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Viertes Kapitel, in dem ich Menschen treffe, die Bitten erfüllen

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»Wie gesagt, es gab diese irrwitzige Zeit des Träumens mit utopischen Entwürfen wie dem Palast der Sowjets. Oder dem Narkomtjashprom-Haus auf dem Roten Platz. Dann war Stalin mit seinen Vorstellungen vom proletarischen Haus mit dreieinhalb Metern Deckenhöhe tot. Aus ästhetischer Sicht eine Katastrophe, Politisches lassen wir hier im Hörsaal wie besprochen außen vor. Wie ging es weiter? Chruschtschow kam, der Kampf gegen sämtliche Ausschweifungen in der Architektur begann, die Plattenbauten tauchten auf. Bezeichnenderweise hat sich der Chruschtschow-Ansatz, den man nicht einmal funktional nennen kann (allenfalls quasifunktional), am längsten gehalten. Von 1961 bis 1990.

Wenn wir die Repräsentation einmal als konstruktivistisches Projekt betrachten, wird deutlich, dass nicht die ›Wirklichkeit‹ die Architekten beeinflusst und dazu gezwungen hat, vom Klassizismus zur Neoromanik, von der Moderne zum Konstruktivismus und so weiter überzugehen. Nein, die Architektur selbst hat den neuen Stil und alle vorherigen konstruiert.

Lassen Sie uns diesen Gedanken eingehender betrachten. Sie werden jetzt natürlich nach dem Agens fragen, das so unerbittlich diese Evolution immer neuer Stile eingefordert hat, von Konstruktivismus bis Barock. Sie werden weiter nach dem Architekten fragen, nach seiner Position, die, nicht wahr, nicht mehr zur Debatte steht, wenn wir davon ausgehen, dass die Architektur sich aus sich selbst heraus verändert.

Die Abfolge der Stile entstammt dem Raum der Architektursprache. Setzen wir die konstruktivistische Betrachtung der architektonischen Repräsentation absolut, wird deutlich, dass die großen sozialen und politischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts nur durch die Sprache der Architektur determiniert werden konnten. Lenins Tod entschied über die Abkehr vom Konstruktivismus. Stalin musste sterben, weil der Mix aus Antike und italienischer Renaissance gepaart mit französischem Barock sich 1953 bereits erschöpft hatte. Das ließ sich an der Simplifizierung der Formen ablesen. Die Perestroika musste kommen, weil die Architektur, notabene nicht die Politiker, weil die Architektur die Chruschtschow’schen Schuhkartons nicht mehr ertragen konnte.

So viel für heute. Also, seien Sie vorsichtig mit Ihren Projektarbeiten.«

An der Hörsaaltür fing mich die Holde aus dem Dekanat ab. Sie überreichte mir ein Kuvert und entfernte sich eilig. Diesen Auszug aus den Gesprächen mit meinen Knalltüten habe ich hier nur angeführt, weil du immer gebettelt hast, mit in den Hörsaal gelassen zu werden. Du hast mir ja regelmäßig von den nächtlichen Schlachten zwischen Chasaren und Petschenegen in den Kurilen erzählt, während ich meine Welt unter Verschluss hielt.

Die Hauptsache war jetzt aber das schneeweiße Kuvert, das mir die Dame kommentarlos ausgehändigt hatte. Ich hätte zu gern gewusst, wer es ihr übergeben hatte. Der Dekan? Der Rektor höchstselbst? Ich wollte die Lasche hochklappen, da war sie zugeklebt! Erstmals wurde mir aus dem Dekanat (Rektorat?) ein versiegeltes Kuvert zugestellt, das roch nach etwas Persönlichem, Individuellem, adressiert an einen Menschen und nicht an die Leerstelle, die ich war. Ich riss es auf, und ein Zettel glitt heraus, schmal, zart wie ein Blütenblatt.

Nein, natürlich war ich nicht naiv. Ich wusste, dass man mich kontaktieren würde. So nett die Geschöpfe auch sein mögen, die dir fünfzigtausend überlassen, sie melden sich garantiert noch einmal. Die übertriebene Genauigkeit und der gebieterische Tonfall ließen keinen Zweifel daran, wer hier schrieb.

»Ihre nächste Doppelstunde entfällt. Verlassen Sie das Universitätsgebäude (dass hier nicht der volle Name der Hochschule stand, war ein Indiz, dass der Text nicht im Dekanat geschrieben und gedruckt worden war). Gehen Sie zu Fuß in Richtung Nikitinski Boulevard. Biegen Sie aus Richtung Nikitskije Worota auf den Twerskoi ein. Bewegen Sie sich rechtsseitig in Richtung Strastnoi-Boulevard. Danke.«

Ich sprang aus dem Hörsaal und rannte auf der gewundenen Treppe der stöckelnden Bluse nach.

»Wer hat meine nächste Vorlesung abgesetzt?«, fragte ich.

Sie zog die Stirn in Falten – normalerweise wurden entfallene Stunden nicht diskutiert.

»Da ist eine Lesung mit so einem Schriftsteller …« Sie schnipste mit den Fingern auf der Suche nach dem Namen. Er wollte nicht kommen. In der MIAU versuchte niemand, mit Literaturkenntnissen zu glänzen.

»Verstehe.«

Ich verstand überhaupt nichts. Ich hatte einen Anruf aus dem Bildungsministerium erwartet, ein Blitztelegramm aus dem Smolny, einen Brief von Lunatscharski, irgendetwas Handfestes, Greifbares, das einen verstehen ließ, was das für Freunde waren, wer denen das Geld schiss. Aber die Jungs spielten Unimimikry. Ich musste los. Zu Fuß zum Twerskoi.

Ich versuchte, mir ins Gedächtnis zu rufen, was da war, rechts am Twerskoi, und ich erinnerte mich an Schattenbäume, Bänke. Vielleicht würden sie mich ja dort, auf dem Boulevard, beim Schlafittchen nehmen, wie schon einmal, mich in ein Auto stecken und an einen Ort fahren, wo im Safe dann kein Revolver mehr lag, sondern ein schweres Geschütz oder ein Atomknopf. Deshalb wählte ich, auf dem Weg treppab, deine Nummer und sagte, es könnte später werden.

Unterwegs musterte ich die Gesichter meiner Mitbürger, weil die Formulierung »Bewegen Sie sich in Richtung Strastnoi-Boulevard« unter anderem bedeutete, man würde mich verfolgen, würde mich irgendwo abpassen.

Was bekommt das suchende Auge auf Moskaus Straßen nicht alles geboten! Da waren Überwachungskameras, von denen es ja offenbar so viele gab. Milizionäre, die, wenn man sie brauchte, nie zur Stelle waren, standen jetzt alle fünfzig Meter bereit. Die Arbeiter, die neue Bordsteine setzten, hatten Funkgeräte und sahen mir nach – war das normal? Was brauchen die Funkgeräte? Da waren Leute, gewöhnliche Moskauer oder Hauptstadtgäste, die in ihre Handys sprachen und mir in meinem Tempo nachgingen, dass ich den Impuls verspürte, abrupt stehen zu bleiben und mich umzusehen: Wer blieb noch stehen? Aber schon schubsten sie mich und schimpften – lauf anständig!

Ich schlenderte nichtsnutzig vor mich hin und verfiel wieder auf den Gedanken, meine unsichtbaren, großzügigen Freunde wollten einfach, dass ich ihrer Bitte nachkam und spazieren ging. Dass ich guten Willen zeigte. Nichts weiter, da käme nichts mehr nach. Und in der Ferne war schon die Kreuzung am Puschkin-Platz zu sehen, und ich beschleunigte meinen Gang, da ich begriff, dass die auf dem Zettel genannte Route umso schneller zu Ende war, je schneller ich lief. Im Vorfeld eines bekannten Restaurants, das gerade komplett eingerüstet war, auch das Schild hatten sie schon abgerupft, tauchte neben mir ein junger Mann mit manierlichen Gesichtszügen auf. Er hatte schnellen Schrittes zu mir aufgeschlossen, nachdem er einer Realitätsfalte entsprungen war (Torbogen? Hauseingang?).

Den Blick geradeaus gerichtet, erkundigte er sich ausgesucht höflich: »Wollen Sie nicht zu Abend essen, Michail Alexejewitsch?«

Ich wandte mich um, starrte ihn an, prägte ihn mir ein. Da war er, einer der großzügigen »Freunde«. Langhaarig, dunkel, mit sprießendem Backenbart auf den Wangen. So ein richtiger Onegin, wobei ich mir, was Onegins Backenbart angeht, alles andere als sicher bin. Man könnte ihn auch Fandorin nennen, dann hätte die breite Masse sein Bild deutlicher vor Augen. Für diese Masse ist heute Fandorin ursprünglicher als Onegin – eine hässliche Semiose unserer verfälschten Zeit. Aber dieser Text ist ja nicht für die breite Masse geschrieben. Also: Onegin, jawohl.

Er ließ sich nicht betrachten, sei es aus Scham, aus Angst, oder weil er instruiert war, das Ganze schnell über die Bühne zu bringen.

Onegin eilte mir drei Schritte voraus und behielt diese Gangart bei, wie sollte man da jemanden eingehend in Augenschein nehmen? Ich legte zu, holte ihn ein, da verharrte er in regloser Lakaienpose, und unter dem schwarzen Gehrock der jüngsten Pal-Zileri-Kollektion, nein, nicht altmodisch, ultramodern, strahlte ein schneeweißes Hemd hervor, am Handgelenk, wie sich’s gehört, eine Breguet (»als dandy kostümiert«). Er wies auf die Tür des eingerüsteten Restaurants. Dort, an der Tür, hing eine in Schriftart und Messing auf Goldenes Zeitalter getrimmte Tafel mit der Aufschrift »Wegen Umbau geschlossen«, mit Schnörkeln und dieser vorrevolutionären Orthografie, die ich hier nicht wiedergeben kann, weil ich mich mit der archaischen Rechtschreibung nicht auskenne und hier natürlich aus dem Gedächtnis schreibe, das all diese Details nicht zu fassen vermochte.

»Da? Rein oder was?«, fragte ich nach. »Ist doch zu.«

Onegin lächelte, aber nicht jenes dreiste Allmachtsgrinsen, das ich sonst stets auf ihren Lippen zu sehen bekommen sollte, sondern ein schamhaftes kleines Zucken um die Mundwinkel: »Nicht für unsereinen, mein Verehrtester, werden in dieser Stadt Verbotstafeln geschrieben.« Er lächelte und hob zum Abschied die Hand. Aber dann musste ihm eingefallen sein, dass es nichts zu verabschieden gab, wir hatten uns weder begrüßt noch bekannt gemacht, waren uns nur für einen Moment begegnet. Ich war (das weiß ich jetzt) eine seiner kurzen, simplen Missiönchen. Onegin verwies seine Hand wieder auf ihren Platz, um zu zeigen, dass nicht er mir gewinkt, sondern seine Hand sich irgendwie selbstständig gemacht hatte, kurzum er wandte sich ab und eilte davon, in Richtung Metro.

Ich stand unter dem Gerüst vor der »Wegen Umbau geschlossen«-Tür. Und mir war klar, dass »Wegen Umbau geschlossen« hier bedeutete: »Geschlossen für euch, werte Moskauer und Hauptstadtgäste. Rennt ihr, werte Moskauer und Hauptstadtgäste, mal hübsch woandershin.« Noch während ich die schwere Tür aufzog, überlegte ich, dass das Ganze eine schöne Lesart der Metapher von der »geschlossenen Gesellschaft« war – die Gesellschaft war tatsächlich geschlossen, in jeglicher Hinsicht. Aber auf mich würde jemand warten hinter dieser Tür. So betrat ich also einen mit erlesenen Kacheln ausgekleideten Raum, auf den ein Tisch und ein Metallrahmen folgten. Ein aufgedunsener Jungschrank, das Gehirn dieses Rahmens, erhob sich von seinem Stuhl.

Und er sagte zu mir nicht »Willst’n hier? Is doch zu!«, sondern unpersönlich, in Milizmanier: »Metallgegenstände auf den Tisch, die Tasche zur Kontrolle und selber durch den Rahmen.«

Ich gehorchte und klirrte drauflos und zog den Gürtel ab und klopfte meine Taschen ab und hüpfte und ließ mich von einem scheinbar aus Star Wars entnommenen Scanner abtasten und piepste trotzdem noch und öffnete sogar den Mund und ließ die Socken runter. Endlich bekam ich zur Belohnung das Recht, auf die andere Seite des Portals überzuwechseln.

Der Jungschrank sagte in sein Funkgerät: »Ist durch. Ich übergebe.«

Und ich begab mich in absolute Finsternis, den Gang hinunter. Dort wartete wieder jemand auf mich, der mir umstandslos mit der Taschenlampe ins Gesicht leuchtete, dass ich erblindete. Während die Schwärze wieder aus meinen Augen wich, instruierte er mich rasch, eine undeutliche Silhouette, ein massiver Hüne, der mir den Weg versperrte. Nur die Reflexe seiner Pupillen waren zu sehen, das Einzige, was diesen Fleischberg menschlich wirken ließ.

»Du gehst in den Saal. Siehst den Tisch. Grüßen. Hinsetzen. Gibt nur einen Stuhl. Nicht losreden. Ansprechen mit Alexej Borissowitsch. Kapiert?«

Ich nickte und sprach, als mir klar wurde, dass dieses Nicken unsichtbar blieb, die Synchronfassung: »Ja. Kapiert.«

»Und bau keinen Scheiß dadrin«, ermahnte mich mein Instrukteur gutmütig, das war nicht als Drohung gemeint, sondern kumpelhaft witzig. Er ging voran, auf Zehenspitzen, kam auf Dielenboden (die Dielen bogen sich spürbar unter ihm), und es wurde ein bisschen heller, allerdings war die einzige Lichtquelle der Raum hinter der hohen, angelehnten Tür, zu der er mich brachte. Mit einer halben Verbeugung zog er die Tür weiter auf und ließ seinen Arm dreimal rotieren, wie in Counter-Strike: »Vorwärts, vorwärts, vorwärts! Go, go, go!«

Als ich an ihm vorbei war, trat er einen Schritt vor, in den Lichtstreif und meldete gedämpft: »German zugeführt.«

Ich saugte mich mit meinen Blicken in seinem Gesicht fest, da ich wusste, er würde sofort wie eine Kakerlake zurück ins Dunkel kriechen, und ich konnte grobe Züge ausmachen, eine fleischige Nase, massive Überaugenwülste, breite Wangenknochen, Dreiecksnacken. Eine gezähmte Bestie, die einem unvorsichtigen Besucher im Vorübergehen einen Arm abreißen konnte.

Im Saal entdeckte ich, seitlich sitzend, einen alten Mann, das Profil mir zugewandt. Und ich kannte dieses Gesicht, hatte es erst unlängst gesehen, genau so, im Profil!

Noide.

Der Diokletian aus dem Fernsehen.

Der Gärtner, der das Präsidentenamt gegen die Bienen eingetauscht hatte – genau dieses Männlein saß nun vor mir! Und ich verzagte, hastete hektisch hierhin und dorthin auf der Suche nach jenem Stuhl, von dem die Bestie im schwarzen Anzug gesprochen hatte. Den Hocker fand ich an der Wand, vor einem mit schwerer Portiere verhängten Fenster (es gab kein natürliches Licht – damit kein zufälliges Auge von draußen den Alten sah, oder was?). Ich trippelte hastig zum Hocker, hörte, wie vulgär meine eiligen Schritte über den Boden scharrten, und umkurvte den Tisch, die lange Tafel mit dem weißen Tischtuch, eine Tafel mit zwei Gedecken, eines vor dem Alten, das zweite am anderen Ende, vor einem Stuhl, verflixt!, da war ja mein Stuhl! Der war mir bei meiner ganzen Pioniersnervosität entgangen.

Ich zog den Stuhl heran, verursachte dabei ein höllisches Kreischen, und die Tür flog auf, und die Visage des Instrukteurs lugte herein: Ob der Chef in Ordnung war, ob ihn mein Geräusch nicht umgebracht hatte? Inzwischen puterrot, wie die Köchin beim Empfang durch die Königin von England, setzte ich mich, legte die Hände auf die Knie, stieß mit den Ellbogen gegen die Rückenlehne und dachte, du sitzt doch am Tisch, also gehören die Hände wohl nicht auf die Knie, sondern aufs Tischtuch, die Ellbogen unterhalb der Tischkante, mit Ellbogen geht gar nicht. Ich fuhrwerkte also herum, fegte die Gabel vom Tisch (ohrenbetäubendes Geklirr), hob sie auf, entschuldigte mich (diesmal schaute die Visage nicht mehr herein).

Der Alte sah mir in die Augen und strahlte mich an, unmittelbar und begeistert, wie man ein Naturschauspiel, einen Regenbogen oder den ersten Schnee anstrahlt.

Ich krümmte mich zusammen unter diesem Blick und stammelte: »Verzeihung«, mit steigender Intonationskurve, weil ich noch seinen Vor- und Vatersnamen anfügen wollte, aber die waren mir entfallen. So hing dieses »Verzeihung, …« so markant in der Luft, und ich schnappte so hilflos nach Luft, dass er nur noch ausladender lächelte.

Inzwischen weiß ich, dass er mich natürlich manipuliert hat, mich gezielt in diese Peinlichkeiten hat laufen lassen, um mein psychisches Innenleben seiner aufmerksamen chirurgischen Begutachtung unterziehen zu können.

»Verzeihung«, wiederholte ich, weiter errötend.

Sein Lächeln wandelte sich, wurde sabbernd senil, und er sagte irgendwie übertrieben offenherzig: »Wissen Sie, es gibt hier sehr leckeren Haferschleim!«

Und mein Hirn zerschellte an diesem »Haferschleim« wie ein galoppierender Hengst, der in ein unsichtbares Kraftfeld gerät – nur noch spritzender Hirnschleim blieb zurück.

Und der Alte ging noch weiter: »Wollen wir ihn kosten?«

Genauso, nicht etwa »wollen Sie«, sondern »wollen wir«! Lass uns gemütlich hier sitzen und Haferschleim schlabbern, ihn uns in den Hals spachteln und Mors nachtrinken, oder was würde er sonst zu seinem Schleim empfehlen? Ich schüttelte wie wahnsinnig den Kopf, obwohl mir dämmerte, dass es nach hiesiger Etikette einem Verbrechen gleichkommen könnte, den Haferschleim auszuschlagen. Dann durchfuhr es mich plötzlich, dass ich hätte beipflichten müssen: Immer her mit dem Schleim! Kein Ding! Das waren immerhin fünfzigtausend gewesen. Schleim hin oder her! Der wird probiert! Aber da war das »Nein« schon raus, und genau diese erste, spontane Reaktion hatte er gebraucht.

Der Alte nickte, etwas zu eifrig für einen senilen Greis. Aber er hatte schon alle nötigen Schlüsse über meine Person gezogen. Er stellte mir die Kaffee-Tee-Frage, ich bat um einen Kaffee. Hinter dem Kamin gab es eine weitere Tür, durch einen Vorhang verdeckt, hinter dem nun eine junge Frau mit Maria-Magdalena-Gesicht hervorgeschwebt kam, angeborene Sündhaftigkeit und ordentlich erworbene Demut in sich vereinend. Eine akkurat gescheitelte Platinblonde (dieses Wort hat immer auch etwas von platt und dümmlich, nicht wahr? Aber diese hier war nicht nur klug, sondern weise, das ließ sich an ihren etwas störrisch verzogenen Lippen ablesen). Sie trug ein strenges Businesskostüm. Zu dem Alten gebeugt, fragte sie ihn halblaut etwas wie: »Für Sie das Übliche?«, und er, der Herr, bestätigte: »Ja, das Übliche.« Sie senkte den Blick und entschwebte, und ich wartete schon auf meinen Kaffee, wartete schon darauf, dass sie neben mir erschien, um ihn mir zu servieren, so nah, dass ich ihr Parfum würde riechen können.

Und der Alte sagte nur: »Na, na.«

Ich war perplex und brauchte einen Moment, bis ich verstand, dass er natürlich etwas anderes gesagt hatte. »Anna«, hatte er gesagt. So hieß sie, Anna. (Na, na, Olja, nicht eifersüchtig sein!) Ich schaute mich um: Halbdunkel, brennende Kerzen und ein geschmackvoll auf alt getrimmter Messing-Kristallleuchter. Alles flackerte, zitterte, knisterndes Holz im mit weißen Kacheln (der russische Adelsklassiker) verzierten Kamin, tanzende Schmachtfiguren an der Decke – das ging nun doch zu weit, hier hatten sie nicht mit Spielverderbern wie meinesgleichen Rücksprache gehalten. Ein Interieur im Stile des späten Klassizismus kann nur eine weiße Decke mit halbrunden Zierleisten haben, maximal noch eine kleine Halbrelief-Rosette, aber nie im Leben einen fetten, öligen Delacroix über Kopf. Aber ich wandte meinen Blick wieder dem Alten zu, der mich die ganze Zeit musterte.

Anna tauchte auf, zu früh! Ich hege den Verdacht, dass sie schon vorher gewusst hatten, was ich bestellen würde, und dass der Tee des Alten und mein Kaffee schon fertig dastanden. Und ich straffte mich in der Erwartung, dass, na-na-Anna mit ihrem Tablettchen zuerst zu mir kommen würde, aber nein, Noide zuerst, was mir deutlich machte, dass ich nicht Gast war, sondern Geschmeiß. Ich nickte trocken, nachdem ich auf das Tischtuch neben mir zuerst Untertasse, dann Serviette, dann das Löffelchen und erst ganz zuletzt eine verschnörkelte (wieder Barock statt Klassizismus) Tasse Kaffee serviert bekommen hatte.

Der Alte rührte seinen Tee um und nippte, als tränke er aus einem Riffelglas im Messinghalter – nach alter Kreml-Gewohnheit. Er hielt die Tasse gleich mit drei Fingern im Henkel, der ihm ins Fleisch unterhalb des Daumens schnitt. Der Daumen lag oben auf dem Henkel und drückte gegen die Tassenwand, als wäre hier der Rand des Glashalters und dahinter das wacklige Teeglas, das bei jedem anderen Griff wegrutschen, umkippen und ihn mit der heißen Flüssigkeit übergießen würde. Kopierten die alle Stalin, oder was?

Er stellte seine Tasse ab und wandte sich mir zu, mit einer gänzlich anderen Intonation, ohne das Geschmatze, mit dem er mir den Haferschleim angeboten hatte. Er redete ausgesprochen kühl und blickte mich nüchtern an. Mir wurde ganz anders von diesem Umschwung.

»Michel Foucault hat Nietzsches transzendentalen Willen zur Macht als die Kehrseite des Rationalismus aufgefasst.« So begann er und demonstrierte damit gleich, dass er wusste: Unter uns studierten Pastorentöchtern kam ein Gedanke, der nicht mit der Referenz auf eine Autorität begann, als Gedanke gar nicht in Betracht. So, mit seinem klar artikulierten »transzendental«, das dort, in dieser Phrase nicht hätte sein müssen, das aber da war, das verdeutlichte, dass der Alte mit jedem eine gemeinsame Sprache fand, seinen Slang, und dass er die klügsten Köpfe beherrschte, weil er den Slang beherrschte. Und er fuhr fort: »Ich kann Foucault da nicht ganz zustimmen. Ich bin nämlich der Auffassung, dass der Wille zur Macht und die Macht selbst nicht die Kehrseite des Rationalismus sein müssen, sondern auch der Rationalismus als solcher sein können. Mehr noch: Nimmt man dem Menschen das Machtstreben, versinkt unsere Gesellschaft im Chaos dauerkonsumierender Moleküle. Wenn Sie so wollen, ist der Wille zur Macht das einzige rationale Prinzip, das dieses Chaos zu ordnen vermag.«

Ich verstand nun, dass ich nicht hierher eingeladen war, um einem Disput über die Genealogie der Macht beizuwohnen, deshalb hörte ich aufmerksam zu und gab durch Nicken zu verstehen, dass ich seinen Gedanken folgen konnte.

»Wollte man die Macht einem Code vergleichen, der das Chaos in Strukturen organisiert, die wiederum nach bestimmten Zielen streben, gewissen Gesetzen folgen, diese Gesetze hervorbringen … Dann also, würde ich sagen, sind wir, Ihre Freunde, diejenigen, die Sie hierher eingeladen haben, eben dieser Code. Wenn Sie kein Akademiker wären, hätte ich gesagt, wir seien die Macht, aber diese effektvolle Annahme wäre nicht ganz korrekt. Schließlich kann ich bis heute die Frage nach dem Wesen der Macht nicht genau beantworten. Dagegen kann ich mich an einer Antwort auf die Frage, wer ›wir‹ sind, zumindest versuchen.«

Er legte eine Pause ein, und ich stellte die Frage natürlich: »Wer sind ›Sie‹ denn?« Ich wollte noch etwas Ironisches anhängen, so ist mein Geist nun mal gestrickt, dass er bei jeder Begegnung mit dem Imposanten oder Imposant-sein-Wollenden der Imposanz eine despektierliche Vokabel aufschmieren muss. Schon lag mir eine Konkretisierung auf der Zunge, etwas wie: »Sind Sie diejenigen, die Restaurants wegen Umbau schließen, damit andere Gäste Sie nicht beim Haferschleimessen stören?«

»Wir«, sagte er gebieterisch, »sind eine Gruppe von Menschen, die einander helfen. Mehr nicht. Wenn einer etwas dringend braucht, bemühen sich alle anderen, alles dafür zu tun, dass er das Benötigte bekommt. Dabei weiß der Einzelne manchmal gar nicht, was er braucht, dann entscheiden die anderen für ihn. Als Grundregel gilt: Je höher du stehst, desto mehr kannst du den anderen geben. Deshalb sind alle daran interessiert, dass selbst Neulinge möglichst weit aufsteigen. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«

Ich nickte, schob aber trotzdem mit einem kurzen Lacher hinterher: »Also eine Art Bergsteigergemeinschaft?«

»Ich bin dagegen, uns als Gemeinschaft zu bezeichnen«, parierte er. »Wir sind keine Gemeinschaft. Wir sind eine Gruppe von allein durch gegenseitige Sympathie miteinander verbundenen Individuen. Wenn man uns denn Gemeinschaft nennen möchte, sind wir am ehesten eine Art Unterstützergemeinschaft.«

»Und Sie?«, stellte ich die Kernfrage.

»Und ich bin gewissermaßen ihr Vorsitzender«, antwortete Noide.

Ich hob meine schon an die Lippen geführte Tasse, in einer ungezwungenen »Na dann auf dich, Vorsitzender«-Geste, und der Kaffee schwappte vorbei an der Untertasse, vorbei an der Serviette auf das schneeweiße Tischtuch. Und das schon bereit liegende Wörtchen »gratuliere!« blieb mir im Halse stecken.

Aber der Alte durchschaute mich vollkommen, wahrscheinlich war er gerade wegen meiner Ironie, wegen meines Stinkefingers, der mir zu all seinen Ausführungen aus der Tasche lugte, an mir interessiert.

Aber das ist mir erst jetzt aufgegangen, damals fragte ich natürlich: »Und womit kann ich Ihnen behilflich sein?« Und fügte mit Fünfzigtausenderstimme hinzu: »Ich muss schon sagen, dass ich Ihnen sehr, sehr dankbar dafür bin, dass Sie mir mit dem Geld ausgeholfen haben. Wirklich geholfen. Ganz im Ernst. Verbindlichsten Dank. Aber was jetzt? Sie erwarten doch etwas von mir?«

»Michail, gehen wir einmal davon aus, dass wir Sie nicht hierher eingeladen haben, weil Sie uns etwas schuldig sind. Vielmehr sind Sie für uns – sehr interessant. Auf dieser Basis wollen wir uns weiter mit Ihnen unterhalten, einverstanden?«

»Interessant? Ich? Womit denn?!« Ich war wirklich baff. Ich wusste nicht, was mich für Leute interessant machen könnte, die binnen fünf Tagen fünfzigtausend auftreiben und sie dir bedingungslos überlassen konnten.

»Wir verfolgen Sie schon sehr lange, Michail. Sie berechtigen nämlich zu den schönsten Hoffnungen auf dem Feld, das uns zuallererst interessiert.«

»Was ist das für ein Feld?«, fragte ich. Und ich schmeichelte mir selbst: »Architekturgeschichte? Semiotik?«

»Nein, Michail. Macht.«

»Macht?« Ich war schon wieder platt. »Ich geh doch nicht mal wählen! Politik interessiert mich überhaupt nicht!«

»Ich sagte nicht ›Politik‹, Michail. Ich sagte ›Macht‹.«

Dieses Argument ließ mich straucheln und verstummen. Überhaupt verstand er sich vortrefflich darauf, mich bei Bedarf zu belagern, um mir dann den Boden unter den Füßen wegzuziehen, dass der Stinkefinger in der Tasche erschlaffte.

»Ich brauche Ihnen nicht zu erklären, dass Sie jedes Mal, wenn Sie Ihre Vorlesungen beginnen, ja sogar schon vorher, sobald Sie den Hörsaal betreten, sich in ein Gefüge begeben, das wenig mit wahrer Weisheit gemein hat. Glauben Sie das einem alten Mann«, fügte er kokett hinzu. »Weisheit kommt mit Erfahrung. Wissen erwirbt man aus Büchern. Die Universität dagegen ist Macht. Gewiss, eine eng mit Weisheit und Wissen verbundene Macht. Die Genealogie der Macht ist abgeleitet aus der Genealogie des Wissens. Wer über Wissen verfügt, verfügt über Menschen. Einfachstes Beispiel ist das Verhältnis Patient-Arzt. Auch ein Machtverhältnis, nebenbei. Der Patient vertraut seinen Körper dem Arzt an, da der Arzt über das Wissen verfügt, wie der Körper aufgebaut ist. Die Akademie war zu allen Zeiten eine Institution der Unterordnung, der zwangsweisen Sozialisierung, wenn Sie so wollen. Sie erzog den jungen Bürger auf das totalitäre System hin, in dem er sein gesamtes Leben verbringen sollte. Auf eine Hierarchie hin, in der man ihn öffentlich abstrafen konnte fürs Zuspätkommen, für schlechtes Betragen, während er dazu verdammt war, zu schweigen, zuzuhören und zu schweigen. Sie, Michail, machen aus freien Tieren, die die Kinder ja sind, Rädchen, die perfekt in das System Büroarbeit oder Staatsdienst passen. Das ist Ihre Arbeit, Ihre und die ihrer Eltern, die sie dazu erziehen, man müsse Ihnen zuhören. Sich Ihnen unterordnen. So lernen sie zu schweigen, Kränkungen hinunterzuschlucken, so stellen sie sich hinein in die Hierarchie und machen sich auf den Weg nach oben.«

Die letzten beiden Wörter in diesem Satz hätte man auch in Gänsefüßchen setzen können, dachte ich. Ich drehte die Tasse Kaffee vor mir. In der Tasse lag inmitten des Kaffeesees ein Inselchen aus gelblichem Schaum, fest und aufgebläht, und so sehr ich die Tasse auch drehte, das Inselchen stand still – interessant, nicht? Aber das interessierte nur meine Augen, mein Gehirn hörte zu, saugte auf, staunte, ordnete sich unter, ordnete sich ihm unter, seiner Logik und seinem Wissen.

Ich beschloss zu zweifeln: »Ich bin in der Universität das kleinste Raubtier. Nicht mal ein Räuber, ein pflanzenfressendes Säugetier.« Seinen theoretischen Argumenten hatte ich nichts entgegenzusetzen, ich protestierte nur gegen meine persönliche Stellung darin. »Wenn es Ihnen um Gehirnwäsche bei den Kindern geht, halten Sie sich an den Rektor. Ich denke, dass Leute die über solche … Ressourcen verfügen, ihn leicht von allem Möglichen überzeugen können. Ich bin ja nicht mal Dozent. Bloß Lektor. Mit langweiligen Vorlesungen, bei denen alle schlafen. Ich habe also keinerlei Macht. Tut mir leid.«

»Glauben Sie das im Ernst? Wo fängt denn Macht an, Michail? Da, wo der Präsident sich mit Arbeitern trifft? Oder weiter unten, wo der Milizionär dem Taxifahrer Schweigegeld abpresst? Oder noch weiter unten, wo der Taxifahrer nach Hause kommt und seine Frau anbrüllt, weil sie den Borschtsch versalzen hat? Oder ist das etwa alles Macht, Michail? Vielleicht ist nicht nur das Verhältnis zwischen Rektor und Lehrkraft Macht, sondern auch das Verhältnis zwischen dem Lehrenden und denen, die seine Vorlesung hören? Sogar noch eine viel weiter gehende Macht, da er nicht nur über sie verfügt wie der Rektor, sondern sie auch noch bildet, für ihr gesamtes weiteres Leben …«

Ich nickte, schielte zum Tischtuch hinab und legte mir schon eine Geschichte zurecht: Da sitzt dieser Opa, dem früher einmal das ganze Land gehörte. Und jetzt will der Opa das ganze Land wiederhaben. Der Opa plant wohl eine Revolution. Kohle hat der Opa natürlich reichlich, er verscherbelt still und heimlich das Parteigold und die Juwelen. Der Opa hat meine Schulden beglichen (woher er wohl davon wusste?) und wird mich gleich bitten, unter den Studierenden Flyer zu verteilen, in denen der Opa zur letzten Hoffnung der Demokratie ausgerufen wird, zum Kämpfer gegen das Tandem, zum Erben Jelzins et cetera. Und irgendein verblichener Schachprofi tritt plötzlich als sein, des Opas, Prophet auf.

Etwas musste über mein Gesicht gehuscht sein, denn er hatte mein hirnverbranntes Drehbuch im Nu gelesen. Er grinste: »Denken Sie bloß nicht, ich würde Sie bitten, die Studenten zu agitieren. Gott bewahre! Vergessen Sie die Politik. Ich habe doch gesagt, Ihre Arbeit hat lediglich unsere Aufmerksamkeit auf Sie gelenkt. Der eigentliche Kern unserer (hier stockte er!) … Freundschaft, ist keineswegs mit Ihrer derzeitigen Arbeit, mit Ihrer Universität verbunden.«

»Dann würde ich gerne wissen, was Sie von mir verlangen«, bat ich.

»Lassen Sie mich Ihnen besser erzählen, was Sie von uns bekommen«, antwortete er und hob leicht die Hand, um mich zu bremsen. »Es gibt eine, übrigens recht große, Zahl von Menschen, die zu unserem, nennen wir ihn ›Kreis‹ gehören. Ja, so könnte man uns bezeichnen: ›Freundeskreis‹. Nun ist jeder von ihnen, und zu diesem Kreis zählen ziemlich gewichtige Persönlichkeiten, dazu bereit, für jeden anderen sehr, sehr viel zu tun, ihm, wenn Sie so wollen, jeglichen Wunsch zu erfüllen. So hirnverbrannt, unzeitgemäß oder unsinnig er auch aussehen mag. Was ergibt sich nun daraus?«

Ich überlegte. Ich schluckte meine bissige Replik über den Film Der Soldat James Ryan hinunter. Schluckte sie hinunter, weil das alles langsam wirklich ernst wurde. Richtig ernst.

Ich sagte: »Daraus ergibt sich eine Organisation, die alles kann, was im Kompetenzbereich eines ihrer Mitglieder liegt.« Und ich fuhr fort: »Wenn wir annehmen, dass zu den Mitgliedern Vertreter der Regierung, des Finanzsektors und der Geheimdienste gehören, ist so eine Organisation in einem Land wie Russland praktisch allmächtig.«

Wieder hob er die Hand, hielt mich zurück, weiterzufantasieren und meine Schauergeschichten vom Stapel zu lassen. »Ich sage doch, dass es keine Organisation gibt. Es gibt Individuen, physische Personen, verbunden allein durch das Gefühl gegenseitiger Sympathie.«

Ich winkte mit Whatever-Miene ab.

»Und was ist nun die einzige Bedingung für die fortwährende Funktionsfähigkeit eines derartigen Mechanismus?«, forschte der Alte weiter.

»Fehlendes Interesse von Seiten des FSB?« Ich biss mir auf die Zunge, aber wieso eigentlich, dieser Witz war ziemlich ernst geraten, der ging kaum noch als Witz durch.

Aber der Alte hob schon wieder die Hand. Diesmal jedoch mit einem veränderten Gesichtsausdruck, der nur bedeuten konnte, mit dem FSB sei alles geregelt, der FSB sei im Boot, mit den anderen auch alles in Butter. Und er beantwortete seine Frage selbst, und ich staunte, wie starr sein Gesicht plötzlich war, nur das Kinn bewegte sich, eine Erhabenheit in schöner Übereinstimmung mit der Bedeutsamkeit des Augenblicks: »Die einzige Bedingung ist, dass alle Glieder dieses Freundeskreises sämtlichen Bitten, die an sie herangetragen werden, aufs Peinlichste Folge leisten.«

Ich nickte zustimmend. Tatsächlich. Wenn nämlich einer bei einer miesen Bitte bockt, werden die anderen auch bockig. Weiß der Henker, mit was für Bitten die da ankommen.

Der Alte fuhr, mich mit Blicken durchbohrend, fort: »Ich stelle Ihnen nun die Frage, derentwegen Sie hierher eingeladen wurden, Michail. Sind Sie bereit, unser Freund zu werden? Sind Sie bereit, unserem Kreis beizutreten?«

Ich sah ihn an. Natürlich hatte ich es erwartet. Natürlich hatte ich gewusst, dass es darauf hinauslaufen würde. Weshalb hatte ich geantwortet, wie ich geantwortet habe? Nicht, weil er mich mit seinem Wissen gefügig gemacht hatte, so viel war klar. Wohl auch nicht, weil er mich gefügig gemacht hatte mit der Art des Gesprächsverlaufs. Oder vielleicht war doch an beidem etwas dran. Wobei ich letztlich glaube, dass ein Drittes eine besondere Rolle gespielt hat: Die Verheißung, Teil eines Größeren, Weisen, Allmächtigen zu sein. Wir wollen doch alle in unserem tiefsten Inneren früher oder später von jemandem engagiert werden. Und dann auf einmal so ein offenkundiges Engagement!

Da antwortete ich: »Ich bin einverstanden.«

»Sind Sie bereit, sämtliche Bitten …«

»Ja.« Aber der Satz sollte noch eine Fortsetzung haben.

»So schrecklich und unsinnig sie Ihnen auch erscheinen mögen?«

»Ja.«

Kurz schoss mir durchs Hirn, dass sie das bei der kirchlichen Trauung fragen sollten: Seid ihr bereit, euer Leben lang unsinnige Bitten zu erfüllen, Schmelzkäse zu kaufen, eine Tüte Mehl zu holen, das Fenster zuzumachen, den Fernseher leiser zu stellen – das wäre viel ehrlicher, ist doch »treu sein in guten wie in schlechten Zeiten« eine Phrase in der Sprache der Liebe, wenn man so will bloße Ideologie. Hinterher, nach der Eheschließung, kommt nicht die Liebe, sondern kommen eben diese ganzen dämlichen Bitten. Deshalb habe ich dir, Olja, ja auch keinen Antrag gemacht. Ich liebe dich, was sollen da diese verfluchten Bitten?

Ich hatte zugestimmt, ohne zu wissen, wozu mich dieser Bund mit den »Freunden« verdammte, als was für ein Mutant ich aus ihm hervorgehen würde. In diesem hastigen, mitten ins Wort gefallenen »Ja« lag mein neues Schicksal.

Der Alte kam sofort zur Sache: »Nun denn. Dann erhalten Sie nach alter Tradition gleich Ihre erste Aufgabe. Sie fahren jetzt zum Flughafen Scheremetjewo …«

»Jetzt?«, fragte ich wie vor den Kopf gestoßen. »Ich hatte für heute Abend schon andere Pläne!«

»Darum geht es ja gerade, Michail, jetzt sofort. Wenn Sie heute Abend etwas Wichtiges vorgehabt hätten, das Placido-Domingo-Konzert im Luxury Village zum Beispiel, hätten wir das Konzert spaßeshalber verschoben. Aber Sie haben heute Abend nichts Wichtiges vor. Und wir wissen das. Wenn wir Ihnen etwas auftragen, dann ist das so, gewöhnen Sie sich an den Gedanken. Dann ist dieser Auftrag für Sie allein bestimmt, alle Nebentätigkeiten sind abgestellt, Sie haben sich ganz darauf zu konzentrieren, worum Sie gebeten wurden, ja?«

»Ja. Ja.«

»Gut, Michail. Sie setzen sich in das Auto, zu dem Tschupryga Sie bringen wird.«

»Wer?«, fragte ich verständnislos.

»Das ist mein Assistent, der Sie hierhergebracht hat. Tschupryga. Sie werden jetzt häufig mit ihm zu tun haben, also prägen Sie ihn sich gut ein. Sie setzen sich in unser Auto und fahren zu Scheremetjewo-2. Dort gehen Sie in die Ankunftshalle. Links des Haupteingangs ist an der Wand entlang eine Sitzreihe. Sie beschreibt einen Bogen unter den Fenstern, in Siebenerblöcken. Zwischen den Blöcken sind Lücken, Kioske, Wechselstuben und so weiter. Sie nehmen den vierten Block vom Eingang aus gezählt.«

»Den vierten Block?«, fragte ich nach.

»Ja, den vierten. Auf dem zweiten Sitz des vierten Blocks vom Eingang aus wird ein Mann sitzen. Folgendes Erscheinungsbild: eins achtzig groß, brünett, übergewichtig, zweiundfünfzig Jahre. Er heißt Iwan Arkadjewitsch.«

»Moment, das muss ich mir aufschreiben.«

»Sie dürfen nichts aufschreiben, Michail«, sagte der Alte lächelnd. »Unsere Bitten dürfen niemals irgendwo notiert werden. Trainieren Sie Ihr Gedächtnis. Filtern Sie die wichtigsten Daten heraus. Vor- und Vatersname des Mannes sind nebensächlich. Die wichtigsten Punkte bislang sind Scheremetjewo-2 und der zweite Sitz des vierten Blocks. Zwei Punkte, die das Wesentliche enthalten.«

»Zwei vier. Der zweite Sitz des vierten Blocks«, sprach ich ihm nach.

»Sie gehen zu diesem Mann und sagen ihm, dass Sie Michail heißen. Mehr brauchen Sie ihm nicht zu sagen. Er wird den Flughafen mit Ihnen verlassen.« Der Alte überlegte. »Sollte er dabei Hilfe benötigen, helfen Sie ihm raus, aber … Aber ohne Aufmerksamkeit zu erregen, ja? Klären Sie das mit ihm, dass er … sich bei Ihnen aufstützt, oder so. Sie gehen gemeinsam zum Auto, ohne Hast, langsam, ordentlich. Dann fahren Sie zu folgender Anschrift: Uliza Planetnaja 12, Wohnung Nr. 57. Das ist das Dritte, was Sie sich einprägen müssen, die genaue Adresse. Uliza Planetnaja 12, Wohnung Nr. 57. Sie betreten das Haus, gehen in den zweiten Stock hoch. Erdgeschoss wäre natürlich besser«, sagte er kryptisch, »aber auf die Schnelle haben wir nur eine Wohnung im Zweiten gefunden. Sie gehen hoch und öffnen die Tür mit dem Schlüssel, den Sie von Tschupryga bekommen werden. Da sind Flur, Küche, zwei Zimmer. Sie legen ihn in das Zimmer neben der Küche und schließen hinter ihm ab. Sollten im Treppenhaus … Spuren zurückbleiben … (mir wurde ganz anders von diesen Instruktionen, was denn für Spuren? Wieso besser eine Erdgeschosswohnung?) nehmen Sie einen Lappen aus dem Bad und wischen das auf. Was in der Wohnung ist – nicht Ihre Sorge. Da kommen Spezialkräfte, die räumen alles auf. Verstanden?«

»Was für Spuren? Was meinen Sie damit?«

»Keine Fragen!«

»Aber das hat doch mit meiner Aufgabe zu tun! Wenn ich Sie nun falsch verstanden habe?«

»Keine Fragen! Vor Ort werden Sie alles verstehen. Sie bleiben bis neun Uhr vormittags in der Wohnung. Punkt neun Uhr verlassen Sie die Wohnung, schließen die Tür ab, gehen hinunter, Tschupryga wartet mit dem Auto. Haben Sie alles verstanden?« Und ohne mir Gelegenheit zu einem »Nein, nicht alles verstanden!« zu geben, fuhr er fort: »Die Hauptsache, Michail! Worum Iwan Arkadjewitsch Sie auch bitten wird, erfüllen Sie seine Bitten nicht! Sie tun, was ich gesagt habe, klar? Am besten Sie sprechen überhaupt nicht mit ihm. Er ist auch instruiert, aber vielleicht … Vielleicht wird er Sie bitten … Keinerlei Bitten! Keinerlei Anrufe, Michail! Das noch einmal gesondert: Sie dürfen nach dem Treffen mit Iwan Arkadjewitsch niemanden anrufen. Keine Anrufe und die Wohnung nicht verlassen! Sie sitzen in Ihrem Zimmer, was auch geschieht, bis neun Uhr vormittags! Haben Sie das verstanden?«

Ich nickte und fuhr mir mit der Zunge über die Lippen. Was erwartete mich? Eine Schießerei? Behälter mit schwappendem Shakespeare-Polonium, das ich nachher im Treppenhaus aufwischen sollte?

Noch ohne etwas zu wissen, hatte ich eine Ahnung, wappnete mich schon, während er sein Gebiss endgültig in die Gurgel meiner Seele schnappen ließ: »Denken Sie daran: Das ist Ihre erste Aufgabe, eine Prüfung. Enttäuschen Sie uns nicht, Michail. Sie haben eine sehr verantwortungsvolle und gefährliche Prüfungsaufgabe übertragen bekommen.«

Ich hörte natürlich nur das »Gefährliche«. Ich überlegte, dich anzurufen, Olja, dich vorzuwarnen, aber der Alte wünschte mir schon viel Erfolg, die Tür schwang auf und entließ den Hünen Tschupryga aus dem Dunkel, ein Beleg dafür, dass unser Gespräch draußen mitgehört worden war, woher hätte der Hüne sonst gewusst, dass er gerade jetzt hereinkommen sollte? Ich drückte mich, seitlich wie der Student mit seinen Prüfungsfragen, die er alle nicht beantworten kann, ein verdruckstes Schleimerlächeln auf den Lippen als Entschuldigung für meine Witzeleien, in Richtung Ausgang und weiter den Gang hinab, und der Alte sah mir nach, begleitete mich mit gerecktem Hals. Mit dieser Haltung erteilte er wahrscheinlich seinen Segen für lange Reisen, aber sein Auftrag hatte auch etwas von einem Fluch, einem Fluch, der immer noch auf mir lastet.

Ich tippte, da ich noch nicht recht verstanden hatte, ab wann nicht mehr telefoniert werden durfte, rasch deine Nummer und stammelte hinter dem massigen Riesen hastig, wie in ein Funkgerät, ohne dir Gelegenheit zu geben, zu antworten, zu reagieren oder dich aufzuregen: »Mir ist was dazwischengekommen, warte nicht auf mich, wenn du von der Nachtschicht kommst, geh schlafen. Ich komm am Morgen, dann erklär ich dir alles.«

Und der mächtige Rücken, der sich schon aus dem Dunkel schälte, sich von dem Rechteck der offenen Eingangstür abhob, brummte ohne sich umzudrehen: »Aufgaben dürfen nicht mit Verwandten, Freunden oder sonst wem besprochen werden. Kannst du natürlich versuchen, aber denk dran: Wir wissen Bescheid. Niemand darf von deinem Gespräch mit Batja wissen.«

»Mit wem?«, fragte ich.

»Batja. So nennen wir Noide unter uns. Er ist echt wie ein Vater. Du kapierst das als Neuling noch nicht, aber ein paar von uns hat er schon aus Dingern rausgehauen, die ein paar Nummern krasser waren als deine fünfzig Schnitter.«

»Fünfzig Schnitter« – liest man diese Fügung bei Tolstoi, denkt man an weitläufige Wiesen zwischen Wald und Fluss, an lange Reihen von Männern im groben Leinenhemd, in ruhiger Vorwärtsbewegung, aus der Schulter heraus die Sensen schwingend. Kaum noch auszumachen jener Moment, da diese »fünfzig Schnitter« in der russischen Literatur von Bauern, die einem ehrbaren und zeitlosen Geschäft nachgehen in einen harten Betrag fremder Währung umgewandelt wurden. Noch bei Bunin haben die Schnitter gesenst, bei Axjonow standen sie nur noch für den zählbaren Schnitt. Dabei waren hier weniger die Schnitter von Interesse als das »Batja«, das direkt einem Ljube-Song entsprungen schien. Dieses vulgäre, schnoddrige »Batja«, das einen Menschen bezeichnete, der ne Runde Kippen spendiert, dich aber auch zur Sau macht, wenn du was verbockt hast und mit tief in die Stirn gezogenen Tschapajew-Brauen so eine Wahnsinns-Lebensweisheit raushaut. Nein, so sah mir Noide nicht aus. Schon gar nicht mit diesem Taras-Bulba-mäßigen Batja-Batko. (»He, dreh dich doch einmal um, mein Sohn!«) Egal!

Ich musste den Muskelberg vor mir irgendwie ansprechen, deshalb schloss ich zu ihm auf und sagte: »Darf ich Sie nach Ihrem Namen fragen?«

Er grunzte nur finster. »Ich bin Tschupryga.«

Zu gerne hätte ich geklärt, ob das nun ein exotischer sibirischer Vor-, Familien-, Spitzname oder vielleicht ein Titel war. Dann eben Tschupryga. Drauf geschissen.

Wir kamen in den Hof, umkurvten das Restaurant und steuerten auf die nächste Seitengasse zu. Ich musterte ihn genauer und stellte fest, dass sein Anzug nicht besonders schick war, das zerknitterte Hemd musste er auf dem Markt gekauft haben, irgendwo neben den Melonen. Seine Kleidung war ihm schnuppe, die zentralen Elemente der Semiose seiner Erscheinung waren der breite Rücken und das pockennarbige, hässliche, brutale Gesicht. Seine Frisur sah aus, als wäre sie kürzlich noch ein Igel gewesen, wie bei Schwarzenegger in Predator. Aber nun hatte jemand dem Igel ein Bein gestellt, er war wie ein Zaun in die Brennnesseln gestürzt und hing jetzt in die Stirn wie der Schirm einer Schiebermütze. Eine eigenwillige Erscheinung, hätte gut ins Nachtleben der Kurilen gepasst.

Wir näherten uns einem klobigen schwarzen Jeep. Tschupryga klopfte seine Taschen ab, hüpfte (bestimmt hat sich dabei die Erdfeste eingedellt, und irgendwo auf der anderen Hälfte der Kugel, direkt unter Moskau, ist jemandem der Putz von der Decke gerieselt), aber da war nirgends ein Schlüssel. Also zog er einfach die Autotür auf und, tatsächlich, der Schlüssel steckte natürlich im Zündschloss – die Lässigkeit der Raubtiere in der Überzeugung, ihr Auto würde sich eh keiner zu stehlen trauen. Er setzte sich auf den Beifahrersitz und winkte mich auf die andere Seite ans Steuer.

Das in Leder gehaltene Wageninnere überraschte mit einem erlesenen zitronigen Ockerton. Tschupryga erzählte mir was von Turbolader und vom Null-auf-hundert-Wert, den ich sofort wieder vergaß, erklärte, er hätte ein Automatikgetriebe, deshalb sollte ich »erst mal im Stehen rumfummeln«, denn da, wo beim Rosenbaum der Erste war, sei hier der Rückwärtsgang. Ich drehte den Zündschlüssel, der Motor begann zu grummeln, und das Armaturenbrett wurde leuchtend lebendig. Da fiel mir etwas ein und ich drehte den Schlüssel zurück.

»Ich fahr nirgendshin. Ich kann nicht.«

»Was?« Nein, nicht so deutlich, es klang wie: »Hass?«

»Ich hab den Führerschein nicht mit. Ich bin ja heut zu Fuß unterwegs, nicht mit dem Rosenbaum. Ich mein, nicht mit dem Lada.«

»Ach so.« Tschupryga winkte ab. »Mach dir nicht ins Hemd und gib Gas. Dich hält keiner an. Dieses Auto wird wie alle unsere Autos nie von irgendwem angehalten. Und wenns dich beruhigt: Die Papiere sind im Handschuhfach.«

Ich startete erneut, er legte einen winzigen Schlüssel auf die Ablage, der nicht an den Kanten eingekerbt war, sondern auf den Längsseiten, ein unbeschrifteter Schlüssel, nur ein Stück Metall, legte ihn hin und befahl: »Verstecken.«

Ich steckte ihn mir in die Tasche.

»Sag mir die Adresse.«

Ich versuchte, mich zu konzentrieren, und musste feststellen, dass ich mich nicht erinnern konnte. Das Monstrum wieherte los.

»Sauber losmarschiert, Kampfsau! Mann, so ein Penner! Na los, hau rein!«

Er drückte auf den Navi-Knopf, dort leuchtete die angelegte Route nach Scheremetjewo auf, eine zweite, von Scheremetjewo in die Uliza Planetnaja war auch schon gespeichert.

»Siehst du? Alles da. Was du nicht im Kopf hast, musste bei der Technik holen.«

Ich grinste säuerlich und trat aufs Gas, um zu signalisieren dass ich fahrbereit war (und seine Gesellschaft mir unsympathisch). Tschupryga konnte es gar nicht erwarten, mir die Nächste reinzuwürgen. Offensichtlich war seine Schule, die ihn von einem freien Tier in ein Rädchen der Gesellschaft verwandelt hatte, die Armee gewesen. In der Armee hatte er gelernt, Ranghöhere zu respektieren, pünktlich anzutreten und sich schneller anzuziehen als ein Streichholz abbrennt. Seine Lehrer waren keine Pädagogen, sondern Altgediente und Feldwebel, die ihren Schülern die existenziellen Wahrheiten mit Knobelbechertritten in die Rippen nahebrachten. Ich dachte: Da werden die Studierenden von der Angst vor der Armee an der Uni gehalten, aber selbst wenn sie von der Alma Mater fliegen, die sie mit der süßen Milch der Unterwerfung genährt hat, finden sie sich nicht in der Freiheit wieder, sondern in einer weitaus grausameren Unterwerfungsakademie – der Armee. Geschaffen für die »Krassen«, diejenigen, die ihren Profs die kalte Schulter gezeigt haben, die es von Anfang an nicht in die Hörsäle gezogen hat, die nur die Sprache der Gewalt verstehen. Gewaltsam werden sie in die engen Reihen derer geprügelt, die um neun in die Büros marschieren und dort, in ihren Büros, dann sitzen bis um fünf. Wenn sie denn überhaupt in den Büros landen nach der Armee. Nicht mal so unwahrscheinlich, dass sie sich, wenn sie dort landen, als Wachleute vor den Büroeingängen langweilen.

Er sah Frischfleisch in mir und sich selbst als Altgedienten, und der Drill in ihm wollte erniedrigen, besser noch zuschlagen, Veilchen verteilen, mich mit der Zahnbürste zum Kloputzen schicken, aber ich gehörte ja nicht so richtig in seine Kreise, mit mir hatte ja Batja so respektvoll gesprochen. Ich wurde ja nicht in der Armee gebrochen, sondern im Hörsaal und dann, wieder und wieder, während der Aspirantur, bei der Verteidigung meiner Diss und so weiter. Deshalb blieb ihm, Tschupryga, nur das Zähnefletschen und Verulken und mir ein schiefes, leicht pikiertes Lächeln.

»Also, sieh zu, dass du nix kaputt machst. Ein Mercedes GLK ist kein WAZ 2015.« (Hahaha, zu komisch!). Und als Dreingabe: »Und immer Abstand halten! Nicht wie letztes Mal.«

Ich nickte, den Blick starr geradeaus, um ihm zu zeigen: ja, alles verstanden und alles belacht. Tschupryga stieg aus, ging um das Auto herum und winkte, dass ich loslegen sollte. Und ich gab ordentlich Vorgas und preschte los. Preschte los, um diese feixende Visage hinter mir zu lassen, die zu wissen schien, was mich diese Nacht erwartete, und genau deshalb so hämisch grinste. Das Aas lachte trocken voller Vorfreude auf das zu erwartende hektische Gerödel des Studierten, und ich gab Gas, um meiner Angst davonzufahren, mir selbst zu entfliehen, dem kalten Schweiß am Rücken, den Zweifeln an meinem Tun. Ich raste dahin, unfähig zu begreifen, dass es auf der Flucht vor der eigenen Angst kein Entkommen geben konnte, wenn man die Route derer nahm, die einem diese Angst eingepflanzt hatten.

Revolution

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