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5. 17 + X – schöpferische Treue
ОглавлениеIgnatius hat die Konstitutionen geschaffen und dabei während entscheidender Jahre vor allem die außerordentliche Unterstützung seines Sekretärs Juan de Polanco gehabt. In einer Mischung aus Gebet, Nachdenken, Entwürfen und praktischen Erprobungen sowie in der Auswertung der vor Ort gemachten Erfahrungen hatte das Ganze der Konstitutionen allmählich Form angenommen. In 17 Jahren entstand so ein Gebilde, das keiner anderen Ordensregel glich.
Die 1. Generalkongregation des Ordens billigte 1558, zwei Jahre nach dem Tod des Ignatius, die Konstitutionen und legte fest, dass keine Veränderungen mehr vorgenommen werden sollten. Ignatius selbst allerdings war der Meinung gewesen, dass die Konstitutionen für Veränderungen offen bleiben sollten. Man entschied sich aber dann aus Verehrung ihm gegenüber, den ursprünglichen Text unverändert zu belassen.
Im Laufe der Zeit wurde es aber notwendig, den veränderten Entwicklungen Rechnung zu tragen. Neue Zeiten, neue Konstellationen, kirchenrechtliche Veränderungen, tiefer gehende Erkenntnisse mussten berücksichtigt werden. So häuften sich Interpretationen, zusätzliche Erklärungen, Änderungen durch Generalkongregationen und Ordensgeneräle. Zuletzt (erst 1995) fand man die Lösung, die authentischen Interpretationen als »Ergänzende Normen« den Konstitutionen anzufügen. Da wird auch in Fußnoten zu den einzelnen Nummern der Satzungen gesagt, welche Texte geändert, erklärt, gestrichen wurden, mit vielen Quellenangaben für Äußerungen von Generalkongregationen, Päpsten, Ordensgenerälen oder des Kirchenrechts.
Diese Fortschreibung durch die Ergänzenden Normen hat einmal zu berücksichtigen, dass der Geist und soweit dies möglich ist auch der Buchstabe der Konstitutionen bewahrt wird. Das ist die Treue, die der Orden von sich selbst verlangt. Das Neue, das Aggiornamento, um ein Wort von Papst Johannes XXIII. zu gebrauchen, soll darin bestehen, die Grundgegebenheiten in der heutigen Welt verantwortungsvoll zu berücksichtigen. Diese schöpferische Treue deutet einerseits die Verantwortung für die ehrwürdige Tradition an, ist andererseits aber offen für den Fortschritt. Von der Formulierung »Verteidigung und Verbreitung des Glaubens und Fortschritt der Seelen« wird der Bogen geschlagen bis zu den letzten Generalkongregationen. Sie geben den heutigen Bewusstseinsstand wieder. Der »Gesamtdrive« des Ordens wird in den Kontext von heute gestellt.
Schon die 32. Generalkongregation (1974/75) hatte erklärt, dass zum Dienst am Glauben der Einsatz für die Gerechtigkeit unbedingt dazugehöre. Die 34. Generalkongregation (1995) hatte formuliert: »Kein Dienst am Glauben ohne Förderung der Gerechtigkeit, Eintritt in Kulturen, Offenheit für andere religiöse Erfahrungen« (Dekret 2, 47). Die 35. Generalkongregation (2008) sagt im Anschluss an die positiven wie negativen Auswirkungen der Globalisierung: »In allen unseren Diensten sind wir zu einem ernsteren Eingehen auf diese Wirklichkeit gerufen sowie dazu, die Räume für einen fortgesetzten Dialog und das Nachdenken über das Verhältnis von Glaube und Vernunft, Kultur und Moral, Glaube und Gesellschaft auszuweiten, um das wahre Antlitz des Herrn den vielen zu zeigen, für die es heute noch verborgen oder unerkennbar ist« (Dekret 3,20). Der letzte Halbsatz ist ein Zitat aus der Ansprache Papst Benedikts XVI., die er an die Teilnehmer dieser Versammlung gerichtet hatte.
Die entscheidenden Orientierungspunkte, aus denen sich die heutigen Dienste der Jesuiten ergeben, sind also Glaube – Gerechtigkeit – Dialog – Inkulturation. Diese aktuellen Anforderungen für heute sind nicht auf den Jesuitenorden beschränkt. Da sind viele Institutionen und Gemeinschaften mit einbezogen. Die Art, wie man sich den heutigen Herausforderungen stellt, entscheidet über die Lebendigkeit und Lebensfähigkeit. Und auch diese Frage kann verallgemeinert werden: Wie werden schöne Dokumente umgesetzt und durchgesetzt? Wie wird in der Kurzlebigkeit vieler modischer Trends eine Unterscheidung erreicht für das, was wichtig ist und wichtig bleibt? Was darf als gute und lebendige Vielheit angesehen werden, ohne die notwendige Einheit zu gefährden? Wie ist eine Nachhaltigkeit zu erreichen, die nicht immer wieder durch neue Papiere oder Dokumente eher entwertet als gestärkt wird?