Читать книгу Ferien mit Greta, Jupp und den Geistern - Verena Prym - Страница 13
Spielaufstellung
ОглавлениеGreta segelt die Treppenstufen herunter wie ein Papierflieger.
Zwei Stockwerke tiefer tritt Mama soeben mit einem Topf Marmelade aus der Kellertür. Greta düst um die letzte Geländerkurve. Gerade noch kann sie ausweichen und kracht schlitternd in die Banktruhe neben der Haustür.
„Wo brennt’s denn? Hast du dir wehgetan?“, möchte Mama wissen. Wäre Mama ein Hund, wäre sie ein Wachhund.
Greta untersucht ihr Schienbein. Kein Blut, nur eine kleine Aufschürfung. „Geht schon, Mama.“ Sie klappt die Banktruhe auf und wühlt aufgeregt nach den blauen Sandalen.
„Wo willst du hin?“, hakt Mama nach.
„Ich muss zu Jupp! Wichtige Besprechung!“, erklärt Greta.
Die linke Sandale erwischt sie sofort, aber die rechte versteckt sich irgendwo zwischen den Turnschuhen, Gummistiefeln und Hausschuhen. Aber da: ein Sandalenriemen. Rosafarben. Sie zögert nicht lange. Wen kümmern schon Sandalenfarben? „Bis später, Mama!“
Krachend fällt die Haustür ins Schloss. Die Marmelade in Mamas Topf erzittert ebenso wie Urrrmph, der neugierig auf einer Treppenstufe gelauscht hat. Flink saust er über das Geländer hinweg in Richtung Küche, in der das Fenster offensteht. Etwas weiter oben erhebt sich Mimi und folgt ihm. Zu guter Letzt startet Lollo von seinem Aussichtspunkt, einem Bilderrahmen im Treppenaufgang.
Greta rennt durchs Dorf, so schnell sie kann.
Zwanzig Meter hinter ihr schwebt Urrrmph und staunt: „Respekt, Greta, bei den Bundesjugendspielen warst du nur halb so schnell.“
Auch Mimi schwingt zackig ihren Geisterschweif. Lollo folgt mit einer Hausecke Abstand. Eigentlich darf er nicht allein ins Dorf, seit er dort vor einigen Wochen verloren gegangen ist. Doch wenn Greta losrennt und es abenteuerlich scheint, muss er doch dabei sein ... Und, Hand aufs Herz, er hätte seinen Vater Kuttru auch um Erlaubnis gebeten, aber der hatte Geisterrat mit Patta Gorpa gehalten – und dabei darf man nicht stören.
Greta erreicht Jupps Haus in der Grauwaldstraße und rennt die Stufen hinauf bis in den dritten Stock. Neben der Wohnung mit dem getöpferten Schild Familie Kaat drückt sie keuchend den Klingelknopf. Zweimal kurz und einmal lang. Ihr Zeichen, dass es dringend ist. Doch nichts rührt sich hinter der hellblauen Tür.
Hatte es überhaupt geklingelt?
Erneut legt Greta den Finger auf und macht zur Sicherheit aus zweimal kurz ein viermal lang und aus einmal lang ein dreimal extralang.
Im Untergeschoss öffnet sich eine Tür. „Hallo!?“, hallt es verärgert herauf.
„Hallo!“, ruft Greta freundlich zurück.
„Was ist denn das für ein Lärm?“, keift eine Frauenstimme.
Greta wird unwohl. Wenn doch Jupp nur endlich die Tür öffnen würde! Aber noch immer rührt sich nichts. Sie überlegt. Wenn sie noch einmal klingelt, kommt die wütende Frau womöglich die Treppe herauf. Wenn sie nicht klingelt, öffnet Jupp die Tür niemals. Sie blickt auf ihre Armbanduhr. Viertel nach sechs. Wo steckt er nur? Das Fußballtraining war seit einer Stunde zu Ende.
Es klingelt. Zweimal kurz und einmal lang. Greta starrt verwundert auf ihre Hand. Das Zeichen kommt ihr bekannt vor, aber sie war es nicht, die geläutet hat.
Dafür schrillt nun die Frauenstimme von unten: „Uaaarrgg!“
Wieder ertönt eine Wohnungsklingel. Zweimal kurz und viermal lang. „Uaaarrgghhhh!!!“, kreischt die Frau noch lauter. „Meine Klingel spukt! Sie klingelt von allein!“
Greta läuft zur Treppe und beugt sich über das Geländer. Gerade noch erkennt sie einen breiten Fuß, dann wird die Tür schon zugeschlagen. Davor schwebt Urrrmph und hält sich kichernd den weißen Bauch.
„Urrrmph!“, ruft Greta. „Was machst du denn hier?“
„Na, siehste doch: Dir helfen!“, lacht Urrrmph.
Lollo taucht neben ihm auf. „Ich will auch helfen!“, ruft er und sieht nach oben. Greta reißt die Augen auf. „Lollo! Weiß dein Vater, dass du hier bist?“
Lollo senkt den Kopf: „So halb.“
Greta wird energischer. „Ja oder nein?“
Lollo senkt den Kopf. „Nein.“
Greta schwenkt ihren Arm. „Na dann Abflug nach Hause! Ich möchte deinetwegen keinen Ärger mit Onkel Kuttru bekommen. Wenn du wieder verloren gehst, ...“
Da erscheint plötzlich Mimi neben Lollo und legt den Arm um seine Schultern. „Keine Sorge, Greta, ich passe auf ihn auf!“
Gretas Kiefer klappt herunter. „Mimi? Du bist auch hier? Wie viele von euch sind denn noch hier?“
Die drei sehen sich an. „Nur wir drei!“
Greta möchte am liebsten schimpfen, aber ihre Freude ist größer. „Also ihr seid wirklich die neugierigsten kleinen Geister, die ...“
„Greta?“
Greta fährt herum. Im Türrahmen steht Frau Kaat, Jupps Mutter, und reibt sich verschlafen die Augen. Neben ihr steht Pekka. Pekka ist Jupps kleiner Dackel. Auch er sieht Greta verwundert an.
„Was machst du hier?“, fragt Frau Kaat.
Greta beißt sich auf die Zunge. Offensichtlich hatte sie Frau Kaat aufgeweckt. Sie war von Beruf Krankenschwester und arbeitete oft nachts. Dafür schlief sie dann tagsüber – beinahe wie ein Geist.
Frau Kaat deutet lächelnd auf Gretas unterschiedliche Sandalen. „Ich sehe schon, Greta, es ist dringend. Jupp ist noch auf dem Fußballplatz. Sie trainieren heute länger wegen des Entscheidungsspiels übermorgen.“
Greta schlägt sich die Hand vor die Stirn. Das Entscheidungsspiel. Stimmt. Oh nein! Jupp ist der beste Verteidiger der Mannschaft und Trainer Tölle hatte ihn für das letzte Spiel der Saison eingeteilt. Niemals würde der Trainier ihn gehen lassen. Greta lässt den Kopf hängen. Paris kann sie vergessen. Niemals würde das klappen.
„Was ist Greta?“, fragt Frau Kaat besorgt. „Kann ich dir irgendwie helfen?“
„Nein, es ist nur... Muss Jupp das Spiel spielen?“
Jupps Mutter zurrt ihren Bademantelgürtel enger. „Von mir aus muss er das bestimmt nicht. Aber ich weiß, dass er sich darauf freut und dass Trainer Tölle ihn eingeteilt hat. Warum fragst du?“
Greta winkt ab. „Ach, längere Geschichte ...“ Sie wendet sich zum Gehen.
„Soll Jupp dich später anrufen, Greta?“
„Nein, nein ... danke, Frau Kaat. Und entschuldigen Sie, dass ich Sie geweckt habe.“
„Schon gut, Greta. Schöne Ferien wünsche ich dir. Jupp hat erzählt, dass du an die Nordsee fährst. Das ist doch toll!“
„Hm“, murmelt Greta und schleicht die Treppen herunter. Urrrmph, Mimi und Lollo schweben hinterher. Auch sie lassen die Köpfe hängen.
Vor der Haustür sinken sie enttäuscht auf den Treppenabsatz. Greta zieht die Knie heran und stützt die Ellenbogen auf. „Tut mir leid“, murmelt sie. „Ich wäre wirklich gern mit euch nach Paris geflogen. Aber es klappt wohl nicht.“
Lollo blickt abwechselnd von Urrrmph zu Mimi. „Aber wieso nicht?“, fragt er schließlich.
Greta zählt auf. „Erstens: Jupp ist übermorgen für ein wichtiges Fußballspiel eingeteilt. Zweitens: Oma hat Flugangst.“
Lollo blickt Greta an, als wären das alles keine Neuigkeiten für ihn. „Und, wo ist das Problem?“
Greta schnauft. „Na, überall! Erstens würde Trainer Tölle Jupp niemals aus der Aufstellung streichen, zwei...“
„Nein? Würde er nicht?“, fällt Lollo ihr ins Wort.
Greta wird ärgerlich. „Lollo, du unterbrichst ... und: Nein, würde er nicht!“
„Na, das wollen wir erst mal sehen!“, ruft Lollo. „Kommt, auf zum Fußballplatz!“
Greta war noch nie bei Jupps Training und es ist auch nicht gerade angenehm, wenn einem ein Haufen Jungs auf die unterschiedlichen Sandalen starrt, was die ganze Mannschaft auf dem Platz soeben tun.
„Coole Schuhe!“, sagt einer.
„Deine auch“, erwidert Greta. „Nur die Ruhe bewahren“, denkt sie.
Trainer Tölles Trillerpfeife ertönt und kurz darauf trabt er über den Rasen auf Greta zu. Etwas verwundert bleibt er vor ihr stehen. „Wer bist denn du? Also, wenn du Fußballspielen möchtest, bist du zu spät dran. Übermorgen ist unser Abschlussspiel.“
Greta spitzt die Ohren. In der Tasche ihres Sommerrocks sitzt Lollo. Er war der Meinung, es wäre gut, nah bei ihr zu bleiben. So könne er ihr etwas zuflüstern, wenn ihr keine Antwort einfiel. Mimi und Urrrmph würden in der Zwischenzeit herumfliegen und ihre Arbeit erledigen.
Greta wiederholt nun laut Lollos Worte. „Ich ... bin Greta und arbeite für die Schülerzeitung. Wir machen eine Reportage über Fußball. Es geht um Spieltaktik.“
Trainer Tölle hebt sein Handgelenk. Seine Uhr ist genauso schwarz wie seine kurzrasierten Haare. „Hm“, brummt er. „Ungern. Wir haben gleich eine Mannschaftsbesprechung ...“
Jupp springt ein. „Herr Tölle, sie stellt sicherlich nur ein paar Fragen und ist gleich wieder weg.“
Tölle lässt die Hand sinken. „Du kennst die junge Dame also?“
Jupp nickt. Tölle verzieht den Mund. „Nun gut. Aber nicht lange. Worum geht es genau?“
Greta lauscht wieder Lollos Worten „Äh, es geht darum, dass der Fabi gern Verteidiger wäre übermorgen.“
Ein schmaler Junge dreht ihr verwundert das Gesicht zu. „Woher weißt du denn das?“, stottert er. „Und woher kennst du meinen Namen.“
Die Worte fließen wie von selbst über Gretas Zunge. „Nun, Jupp hat mir von dir erzählt. Du bist doch auch Verteidiger, oder nicht?“
„Ja, schon, aber ...“
„Und die letzten Spiele hat immer Jupp gespielt ...“
„Äh, woher weißt du das?“, fragen Trainer Tölle und Fabi wie aus einem Munde. Da spürt Greta etwas in ihrem Rücken. Etwas Hartes. Sie greift danach und schaut runter. Sie hört wieder Lollos Stimme und spricht weiter.
„Es steht in diesen Spielplänen, Herr Trainer.“
Tölles Unterkiefer klappt herunter. Er schnappt sich das Klemmbrett aus Gretas Händen. „Wie ... wie kommst du an meine Notizen?“ Seine Augen wandern hinüber zum Vereinsheim. „Ich habe die Tür sicher abgeschlossen“, murmelt er. „Woher ...?“ Er sucht nach Worten.
Auch Fabi tritt von einem Bein aufs andere. „Herr Tölle ... ich weiß zwar nicht, was hier vor sich geht, aber diese Greta hat recht. Ich finde es ungerecht, dass immer der Jupp spielt.“
Jupp öffnet den Mund, doch Greta gibt ihm ein Zeichen, still zu bleiben. Jupp nickt ihr zu und Greta spürt, dass er ihr vertraut.
Da entschlüpft Lollo plötzlich aus ihrer Rocktasche und schwebt auf den Trainer zu. Die mutige Mannschaft springt zurück. „Wuähh?!! Was ist das denn??“, schreien sie. „Ein Geist!“ und nochmal „Hilfe, ein GEIST!!“
Trainer Tölle lässt das Klemmbrett sinken. „Wollt ihr mich veräppeln? Für Scherze hab ich keine Zeit!“ Er zieht die dunklen Augenbrauen zusammen. „Die gegnerische Mannschaft ist gut und ...“
Fabi aber ist nicht mehr zu stoppen. Er hebt sein schmales Kinn. Endlich kann er aussprechen, was ihm so lange auf der Seele liegt. „Ich möchte spielen und nicht immer auf der Bank sitzen!“ Er sucht Jupps Blick.
Jupp hebt die Hände. Er mag Fabi und findet, dass er kein schlechter Verteidiger ist. Es war Tölle, der immer nur ihn eingeteilt hat. Deshalb ist er froh, dass Fabi nun seine Position einfordert. „Von mir aus gern“, sagt er.
Trainer Tölle schlägt das Brett auf den Oberschenkel und erwischt dabei den umherschwebenden Lollo. „Aua“, jammert der, sich das Hinterteil reibend.
Die Jungs lachen auf. Tölle verzieht das Gesicht. „Lacht ihr etwa über mich?“
Lollo verkriecht sich schnell in Jupps Hosentasche. „Nein, nur über den ...“, sie zeigen auf Jupps Hose.
Trainer Tölle wird rot vor Wut. „Lacht ihr etwa euren Kameraden aus?“
„Nein, aber er hat einen Geist in der Tasche!“
„Einen Taschengeist sozusagen“, kichert Fabi.
Tölle ist kurz vor dem Explodieren. „Seid ihr alle verrückt geworden? Jetzt reißt euch zusammen! Übermorgen ist euer wichtigstes Spiel und Jupp spielt so, wie es hier in meiner Aufstellung steht.“ Er hält der Mannschaft das Brett hin. Die zwölf Jungs recken ihre Nasen hoch.
„Aber, Trainer. Da steht Fabis Name! Jupp Kaat ist durchgestrichen.“
Säuerlich wendet Tölle das Brett. Tatsächlich. Jupps Name ist durchgestrichen! Stattdessen steht dort: Fabian Bär. Und daneben steht noch etwas. Er hebt das Brett, um besser lesen zu können: „Litschko.“ Er sieht auf.
„Wer zum Teufel ist L...i...t...sch...k...o? Spielt der auch bei uns?“
Greta und Jupp beißen sich kichernd auf die Zunge. „Litschko heißt danke, Herr Tölle. In einer Sprache, die Sie nicht verstehen.“
Tölle legt den Kopf schief. „Aha. Und welche Sprache soll das sein?“
„Geisti“, sagt Greta.
Die Jungs krümeln sich vor Lachen. Trainer Tölle hat endgültig genug. Er lässt sich doch nicht von einem Mädchen vorführen. Er war immer noch Herr dieser Mannschaft …
Da ertönt ein Jubelschrei. Er kommt von Fabian. Sein Gesicht glüht vor Freude. „Oh danke, Herr Tölle! Ich werde Ihnen zeigen, dass ich es draufhabe!“
Trainer Tölle zeigt auf Greta. „Du gehst nun nach Hause!“ Er zeigt auf Jupp. „Und du am besten gleich mit! Fabian spielt. Schöne Ferien wünsche ich euch!“ Seine Stimme klingt säuerlich.