Читать книгу Mimis allerbester Freund - Viveca Lärn - Страница 5

Dienstag, 28. Dezember

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Heute haben wir in aller Ruhe und friedlich gefrühstückt. Niemand hat gekleckert. Niemand hat geschrien. Sogar Plutten lag ganz still und anständig da und studierte seine Vorderpfote. Da sagte Lasses Mama:

»Ihr könnt sagen, was ihr wollt, aber heut geh ich zu Ikea und kauf Gardinen. Wer kommt mit?«

Am Frühstückstisch wurde es ganz still. Plötzlich stand Papa auf, guckte auf die Uhr und sagte:

»Ich hab gehört, daß der neue Samenkatalog da ist. Ich muß los und ein paar Samen kaufen. Man hat so viel zu tun, wenn man Besitzer eines Schrebergartens ist. Ich wollte mit frühem Gemüse anfangen wie Gurke und Cocktailtomaten, tja, obwohl ich die ja vorher ziehen muß. Wenn ich es schaffe, will ich das heute erledigen. Und dann brauch ich unbedingt einen selbstfeuchtenden Pflanzkasten. Es ist höchste Zeit, daß ich damit anfange ...«

Mama guckte zur Decke.

»Himmel«, rief sie, »da sind ja Spinnweben an der Decke. Ich muß heute wirklich mal weihnachtlich saubermachen. Die Leute müssen ja denken, wir sind kurzsichtig, wenn sie uns besuchen kommen.«

»Weihnachten ist doch schon vier Tage vorbei«, sagte ich. »Du brauchst doch jetzt nicht mehr sauberzumachen!«

»Wer redet denn vom vergangenen Weihnachtsfest«, sagte Mama schnell. »Ich meine doch das nächste Weihnachten. Es hilft nichts, ich muß heut zu Hause bleiben und saubermachen.«

»Und Mimi und ich sammeln Autonummern«, sagte Lasse so schnell, daß mir ganz heiß wurde.

(In Wirklichkeit hat er gesagt »Und ich und Mimi sammeln Autonummern.« Aber so redet man eben in Norrland.)

Lasses Mama schlürfte in aller Seelenruhe ihren Kaffee von der Untertasse. Es klang gräßlich. Ich hatte Lust, abzuhauen und meinen Walkman zu holen. Dann sagte sie: »Ihr könnt ruhig aufhören, euch was auszudenken. Ich fahre viel lieber allein zu Ikea. Schließlich hab ich einen Mund zum Fragen.«

Papa sank erleichtert auf seinem Stuhl zusammen und fing wieder an zu essen, und Mama gab dem Staubsauger einen Tritt, daß er wieder in der Rumpelkammer verschwand.

»Nimm dir ruhig einen ganzen Tag Zeit für Ikea«, sagte Mama munter. »Um Lasse kümmern wir uns. Ehrlich gesagt, hab ich die Möbelgeschäfte am liebsten, wo es nur vier Stühle und fünf Lampen und drei Gardinen gibt. Ich hab noch nie in solchen großen Möbelhäusern gekauft, wo die Bücherregale Märta Jansson und die Sofas Sixten Diplomat heißen.«

»Nein, das seh ich«, sagte Lasses Mama und warf einen düsteren Blick auf unsere Küchenbank, die Papa auf dem Flohmarkt bei der Post für neunzehnfünfzig gekauft hatte. Sie hat ziemlich viele Holzwurmlöcher, aber Papa sagt, das ist Kultur. Ich sitz nie drauf. Man will ja schließlich nicht in den Po gebissen werden.

Schade, daß Roberta Karlsson in Spanien ist, denn sonst könnte Lasses Mama zu ihr gehen und sich ein bißchen umgucken. Die sind sehr reich, und man kann sich in all ihren Möbeln spiegeln, und ihre Stühle sind echt Rokoko, sagt Roberta. Die haben bestimmt alles bei Ikea gekauft.

»Du steigst in die rote Straßenbahn nach Valand. Dann nimmst du den Bus, auf dem Kållered steht«, sagte Papa.

»Ach, laß nur!« sagte Lasses Mama und setzte sich den Hut auf und zog ihren Mantel an. Dann verabschiedete sie sich zärtlich von Lasse. Sie küßte ihn mindestens siebenmal auf die Backen und umarmte ihn viermal. Dann rannte Lasse zum Klo und spuckte aus und spülte. Aber ich ärgere ihn nie damit.

Wir stellten uns unter die Uhr vor dem Uhren- und Schmuckgeschäft und holten unsere schwarzen Autonummernhefte aus der Jackentasche. Ich gähnte ein bißchen. Aber Lasse war sehr eifrig.

»Der silberne Volvo ist meiner!« schrie er.

»Klar«, sagte ich, »es macht nichts, obwohl ich ihn tatsächlich zuerst gesehen hab.«

»Du kannst den Laster haben, der da kommt«, sagte Lasse. »Lastwagen hast du doch so gern. KLO 486. Das ist schön! Beeil dich und schreib es auf.«

»Hm«, machte ich und schrieb. Aber es ging furchtbar schwer, als ob meine Hand nicht richtig wollte.

»Der nächste gehört mir!« schrie Lasse. »So ein Glück: ein Jagga. Das ist unser erster Jagga.« Dabei meinte er einen Jaguar.

Jagga. Was für ein blödes Wort, dachte ich. Wenn ich mal ein Auto habe, soll es Arne oder Greta heißen.

»Das macht Spaß!« sagte Lasse zufrieden. »Und wir haben noch vier Tage. Hoffentlich reichen die Hefte.«

»Müssen wir denn dauernd Autonummern sammeln?« knurrte ich.

Lasse starrte mich an. Seine Augen waren wie Rosinen. Nicht so verschrumpelt, aber genauso dunkel.

»Was sollen wir denn sonst tun?« fragte er schließlich.

»Tja, wir könnten uns zum Beispiel angucken, was ich in meinen Schreibtischschubladen hab«, schlug ich vor. »Oder in den Wald zu einem See gehen, den ich kenne. Oder Mama fragen, ob wir ins Kino dürfen.«

Lasse guckte mich immer noch genauso erstaunt und blöd an. »Das kannst du ja machen, wenn ich nach Hause gefahren bin«, sagte er. »Jetzt sammeln wir Autonummern. Vor Silvester muß ich tausend haben. Mal sehen, ob ich den Rekord nächstes Jahr breche. Was meinst du, ob ich in den nächsten Weihnachtsferien auch herkommen kann?«

»Ich weiß nicht«, sagte ich seufzend. Ich fühlte mich ganz erschöpft. In dem Augenblick kam ein großer Tanklaster vorbei. »Beeil dich, Mimi«, sagte Lasse eifrig. »Das ist deiner. Du hast doch Laster so gern.«

»Wollen wir uns nicht eine Weile Ringe, Juwelen, Ohrringe und Diamanten angucken?« fragte ich Lasse. »Ich tu das jedenfalls. Du kannst meine Autos haben.«

Lasses Gesicht leuchtete, und er lächelte. Kein Mensch auf der ganzen Welt ist so hübsch wie Lasse, wenn er lächelt. Seine Zähne sind so weiß wie Schnee. Ja, ihr habt wohl gedacht, daß ich das jetzt sage. Aber so blöd bin ich nicht. Der Schnee in Göteborg ist nämlich gelb, braun oder grau. Wer möchte denn solche Zähne haben? Nein, Lasses Zähne sind weiß wie Magermilch. Und wenn er lächelt, kriegt er so lustige Linien am Mund, und diese Linien sind das hübscheste, das ich mir vorstellen kann. Ich guckte also Lasse an, wie er lächelte, und hörte kaum, was er sagte. Aber er sagte also:

»Oh, Mimi, du bist so nett.«

So was vergißt man bestimmt nie. Meine Backen waren ganz heiß, als ich mir die Ringe und Ketten im Schaufenster anguckte. Ich kann ja nichts dafür, daß ich so was mag. Je mehr es glitzert, um so besser. Wenn ich nicht Schwimmlehrerin oder Hirnchirurg werde, wenn ich groß bin, dann werde ich Diamantendieb. Einer, der nur Könige und Prinzessinnen bestiehlt natürlich. Aber dann würde meine Freundin Roberta bestimmt böse werden. Sie ist nämlich mit dem König verwandt. Die Ringe in Goldbergs Uhren- und Schmuckgeschäft glitzerten und schimmerten. Alle Juweliere müßten Goldberg heißen, finde ich. Wenn ich Diamantdieb werde, nenn ich mich Diamantlinger. Aber wenn ich Schwimmlehrerin werde, dann heiß ich Fräulein Schmetterling. Schick, nicht?

Während ich so darüber nachdachte, kamen Kunden aus dem Geschäft. Ratet mal, wer! Das warf mich fast um. Meine eigene goldige Lehrerin und der Zweimetermann! Mit dem zieht sie dauernd durch die Gegend. Er ist auch Lehrer an unserer Schule. Er ist ziemlich groß, genau gesagt fast drei Meter.

Die scheinen ziemlich viel wegen der Schularbeiten zu besprechen haben, so oft, wie die sich getroffen haben. Meine goldige Lehrerin lächelte mich an. Der Zweimetermann nicht. Schnell steckte er ein kleines Juwelenpäckchen in seine Jackentasche. Wahrscheinlich hatte er es geklaut.

»Mach’s gut, Mimi«, sagte sie zu mir.

»Mach’s selber gut«, sagte ich und starrte den Zweimetermann an. Er ist entschieden zu groß. Und stark ist er auch, denn jetzt nahm er meine goldige Lehrerin am Arm und zog sie mit sich zu einem albernen Auto, das vor dem Tabakladen parkte. Meine Lehrerin hatte Lasse nicht mal gesehen. Ich rannte zu ihm und zeigte auf das Auto.

»Guck mal, Lasse, das ist meine Lehrerin.«

»Aha«, antwortete Lasse. »LBE 731, ganz beachtlich für einen fünfundachtziger, obwohl ich japanische Autos noch nie mochte.«

Als ich nach Hause kam, hatte ich eine Karte aus Spanien gekriegt, von Roberta. »Hallo, du alte Fluortablette«, stand auf der Karte.

Ich kapierte nicht, was das bedeuten sollte, aber es hatte wahrscheinlich damit zu tun, daß ihre Mama Zahnärztin war. Denn ich seh nun wirklich nicht aus wie eine Fluortablette. Die sind klein und rund und weiß und haben zwei Augen und einen fröhlichen Mund.

Hallo, Du alte Fluortablette. Wir in Spanien sind braun, als hätten wir acht Monate auf der Sonnenbank gelegen. Wir essen Hamburger und Pommes und trinken Coca-Cola. Am Tag bade ich im Swimmingpool, und nachts geh ich in die Disko. Ein Glück, daß Du nicht hier bist. Du kannst ja nicht schwimmen, und der Swimmingpool ist tief. Roberta

Es ist doch nett von Roberta, daß sie nicht will, daß ich ertrinke. Auf der anderen Seite der Karte war ein alter Mann in gestreiften Badehosen, der von einem Sprungbrett hüpfte. Roberta hatte ihm hier und da kleine Schnurrbärte angemalt.

»Komisch, daß Alma sich nicht an die Zeiten hält«, brummte Papa, als er den Tisch deckte. »Hast du ihr nicht gesagt, daß in diesem Haus um fünf Uhr Mittag gegessen wird?«

»Wie hätte ich es ihr sagen sollen«, sagte Mama, »wenn ich doch selbst nicht weiß, daß wir in diesem Haus um fünf Uhr Mittag essen? Wir essen doch immer dann Mittag, wenn es fertig ist.«

»Es ist jetztfertig!« brüllte Papa. »Ich hab genug von diesen Norrländern, die sich nicht an die Zeiten halten können. Bald nehmen sie auch noch meine Zahnbürste.«

Ich guckte Lasse besorgt an. Wenn er das nur nicht gehört hatte. Aber ich brauchte mir kein bißchen Sorgen zu machen, denn er schrieb die Autokennzeichen mit dem silbernen Stift nach, den er zu Weihnachten gekriegt hat. Auf der Straße schreibt er sie nämlich mit Bleistift hin, einem kleinen geheimnisvollen lindenblütengrünen Bleistift, den er oft hinters Ohr steckt (hinter seinen Ohren hätten viele Bleistifte Platz ...). Und wenn wir nach oben kommen, schreibt er sie ordentlich mit dem Silberstift nach. Das würde ich auch tun, wenn ich einen Silberstift hätte oder jemanden wüßte, der mir einen leiht.

»Ich hätte das mit Dänemark nie sagen sollen«, sagte meine Mama.

»Dänemark?«

»Ja, ich hab zu Alma gesagt: Warum nicht mal richtig abschalten? Wenn du bei Ikea gewesen bist, kannst du mit dem Schiff nach Dänemark fahren. Das tun alle, die nach Göteborg kommen. Auf die Weise lernen sie Göteborgs Hafen kennen.«

Jetzt war mein Papa knallrot im Gesicht.

»Das fehlte gerade noch!« schrie er. »Jetzt kriegen wir sie eine Woche lang nicht zu sehen, und sie denkt wahrscheinlich, daß wir uns um den Jungen kümmern. Hast du ihr gesagt, daß sie Kirschlikör kaufen soll?«

Mama schüttelte finster den Kopf.

»Wenn ihr bloß nichts passiert ist«, sagte sie. »Sie ist doch nicht an Großstädte gewöhnt.«

Lasse schaute von seinem Autobuch auf, starrte Mama fragend an, und dann sagte er:

»Wann fängt eigentlich das Kinderprogramm im Fernsehen an?«

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