Читать книгу Autopsie - Viktor Paskow - Страница 7
ОглавлениеIn meinen verzweifelten Versuchen, die Einsamkeit und meine absolute Apathie zu überwinden, rede ich mir ein, dass mir Sarah gefällt. Ich suche nach einem Ersatz. Ich verhalte mich dumm.
Aber Sarah kann sie nicht ersetzen.
Sarah ist eine dreiundzwanzigjährige blöde Gans, das heißt, sie ist halb so alt wie ich. Das sollte mir eigentlich schmeicheln, wenn es mir nicht so vollkommen egal wäre.
Sarah ist die Tochter des ehemaligen bulgarischen Handelsattachés, der sie nach Ablauf seines Mandats hiergelassen hat, wo sie Jura studiert. Das war vor sechs Jahren. Bis heute überweist ihr Vater ihr jeden Monat eine kleine Summe aus ich weiß nicht welchem Staat, ich glaube Indonesien, wo er sein nächstes Mandat absitzt.
Das lässt sie denken, sie sei privilegiert. Sarah ist aggressiv und ambitioniert wie ein Spermium. Es ist ihr gelungen, ihr Jurastudium in nur drei Jahren abzuschließen. Jetzt studiert sie Politologie. Und wenn sie auch das erledigt hat, wird sie nach alter Familientradition Diplomatie studieren.
Und so wird das weitergehen, bis ihr Vater am Ende ist und den Löffel abgibt. Oder bis Sarah fünfzig ist und feststellt, dass ihre Altersgenossen in der Zeit, in der sie sich bemüht hat, sich die ganze Bibliothek von Alexandria bis zum letzten Pergament einzuverleiben, die Macht übernommen und die EU in einen noch grandioseren Hühnerstall verwandelt haben.
Das Bemerkenswerte an Sarah ist, dass sie fast zwei Köpfe größer ist als ich. Und ich gehöre nicht gerade zu den Kleinsten. Ihre mächtigen dorischen Schenkel beginnen irgendwo auf Höhe meiner Schultern. Ihr Köpfchen hingegen ist winzig wie das einer prähistorischen Echse. Das Haar – glatt, schwarz und lang – reicht bis zu ihrem monumentalen und wie bei einem Vogel Strauß hervorstehenden Hintern. Sarah hat einen kurzen Brustkorb, an dem zwei weiße, riesige, runde Euter baumeln, der Traum eines jeden Melkers. Ihre schwarzen Augen mit langen Wimpern sehen in ihrem nur faustgroßen Gesicht aus wie Wassermelonenkerne.
Ich lernte Sarah kürzlich in der bulgarischen Kneipe von Janko aus Wannsee kennen, wo sich Arbeitslose wie ich, Zuhälter, illegale Scherpas aus der Gegend von Kărdžali, bulgarische Studenten, Zahnärzte, die sich zu plastischen Chirurgen haben umschulen lassen, und überhaupt allerlei verzweifeltes Gesindel zusammenfindet. Wir haben sogar ein paar Künstler und einen Bildhauer unter uns, der seit einem Jahrzehnt immer ein und dieselbe Pietà mit asymmetrischen Titten aus Bronze gießt, er vertickt den missgestalteten Meteoriten an verkümmerte reiche Muttchen aus Zehlendorf als Draufgabe zum Vögeln.
Anfangs suchte Sarah zu allerlei Themen mit mir Streit (schließlich bin ich kein Unbekannter in der Kneipe), und ich, ausgeleiert und hinüber wie ein altes Schaltgetriebe, lud sie auf einen Schnaps ein und stammelte vor mich hin. Als sie sah, dass sie mich nicht aus meiner Lethargie reißen konnte, wechselte sie plötzlich die metallische Blende ihrer Stimme aus und fragte engelsgleich:
»Apropos, wo ist der rothaarige weiße Hai, mit dem du sonst immer morgens im ›Einstein‹ deinen Kaffee getrunken hast?«
(Ina hatte mich erst vor einem Monat verlassen, und ich fühlte mich immer noch wie ein Embryo in Formalin.)
Ich beugte mich über den Tisch und gab ihr ein Zeichen, dass ich ihr etwas ins Ohr sagen wollte.
»Jetzt, Moby-Dick«, flüsterte ich verschwörerisch, »will ich, dass du in die Toilette gehst, in die Herrentoilette natürlich, und dir die Höschen ausziehst. Danach wirst du es in deine Handtasche stecken. Dann nimmst du das hier« – ich gab ihr mein gelbes Zippo – »du wirst es in deine Zwetschge stecken, wirst hierher zurückkommen und mir Feuer geben. Los!«
Sie durchbohrte mich mit ihren zwei schwarzen Spießen, so als bemühte sie sich, mich in Flammen aufgehen zu lassen wie in »Shining« von Stephen King. Ich entzündete mich jedoch nicht. Es vergingen zwei lange Minuten.
Sarah stand von ihrem Platz auf und machte sich mit schwankenden Schritten auf den Weg zu den Toiletten. Es lag nicht am Schnaps.
Ganze fünf Minuten war sie weg. Ich nahm eine Zigarette aus der Packung. Sie erschien mit demselben glasigen Blick und genauso unsicher auf den Beinen wieder in der Tür.
Sie setzte sich hin, hielt mir das Zippo unter die Nase und schnippte es an. Ich zündete mir die Zigarette an, nahm es und roch daran.
Ja.
Ich berührte ihr Knie unter dem Tisch. Mein Gott, wieviel Fleisch. Meine Finger krochen höher. Ich ertastete lange Haare. Ich steckte Zeige- und Mittelfinger durch das Dickicht und drang in die nasse Öffnung ein. Sie rührte sich nicht. Ich sah sie an. Ihr Gesicht war wie aus Porzellan. Der Blick – starr und ohne zu blinzeln, wie der einer Anakonda. Um uns herum waren Gelächter, Flüche und kehlige Laute zu hören.
»Willst du mich sonst noch etwas fragen, Moby-Dick?«, fragte ich, wobei ich fortfuhr, ihre Klitoris unter dem Tisch zu massieren.
Sie schüttelte langsam den Kopf.
»Dann lass uns gehen.«
Bis wir in der leeren und blank gewienerten Wohnung ankamen, hatte Sarah etwas von ihrem Selbstbewusstsein zurückgewonnen und war in Diskutierlaune. Ich hatte nichts dagegen. So lange Zeit schon waren zwischen diesen Wänden keine menschlichen Worte mehr erklungen. Sie setzte sich aufs Sofa im Wohnzimmer, und weil dort kein Platz für ihre endlos langen Beine war, legte sie sie auf den Couchtisch wie ein echter amerikanischer Politiker. Ich brachte die Whiskyflasche, Wasser und Eis, reichte ihr ein Glas und setzte mich in den Sessel ihr gegenüber. Der Anblick ihres Bois de Boulogne störte mich nicht, aber ich wusste, dass ich ihr früher oder später vorschlagen würde, sich zu rasieren. Ich fragte sie, ob sie Musik hören wolle. Sie wollte Strawinsky. Um ein Uhr in der Nacht bei gedämpftem Licht und als Hintergrund für ein ungezwungenes Gespräch Strawinsky zu hören, ist mutig und dämlich zugleich. Ich legte den »Werdegang eines Wüstlings« auf, und wie ich angenommen hatte, hatte sie keine Ahnung von der Materie.
»Du bist der erste Musiker in meinem Leben«, eröffnete sie die Partie. »Ich habe mich immer gefragt, was für Menschen ihr seid, ihr Musiker. Ihr zieht euch komisch an, sondert euch von der Welt ab und habt von nichts Ahnung außer von eurer Musik.«
»Was ist so komisch an unserer Kleidung?«
»Na ja ... ihr zieht euch an wie Farbige. In kreischenden Farben. Ihr tragt Hüte. Da, du hast zum Beispiel weiße Schuhe an. Welcher normale Mensch würde weiße Schuhe anziehen? Das machen nur Menschen, die die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf sich ziehen wollen. Deren Selbstbewusstsein hinkt. Mein Kontaktpartner würde niemals weiße Schuhe anziehen.«
»Was zieht dein Bubi denn an?«
»Er trägt diskrete Anzüge und diskrete Krawatten. Er hat Internationale Handelsbeziehungen in London studiert und macht jetzt ein Praktikum an der Wall Street. Und er ist erst achtundzwanzig. Kannst du dir vorstellen, was für Perspektiven sich ihm in zwei, drei Jahren eröffnen werden?«
»Hat er dir schon mal ein Zippo in die Zwetschge gesteckt?«
»Nein, er hat mir überhaupt keine Gegenstände in die Vagina eingeführt. So ein Unsinn kann nur einem Musiker einfallen. Aber ich kann dir verraten, dass er ein außergewöhnlicher Liebhaber ist. Immerhin steht er im Zenit seiner Manneskraft, nicht wahr?«
»Warum heiratet ihr nicht und du gebierst ihm ein halbes Dutzend kleiner Yuppies? Du stehst diesbezüglich ebenfalls im Zenit.«
»Bist du verrückt?« Sarah war entsetzt. »Weißt du, was du da sagst? Die Ehe ist in der heutigen Welt eine absolut kompromittierte Institution! Auf welchem Planeten lebst du denn? Zu deiner Zeit hat man noch geheiratet. Für uns ist die Entwicklung der Gesellschaft wichtig, die persönliche Vervollkommnung, die Karriere. Aber nicht in republikanischem Maßstab, wie es bei eurer Generation der Fall ist, die ihr es gewohnt seid, innerhalb der Grenzen eines Staates dahinzuvegetieren, sondern in europäischem und globalem. Mein Kontaktpartner zum Beispiel könnte jederzeit zumindest stellvertretender Minister in Bulgarien werden, aber für ihn ist es viel wichtiger, die Mechanismen der Wall Street zu erforschen und herauszufinden, wie die Weltbank funktioniert. Hast du schon mal von der Weltbank gehört?«
»Nein. Kannst du mir einen Kredit bei denen beschaffen?«
»Aber du ... du bist ja wirklich völlig ahnungslos! Die Weltbank vergibt keine persönlichen Kredite! Wenn beispielsweise die Staatsreserve Deutschlands ...«
»In diesem Fall vergiss die Weltbank. Es macht keinen Sinn, weiter über sie zu sprechen.«
»Die ganze Welt stützt ihre finanziellen Wechselbeziehungen auf ...«
»Vergiss es, sag ich dir!«, ich wurde laut. »Was ist so ›Welt‹ an dieser Bank, wenn sie mir nicht mal einen kleinen Kredit rüberschieben kann? Und trink nicht auf ex, das ist Whisky und kein Kamillentee.«
»Mein Kontaktpartner nimmt nie einen Tropfen Alkohol in den Mund. Seine Freunde ebenfalls nicht. Ich selbst konsumiere nur sehr selten harte Getränke, weil ich keine Stimulanzien brauche. Eure Generation ist es gewohnt, sich unkontrolliert volllaufen zu lassen, um sich zu betäuben und ihre Probleme zu vergessen, doch bekanntlich ist das keine Lösung.«
(Sieh an, hier hatte sie recht. Meine Generation hat bestimmt mindestens einen Atlantischen Ozean leergesoffen, ohne irgendwelche Erschütterungen in ökologischer Hinsicht hervorzurufen, außer einer – ein Ergebnis ihres Rauschs ist, dass diese Missgeburten das Licht der Welt erblickt haben.)
»Schau mal, Sarah. Ich habe keine Lust mehr, über deinen Bubi und meine Generation zu diskutieren. Hast du keine anderen Themen?«
»Wir könnten das römische Recht erörtern oder die englische Verfassung.«
Ich stand auf, ging ins Bad, nahm eine Schere, einen Rasierer, Rasierschaum, ein Handtuch und Eau de Cologne, kam ins Wohnzimmer zurück und knallte alles auf den Tisch.
»Und jetzt?« Sarah saß mit offenem Mund da. »Ist es etwa an der Zeit für deine Morgentoilette?«
»Für dich ist es Zeit. Jetzt wirst du dich rasieren.«
»Ich soll mich rasieren? Ich?« Sie betastete instinktiv ihr Kinn.
»Nicht dort, Moby-Dick. Hier.« Ich deutete auf ihren Schritt.
Ihr Gesicht nahm wieder den Porzellanausdruck an, und ihr Blick wurde erneut glasig. Schweigen. Ich tauschte die CD von Strawinsky gegen eine von Stan Getz.
»Na los!«
»Nenn mich nicht Moby-Dick.«
»Versprochen.«
»Wird mich das ... erregen?«
»Lassen wir uns überraschen.«
»Mein Kontaktpartner hat nie ...«
»Das ist der Generationsunterschied. Du wirst sehen, wie dich das erfrischen wird.«
»Ich kann nicht. Ich habe das noch nie gemacht.«
Ich schob das Tischchen beiseite und kniete mich ihr zu Füßen. Ich knöpfte ihren Rock auf, und nach gewissen Schwierigkeiten gelang es mir, ihn ihr abzustreifen. Dann hob ich ihren mächtigen Hintern an und legte das Handtuch unter. Ich spreizte ihre riesigen Schenkel und nahm eine Locke zwischen Daumen und Zeigefinger. Das Geräusch der Schere war wie das Glissando eines Zimbals. Eine zweite Strähne. Eine dritte. So als würde man den Kopf eines Popidols meiner Generation scheren.
»Stört es dich, wenn ich mir nachschenke?« Sie atmete stoßweise.
»Denk nicht an mich. Denk an die englische Verfassung.«
Ich sprühte sie reichlich mit Rasierschaum ein und verschmierte ihn mit der Hand über der Spalte und auf den Innenseiten ihrer Schenkel. Ich hieß sie, ihre Fußsohlen aufs Bett zu heben und die Beine zu spreizen. Es sah so aus, als hätte sich ein Pferd in ihr entleert. Vorsichtig begann ich, sie zu rasieren, wobei ich darauf achtete, ihre Klitoris nicht zu berühren, die mir ihr rotes Zünglein aus der Spalte entgegenstreckte. Als ich fertig war, sah sie wirklich aus wie eine Zwetschge – länglich-oval, prall und fast violett mit ganz zartem Flaum. Ich wischte die Reste von Schaum mit dem Tuch weg, schüttete mir zwei Tropfen Aftershave in die Handflächen und rieb sie ein. Ihr Saft sprudelte aus dem Loch hervor und vermischte sich mit dem Aftershave. Es verbreitete sich ein Duft von Moschus. Ich beugte mich hinunter, zog ihre geröteten Schamlippen leicht auseinander und ließ meine Zunge den ganzen geöffneten Spalt entlanggleiten. Er hatte einen bitteren Geschmack. Ich saugte an ihrer Klitoris, wobei ich sie gleichzeitig mit der Zunge massierte. Sarah schrie auf und hielt sich den Mund mit der Hand zu. Sie gab klagende, gedämpfte Geräusche von sich, so als würde sie etwas oder jemanden beweinen.
»Machen sie solche Sachen auch an der Wall Street?«, fragte ich sie.
»Hör doch auf mit dieser Wall Street ...«
»Lass uns hier aufhören«, schlug ich sachlich vor, während ich mich aufrichtete. »Wir wollen schließlich nicht die Entwicklung der Gesellschaft, die persönliche Vervollkommnung und die Karriere von internationalem Maßstab vergessen.«
Sarah öffnete die Augen. Tränen flossen aus ihnen. Einen Augenblick lang tat sie mir leid. Aber das war schnell wieder vorbei.
Sie stand auf, nahm den Slip aus ihrer Handtasche und zog ihn an. Sie streifte den Rock über und machte sich schwankend auf den Weg zur Tür. Sie öffnete sie, sah mich über die Schulter hinweg an und sagte ruhig:
»Du bist ein Idiot. Ein absoluter Psychopath. Ein ab-so-lu-ter.«
Sie schlug die Tür hinter sich zu und verschwand. Sie hatte diese Runde verloren. Aber etwas sagte mir, dass sie wieder auftauchen würde.
Ich nahm den Staubsauger und saugte ihre Haare vom Boden und vom Sofa auf, nahm den Beutel heraus, ging auf den Balkon hinaus und schüttelte ihn aus. Der Wind trug die Haare von Sarahs Grotte davon und wehte sie in Richtung »Philip Johnson House«.
Vielleicht sollte ich sie in Sofia anrufen?
Und wenn sie mit jemandem im Bett ist? Das ist fast sicher.
Und wenn schon? Dann wird sie eben aufstehen.
Und sie wird dich demütigen. Sie wird dich fertigmachen. Du wirst dich die ganze Nacht volllaufen lassen.
Ich werde mich so oder so die ganze Nacht volllaufen lassen.
Löst das das Problem?
Ach, zum Teufel. Ja, es löst es! Zumindest bis morgen ...
Was ist das »Morgen«?
Ich rief Ina zwei Tage lang nicht an, obwohl ich zumindest hundertmal ihre Nummer bis zur vorletzten Ziffer wählte. Nicht, dass mich der gesunde Menschenverstand davon abgehalten hätte. Ich kenne sehr wenige Musiker, die über gesunden Menschenverstand verfügen, und die taugen dann für gewöhnlich nicht einmal für eine Weidenflöte.
Es war eher ein Instinkt, der mich abhielt. Die Vorahnung einer dunklen Gefahr, obwohl es gerade die Instinkte waren, die mich dazu trieben, so schnell wie möglich in die Exarch-Josif-Straße zurückzukehren, die Stufen in den vierten Stock in einem Atemzug hinaufzusteigen und ...
... und was?
In jener Nacht dirigierte nicht ich die Musik. Mir war die Rolle des stummen Pagen zugedacht, der die Primadonna bedient, während sie ihre an Koloraturen reiche Arie virtuos darbietet.
War es das, was mich störte?
Wohl kaum ... Nach so vielen Jahren, die ich am Theater und auf Jazzbühnen in ganz Europa verbracht hatte, hatte ich genug erlebt und ausreichend Erfahrung mit Frauen jeglichen Kalibers, jeglicher Rasse, jeglichen Temperaments und jeglicher Technik.
Ich hatte schöne und hässliche gehabt, hysterische und ruhige, zärtliche und grobe, kluge und dumme, flüsternde und heulende, dünne und dicke, durchschaubare und geheimnisvolle ...
Aber Ina passte in keine dieser Kategorien.
Die Wahrheit war, dass es bis dahin keiner anderen so wie ihr gelungen war, mich die Ohnmacht, die völlige Selbstvergessenheit und Ekstase spüren zu lassen. In jener Nacht, oder genauer an jenem Morgen, fühlte und erlebte ich die andere Seite des Sex, die – jetzt weiß ich es mit Sicherheit, ich weiß es mit allen meinen Sinnen! – der Tod ist.
Aber nicht jener schreckliche, hässliche, inakzeptable Tod, vor dem uns allen graut, sondern der helle, freiwillige und erwünschte, der gute Tod, der süße Tod, ein sich Auflösen im Universum, eine Reise zum Kern der Sonne, ein Verdampfen in ätherischen Sphären ...
Und das ohne Liebeswirrungen und Seelenqualen!
Ina war gefährlich wie Heroin.
Am zweiten Tag nahmen Svetljo Vox und ich abends einen Drink im »Radisson« gegenüber dem Parlament und quatschten über alte Zeiten und alte Bekannte.
Beim dritten Whisky fragte ich ihn, was er mir über Ina erzählen konnte.
»Was willst du wissen?«, antwortete er lustlos, während er mit dem Finger nasse Kreise auf den Tisch malte.
»Hast du sie gevögelt?«
»Natürlich hab ich sie gevögelt.«
»Dani auch?«
»Dani auch.«
»Und der Leberfleck?«
»Der auch. Hey, was fragst du mich so aus?«, Svetljo wurde wütend. »Du hast sie doch auch gevögelt. Dann sollte dir alles klar sein.«
»Wo kommt sie her?«
»Woher soll ich das wissen? Plötzlich war sie da. Sie steht auf Musiker. Geht auf Konzerte. Sogar zu den Proben kommt sie manchmal. Sie versteht mehr von Jazz als du und ich zusammen. Wenn du mich fragst, dann halt dich fern von ihr.«
»Warum?«
»Erinnerst du dich an Josi den Ouzotrinker?«
Josi der Ouzotrinker war ein phänomenaler Gitarrist aus der Zeit von »Chicago« und »Blood, Sweat & Tears«.
»Und?«
»Na ja, das ist auch ... Er ist aus dem siebten Stock gesprungen.«
»Wann ist das passiert?« Ich bekam Gänsehaut. Früher hatten Josi und ich oft zusammen gespielt, wir trafen uns zuletzt vor zwei Jahren auf einer Jamsession in Hamburg, wo er mit seiner Geigentechnik sogar den Solisten von »City« ganz kirre machte. Er war bescheiden, ruhig, hatte immer ein Lächeln im Gesicht, und ihm reichte schon ein Ouzo, um sich zu betrinken. War er erst einmal betrunken, dann schmiss er Lokalrunden und verpulverte seine Honorare für einen Monat im Voraus. Gott hab ihn selig.
»Vor ungefähr einem Jahr.«
»Was hat das mit Ina zu tun?«
»Sie hatte ihn ganz verrückt gemacht. Er ging umher wie ein Mondsüchtiger. Seine Hände zitterten, und am Ende nahm ihn niemand mehr auf Tournee mit. Für die Kneipe taugte er nicht. Sie schickte ihn in die Wüste. Das war zu viel für Josi.«
»Vielleicht war es ja gar nicht ihretwegen.«
»Kann sein ... Aber wenn du schon fragst ... Halt dich besser fern von ihr.«
Am dritten Tag morgens rief Ina an.
Ich brachte ein halb schuldbewusstes, halb schroffes »Hey, hallo, wie geht’s?« hervor, aber meine Knie wurden weich, und ich setzte mich aufs Bett neben dem Telefon.
»Ich habe mich entschlossen, dir noch eine Chance zu geben, dich dafür zu entschuldigen, dass du mich nicht angerufen hast, um dich für die wundervolle Nacht zu bedanken. Oder hast du vielleicht keine wundervolle Nacht verlebt, Charlie?« Ihre Telefonstimme war ein kräftiges Vibrato im tiefen Register, welchem sie den Vorzug gab, und auf Cremoneser Art klangvoll in der dritten Lage, die sie wiederum für die verführerischen Intonationen gewählt hatte.
»Charlie?«
»Parker. Du spielst die Melodie auf der Vertikalen wie Charlie Parker. Ich habe sehr aufmerksam zugehört und beschlossen, dass ein Musiker wie du es verdient hat, eine Nacht mit einer Frau wie mir zu verbringen. Oder habe ich mich getäuscht, Charlie?«
»Du hast dich getäuscht.«
Ich weiß nicht, wie es aus meinem Mund herausbrach, aber ich fühlte mich stabiler und sogar ein wenig stolz.
»Aha. Wir werden sehen. Genau um sieben heute Abend werde ich im Club ›Athletik‹ sein. Gib dir Mühe, pünktlich zu sein. Ihr aus Deutschland seid doch pünktlich? Um eine Minute nach sieben gehe ich« – und sie legte auf, ohne mir eine Möglichkeit zur Reaktion zu geben.
Eine halbe Stunde lang wählte ich rasend ihre Nummer, aber es kam nur das Freizeichen.
Auf der Vertikalen?
Was, zum Teufel, wusste sie über die Vertikale und die Melodie? Was verstand der Karottenkopf von Charlie Parkers Saxophon? Das war schließlich nicht ihr schwarzer Vibrator!
Aber offensichtlich verstand sie etwas davon, zur Hölle mit ihr! Und was den Vibrator anging – was störte mich eigentlich so an diesem Vibrator? Ich war doch kein Puritaner! Das war doch nicht das erste Mal, dass ich Sexspielzeug sah?
Allmählich begann ich zu begreifen. Mich störte nicht das Spielzeug, sondern die Ungeniertheit, mit der sie mich zum Zeugen ihrer sexuellen Freiheit gemacht hatte.
Zum Teufel, musste man sich dafür genieren? Warum sollte mich das stören?
Weil es mir die Initiative nahm. Deshalb. Ja? Ja. Und?
Hatte es mir nicht gefallen?
Sie ist gefährlich, etwas tickte in meinem Gehirn. Pass auf! Sie ist gefährlich. Du bist ihr nicht ebenbürtig. Du wirst nirgends hingehen, hörst du?
Genau um zehn vor sieben saß ich im Klub »Athletik« vor einem Whisky mit Mineralwasser. Ich saß im Hof an einem Zweiertisch neben dem kleinen künstlichen See, und im Efeu über meinem Kopf raschelten geheimnisvolle Insekten. Ich war nervös und aufgeregt. Der August neigte sich seinem Ende zu und mit ihm mein Urlaub, in Berlin begann demnächst die neue Spielzeit. Zum ersten Mal wünschte ich mir, schon dort zu sein, inmitten der vertrauten Atmosphäre, abends Unter den Linden oder in Prenzlauer Berg spazierenzugehen, eine Halbe Bier in einer zweihundertfünfzig Jahre alten Eckkneipe zu trinken oder in der »Paris Bar« mit den exzentrischen Künstlern, Musikern und Schriftstellern herumzuhängen, die soeben von den Philippinen, den Kanaren oder den Seychellen zurückgekommen waren und etwas zu erzählen hatten.
Seit Jahren schon lebte ich dieses Leben, mit Ausnahme kleiner Unterbrechungen, wenn ich im Urlaub war, und es gefiel mir. Ich hasste Veränderungen. Sie machten mir Angst.
Genau um sieben tauchte die rötliche Explosion ihrer Haare den kleinen Hof in grelles Licht. Mein Atem blieb stehen, und aus meinem Kopf verflüchtigten sich augenblicklich alle Musiker, Philippinen, Unter den Linden und zweihundertundfünfzig Jahre alten Kneipen.
Die Schenkel anmutig wiegend, ging Ina mit kleinen stakkatoartigen Schritten über den Gehsteig, sie glitt eher dahin wie eine venezianische Gondel. Ihre olivgrüne Seidenbluse harmonierte elegant mit der Farbe ihrer Augen und war bis zum dritten Knopf aufgeknöpft, so dass jeder die metronomgleiche Bewegung ihrer birnenförmig runden Brüste sehen und hören konnte – tak-tak ... tak-tak ... tak-tak ...
Ein kurzer, ebenfalls grüner Rock umspannte ihre Schenkel zwei Handbreit über den Knien ihrer nackten, sinnlichen und nicht enden wollenden Beine. Sicherlich hatte ich sie dümmlich angestarrt, weil Ina trocken und fast mit einem Zischen fragte:
»Na, was ist los, Mister Parker? Willst du mich nur anstarren, oder bietest du mir einen Platz an?«
»Natürlich ...« Ich stand unbeholfen auf, und zum ersten Mal sah ich, dass sie fast so groß war wie ich. »Bitteschön. Was willst du ...«
»Das Gleiche.«
Während wir darauf warteten, dass man ihr das Getränk brachte, betrachteten wir einander wie zwei Schwergewichtsboxer, die auf den Gong warten. Ihre geschürzten Lippen waren zu einem leicht spöttischen Lächeln verzogen. Ihre Pupillen hatten sich zu ganz kleinen Pünktchen verengt, wenn das überhaupt möglich war. Für einen Augenblick tauchte in meinem Bewusstsein die Erinnerung an Arthur Taube auf – ein riesenhafter Chorsänger und mein Freund aus dem Theater, der einen schizophrenen Anfall während der Vorstellung bekommen hatte. Als ich ihn zwei Wochen später in der Psychiatrie besuchen ging, hatte er die gleichen Pupillen.
»Gefällt es dir hier?«, fragte sie nonchalant.
»Reizend.«
»Josi und ich kamen oft hierher.«
Der Schlag traf mich unvorbereitet. Ich musste angezählt werden.
»Welcher Josi?« Selbst in meinen Ohren klang die Frage falsch, wie durch das bedauernswerte Rohrblatt eines verzogenen Fagotts.
»Derselbe, über den du gestern mit Svetljo geredet hast. Derselbe, mit dem du eine Jamsession in Hamburg hattest. Ich weiß viele Dinge über dich, Mister Charlie! Und schließlich derselbe, mit dem ich ein ganzes Jahr zusammengelebt habe und der aus dem siebten Stock gesprungen ist.«
Ach Svetljo, du verfluchter Bastard! Fuck you!
»Weißt du was, mein Herr? Niemand außer mir selbst kann dir genaue Informationen darüber geben, mit wem ich geschlafen habe. Bis ins kleinste Detail. Das Vergnügen liegt nämlich im Detail. Deines genauso wie meines.« Sie nahm mit sichtlichem Vergnügen einen Schluck von ihrem Whisky, hob das Glas und betrachtete blinzelnd mein Gesicht durch es hindurch. »Also los, frag schon! Deswegen bin ich hier.«
»Gut.« Ich beschloss, dass ich zum Angriff übergehen müsste, trotz des Gefühls, dass mir die Situation langsam entglitt. »Habe ich einen Freund, mit dem du nicht geschlafen hast?«
»Hast du überhaupt Freunde?«, konterte sie.
»Das ist keine Antwort. Aber ich werde es dir sagen. Ja, ich habe Freunde. Alle bekannteren Musiker in dieser Stadt sind meine Freunde.«
»In diesem Falle habe ich mit all deinen Freunden geschlafen.«
»Aber warum?« Ich war ehrlich erstaunt. »Aus Sammelleidenschaft? Aus Snobismus?«
»Vielleicht ist es ja nur Leidenschaft, was denkst du? Falls du es nicht bemerkt hast, ich bin eine Frau. Zu hundert Prozent. Eine leidenschaftliche Frau. Oder haben solche keinen Platz in deinem deutschen Wertesystem?«
»Vergiss mein deutsches Wertesystem.« Ich wurde wütend. »Warum immer Musiker?«
»Ich werde es dir sagen.« Sie betrachtete die Nachbartische, beugte sich vor und flüsterte mir zu: »Bist du mal auf den Gedanken gekommen, die Frau als Musikinstrument zu betrachten? Eine Geige, eine Harfe, ein Saxophon, eine Oboe, eine Orgel, ein Violoncello? Na! Das bin ich. Manchmal bin ich eine Geige, manchmal eine Harfe, ein andermal eine Oboe, ziemlich oft ein Violoncello und ganz selten eine Orgel. Du weißt, dass ich ein gutes Instrument bin. Was du allerdings nicht weißt, ist, dass ich edel bin. Ein Meisterinstrument. Ich bin ein Meisterwerk, Charlie. Wenn ich eine Geige bin, bin ich eine Stradivari. Wenn ich ein Saxophon oder eine Trompete bin, bin ich von Selmer. Wenn ich das Glück habe, eine Orgel zu sein, bin ich eine Silbermann-Orgel. Wer kann, oder eher noch, wer hat das Recht, auf solch edlen Instrumenten zu spielen, mein Herr? Na, kommst du drauf? Ganz genau: nur die besten Musiker. Die Virtuosen. Aber ich muss dir etwas über die Virtuosen anvertrauen, mein Lieber! Größtenteils sind das Menschen ohne Gehör. Sie verfügen über eine unglaubliche Technik, aber sehr selten sind sie in der Lage zu hören, wie das Instrument klingt, auf dem sie spielen. Wenn es Geiger sind, wissen sie nicht, wo die Seele der Geige sitzt. Sind es Klarinettisten oder Saxophonisten, dann denken sie nur daran, wie das Mundstück in den Mund zu nehmen ist, aber sie denken nicht an das Schilfblatt, das den Ton erzeugt. Und macht nicht der Ton die Musik, mein Herr? So dass ich ein unglaubliches Instrument bin, das einen unglaublichen Instrumentalisten sucht. Ist es dir jetzt klar?«
Auch wenn es mir nicht klar gewesen wäre, ich war beeindruckt. Diese Frau verstand etwas von Musik, und der Raum unter ihrem roten Vlies war alles andere als hohl.
»Hast du etwa Musik studiert?«
»Nur soweit der Sex Musik ist.«
»Ich frage dich ernsthaft.«
»Und ich antworte ernsthaft. Aber weil ich sehe, dass du dir den Kopf über unnötige Fragen zerbrichst, ich bin in einer Musikerfamilie groß geworden.«
»Hast du ein Instrument gespielt?«
»Ich habe es schon gesagt«, entgegnete sie gelangweilt. »Ich selbst bin ein Instrument.«
»Was für ein Instrument warst du bei Josi?«
»Eine 68er ›Fender Stratocaster‹ «, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Für Josi war nur das Beste gut genug.«
»Was ist eigentlich passiert? Warum ist er gesprungen?«
»Ihm riss eine Saite. Er zog eine neue auf, und auch sie riss. Sooft er auch versuchte zu spielen, so oft rissen ihm Saiten. Am Ende begriff er, dass das Instrument nichts für ihn war.«
»Das ist grausam. Ich habe dich ganz normal gefragt, und mal sprichst du wie Menuhin mit mir, mal wie Eric Clapton oder wie ein Lehrbuch über Instrumentenkunde. Und soweit ich weiß, bist du Anzeigenverkäuferin. Verkauf mir etwas! Zeig mir deine professionelle Seite, nicht nur die dilettantische!«
»Ich soll dir etwas verkaufen? Du willst, dass ich dir etwas verkaufe?«
»Ganz genau! Ich will dich in Aktion sehen!«
Wir sahen uns wütend über den Tisch an, und ihre Augen versprühten grüne Blitze. Danach entspannte sich ihr Gesicht, es wurde engelsgleich wie bei Botticelli, und sie schnurrte in der dritten Lage:
»Gib mir dein Zippo, Charlie!«
Verblüfft reichte ich ihr das gelbe Zippo über den Tisch. Sie stand auf, trank ihr Glas auf einen Zug aus und sagte:
»Ich bitte den Kunden höflichst um einen Augenblick Geduld!« Sie warf mir einen Luftkuss über den Tisch zu, nahm ihre Handtasche und machte sich wiegenden Schrittes auf den Weg zu den Toiletten.
Nach einigen Minuten erschien sie erneut. Der Sonnenuntergang hinter ihrem Rücken entflammte den roten Strom ihrer Haare. Sie tauchte die Finger hinein und glättete sie, wobei sie ihren Alabasterhals reckte. Sie begannen zu knacken und zu knistern, überschüttet von den leuchtendroten Glühwürmchen der statischen Elektrizität. Es war berauschend.
Sie setzte sich an den Tisch, ließ die Zunge durch ihre halboffenen Lippen hervorblitzen, und mein Magen verkrampfte sich.
»Öffne es.« Sie reichte mir ihr Handtäschchen über den Tisch.
Ich öffnete es.
Darin, nachlässig zusammengeknüllt, lag ihr schwarzer Netzslip.
»Ich habe ihn in der Herrentoilette ausgezogen, versteht sich ...«, begann sie über den Tisch zu flüstern. Ihre Augen funkelten wie Smaragde, und die Pünktchen begannen sich zu weiten. »Riech an ihm.«
Wie hypnotisiert beugte ich mich hinunter und roch daran. Ein Duft von Moschus.
»Und jetzt riech daran«, sie schnippte das Zippo an, gab mir Feuer und reichte es mir.
Ich roch an dem Feuerzeug. Derselbe Geruch nach Moschus. Mein Gott ...
»Möchte der Kunde spüren, woher das sicherste und nie versagende Feuerzeug der Welt seine Energie schöpft?«
Ich streckte die Hand unter dem Tisch aus und legte sie auf ihren Schenkel. Dann ließ ich sie weiter nach oben zwischen die Schenkel wandern. Ich ertastete die Härchen. Sie waren feucht. Sie spreizte die Beine, ohne aufzuhören, ihre vollen Lippen zu belecken. Ihre Klitoris verbrannte mich. Ich drang mit dem Zeigefinger in das nasse Loch ein.
»Steck noch einen Finger hinein ... So ... und jetzt noch einen ... was fühlst du? ...«
»Es klingt ... vibriert ...«
»Ich klinge ... ich vibriere ... sehen sie uns zu?«
»Ja ... nein ... Ich weiß nicht.«
»Willst du, dass sie uns zusehen?«
»Ich weiß nicht ... ich werde ausfließen.«
Sie lachte leise, rückte mit dem Stuhl ein wenig zurück, und meine Finger glitten mit einem kurzen Plopp aus ihr heraus, es klang wie ein Steinchen, das ins Wasser geworfen wird.
»Hat dir die Demonstration gefallen?«, fragte sie unschuldig. »Die Aktion? Wieviel wirst du von der Ware bestellen? Soll ich sie dir in Packpapier einwickeln?«
Diese Runde hatte ich verloren. Ich hatte nicht übel Lust, sie umzubringen, mich auf ihren Stuhl zu stürzen, sie auf den Boden zu zerren und vor allen Leuten ordentlich durchzuvögeln. Ich war so hilflos, so unbarmherzig verstrickt in dieses Geflecht von Zorn, Selbstmitleid und sexueller Unzufriedenheit.
Ich schien ihr leidzutun.
»Möchtest du mit zu mir kommen, Mister Parker? Rufst du uns ein Taxi?«
Das Taxi lud uns vor dem bekannten Haus in der Exarch-Josif-Straße ab. Während ich den kleinen, dunkelhäutigen Fahrer bezahlte, zwinkerte er mir zu und grinste. Auf der linken Seite seines Oberkiefers fehlten zwei Zähne. Einen Augenblick lang überlegte ich, ob ich ihm nicht noch einen ausschlagen sollte. Ich fühlte mich bloßgestellt.
Wir stiegen die vier Stockwerke zu Fuß hinauf, das Gebäude hatte keinen Aufzug. Ina ging vor mir, ich zwei Stufen hinter ihr, wobei ich mich bemühte, nicht zu denken, dass sie unter diesem kurzen Rock splitterfasernackt war ... ohne den Netzslip ... nackt, ganz nackt ...
Wir betraten das Zimmer. Sie zeigte mir die Hausbar. Sie hatte Ouzo, Wodka, Whisky und Pfefferminzlikör.
»Mach mir eine Wolke«, sagte sie, während sie sich auf Knien durch Hunderte von CDs in der Schublade unter dem Bett wühlte. »Ich habe kein Mineralwasser, wir werden Leitungswasser trinken. Was möchtest du gern hören?«
»Such du aus. Ich habe begriffen, dass ich mich auf deinen Geschmack verlassen kann.«
»In jeder Beziehung. Das schmeichelt mir.«
Ich goss ihr eine Mörderdosis Pfefferminzlikör, dieselbe Menge Ouzo und ein wenig Wasser ein. Die Wolke wurde weiß. Mir selbst schenkte ich einen Whisky ein und verdünnte ihn ebenfalls mit Wasser, was ich sonst nie tue, aber ich wollte bei maximal klarem Verstand bleiben. Ich brachte die Getränke ins Zimmer, stellte sie auf den Tisch und setzte mich auf den Stuhl ihr gegenüber. Uns trennten nur zwei Handbreit. Sie hatte »Ornithology« von Charlie Parker aufgelegt. Die Originalaufnahme aus Paris. Sie hatte tatsächlich Geschmack.
»Geht es dir gut?«, fragte sie, während sie ihr Glas anhob.
»Nicht besonders«, gestand ich. »Ich habe ein Schweregefühl im Unterbauch, meine Eier platzen gleich, mein Mund ist ausgetrocknet, und der Whisky hilft nicht, meine Hände zittern wie die eines Onanisten, aber wenn wir von all dem absehen, geht es mir gut.«
Sie prustete los und konnte lange nicht aufhören zu lachen – vom »E« der großen bis zum »e« der kleinen Oktave.
»Mein Gott«, sagte sie, als sie die Koloraturen beendet hatte. »Wenn ich dir sage, dass ich mit dir fühle, wirst du mir wohl nicht glauben.«
»Wenn du mir sagst, dass meine Qualen dir keine Freude bereiten und dich nicht mit Stolz erfüllen, werde ich dir ebenfalls nicht glauben ...«
»So ist es«, sie erhob das Glas. »Woran erinnert dich dieses Getränk?«
»An das Kutschergesöff namens ›Wolke‹. Ebenfalls gern getrunken von Bergleuten, Lastträgern und den Bewohnern des Viertels Orlandovci.«
»Und mich erinnert es an Sperma.« Sie nahm einen Schluck. »Ich mag diese Farbe«, fuhr sie fort. »Ich mag den Geruch von Sperma. Ich mag seinen Geschmack.« Sie begann zu flüstern. »Ich mag es, wenn das Glied zuckt und sich von seiner Eichel die letzten Tropfen absondern ... ich mag sie auf meiner Haut, auf den Brustwarzen, auf den Lippen, auf der Klitoris, auf den Schenkeln, überall. Kann ich das sagen, ohne befürchten zu müssen, dass du angewidert fortgehst und wir einander nie mehr wiedersehen?«
»Du kannst, und ich werde nicht angewidert fortgehen, aber davon wird es auch nicht besser. Ganz im Gegenteil ...«
Sie lachte wieder, hob die Füße auf den Stuhl und spreizte die Beine. Ihr feuriges Dreieck, in das meine drei Finger vor kurzem eingetaucht waren, war halb geöffnet. Die lockigen Härchen standen in alle Richtungen ab. Sie fuhr mit der Hand durch sie hindurch, ihr Mittelfinger verweilte einen Augenblick lang auf der Spalte, spielte ein wenig mit der Knospe, glitt hinein und wieder hinaus. Sie hielt ihn mir vors Gesicht.
»Gefällt dir der Geruch?«
Er gefiel mir. Sie strich mit dem Finger über meine Lippen, und ich öffnete sie.
»Und der Geschmack?«
Er gefiel mir.
»Warte hier ...«
Sie ging ins Badezimmer, und einen Augenblick später kam sie mit einem Rasierer, Rasierschaum, einem Handtuch und einer Schere zurück. Sie legte sie auf den Tisch, öffnete den Reißverschluss ihres Rocks und streifte ihn ab. Sie knöpfte die beiden Knöpfe ihrer Bluse auf und ließ sie auf ihre Schultern herabgleiten. Jetzt war da nur noch das symbolische schwarze Band des BHs, über dem ihre angeschwollenen rosa Brustwarzen hervorlugten.
»Ich will, dass du mich rasierst, Charlie. Ganz glatt.«
»Nenn mich nicht Charlie ...«
»Jawohl, mein Herr ... erregt dich das?«
»Lassen wir uns überraschen.
»Lass dir Zeit ...«
Sie breitete das Handtuch auf dem Stuhl aus, setzte sich und hob erneut die Füße auf die Sitzfläche. Dann spreizte sie die Beine.
Ich hockte mich vor sie hin, nahm die Schere, fasste mit zwei Fingern eine rötliche Locke und begann, ihren Venushügel zu scheren, wobei ich mir dachte, dass ich ihn auch mit dem allergrößten Vergnügen abweiden würde. Als ich fertig war, nahm ich den Rasierschaum, sprühte ihn zwischen die rosa Lippen und begann, ihn zärtlich zu verteilen. Es sah so aus, als hätte sich ein zum Tode Verurteilter auf ihnen entleert. Ina atmete schwer und murmelte etwas Unverständliches, während sie zwischen ihre Schenkel starrte. Ich nahm den Rasierer und begann, sie sehr vorsichtig zu rasieren, wobei ich immer einen Millimeter Abstand zu ihrer pulsierenden Klitoris hielt. Als ich auch damit fertig war, machte ich meine Handfläche mit Wasser nass und wischte die Reste Schaum von den rosa Lippen, dem geöffneten Loch und den Innenseiten der Schenkel.
Ina nahm ihr Glas, näherte es von oben ihrer glatten, rosigen Vulva und ließ den Inhalt in einem dünnen Strahl über ihre Spalte laufen, der sich langsam in die dunkle Öffnung ergoss.
»Trink ...«, flüsterte sie. »Leck jeden Tropfen auf ...«
Ich senkte den Kopf zwischen ihre Schenkel, öffnete mit den Fingern ihre nassen Lippen und begann, das süßliche Getränk von ihrer Klitoris zu lecken, es war vermischt mit ihrem Saft, der nach Muskatnuss und Weihrauch duftete, und Ina stieß kurze Schreie aus, schüttelte die rote Naturgewalt ihrer Haare und goss immer mehr und mehr aus.
Plötzlich begann die untere Hälfte ihres Körpers zu zittern und erklang wie ein Violoncello, auf dessen Basssaite sich der Bogen frei bewegt. Sie warf das leere Glas auf den Boden und presste meinen Kopf mit beiden Händen gegen ihre weit geöffnete und glatte Vulva, aus ihr sprudelte ein Strom von warmem, dichtem Sekret hervor, der nach frisch gepflückten Pilzen roch und den Geschmack von Anis und herber Milch hatte.
Allmählich beruhigten sich ihre Konvulsionen, und sie öffnete die Augen.
»Geht es dir gut?«, fragte ich.
»Ja ... Und dir?«
»Ich denke, ich bin trunken vom überirdischsten aller Getränke, oh holde Giftmischerin!«
Langsam richteten wir uns beide auf. Ina nahm mich an der Hand, führte mich zum Bett und hieß mich, mich hinzulegen. Sie knöpfte mein Hemd auf und half mir dabei, es auszuziehen. Sie knöpfte auch meine Jeans auf und zog sie hinunter. Dann schnürte sie meine Schuhe auf, zog sie aus, danach die Strümpfe und den Slip.
Ich kann mich nicht daran erinnern, je eine solche Erektion gehabt zu haben. Mein Glied, nass, gerötet, angeschwollen und knorrig, ragte unter meiner Magengrube hervor.
»Ich weiß, ich weiß«, stöhnte ich. »Jetzt werde ich nichts tun ...«
»Ganz im Gegenteil, du wirst etwas tun«, lachte sie. »Wo willst du dieses Ungeheuer reinstecken? Von vorn? Von hinten? In meinen Mund? Zwischen die Brüste?« Sie beugte sich vor und kitzelte ihn mit der Zunge.
»Überall ...«
»Warte ...«
Sie streckte die Hand aus, öffnete das Schränkchen neben dem Bett und nahm eine Tube Vaseline heraus.
»Was hast du sonst noch in dem Schränkchen?«
Sie verschmierte die Vaseline von der Wurzel bis zur Eichel meines pulsierenden Rohrs.
»Vielleicht zeige ich es dir eines Tages«, raunte Ina geheimnisvoll. »Warum auch nicht?«
Einerseits brannte die Vaseline auf meinem Penis, andererseits kühlte sie ihn, das Gefühl war angenehm. Sie gab mir die Tube, legte sich auf den Bauch und sagte:
»Reib mich damit ein. Von innen und von außen.«
Ich spreizte ihre Beine und hockte mich zwischen sie. Ganz zärtlich streichelte ich ihre harten, glatten Halbkugeln. Sie erzitterten. Ich teilte sie mit zwei Fingern, setzte die Tube auf die kleine Öffnung und drückte sie aus. Die Vaseline quoll heraus. Ich steckte zuerst den kleinen Finger hinein, wobei ich das Loch massierte, danach den Zeigefinger. Ina ächzte auf.
»Tut es weh?«
»Nein, es ist schön ... mach weiter ...«
Ich versuchte es erneut. Ihr elastischer Ring weitete sich mehr und mehr.
»Steck ihn rein ... Jetzt! Ich bitte dich ...«
Ina warf den Kopf nach links und rechts, und die dichten Wellen ihrer Haare bedeckten und entblößten abwechselnd ihren Perlmuttrücken. Ich hatte Lust hineinzubeißen. Ich beugte mich vor und begann, auf ihnen herumzukauen. Gleichzeitig steuerte ich mit den Fingern die Eichel meines Gliedes und führte sie an die geweitete Öffnung. Es drang mit Leichtigkeit ein. Nach zwei Stößen tauchte es bis zur Wurzel ein. Langsam zog ich es heraus, Ina vergrub ihr Gesicht im Kissen und schrie auf. Ich steckte es erneut hinein, diesmal noch langsamer. Dann erhöhte ich das Tempo. Stöhnend stützte sich Ina auf Ellenbogen und Knie. Ich umfasste mit den Händen ihre schaukelnden Brüste und begann, die Brustwarzen zu massieren, die bis zur Größe von Walnüssen angeschwollen waren. Ich knetete ihre harten Bälle und rieb sie aneinander, und mein immer dicker werdender Penis glitt mit einem peitschenden Geräusch hinaus und wieder hinein. Ina streckte ihre Hand zwischen die Schenkel, ertastete meine Eier und begann ebenfalls, sie zu kneten.
Als ich explodierte und sie zum Überlaufen brachte, zog sie ihn heraus, drehte sich schnell auf den Rücken und begann, ihn zwischen ihren Brüsten zu reiben. Ich schoss weiter konvulsivisch einen Strahl nach dem anderen hinaus, und auf ihnen bildete sich eine richtige Lache. Die letzten Tropfen nahm sie in ihren weit geöffneten Mund auf, einige benetzten ihr Haar und ihre Wimpern.
Sie massierte ihn mit ihrer nassen Handfläche und drückte den Rest auf ihre Lippen aus. Sie nahm ihn tief in den Hals, saugte ihn langsam leer, wobei sie gleichzeitig die weißliche Flüssigkeit von den Brüsten auf ihrem ganzen Körper und auf der Klitoris verrieb.
Dann ließ sie ihn los, und er klatschte entkräftet neben ihr Kinn. Vor lauter Sperma auf ihrem Gesicht konnte man die Sommersprossen nicht mehr sehen.
Ich fiel neben sie hin, oder genauer, ich fiel in Ohnmacht.
Die letzte Woche dieses Urlaubs verbrachten wir in ihrer Wohnung. Wir gingen nur einmal hinaus, zur Totenmesse von Harry der Buchtel.