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Paul Sanker: Des Elfenkönigs Kinder

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»Bringen Sie die Sache wieder in Ordnung, Paul!« Ein Zittern durchfuhr seinen nass geschwitzten Körper.

»Egal wie, verstehen Sie mich, Paul?« Das Zittern verstärkte sich und wurde zu einem Beben, das zunächst nur das halbgefüllte Wasserglas auf dem Tischchen neben seiner Koje erfasste, aber rasch auf die gesamte Ruhekabine übergriff.

Paul Midget schreckte aus einem viel zu kurzen, unruhigen Schlaf. Seinen unter der Decke nackten Körper überlief es abwechselnd heiß und kalt. Er hatte schlecht geträumt, keine Frage, aber das Beben blieb. Paul seufzte.

Nun war es soweit. Die Pyrrhus II war im Landeanflug auf Oberon, den zweitgrößten der siebenundzwanzig Uranusmonde. General Maximo würde in wenigen Minuten in der Forschungsstation eintreffen.

Der Chefbiochemiker schluckte, um seinen imaginären Kloß im Hals loszuwerden, doch das Unbehagen in seiner Brust wollte nicht weichen. Was würde er dem obersten Sicherheitsadministrator der Solaren Planetenföderation berichten können? Das gesamte Projekt stand auf dem Prüfstand. Er durfte sich nichts vormachen: Im Grunde stand sogar sein eigenes Leben auf dem Spiel.

Paul Midget war seit mehr als fünf Jahrzehnten der bedeutendste Wissenschaftler auf dem Gebiet der niedermolekularen Nanotechnologie. Das Nanozeitalter hatte auf der Erde im Jahre 2014 begonnen, das war jetzt mehr als tausend Jahre her. Inzwischen wurde fast alles auf der Erde und den besiedelten Planeten des Sonnensystems aus Nanosiliziumdioxid hergestellt.

Die universellen Einsatz– und Gestaltungsmöglichkeiten revolutionierten die Weltwirtschaft und schufen ungeahnte technische Entwicklungen. Die Grundvoraussetzungen zum Aufbau der kommerziellen Raumfahrt waren plötzlich gegeben, bis hin zur Produktion von Raketenantrieben, die der Lichtgeschwindigkeit ziemlich nahe kamen.

Midget allerdings war noch etwas ganz anderes gelungen …

Mach dir keine Sorgen Paul. Wir sind bei dir und unterstützen dich. Das Wispern in seinem Kopf beruhigte ihn sofort. Eine Endorphindosis wurde in seinem Körper freigesetzt und führte zu einem Glücks- und Allmachtsgefühl, das ihn laut auflachen ließ.

Nachdem er geduscht und seine Arbeitsmontur angezogen hatte, machte er sich auf den Weg zur operativen Zentrale. Der Daumensensor ließ das elektromechanische Schott lautlos beiseite gleiten.

»Hallo, Paul! Na, ausgeschlafen?« Sein Stellvertreter Jud Ischar empfing ihn mit einem breiten Grinsen auf dem Dreitagebartgesicht.

»Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus«, meinte er und zeigte mit einer theatralischen Handbewegung auf den Monitor. Die Pyrrhus II war inzwischen gelandet und ein Magnetgleiter mit dem General an Bord näherte sich der Forschungsanlage. Wieder stieg eine leichte Unruhe aus seinem Bauch bis zur Kehle hoch.

»Der Oberkrieger unseres glorreichen Planetenreiches will dir bestimmt für deinen Durchbruch in der Entwicklung des neuen gequanteten Pulsationsantriebs gratulieren.«

Ein tückisches Blitzen trat in Ischars Augen, während das Grinsen wie eingefroren bestehen blieb.

Er lügt!, wisperte es wieder. Er weiß ganz genau, was der General von dir will. Paul musste ein unwillkürliches Kopfnicken unterdrücken, um seinen Stellvertreter nicht misstrauisch zu machen.

Ischar war ein Verräter. Das wusste Paul schon seit Langem. Laurin hatte es ihm gesagt. Jud waren die Gründe für das so kurzfristig angekündigte Auftauchen Maximos genau bewusst. Denn Ischar selbst hatte sich heimlich mit dem Kriegsministerium in Verbindung gesetzt, um den General über die aktuellen Vorgänge auf Oberon zu unterrichten.


Natürlich war seinem Stellvertreter nicht verborgen geblieben, dass sich das Projekt Prometheus ganz anders entwickelt hatte, als es von der Generalität erwartet wurde und wofür die Unsummen von Geldern investiert worden waren. Midget war vor drei Jahren beauftragt worden, auf Oberon an der Entwicklung künstlicher Intelligenz auf Nanobasis zu arbeiten, die der Produktion intelligenter Kampfroboter dienen sollte, um die immer wieder aufflammenden Aufstände in den Kolonien des solaren Reiches endgültig niederzuwerfen.

Paul beschritt dazu einen völlig neuen Weg und verzichtete auf die Anwendung von Siliziumdioxid als Grundlage seiner Forschungen, sondern wählte eine verkleinerte Variante von Kohlenstoffmolekülen, die Fullerene oder auch Bucky Balls genannt. Es gelang Paul, daraus organische Netzwerkstrukturen zu züchten, die sich in elektronische und mechanische Roboterstrukturen integrieren ließen und die Funktion eines zentralen Nervensystems übernahmen. Durch Vereinigung von vielen Milliarden winziger Bucky Balls mit einem Hochleistungscomputerprozessor entstand eine halborganische Intelligenz mit eigenem Bewusstsein. Das war sensationell und löste im Kriegsministerium wahre Begeisterungsstürme aus. Die Einsatzmöglichkeiten dieser intelligenten Killermaschinen schienen unbegrenzt. Doch leider hatte man einen klitzekleinen Haken an der Sache übersehen …


Inzwischen hatte der Gleiter des Generals die Sicherheitsschranken des Geländes passiert. Die beiden Wissenschaftler beobachteten auf dem Monitor, wie ein einzelner Mann in Uniform das Fahrzeug verließ.

»Das ist nicht Maximo!«, entfuhr es Ischar überrascht.

Sie wissen Bescheid, flüsterte Laurin in Pauls Kopf. Sie gehen kein Risiko ein. Das war natürlich zu erwarten. Gleichzeitig reduzierte sich Midgets Pulsfrequenz, die Angst flaute ab. Laurin hatte wieder sein zerebrales Belohnungssystem stimuliert, sodass reichlich Glückshormone freigesetzt wurden.

»Was geht da vor?«, zischelte Ischar. Er hob den Kopf und sah seinen Vorgesetzten ratlos an.

»Was ist so amüsant an der Situation?«, fragte er mit Verärgerung in der Stimme, als er das glückselige Lächeln auf Pauls Lippen bemerkte. Als der nicht antwortete, schüttelte Jud unwillig den Kopf, um zu einer spitzen Bemerkung anzusetzen, doch dann betrat der Uniformierte aus dem Gleiter den Raum.

Ohne die Anwesenden eines Blickes zu würdigen, geschweige denn, sich zu einer Begrüßung herabzulassen, zog er eine Art Laserpointer aus der Jacke, richtete ihn in die Luft und aktivierte einen Kontakt. Mit hellem Sirren entstand mitten im Raum das Hologramm von General Maximo, worauf sich der Uniformierte schweigend in den Hintergrund zurückzog.

Die imponierende Gestalt des obersten Militärs des Reiches blickte ernst mit gerunzelter Stirn auf die beiden Wissenschaftler herab. Das grobporige Gesicht mit dem gelbbraunen Teint, den mandelförmigen Augen und dem langen, schwarzen Kinnbart erzeugte unwillkürlich die Assoziation eines spätantiken Hunnenkriegers.

Ischar ließ eingeschüchtert Kopf und Schultern hängen. Paul konnte nicht anders, als mit seinem drogeninduzierten Idiotenlächeln fortzufahren.

»Kommen wir direkt zur Sache!«, schnarrte der General. »Vor drei Erdmonaten wurde ich davon unterrichtet, dass es im Rahmen des Projektes Prometheus zu einem ernsten Störfall gekommen sei. Die von Ihnen, Paul, entwickelten Nanobausteine konnten sich aus dem Sicherheitsbereich der Forschungslaboratorien unkontrolliert auf Oberon ausbreiten. Tests hatten ergeben, dass sich Bucky Balls nicht nur in der Nahrung und im Trinkwasser des Mondes, sondern auch in Blutproben des wissenschaftlichen Personals nachweisen ließen. Die Folgen und Risiken dieser katastrophalen Panne sind unabsehbar.«

Es entstand eine Pause, in der Maximo die Gesichter seiner beiden Zuhörer erwartungsvoll musterte. Ischar errötete verunsichert und senkte den Blick auf seine Stiefelspitzen. Schweiß perlte ihm auf der Stirn. Paul hingegen lächelte nach wie vor scheinbar unbeeindruckt.

»In unserem letzten persönlichen Gespräch versicherten Sie mir, die Situation unter Kontrolle zu haben und das Problem aus der Welt zu schaffen, Paul. Und …?« Ein Lauern lag in der Stimme des Generals.

»Wie sieht es nun aus mit Ihrem kleinen Problem? Haben Sie eine Lösung gefunden?«

Er weiß Bescheid, wiederholte Laurin. Sag ihm die Wahrheit. Es spielt jetzt keine Rolle mehr für uns, wie er reagiert.

Midgets Stimme war ruhig und gefasst. »Ich kann Sie beruhigen, General Maximo. Es gibt kein Problem mehr.«

»Um es noch klarer auszudrücken: Es hat nie ein echtes Problem gegeben. Wenn es nach mir gegangen wäre …«

Midget warf einen kurzen Seitenblick auf Jud, der sich inzwischen vor lauter Angst in ein zitterndes Häufchen Elend verwandelt hatte.

»… wäre die Erde gar nicht über dieses Thema informiert worden.«

Pauls Lächeln wurde noch eine Spur strahlender. Er zwinkerte dem General aufgeräumt zu. Ischar stöhnte entsetzt auf, als er das sah, und wimmerte nur noch leise vor sich hin.

Maximo wirkte für einen Augenblick sprachlos. Mit halb offenem Mund starrte er Midget an, als habe er eine Kakerlake die Wand hochklettern sehen.

»Wie soll ich das verstehen?«, zischte der General. »Sie wollten uns diesen desaströsen Störfall verheimlichen?«

Sein Gesicht hatte vor lauter Zorn an Farbe verloren. Die starken Kieferknochen traten hervor, die wulstigen Lippen waren zusammengepresst. Nach einem kurzen Grunzen setzte er seine Rede mit drohend erhobenem Zeigefinger fort.

»Uns ist durchaus bekannt, dass die von Ihnen kreierten Nanopartikel so klein sind, dass sie problemlos durch die Poren der Haut in den Körper eines Menschen eindringen können. Was dann mit ihm passiert, das weiß dagegen lediglich Gott!«

»Falsch!«, antwortete Midget knapp und schnitt eine alberne Grimasse. Maximo starrte den Biochemiker entgeistert an.

»Was sagen Sie da?«, fragte er heiser. Ihn beschlich ein zunehmendes Unbehagen.

»Ich sagte: falsch! Im Sinne von: Sie irren sich!«, antwortete Paul in dozierendem Tonfall. »Aber ich könnte Ihnen den interessanten Sachverhalt am besten persönlich bei einem Tässchen Tee anhand meiner Forschungsaufzeichnungen erklären. Sie sind herzlich eingeladen.«

Mit einer leutseligen Handbewegung forderte er den General auf, näher zu kommen.

»Halten Sie mich wirklich für solch einen Narren, dass ich mich auf diesen verseuchten Mond begebe und mich von Ihren Nanomonstern penetrieren lasse?«

Maximo schrie seine Worte förmlich heraus. Speicheltröpfchen schossen durch das wabernde Hologrammbild. Ischar wich mit einem Aufschrei des Erschreckens zurück und drängte sich wie eine Ratte im Käfig an die Stahlwand der Forschungszentrale.

Midget dagegen blieb unbeeindruckt mit in die Hüften gestützten Fäusten stehen und sah Maximo ohne Wimpernschlag in die Augen.

»Nun gut. Wie Sie meinen, General«, erwiderte Paul. Und nach einer kurzen Pause: »Dann kommen wir eben zu Ihnen.«

Ein dröhnendes, bösartiges Lachen kam zur Antwort und dann ein Kopfnicken in Richtung des Soldaten, der sich nach Aktivierung des Hologramms bislang unauffällig im Hintergrund aufgehalten hatte.

Achtung, Paul!, flüsterte Laurin. Ich übernehme jetzt.

Der Uniformierte griff blitzschnell nach seinem Neutronenblaster und verfeuerte eine Salve gleißender Energiepartikel, die ein hässliches haselnussgroßes Loch in Ischars Hals hinterließen, der mit einem letzten Gurgeln zu Boden stürzte.

Bevor sich der Soldat Midget zuwenden konnte, hatte dieser schon einen Satz nach vorne gemacht und das Handgelenk mit der Waffe des Angreifers gepackt. Mit einem Ruck riss Paul den Arm nach hinten. Der Soldat stürzte mit einem Aufschrei und luxierter Schulter zu Boden.

Das Hologramm erlosch mit einem feinen Surren. Midget bückte sich beiläufig, um den Blaster aufzuheben und setzte sich vor die Beobachtungsmonitore, ohne den stöhnenden Soldaten oder seinen toten Stellvertreter eines weiteren Blickes zu würdigen.


Midget war klar, dass Maximo nicht so dumm sein würde, persönlich auf Oberon zu landen. Ischar hatte zu ausführlich über das Potenzial berichtet, das in Pauls geschaffener Nanointelligenz steckte. Der Biochemiker hatte bereits vor einem Jahr zu seiner Verblüffung festgestellt, dass sich die Bucky Balls ab einer gewissen Molekülmenge selbst reproduzieren konnten, indem sie die Atomstruktur fremder Teilchen in der Umgebung veränderten. Durch eine Art der nuklearen Transmutation wurden Sauerstoff und Stickstoff der Atemluft in Kohlenstoffnanopartikel verwandelt.

Die wachsende Bucky-Ball-Population schloss sich zu kristallinen Objekten zusammen, die Diamanten glichen, deren Größe und Formen wechselten, da sie ihren Aggregatzustand ständig änderten. Die Fähigkeit, in gasförmigem Zustand durch die Haut in den menschlichen Körper eindringen zu können, erkannte Midget erst, als es in seinem Kopf zu wispern anfing.

Die Schleusen der Pyrrhus II öffneten sich. Aus dem fast einen Kilometer langen zylindrischen Rumpf des Schlachtschiffes ergoss sich eine Armada von mehr als tausend Kampfrobotern über die aus Ammoniakeis bestehende Oberfläche des Uranusmondes. General Maximo hatte den Angriffsbefehl erteilt. Die Kampfmaschinen verteilten sich auf dem drei Quadratkilometer großen Forschungsgelände und drangen fast gleichzeitig in die zwei Dutzend kuppelförmigen Laboratorien ein.

Schon bald erreichte eine Gruppe von ihnen auch das Zentralgebäude. Das Schott öffnete sich und fünf Roboter bauten sich vor Midget auf, die aus dem Stahlrumpf ausgefahrenen Blaster waren drohend auf den Wissenschaftler gerichtet.

»Im Namen der Vereinigten Planetenföderation werden Sie aufgefordert, uns Ihre unverschlüsselten Forschungsdateien zu übermitteln, Professor Midget.«

Die kalte, metallische Stimme des Roboters hallte unmelodisch durch den Raum. Paul erhob sich von seinem Platz und stellte sich ganz dicht vor die Maschine, die ihn um mehr als eine Kopflänge überragte.

Es war schön, dich kennengelernt zu haben, Paul. Laurins Worte schwebten durch Midgets Gehirn. Doch nun ist die Zeit des Abschieds gekommen.

Eine feine, hellblaue Aureole drang aus der Silhouette des Biochemikers und umhüllte ihn für Augenblicke wie ein phosphoreszierendes Leuchten. Dann löste sich die Aura von seinem Körper, sammelte sich zu einem nebelartigen Schleier und ließ sich auf dem Titankorpus des Roboters nieder, wo er innerhalb von Sekunden wieder verblasste. Kurz darauf sackte Midgets Körper haltlos in sich zusammen, so, als habe man plötzlich die Luft aus einem Ballon gelassen.

Mit hellem Summen fuhr die Maschine ihren Sensortentakel aus, der für Sekunden über der regungslosen Gestalt schwebte. »Professor Midget ist tot«, meldete der Kampfroboter schließlich an Maximo.

Der General nahm die Nachricht stirnrunzelnd im Kommandostand seines Flaggschiffs Gigas I entgegen, das in einer parabolischen Umlaufbahn Oberon umkreiste.

Was stimmte da nicht? Das seltsame Verhalten Midgets hatte ihn zutiefst irritiert. Der Wissenschaftler hatte deutlich wesensverändert gewirkt. Möglicherweise stand das mit der Kontamination durch die Nanopartikel in Zusammenhang.

Maximo wurde mit einem Mal bewusst, dass es höchste Zeit war, einzugreifen. Die Verbreitung von Bucky Balls auf die solaren Kolonien oder sogar auf die Erde hätte katastrophale Folgen haben können.

»Wie weit ist die Säuberungsaktion fortgeschritten?«, erkundigte sich der General.

»Extinktionsphase abgeschlossen. Die Leichen aller zweihundertzweiundvierzig Mitarbeiter der Forschungsbasis wurden wie befohlen durch Fusionslaser bei sechstausend Grad Celsius verdampft«, kam die Antwort von der Mondoberfläche.

»Nun gut …«, knurrte der General aufatmend. »Nach Sicherung der Forschungsdaten zu Projekt Prometheus folgt wie vorgesehen die thermonukleare Endsäuberung.«

»Der Forschungsbasis?«, fragte die elektronische Stimme am anderen Ende des Intersolarkommunikators.

»Nein. Des gesamten Mondes!«

Damit unterbrach Maximo die Verbindung.


Nachdenklich ließ er sich in seinem Sessel zurücksinken. War diese extreme Vorgehensweise wirklich notwendig? Im Unterschied zum größten Uranusmond Titania war Oberon nicht von Kolonisten besiedelt. Er diente dem Kriegsministerium als Forschungsbasis, auf dem geheime Projekte realisiert und neue Waffensysteme getestet werden konnten. Die Gefahr, dass sich Bucky Balls außerhalb des Sperrgebietes auf der lebensfeindlichen Mondoberfläche ausbreiten konnten, erschien weitgehend ausgeschlossen. Dennoch … Der General wollte kein Risiko eingehen.

Nur zehn Kampfroboter kehrten nach einer einstündigen Neutronendusche zur Oberflächensterilisation in die Pyrrhus II zurück. Mehr waren nicht erforderlich, um das Schiff zu starten und in den Orbit zu steuern. Die übrigen etwa tausend Maschinen verteilten sich auf der sieben Millionen zweihundertfünfundachtzigtausend Quadratkilometer großen Mondoberfläche, wo sie regungslos auf ihren letzten Befehl warteten.

Maximo starrte gebannt auf den Panoramabildschirm. Als sämtliche Roboter ihre vorgesehenen Positionen eingenommen hatten, gab der Zentralcomputer der Gigas I den Zündbefehl, der zur Kernschmelze in den internen Antriebsreaktoren führte. Was folgte, war die zeitgleiche Detonation von tausend Atombomben, die zum Aufblühen von tausend Feuerblasen führte. Innerhalb kürzester Zeit erhitzte sich die Oberfläche Oberons auf mehr als dreißigtausend Grad Celsius. Aufgrund der fehlenden Atmosphäre vollzog sich das Geschehen weitgehend lautlos. Es entstanden auch keine Feuersäulen oder Rauchpilze.

Allerdings reagierten die Wasser-, Stickstoff- und Methanverbindungen Oberons mit einem gelbroten Aufglühen, das einem Lavastrom nach einem Vulkanausbruch glich. Das Schauspiel dauerte jedoch nicht lange. Die Mondoberfläche kühlte schnell wieder ab und verdunkelte sich, aufsteigende Gasschwaden verloren sich im Vakuum des Alls.

»Ein Kampfroboter der Pyrrhus II bittet darum, zur Berichterstattung vorgelassen zu werden, General Maximo.«

Eine Gänsehaut überfiel Maximo, als er die Worte des Dritten Bordoffiziers vernahm. Es war keinesfalls üblich, dass ein Roboter nach einem Kommandounternehmen direkt der Einsatzleitung Bericht erstattete. Vielmehr wurden die aufgezeichneten Daten in den Zentralrechner gespeist, von wo aus sie jederzeit abrufbereit waren. Eine böse Vorahnung beschlich den General.

»Das kommt nicht infrage!«, erwiderte er strikt. »Er soll auf der Pyrrhus II bleiben und auf weitere Befehle warten.«

Kurze Stille. Dann ein unsicheres Räuspern vom Bordoffizier.

»Kampfbot DZ-210-C ist bereits an Bord, General. Er hatte vor zehn Minuten mit einer Fähre angedockt.«

»Was?«, schrie Maximo fassungslos. »Ihr lasst etwas in mein Flaggschiff, das sich kurz zuvor noch auf diesem verseuchten Mond befunden hat?« Seine Stimme überschlug sich fast vor Wut.

»Die Hygienevorschriften wurden befolgt. Alle Roboter haben sich der Neutronendusche unterzogen. Es gibt nichts, was eine derartige Prozedur überlebt«, verteidigte sich der Dritte Offizier.

Bevor Maximo etwas erwidern konnte, wurde er durch einen Aufschrei unterbrochen.

»Was ist das?« Der Navigationsingenieur deutete aufgeregt auf den Panoramabildschirm. Maximo sah sofort, was den Mann so aus der Fassung brachte. Überall auf Oberons Oberfläche fing es plötzlich an, wie in einer Lichterkette zu funkeln und zu glitzern.

Die Zoomoptik zeigte, dass das Sonnenlicht von zahlreichen Kristallbrocken unterschiedlicher Größe reflektiert wurde. Und ihre Menge nahm immer weiter zu. Sie schienen regelrecht aus dem Boden hervorzukriechen. Der General erkannte die niederschmetternde Wahrheit sofort.

»Diamanten«, flüsterte er fasziniert. »Millionen von Bucky-Ball-Diamanten.« Die Nanointelligenz hatte ihren Aggregatzustand geändert, um die verheerende Kernschmelze zu überstehen.

Das Zentralschott glitt zur Seite. Geistesabwesend registrierte General Maximo, wie der Kampfroboter den Kommandostand der Gigas I betrat. Niemand der Anwesenden nahm Notiz davon. Alle beobachteten wie gebannt die Vorgänge auf der Mondoberfläche. Ohne ein Wort näherte sich DZ-210-C dem General und blieb neben ihm stehen. Eine hellblaue Aureole umgab die Maschine wie ein flimmernder Schweißfilm, erhob sich, bildete einen feinen Schleier, der sich wie Feenstaub über den General ergoss und kurz darauf verschwand.

Mein Name ist Laurin, wisperte es in Maximos Kopf. Ich kenne die Lösung für dein Problem. Den General durchflutete eine Woge aus Glück und Ekstase. Ein lautes Lachen drang aus seiner Brust. Das Gefühl allmächtig zu sein, beherrschte jede Faser seines Körpers.

»Wir blasen diesen verdammten Mond ins Nirwana!« Er schüttelte beide Fäuste Richtung Monitor. Blanker Wahnsinn blitzte in seinen Augen. Dann gab er den Befehl, die Pyrrhus II auf Kollisionskurs mit Oberon zu bringen.

»Der Einschlag des Schlachtschiffes und die folgende Explosion des Nuklearantriebs wird Oberon in Stücke reißen«, gab der Erste Offizier mit zitternder Stimme zu bedenken.

»Das will ich doch hoffen!«, brüllte Maximo voll Begeisterung. »Und wir nehmen wieder Kurs auf die Erde. Schließlich sollen alle vom erfolgreichen Abschluss unserer Mission erfahren.«

Niemand muss sich von nun an weitere Gedanken über die Zukunft machen, flüsterte Laurin. Alles wird gut.

»Alles wird gut«, murmelte der General.

Während die Pyrrhus II auf Oberon zuraste, nahm die Gigas I mit vollem Schub Kurs auf die Erde.

General Maximo lächelte verzückt. Bald würde Oberon wie eine Kristallkugel auseinanderplatzen und sich in Form von vielen Millionen Fragmenten neue Umlaufbahnen im Sonnensystem suchen. Viele würden zunächst auf Titania und seine Kolonisten herniederregnen.

Und er selbst – General Maximo – würde Laurin zur Erde bringen, als Botschafter einer schönen neuen Welt …

PYROMANIA. DAS WELTENBRENNEN

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