Читать книгу Joayna - Victoria M. Castle - Страница 4

Оглавление

Keiheera

Schlaf ein,

die Dunkelheit wird weichen.

Schlaf ein,

es wird Morgen sein.

Schlaf ein,

die Vögel werden singen.

Schlaf ein,

wein' nicht mehr.

Ruh dich aus,

ich bin da.

Träume schön,

ich bin da.

Ich verlasse dich nicht, sondern bleibe.

Denn die Dunkelheit wird weichen,

es wird Morgen sein.

Schlaf ein, träume schön,

schlaf ein.

Behutsam legte sie die Decke über Keiheera.

„Gute Nacht, Schwesterchen“, sagte sie sanft, lächelte und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Jo... sing mir bitte noch etwas vor.... Du hast so eine schöne Stimme...“, murmelte Keiheera leise.

„Nein, Kleines. Heute nicht mehr.“

Joayna lächelte erneut sanft und pustete die Kerze aus, die auf dem alten, hölzernen Nachttisch stand. Keiheera war bereits eingeschlafen.

Joayna strich ihr sacht über die Wange, drehte sich dann um und verließ auf leisen Sohlen über den knarzenden, alten Holzboden das schlichte Bett, auf dem ihre Schwester schlief.

Vorsichtig, auf heller, zarter Stimme Home, sweet home singend, ging sie aus dem Zimmer und drehte sich in der Tür noch einmal um. Ihr goldblondes Haar glänzte im Schein des Feuers, welches im Raum gegenüber brannte.

„Gute Nacht, Schwesterchen“, flüsterte sie erneut und verließ das Zimmer.

„KEI!! Komm da raus! Kei, wo bist du?!“

Das Haus brannte.

Die Flammen griffen um sich, verschlangen das Holz und alles, was ihnen in den Weg kam.

Die Hitze schmerzte auf der Haut, das Wasser, welches vom Brunnen angeschafft worden war, verursachte dicken, dunklen Rauch.

Im Nachthimmel über dem Dorf kreischten die Dämonen.

Ihre schwarzen Gestalten und Flügel waren kaum zu erkennen, nur ihre leuchtend rotgelben Augen.

Die Menschen aus dem Dorf schrien, die Wolfshunde bellten, das Vieh flüchtete.

Leichen lagen auf dem Boden, teils verbrannt, teils durch dunkle Klauen aufgeschlitzt.

Durch den Rauch konnte man einzelne Schemen erkennen, die von dem Feuer davonliefen.

„Kei! Wo bist du, Kei?!“

Joaynas Stimme drang durch das Feuer, durch den Rauch.

Irgendwo mitten im Haus hustete jemand.

Joayna schlug sich ein schmuddeliges, weißes Leinentuch vor den Mund und stürmte in das brennende Gebäude. Sie keuchte. Der Rauch nahm ihr jegliche Sicht.

„Kei! Keeeei-h-h!“

Das blassblaue, schlichte Kleid des jungen Mädchens fing Feuer. Sie warf den Oberrock mit der Schürze ab und rannte tiefer in das Haus hinein.

Joayna bekam kaum noch Luft, ihre Lungen waren verstopft. Sie war verbrannt, suchte jedoch weiter.

Im anderen Ende des Bauernhauses stand ein kleines Mädchen an eine Wand geduckt. Sie hustete ebenfalls und hielt sich den Arm vor das Gesicht. Ihre dunkelbraunen Locken waren vom Rauch fast schwarz gefärbt und ihre leuchtend grünen Augen glänzten im Licht der Flammen.

Sie wollte um Hilfe schreien, hustete aber nur. Das Feuer trieb ihr die Tränen in die Augen und die Luft blieb ihr fast weg.

Keiheera versuchte, vergeblich durch die Massen von Flammen und Rauch zu blicken. Die Hitze schlug ihr ins Gesicht, als auf einmal ein Balken neben ihr auf den Boden krachte. Sie kreischte auf, sog Rauch ein und hustete weiter.

Mit hastigen, unkontrollierten Bewegungen torkelte sie durch den brennenden Raum. Das dünne Glas der Fenster war von der Hitze zerbrochen worden, Scherben lagen überall zerstreut. Das Zimmer, in dem sie sich befand, lag im Obergeschoss.

Und dann hörte Keiheera nicht weit entfernt Flügelrauschen.

Sie duckte sich vor brennenden Balken hinweg und lief zu den Fenstern. Vielleicht konnte ihr ja jemand helfen.

Da geschah es: Ein Stützbalken fiel um, nach ihm mindestens drei weitere.

Panisch sprang sie zur Seite, ohne darauf zu achten, wohin.

Sie stolperte, ihr Kleid verhakte sich. Taumelnd versuchte sie, es den Flammen zu entreißen, die es gepackt hatten, schaffte es jedoch nicht, sondern prallte mit voller Wucht zurück und fiel aus dem Fenster.

Keiheera schrie nicht, denn bevor sie es tun konnte, fiel sie auf etwas drauf. Das letzte, was sie vernahm, war ein weicher Stoß, ein Geruch von Feuer und verbranntem Fleisch und die Berührung von etwas Ledernen.

Dann fiel sie in Ohnmacht.

Hinter ihr schon weiter entfernt fiel das brennende Haus in sich zusammen.

Und begrub alles, was sich in ihm aufhielt.

Keiheera wachte auf und musste als erstes einen Schrei unterdrücken.

Sie flog.

Unter ihr zogen dunkle Felder, Wiesen und Wälder entlang, nur vom schwachen Mondlicht beleuchtet.

Die halb offenen Augen der Kleinen weiteten sich, als sie sich aufsetzte und unter sich blickte.

Sie begann schneller zu atmen und wollte fast den Körper loslassen, der sie trug.

Es war ein Dämon.

Mit der Größe eines ausgewachsenen Mannes konnte er sie leicht tragen, auch wenn er nicht ganz waagerecht flog. Seine Flügel waren mindestens so groß wie er, schwarz und ledern, mit so manchen Löchern, in denen ihn Pfeile durchbohrt hatten. Bekleidet war er mit schwarzen Fetzen von Tüchern und Leinen und an seiner Hüfte steckte ein Gürtel mit Dolchen und anderen Waffen.

Keiheeras Atem ging immer schneller. Sie klammerte sich nur widerwillig an seine Flügelansätze, nur um nicht hinunterzufallen.

Der Dämon drehte den Kopf ein wenig.

Keiheera schrie auf.

Er verzog den Mund zu einem Grinsen und so sah sie, dass seine Zähne spitz waren wie Dornen. Seine Augen leuchteten rötlich, wie der Schein des Feuers.

„Na, kleines Menschenjunges?“

Er lächelte und wirkte nicht mehr ganz so bedrohlich, trotzdem wagte Keiheera nicht, zu antworten.

„Du brauchst keine Angst zu haben. Ich tue dir nichts. Dir nicht.“

Er wandte seinen Kopf wieder nach vorne und flog etwas schneller. Der Wind rauschte um Keiheeras Ohren und sie zitterte, denn der obere Teil ihres Kleides war abgerissen worden.

„Wie ist dein Name, Menschenjunges?“, fragte der Dämon plötzlich.

Keiheera zuckte zusammen, denn sie hatte nicht bemerkt, dass er erneut seinen Kopf zu ihr gewandt hatte.

„Ich werde Keiheera genannt“, stotterte sie und klammerte sich noch etwas mehr an ihn.

„Keiheera? Wie weiter?“

Der Dämon blickte sie an. In seinen leuchtenden Augen spiegelte sich das Bild des kleinen Mädchens.

„Ich...weiß nicht...“

In Keiheeras Augen sammelten sich Tränen und sie schluchzte.

„Warum weinst du?“, fragte der Dämon.

Er blickte sie weiterhin an und flog über das Land.

„Jo...ay...na...“, jammerte sie. „Joayna...“

„Joayna? War das der junge Mensch, der versucht hat, dich zu retten?“, fragte er Keiheera.

Diese nickte kurz und weinte weiter.

„Armes kleines Menschenjunges. Du bist so jung. Und weißt noch gar nichts.“

Aus seiner Stimme konnte man etwas Mitleid heraushören. Er drehte den Kopf wieder zurück und lies Keiheera weinen.

Sie flogen die ganze Nacht durch, über Hügel, Felder, Wiesen, Wälder, Flüsse, Bäche und Dörfer. Als der Mond begann zu verschwinden und man die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont gleiten sah, blickte der Dämon noch einmal nach hinten.

Keiheera war eingeschlafen.

Die Sonne ging auf und der Dämon musste sich den Arm vor die Augen halten, um sich umsehen zu können. Sie hatten eine gebirgige Gegend erreicht, größtenteils von Wäldern und Felsen überzogen.

Der Dämon sah sich noch einmal um und steuerte dann eine kleine Gruppe Felsen an, welche an einem Abhang neben einem Wald standen.

Er setzte zum Landen an.

„Was habt Ihr da?“

Ein breitschultriger Riese mit grauer, wulstiger Haut und einigen Narben im Gesicht breitete sich vor dem Dämon auf.

„Nichts für Euch“, antwortete dieser kühl und blickte ihm mit Arroganz entgegen.

„Ich darf Euch nicht durchlassen ohne Genehmigung“, raunte der Riese und klang weniger gefährlich, als er aussah.

„Lasst mich durch. Ich bringe Wichtiges“, antwortete der Dämon knapp.

„Wieso darf ich dann nicht erfahren, was es ist?“, raunte der Riese erneut und machte keine Anstalten, sich zu bewegen.

„Weil es weder für Euch, noch für mich ist. Und jetzt lasst mich durch.“

Der Dämon, der die schlafende Keiheera noch immer auf dem Rücken trug, fletschte die Zähne.

„Lasst mich durch“, knurrte er erneut und blickte die Wache, einen Schattendämon, wütend an.

Dieser zuckte nur mit den Schultern.

„Ihr werdet nicht weit hineinkommen, ohne preiszugeben, was Ihr mit Euch gebracht habt“, raunte die Wache erneut, trat jedoch zur Seite und ließ ihn passieren.

„Ach, und übrigens, Fileidon.“

Der Dämon blickte noch einmal über seine Schulter zurück zur Wache.

„Was ist?“, knurrte er.

„Ich freue mich, Euch wiederzusehen. Das ist gute Kunde.“

Die Wache lächelte.

Fileidon lockerte seine Gesichtszüge und lächelte nun wesentlich entspannter zurück.

„Danke. Ich habe wahrhaftig gute Kunde.“

Er verschwand grinsend hinter einer Wand von nah aneinander liegenden Felsen.

Keiheeras Augen standen einen spaltbreit offen. Sie wagte nicht, sich zu bewegen, noch zu atmen. Die Angst, die sie überkommen hatte, lies sie nicht mehr los.

Fileidon trat mit ihr durch das Tor aus Steinen und Keiheera musste sich bemühen, nicht laut aufzuatmen. Hinter den Steinen, verborgen vor neugierigen Blicken, war in den Fels eine Festung geschlagen worden. Sie war nicht sehr groß, erinnerte aber etwas an eine Art Palast. Neben ihnen wuchsen gewaltige Bäume aus der steinigen Erde, deren Blätter fast ein richtiges Dach über ihren Köpfen bildeten. Das Tageslicht konnte nicht richtig durchdringen und in der Art Mulde, in der sie sich befanden, war es dunkel.

Die Sonne schien als rötlicher, heller Ball durch das Dachdickicht und hüllte so alles in rot schimmerndes Licht. Der Weg, den Fileidon mit Keiheera auf dem Arm ging, war in den Felsen geschlagen worden. In regelmäßigen Abständen standen Fackeln mit schwarzem Feuer, deren Licht flackernde Gestalten an den Stein warfen.

Keiheera hatte Angst.

Fileidon bewegte sich mit entschlossenen Schritten gerade auf den Palast zu. Am Boden war er mindestens so geschickt wie in der Luft.

Immer wieder passierten sie Wachposten, alles Schattendämonen, wie Keiheera erkennen konnte. Aber keiner schenkte ihnen, wie die äußere Wache gesagt hatte, Beachtung.

Fileidon war an der Pforte des Palastes angekommen und diskutierte kurz mit den zwei Wachposten, trat dann aber ein.

Keiheera staunte.

Sie befanden sich in einem langen Flur, einem Korridor. Die Wände waren alle aus Stein mit Fackeln des schwarzen Feuers. Auf dem Boden lag ein roter Teppich und die Türen, an denen sie vorbeigingen, waren allesamt schwarz. Der Gang endete in einem ebenso schwarzen Tor.

Fileidon trat es auf und sie gingen in die Halle, überfüllt mit schwarz flackerndem Licht, mit steinernen Wänden und einer Kuppel. Auf dem Boden lag schwarzer Teppich. Fast alles in der Halle war schwarz.

Keiheera kam es vor, als würden sie mitten in die Dunkelheit gehen.

Sie hielt die Augen halbwegs geschlossen, um den Eindruck zu erwecken, als ob sie noch schliefe. Am Ende der Halle stand etwas, das aussah wie ein Thron.

Fileidon näherte sich dem, Keiheera hielt die Luft an.

Was würde mit ihr passieren?

„Ich habe sie!“

Fileidon verbeugte sich tief vor dem Thron.

Keiheera schlug die Augen auf und hätte sie am liebsten wieder zugeschlagen. Aber das, was sie sah, konnte sie nicht auf ihrem Blickfeld lassen. Auf dem Thron, der aus Obsidian bestand, saß eine Gestalt, die Keiheera die Haare zu Berge stehen ließ.

Ein Mann, alternd und doch stark gebaut.

Es war kein Dämon, wie sie erkennen konnte. Seine Haare waren blond und leicht angegraut, seine Augen vollkommen schwarz.

Er lächelte.

Aber es war kein gewöhnliches Lächeln.

Es war kalt, zugleich warm und auf eine unbestimmbare Art einfach grausam. An ihm war, wie wohl fast überall im Palast, alles schwarz.

Er hob eine Hand und machte eine Bewegung. Tiefschwarzes Feuer erschien auf seiner Handfläche. Er stieg langsam vom Thron.

Keiheera sah, dass er verwundet war, denn er hinkte leicht. Das Feuer noch immer in seiner Hand tragend, beugte er sich zu ihr hinunter und nahm sie hoch. Sie wollte sich wehren, war aber wie versteinert.

Seine Hände waren eiskalt und als er sie berührte, fühlte es sich an, als zuckten kleine unsichtbare Blitze durch ihren Körper.

Sie sah auf, direkt in seine Augen. Er lächelte noch immer.

Seine Augen waren auf sie gerichtet. Mit der einen Hand hielt er Keiheera, mit der anderen warf er das Feuer immer wieder hoch und fing es auf.

„Sag mir, Kleine, wie heißt du?“

Die Stimme des Mannes war von leichtem Krächzen untermalt und ziemlich schwach. Dafür war sein Ausdruck umso stärker.

Keiheera wollte von seinen Knien rutschen, aber er hielt sie fest. Sie blickte wieder hoch.

Auf einmal überkam sie etwas, womit sie überhaupt nicht gerechnet hatte: Wohlige Wärme durchlief ihren Körper und auf eine komische Weise fühlte sie sich geborgen.

Stotternd sagte sie: „Kei...he....Keiheera.“

Der Mann lächelte.

„Fein. Nenn mich Ardanos.“

Keiheera nickte. Sie zitterte nicht mehr, sie lächelte leicht. Ein unbekümmertes Kinderlächeln.

Ardanos setzte sie sanft auf den Boden ab. Er lehnte sich wieder in seinen Thron und hustete ein paar Mal. Dann blickte er zu Fileidon, der währenddessen weiter weg gestanden hatte.

Schließlich winkte er ihn zu sich.

Fileidon und Ardanos wechselnden ein paar Worte, zu leise, dass sie Keiheera hätte verstehen können. Dann drehten sich beide sich zu ihr.

Von hier sah sie nun, dass Fileidon noch ziemlich jung sein musste, so alt, wie die Männer auf dem Dorf, die gerade in den Krieg ziehen durften. Er hatte rabenschwarze, bis zu den Schultern reichende Haare und hier sah sie, dass seine Augen eigentlich blau waren.

Sowohl er als auch Ardanos lächelten.

Fileidon ging zu ihr, seine Flügel waren inzwischen verschwunden. Als wären sie niemals da gewesen.

Er nahm sie an der Hand und führte sie langsam wieder aus dem Saal.

Noch einmal blickte Keiheera sich um.

Ardanos saß weit nach hinten in seinen Thron gelehnt. Er warf gerade noch einmal die Feuerkugel hoch, diese flog weiter nach oben, fast bis zum Kuppeldach des Saales.

Plötzlich riss Keiheera sich aus Fileidons Griff und rannte vor den Thron. Als das Feuer hinuntergefallen kam, fing sie es auf.

Es war kalt und kitzelte ihre Hand.

Keiheera lachte und Ardanos auch etwas.

Fileidon kam zu ihr, lächelte sie an und führte sie dann aus dem Saal.

Joayna

Подняться наверх