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TEATIME FÜR DIE HAUT


Bei schweren Neurodermitisschüben

Hausmittel werden ja oft belächelt und zugunsten pharmazeutischer Mittel beiseitegeschoben. Ich finde das schade, denn vieles funktioniert tatsächlich richtig gut, erhält aber nicht die gebührende Aufmerksamkeit, weil es für die Wirkung keinen wissenschaftlichen Nachweis gibt. Wer sollte die entsprechenden Studien auch bezahlen? Pharmahersteller haben daran kein Interesse, weil sich mit Hausmitteln kein Geld verdienen lässt. Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen fehlt in der Regel das nötige Geld. Denn Studien können richtig teuer sein, und die Forschungsinstitute werden ihren knappen Etat kaum für eine wenig prestigeträchtige Hausmittelforschung einsetzen. Mit dem Nachweis, dass beispielsweise Hühnersuppe bei grippalen Infekten das Immunsystem stärkt, ist schließlich im internationalen Forscherranking kein Blumentopf zu gewinnen.

Umso dankenswerter, dass man sich am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, trotzdem darangemacht hat, die Wirkung von schwarzem Tee einmal unter die wissenschaftliche Lupe zu nehmen – und zwar im Hinblick auf seine Wirkung bei fiesen, nässenden Neurodermitisschüben. Und siehe da, der Tee zeigte sich tatsächlich evidenzbasiert lindernd.

Spektakuläre Besserung

Die im Prinzip unspektakuläre Behandlung mit Teekompressen führte bei den meisten ProbandInnen zu spektakulärer Besserung. Was das für jene bedeutet, die unter der äußerst belastenden Hautkrankheit leiden, können wohl nur die Betroffenen selbst ermessen. Bestenfalls noch Angehörige, die das Leid von PartnerInnen, Kindern oder Eltern im wahrsten Sinn des Wortes hautnah miterleben.

Mindestens vier Millionen Menschen in Deutschland leben mit der nicht ansteckenden, schubweise verlaufenden Neurodermitis, die Ärzte als atopische Dermatitis oder atopisches Ekzem bezeichnen. Die Haut ist trocken, kann unerträglich jucken und sich schuppen und nässt während des Entzündungsschubs. Wer kratzt, macht alles noch schlimmer. Ein Teufelskreis.

Mein Bruder war in seiner Kindheit und Jugend auch extrem von Neurodermitis betroffen. Er verbrauchte kiloweise Kortisoncreme, noch mehr fettende Salben, quälte sich mit immer neuen Diäten und schlief nachts mit bandagierten Armen und Handschuhen, um sich die Haut im Schlaf nicht blutig zu kratzen. Ich weiß noch, dass mir mein kleiner Bruder unendlich leidtat. Manchmal saß ich abends an seinem Bett, tupfte ihn mit einem kalten, nassen Waschlappen ab oder hielt einen Ventilator über ihn, weil er nur so einschlafen konnte.

Meine Mutter klapperte alle möglichen Ärzte mit ihm ab und versuchte, Dutzende Ratschläge umzusetzen, aber keine Chance. Das Einzige, was sichtlich half, aber auch sichtlich Nebenwirkungen hatte, war Kortison. Die nässenden Entzündungen bildeten sich zügig zurück, die Haut beruhigte sich, aber sie litt. Denn Kortison macht die Haut dünner und lässt sie vorzeitig altern. Wenn ich mit 15 im Gesicht so ausgesehen hätte wie mein Bruder, hätte ich mich nicht mehr auf die Straße getraut. Echt schlimm.

Neurodermitis kann die Lebensqualität stark einschränken. Die Weltgesundheitsorganisation stuft in einer Analyse der Gesundheits-/Krankheitslage der Weltbevölkerung Neurodermitis sogar als die Hauterkrankung mit der höchsten Krankheitslast ein.


WICHTIGES ÜBER NEURODERMITIS

Die Hauterkrankung hat erbliche Komponenten und beruht auf einer sogenannten Barrierestörung. In der äußeren Hautschicht fehlen Hornfette – so ähnlich, als würde in einer Mauer teilweise der Mörtel zwischen den Steinen fehlen. Das macht die Haut anfällig und trocken. Zudem ist das Immunsystem gestört: Es reagiert empfindlicher auf Allergieauslöser, Viren und Bakterien. Auch Stress und eine gestörte Darmflora machen ihm mehr zu schaffen. Daher sollte die Therapie immer auch die Ernährung und den Lebensstil mit einbeziehen. In Deutschland haben 15 von 100 Kindern Neurodermitis. Meist wächst sich die Krankheit aus. Bei Erwachsenen sind 4 von 100 betroffen.

Mehr über die Teestudie

Zurück zu der kleinen, aber feinen Studie von Privatdozent Dr. Iakov Shimanovich, Oberarzt in der Dermatologie am Universitätsklinikum Lübeck: Der Hautarzt behandelte eine Gruppe von 22 PatientInnen, die unter einem schweren Neurodermitisschub im Gesicht litten, ausschließlich mit Teeumschlägen. Benutzt wurde dazu der zweite (wichtig!) Aufguss von einfachem, handelsüblichem Schwarztee in Beuteln. Fünfmal am Tag mussten die ProbandInnen teegetränkte Mullkompressen auf die entzündete Gesichtshaut legen und sich anschließend gründlich mit einer wirkstofffreien, fetthaltigen Salbe eincremen. Das Ergebnis überraschte sogar die Ärzte: Schon nach drei Tagen verringerten sich die Symptome bei den Neurodermitisgeplagten um durchschnittlich 70 Prozent. Die nässenden, entzündeten Hautareale heilten sichtbar ab. Und das ganz ohne Nebenwirkungen. Nahezu ein Bilderbucheffekt.

Verantwortlich für den erzielten Erfolg sind vermutlich drei Faktoren, die sich gegenseitig verstärken:

1 Die feuchte Kompresse, die kühlend wirkt.

2 Der Teesud, der offenbar den Wasserhaushalt der Haut positiv beeinflusst und die entzündeten, nässenden Stellen austrocknet. Dadurch, dass der zweite Aufguss verwendet wird, sind deutlich weniger Gerbstoffe enthalten – ihr Anteil ist zu gering, um die Haut zu reizen, aber völlig ausreichend, um antientzündlich und juckreizlindernd zu wirken.

3 Das Cremen, das den Fettfilm verbessert und die empfindliche Hautbarriere schützt.

Mich haben diese Ergebnisse sehr beeindruckt. Schwarzer Tee kann zwar nicht heilen oder die Symptome wegzaubern, aber einen Neurodermitisschub binnen kurzer Zeit sichtbar ausbremsen, und das dort, wo sich die Hautreaktionen besonders verheerend bemerkbar machen: im Gesicht. Das Beste: Es geht ohne Kortison.


DAS GEHEIMNIS DES SCHWARZTEES

Seine Gerbstoffe wirken auf biologischen Oberflächen nachweislich zusammenziehend und verdichtend (daher hilft Schwarztee auch bei Durchfall). Außerdem verbinden sie sich auf der Oberhaut mit Eiweißen, sodass ein Schutzfilm entsteht, der entzündungsauslösende Keime absterben lässt. Die Entzündung klingt ab. Zugleich behält die Haut durch die Verdichtung mehr Feuchtigkeit, was den Juckreiz lindert. Übrigens können Teewickel und -auflagen auch bei Ekzemen und an anderen Körperpartien angewendet werden.

Bei Juckreiz cremen, was das Zeug hält!

Ein wichtiger Tipp kommt von Prof. Dr. Stefan W. Schneider, Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie am Universitätsklinikum Hamburg, und geht an alle, die immer wieder unter Juckreiz – welcher Art auch immer – leiden. Sein eindringliches Plädoyer lautet: cremen, cremen, cremen! Egal, welche Maßnahmen im Zuge einer Therapie ergriffen würden, nichts klappe ohne rückfettende Pflege. Die meisten Menschen, die mit nervigem Juckreiz zum Arzt gingen, hätten schlicht und ergreifend zu trockene Haut. Vor allem Männer cremen sich viel zu selten ein. Ältere Menschen haben es besonders nötig, denn mit den Jahren wird die Haut immer trockener.

Schneiders Rat: Den Körper grundsätzlich nach dem Duschen oder Baden mit rückfettenden Cremes pflegen, die Harnstoff (Urea) enthalten. Diese Substanz ist ein prima Feuchthaltemittel, das Wasser anzieht und es höchst ungern wieder abgibt. Kostengünstige Produkte tun es dabei übrigens auch.

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