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Wenn das Telefon klingelt, sollte man besser gar nicht erst ran gehen

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Freitag, der 18. Juli

Ich halte das Telefon in größtmöglicher Entfernung zu meinem Ohr und mache gelegentlich zustimmende Laute, die hoffentlich entfernt so wirken, als würde ich mich freuen. Was definitiv nicht der Fall ist, denn ich sehe seit einer geschlagenen Stunde – die mir übrigens, wie mein halbes Leben vorkommt – nur noch weißen Tüll und eine Menge peinliche Verwandte gemeinsam auf den grausigsten Tag des Jahres zusteuern.

Meine Schwester hat mir soeben mitgeteilt, dass sie den Rest ihres Lebens mit einem rülpsenden, jagdgewehrschwingenden Proleten teilen möchte. Und seitdem versucht sie ihren Hochzeitsvirus auf mich zu übertragen und erzählt mir zum tausendsten Mal, wie sie den Termin für den Kauf ihres Kleides gemacht hat.

»... und dann hat der Florist gesagt ...«, trällert es aus dem Hörer. Ich werfe ein schnelles: »Ach nein!«, ein, damit sie nicht merkt, dass ich überhaupt nicht zuhöre. Ich frage mich flüchtig, wie die Sprache vom Kleid auf den Floristen gekommen ist, beschließe dann, dass es mir im Grundsatz auch egal sein kann, und konzentriere mich wieder darauf meiner Schwester nicht zuzuhören. Währenddessen schreite ich langsam meinen grellbunten Kleiderschrank ab und betrachte mit gerunzelter Stirn die Auswahl darin.

Auf nackten Füßen tappe ich weiter zum Schuhschrank und bleibe mit dem Fußzeh an etwas hängen, dass sich als die raue Kante meines leuchtend grünen Lieblingsteppichs erweist. Um nicht zu stolpern muss ich einen breiten Ausfallschritt machen und dabei aufpassen, dass ich mich nicht irgendwo zwischen meinen herumliegenden Klamotten und Schuhen verheddere. Als ich endlich wieder sicher stehe, höre ich immer noch Debbies aufgeregtes Kreischen aus dem Hörer.

Ich atme tief durch, um ihr nicht zu sagen, dass mich das alles überhaupt nicht interessiert. Wie zur Beruhigung gleitet mein Blick zum Fenster und ich wundere mich darüber, dass ich heute nicht einmal den Ausblick genießen kann. Selbst die Spitze des Eiffelturms, die ich in der Ferne gegen den blass blauen Himmel abzeichnet, schafft es nicht das übliche Glücksgefühl in mir auszulösen.

Hey, das ist die Stadt deiner Träume, deine Wahlheimat, du hast es geschafft!, versuche ich mich selbst aufzumuntern. Was mir aber kläglich misslingt.

»Und stell dir vor, auf meinem Kleid sind echte Edelsteine aufgenäht!«, quietscht das Telefon und ich verdrehe die Augen. Das Debbie immer so furchtbar übertreiben muss, sobald sie im Mittelpunkt stehen darf.

»Fahr bloß pünktlich los aus deinem doofen Paris. Ich will nicht, dass du zu spät kommst, klar?«, keift sie und ich rolle die Augen.

Ja, die Wahl meines Wohnortes stieß bei meiner Familie noch nie auf besonderes Ansehen. Schon aus unserem Dorf heraus zu ziehen galt für viele der Älteren als ein Kapitelverbrechen, dass man allerhöchstens noch mit Mord gleichsetzen konnte. Bereits eine Stadt als Wohnort ist unverzeihbar. Meine Wahlheimat allerdings, liegt nicht einmal im gleichen Land und was das für sie bedeutet, will ich gar nicht wissen.

»Ach, und du bringst bestimmt Maiky mit, oder?« Ich seufze. Wie oft habe ich ihr das gesagt?

»Er heißt Mike!«, sage ich, betone das »e« und spreche das »i« überdeutlich als solches aus.

»Jaja, der Finne. Kommt er auch?« Langsam spüre ich die Wut in mir aufsteigen und sehe, wie sich vor meinen Augen rote Zorn-Punkte auf den hellgrünen Wänden meines Zimmers verteilen.

Schade, dass man niemanden durch das Telefon töten kann!

»Er ist Schwede!«, meckere ich und kann förmlich Debbies gelangweilten Gesichtsausdruck vor mir sehen.

»Ist egal, Hauptsache er kommt. Du kannst unmöglich ohne Mann aufkreuzen!«, erklärt sie so vehement als sei die Tatsache Single zu sein, eine weitere der unverzeihbaren Todsünden in unserem Kaff.

»So schlimm wird’s schon nicht sein!«, erwidere ich. Ein tiefes Seufzen gleitet durch die Leitung.

»Dann eben wegen mir. Du kommst auf keinen Fall alleine, wenn deine kleine Schwester heiratet. Klar? Das ist total peinlich!«

Peinlich?

Wer von uns beiden sucht denn gerade nach einem Holzbalken, den sie sich gegen den Kopf schlagen kann?

Sie oder ich?

Meine Schwester ist ein fürchterlich spießiger Familienmensch, und zwar einer von der Sorte, der garantiert mit fünf brüllenden Kindern in einem Einfamilienhaus landet, am Wochenende Lasagne aus abgepackten, zerhackten Tierresten macht und sich dabei noch für den größten Wohltäter des Planeten hält.

»Ich weiß gar nicht, ob ich frei kriege!«, werfe ich schnell ein, froh darüber, dass mir das eingefallen ist. Sie soll zumindest glauben, dass ich ultrawichtig und unentbehrlich bin.

»Dein Chef wird doch wenigstens am Hochzeitstag deiner Schwester ohne dich klarkommen!«, keift Debbie und ich gebe mich seufzend geschlagen – wie immer.

»Sicher. Für wann soll ich Buchen?«

Das Highheel-Project

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