ihre Strafe. So zahlte Gott es ihr heim, aber welche Sünde hatte sie ihrer Meinung nach begangen? Nicht zu trinken oder Drogen zu nehmen oder herumzuhuren – oh nein. Ihre Sünde war es, einem Mann zu vertrauen. Hatte sie Recht? Benahmen sich alle Männer so? Die meisten Freundinnen meiner Mutter teilten ihre Ansichten über Männer, und die meisten meiner Freundinnen, die aus ähnlichen Familienverhältnissen stammten wie ich, hatten ähnliche Vorstellungen, die ihnen ihre Mütter beigebracht hatten.

Ich fühlte mich einsamer denn je. Älter zu werden, mich zu einer Frau zu entwickeln, älter auszusehen, als ich war, das alles gab mir nicht so sehr das Gefühl, unabhängiger und stärker zu sein, sondern erinnerte mich daran, dass ich ganz auf mich selbst gestellt war. Ich hatte viele Fragen. Viele Dinge beunruhigten mich – Dinge, die ein Mädchen seine Mutter fragen würde. Aber ich hatte Angst, meine zu fragen, und meistens konnte sie sowieso nicht klar genug denken, um sie zu beantworten.

»Hast du, was du brauchst?«, fragte sie und ließ die leere Bierflasche in den Müll fallen.

»Wie meinst du das?«

»Was ich meine, ist etwas zum Schutz. Hat euch die Krankenschwester in der Schule nicht darüber aufgeklärt, wie ihr euch schützen könnt?«

»Doch, Mama. Ich habe, was ich brauche«, antwortete ich. Ich hatte es nicht.

Was ich brauchte, war zunächst einmal eine wirkliche Mutter und einen wirklichen Vater, aber so etwas kannte ich nur aus dem Fernsehen.

»Ich will nie wieder hören, dass du nicht zur Schule gehst, Raven. Wenn doch, werde ich es deinem Onkel Reuben sagen«, warnte sie mich. Sie benutzte ihren Bruder oft als Drohung. Denn sie wusste genau, dass ich ihn nicht mochte, nicht gerne in seiner Gesellschaft war. Ich glaube, nicht einmal seine eigenen Kinder mochten ihn, und ich wusste, dass meine Tante Clara Angst vor ihm hatte. Das konnte ich ihren Augen ablesen.

Mama kehrte in ihr Schlafzimmer zurück und legte sich wieder schlafen. Ich saß am Fenster und schaute auf die Straße hinunter. Unsere Wohnung lag im zweiten Stock. Es gab keinen Aufzug, nur eine gewundene Treppe, die sich anhörte, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen, besonders wenn jüngere Kinder die Stufen hinunterrannten oder wenn Mr. Winecoup, der Mann, der über uns wohnte, hinaufächzte. Er wog mindestens drei Zentner. Die Decke erbebte, wenn er in seiner Wohnung hin und her ging.

Ich blickte über die Straße hinweg zu den Bergen in der Ferne und fragte mich, was dahinter lag. Ich träumte davon, wegzulaufen und einen Ort zu finden, wo die Sonne immer schien, wo die Häuser sauber waren und frisch rochen, wo Eltern lachten und ihre Kinder liebten, wo es Väter und Mütter gab, die sich um ihre Kinder kümmerten.

Genauso gut könntest du in Disneyland leben, mahnte eine Stimme mich. Hör auf zu träumen.

Ich stand auf und begann meinen einsamen Tag. Ich suchte mir etwas zu essen, sah ein wenig fern, wartete darauf, dass Mama aufwachte, damit wir über das Abendessen reden konnten, bevor sie zur Arbeit ging. Wenn sie sich ausgeruht hatte und nüchtern genug war, setzte sie sich vor ihren Schminktisch und bearbeitete ihr Gesicht und ihre Haare, um anderen die Illusion zu geben, dass sie gesund und immer noch attraktiv sei. Während sie sich schminkte, tobte und geiferte sie über ihr Leben und jammerte, was aus ihr hätte werden können, wenn sie nicht auf den erstbesten gut aussehenden Mann hereingefallen wäre und seinen Lügen geglaubt hätte.

Ich versuchte sie nach ihrer eigenen Jugend zu fragen, aber sie redete nicht gerne über ihre eigene Familie. Ihre Eltern hatten sie praktisch verstoßen, als sie achtzehn war, aber es gelang ihr nicht, irgendeinen ihrer Träume zu verwirklichen. Der größte und aufregendste Traum ihres Lebens war, ein Model zu werden. Ein Warenhausmanager hatte sie engagiert, um in der Damenabteilung Kleider vorzuführen. »Aber dann verlangte er sexuelle Gefälligkeiten. Daher bin ich gegangen«, erzählte sie mir. Wieder einmal erging sie sich in einer Tirade gegen die Männer.

»Wenn du Männer so sehr hasst, warum gehst du dann fast jeden Abend mit einem aus?«, fragte ich sie.

»Sei nicht so vorlaut, Raven«, herrschte sie mich an. Sie dachte einen Augenblick nach, dann zuckte sie die Achseln. »Ich habe doch auch das Recht auf etwas Spaß, oder nicht? Ich arbeite hart. Dann können sie mich doch ausführen und Geld für mich ausgeben.«

»Willst du denn nie einen netten Mann kennen lernen?«, fragte ich. »Willst du denn nicht wieder heiraten?«

Sie starrte sich im Spiegel an. Einen Moment lang war ihr Blick traurig, dann hatte sie wieder ihren üblichen, wütenden Gesichtsausdruck und wirbelte zu mir herum.

»Nein! Ich will mich nicht noch einmal von einem Mann herumkommandieren lassen. Und außerdem«, brüllte sie, »war ich nie verheiratet. Es hat nie eine Hochzeit stattgefunden, nicht einmal im Standesamt.«

»Aber ich dachte … mein Vater …«

»Er war dein Vater, aber er war nicht mein Ehemann. Wir lebten nur zusammen«, sagte sie. Sie schaute weg.

»Aber ich trage doch seinen Namen … Flores«, stammelte ich.

»Das war nur, um meinen Ruf zu retten«, gab sie zu. Sie wandte sich mir zu und lächelte kalt. »Du kannst dich nennen, wie du willst.«

Ich starrte sie mit zitterndem Herzen an. Ich hatte nicht einmal einen Namen?

Wenn ich in den Spiegel schaute, wen sah ich dann? Niemanden, dachte ich.

Ich kam zu dem Schluss, dass ich genauso gut unsichtbar sein könnte. Als ich auf meinen Platz am Fenster zurückkehrte, beobachtete ich, wie sich in Richtung Gebirge, das etwas Besseres versprach, graue Wolken zusammenballten.

Dieses Versprechen.

Es war alles, was ich hatte.

Haus der Tränen

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