Читать книгу Ferien mit Greta, Jupp und den Geistern - Verena Prym - Страница 10

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Das Rätsel von Paris

Von links schwebt ein zipfeliges Papiertaschentuch heran. „Ni-ni traurig sein“, wispert das Taschentuch.

Gretas Mundwinkel zucken. Vorsichtig hebt sie das Tuch an. Lollo, natürlich! Er rudert mit den winzigen Armen. „Wir möchten doch nur unsere Verwandten besuchen“, erklärt er.

Greta tupft sich schnell die Tränen von der Wange. „Welche Verwandten denn?“

Da schaukelt mit einmal von rechts etwas Buntes heran wie ein Boot auf hohen Wellen. Es ist Gretas Lieblingszeitschrift Kraut und Rüben, die Mama ihr vom Einkaufen mitgebracht hat. Farbenfroh schaukelt sie durch die Luft, von zwei kleinen Geisterhänden umklammert. Zu welchem Geist sie gehören, kann Greta nicht erkennen. Als sie fast ihre Nasenspitze berührt, plumpst sie in ihren Schoß.

Obendrauf liegt Urrrrmph und stöhnt: „Oh, aua, ’tschuldigung, Greta. Bin abgestürzt. Aber hier, lies doch mal!“

„Ich kann nicht, wenn du draufliegst“, kichert Greta.

„Bin doch schon weg“, brummt Urrrmph und richtet sich schüttelnd auf. „Da steht was über Paris drin! Und genau da wollen wir doch hin! Hier, sieh mal!“ Er tippt auf eine fett gedruckte Überschrift.

Das Rätsel von Paris

„Klingt das nicht ungeheuer spannend?“

Gretas Augen überfliegen das Cover. Es zeigt eine dunkelhaarige lächelnde Frau. Und doch scheint es, als sei sie bedrückt. Und richtig: Bürgermeisterin ratlos!, steht neben dem Bild geschrieben.

„Nun lies schon vor!“, rufen die Geister und zappeln ungeduldig mit ihren Geisterschweifen. Gespannt blättert Greta zu Seite 28.

Da ist er wieder: der Eiffelturm. Doch er sieht ganz anders aus, als auf der Postkarte.

„Der ist ja total schief!“, ruft Piupiu.

„Er ist leicht zur Seite geneigt“, verbessert Schlaubi.

Schrabbo schnaubt verächtlich. „Leicht zur Seite geneigt? Du brauchst ’ne Brille, Schlaubi! Der kippt doch fast um!“

Einzig Mimi hält mit ruhiger Hand die Postkarte neben die Zeitschrift. Ihre braunen Augen wandern prüfend hin und her. „Also, auf jeden Fall ist etwas passiert mit dem Turm. Lies mal vor, Greta!“

Greta beginnt:

Das Rätsel von Paris

Der Eiffelturm ist das Wahrzeichen von Paris. Er gehört zu den berühmtesten Sehenswürdigkeiten der Welt. Alle Franzosen sind stolz auf ihn. Jährlich lockt er Tausende von Besuchern an. Doch damit könnte nun Schluss sein, denn: Der Turm kippt langsam um.

„Sehr ihr? Er kippt! ... Hab ich doch gesagt!“, ruft Schrabbo.

„Pssst“, mahnen ihn die anderen. „Lies weiter, Greta!“

Greta fährt fort:

Der Turm neigt sich um 0,5 Grad pro Tag und nichts scheint ihn aufzuhalten zu können.

„Aha, er neigt sich also doch!“, wirft Schlaubi selbstzufrieden ein. „Genau, wie ich es gesagt habe!“

Die Geister verdrehen die Augen. Onkel Kuttru schimpft: „Pssst!!! Ballugga, kruzzimili! Greta, lies weiter!“

Ihr Zeigefinger gleitet über die Zeilen.

Die Pariser Bürger sind bestürzt; herbeigerufene Experten ratlos. In den Boden gerammte Stahlpfosten sollten den Turm stabilisieren. Doch sie sind über Nacht spurlos verschwunden. Die Katastrophe naht!

„Ma happas av lustici francelli?“, stößt Piupiu hervor.

Patta Gorpa zuckt die Achseln. „Jolu vada ne wubi.“

„Worüber redet ihr?“, fragt Greta.

„Ich habe Patta gefragt, was mit den Turmgeistern passiert, wenn der Turm umkippt“, erklärt Piupiu.

„Und, was passiert mit ihnen?“

Patta Gorpa zuckt die Achseln. „Keine Ahnung.“

Greta liest weiter:

Sollte der Eiffelturm umfallen, verliert Paris sein berühmtestes Wahrzeichen. Die Bürgermeisterin Anne Dupin ist verzweifelt. Für die Lösung des Rätsels ist eine sechsstellige Belohnungssumme ausgeschrieben worden. Wer kann den Eiffelturm retten?

„Uhhh, Mulli Mukko!“, staunen die Geister. Mukko bedeutet Geld. Sie selbst besitzen kein Geld, weil sie keines brauchen. Weder haben sie eine Wohnung, noch Kleidung, noch einen Fernseher, noch eine Versicherung. Aber manchmal mopsen sie ein paar Münzen aus Gretas Sparschwein, um damit Einkaufen zu spielen.

Greta blättert auf die nächste Seite. Zwei ungewöhnlich aussehende Personen sind dort abgebildet. Ein Mann und eine Frau. Greta liest ihre langen Namen vor.

Prof. Dr. Dr. Herbert Stummhirn und Prof. Dr. Dr. Dr. Rosemarie Fraglich

Josse tippt auf das rechte Bild. „Die Frau hat einen Drrr mehr. Warum denn?“

Greta schmunzelt. „Dieser Drrr ist ein Doktortitel, Josse. Dafür muss man jahrelang studieren.“

„Also ich studiere seit hundertvierzig Jahren“, wirft Onkel Kuttu ein.

„Und ich seit hundertachtzig!“, setzt Patta obendrauf. „Und das ohne Drrr.“

Greta lacht. „Ihr Geister braucht einfach keine Drrrs!“

Lollo kommt herbeigeschwebt. Greta hebt ihr Kinn. „Lollo, wenn du direkt über der Zeitschrift bist, kann ich nicht weiterlesen ...“

„Bin doch gleich weg.“ Er mustert die Fotos. „Dieser Stummhirn kann die Fraglich nicht leiden“, meint er schließlich. „Der blickt sie böse an.“

„Aber die Fraglich kann den Stummhirn auch nicht leiden“, bemerkt Mimi. „Sie blickt böse zurück.“

Patta Gorpa schiebt Lollo mit einer luftigen Handbewegung beiseite. „Hm. Es sind zwei einzelne Bilder. Aber es sieht aus, als stünden sie nebeneinander. Merkwürdig ... Ob sie Konkurrenten sind?“

„Was sind Konkurrenten?“, möchte Lollo wissen.

„Ganz einfach“, antwortet Patta. „Stell dir vor, es gibt ein Ziel, aber mehrere Geister. Und jeder möchte als Erster ankommen. Dann sind sie Konkurrenten.“

„Oh“, raunen die Geister. „Eine Art Wettschweben also.“

„Wettrennen“, verbessert Schlaubi. „Menschis rennen doch bloß.“ Er sieht hinunter auf die Bilder. „Aber sportlich sehen die nicht aus.“

Auch Greta betrachtet die Fotografien nun noch einmal genauer. Das Auffälligste an Prof. Stummhirn ist sicherlich die Antenne auf seinem Kopf. Auch die Lupe in der Hand ist ungewöhnlich. Sein Gesicht hat die Farbe einer grünen Olive. Seine Wangenknochen treten deutlich hervor. Die Nasenspitze hat die Form einer Riesenkaugummikugel. Seine Lippen sind von einem schwarzen Schnurrbart verdeckt, der mehr nach Ponymähne als nach menschlichen Haaren aussieht.

Auf seinem Kinn tummeln sich schwarze Bartstoppeln. Seine Ohren sind klein, rund und sitzen tief am Schädel. Er trägt eine Brille mit sehr dünnen Bügeln. Die Brillengläser haben fast den gleichen Durchmesser wie seine Augen. Auf seinen pelzartigen schwarzen Haaren sitzt eine kleine Kappe. Darauf sind die Antenne und eine Satellitenschüssel in Miniaturform befestigt. Er trägt ein blaues Hemd mit hellblauem Stehkragen und roten Knöpfen. In der linken Brusttasche steckt ein weißes Taschentuch und auf der rechten Seite steht auf einem gelben Stoffschild sein Name: Stummhirn.

Das Auffälligste an Frau Prof. Fraglich sind ihre feuerroten Haare. Überhaupt scheint sie die Farbe Rot zu mögen. Auf ihrem Kopf sitzt ein rosefarbener Hut mit einem roten Band. Ihr Gesicht ist länglich und die Haut hat einen rosefarbenen Schimmer. Ihre Augen sind auffallend groß und die Wimpern nach oben gebogen. Ihr Blick ist herausfordernd. Sie hat eine lange, geschwungene Nase. Die breiten Lippen sind tiefrot geschminkt. Sie trägt ein kirschrotes Jackett, ein weißes Hemd und eine rot-weiß gestreifte Krawatte. Ihre Hände sind nicht zu sehen. Insgesamt wirkt sie abenteuerlustig und furchtlos.

„Und, was steht da über die beiden?“, fragt Schrabbo. Schon gleitet Urrrmphs Zeigefinger über die Zeilen. Etwas stockend entziffert er die Meschischrift.

„In... ter...view mit dem be...rühm...ten Gei...ster...for...scher Prof. Dr. Dr. Her...bert Stumm...hirn.“

Schlaubi zieht Urrrmph am Arm, der sogleich protestiert. „Was steht da? Geisterforscher?“ Er wendet den Kopf. „Patta Gorpa, weißt du etwas von Geisterforschern??“

Patta Gorpa wird noch blasser um die Nase, als er ohnehin schon ist. „Ich … ich glaube, ich habe schon mal was davon gehört.“ Onkel Kuttru fasst Pattas Schulter und flüstert ihm etwas ins Ohr. Patta Gorpa nickt. „Okay, lassen wir Greta weiter vorlesen. Mal sehen, was die Menschis zu sagen haben.“

Gretas Augen heften sich auf die Zeilen unter der Abbildung. Sie wiederholt den ersten Satz und fährt dann fort.

Interview mit dem berühmten Geisterforscher Prof. Dr. Dr. Herbert

Stummhirn. Er sagt: „Das Rätsel von Paris hat nichts mit Geistern zu tun!“

Greta stockt. Es steht tatsächlich da! Be...rühm...ter Gei...ster...for...scher ...“ Sie schluckt. Ein echter Professor, der Geister erforscht? Aber Erwachsene glauben doch gar nicht an Geister. Stets sagen sie: „Reine Erfindung!“ Okay, ihre Eltern mal ausgenommen. Sie können die Geister mittlerweile zumindest hören. Doch nun gibt es einen echten Professor, der offen über Geister spricht? Die Sache wird immer mysteriöser. Mit zitternder Stimme liest sie weiter.

Auch Professor Dr. Dr. Stummhirn ist vom Rätsel um den Eiffelturm gepackt. Er lebt seit fast vierzig Jahren in Paris und arbeitet dort derzeit er an seinem bedeutendsten Werk: einem Buch über die zehn größten Bauprojekte der Geistergeschichte. Doch nun soll der scheue Professor der Bürgermeisterin helfen. Sie hat ihn in den Expertenrat berufen. Bislang gibt es keine Lösung des Rätsels. Eine übermenschliche Erklärung schließt sie nicht mehr aus. Aber Professor Stummhirn hält Geistereinwirkung für unwahrscheinlich. Hier seine wichtigsten Antworten der Pressekonferenz:

„Professor Stummhirn, tonnenschwere Stahlstreben sind über Nacht verschwunden. Haben Geister etwas damit zu tun?“

„Nein, das würde ihre Kräfte übersteigen.“

Ein Raunen geht durch die Geister. „Der Professor hat gar keine Ahnung von unseren Kräften!“

Greta liest weiter aus dem Artikel vor:

„Haben Sie eine Erklärung, warum der Turm sich neigt?“’

„Nein, keine einzige.“

„Warum sind Sie denn dann in den Expertenrat berufen worden?“

„Weil unsere Bürgermeisterin Anne Dupin mich darum gebeten hat.“

„Werden Sie das Rätsel lösen?“

„Natürlich werde ich es lösen. Sonst wäre ich kein Professor.“

„Was halten Sie von Anne Dupins Idee, auch Kinder in den Expertenrat aufzunehmen?“

„Davon halte ich nichts. Meiner Meinung nach können Kinder keine großen Probleme lösen.“

Greta blickt auf. „Holla!“, entfährt es ihr. „Dieser Stummhirn hat weder Ahnung von euch noch von uns Kindern!“ Sie klappt die Zeitschrift zu. „Also, wenn ihr mich fragt: Da ist was faul! Ich glaube, der Professor lügt gewaltig.“

Die Geister murmeln aufgeregt durcheinander: „Mara Priffizzo!“, „Poveso lustici francelli!“, „Hallakutta!“, „Gora Mukka?“, „O famusi?“

Greta hebt beschwichtigend ihre Hand. „Äh, kann ich auch mal was sagen?“

Die Geister verstummen. „Ja was denn, Greta?“

„Glaubt ihr, dass eure Verwandten etwas damit zu tun haben?“

„Welche Verwandten?“

„Na, die Eiffelturmgeister ... von denen ihr mir eben erzählt habt!“

„Die Geister werfen sich vielsagende Blicke zu. „Geister haben immer und überall ihre Finger im Spiel. Das weißt du genau, Greta!“

„Also ist das ein Ja?“

„Ja!“, rufen alle.

„Und ... wie können wir das beweisen?“

Nun sehen sich Geister etwas ratlos an. Wieder fangen sie an zu raunen. Nach ein paar Sätzen sind sie sich einig. „Greta, es gibt nur eine Lösung: Wir müssen zusammen nach Paris.“

Greta senkt ihr Kinn. „Wen meint ihr mit wir?“

Patta Gorpa antwortet. „Na du, Jupp und wir Geister.“

„Und Oma und Opa“, schließt Greta.

„Ja, Oma und Opa auch“, bekräftigt Patta Gorpa. „Sie gehören schließlich zur Familie.“

Greta fährt sich durch die Haare. „Aber wie soll denn das nur klappen? Oma hat doch schreckliche Flugangst! Und Fliegen wäre der einzige Weg ...“ Sie klappt die Zeitschrift wieder auf. „Hier steht nämlich, dass der Zugverkehr nach Paris eingestellt wurde, weil falsche Experten sich einschleusen wollten.“

„Av multi Mukko!“, grummelt Urrrmph.

Greta nickt. „Ja, da hast du Recht, Urrrmph. Fliegen ist teuer.“

„Also bei uns ist Fliegen umsonst!“, bemerkt Schlaubi.

„Oh, Schlaubi, das weiß ich. Aber es hilft gerade gar nicht!“ Greta springt vom Bett auf.

„Wohin willst du?“, rufen die Geister. „Ist schon Abendessenzeit?“

„Nein“, antwortet Greta. „Aber ich muss schnell zu Jupp!“


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