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Der 1. Mythos – Der Coast-Average-Effekt oder der Zaubertrick der regelmäßigen Geldanlage

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Wenn Marcel und Ann-Kathrin jeden Monat 200 Euro für die Kinder zurücklegen, haben sie bei einem Anlagehorizont von 15 Jahren am Ende dieser Zeit 36.000 Euro gespart, also für jedes Kind 18.000 Euro.

Von ihrer Sparkasse erhalten sie vielleicht durchschnittlich 2,5 % Zinsen für das eingezahlte Kapital über die gesamte Laufzeit, was zu einem Gesamtergebnis von rund 42.000 Euro führt. Vielleicht, so denken sie, gibt es aber noch etwas Besseres, etwas, das bei hoher Sicherheit, ohne viel Mühe, einen höheren Ertrag ergibt, als diese bescheidenen 21000 Euro pro Kind nach 15 Jahren eisernen Sparens. Natürlich hat der Geldberater, wenn Marcel und Ann-Kathrin mit diesem Wunsch zu ihm kommen, eine gute Idee – der Coast-Average bzw. Durchschnittspreis-Effekt.

Dieser Durchschnittspreis-Effekt wird gerne in den Prospekten der Aktienfonds beworben und ist auf den ersten Blick von beeindruckender logischer Klarheit.

Das Prinzip besteht darin, dass monatlich zu einem festen Geldbetrag Fondsanteile erworben werden, wobei in Zeiten steigender Kurse weniger Anteile für diesen Betrag erhältlich sind und bei schwächerer Börse mehr.

Hierdurch soll der häufig bei Privatanlegern zu beobachtende Effekt ausgeschaltet werden, dass gerade bei stark steigenden Kursen gekauft wird. Nicht nur die Wirtschaftspresse, sondern auch die regionalen Tageszeiten berichten in großen Lettern über die Börse und die Zeiten des leichten Geldverdienens scheinen angebrochen zu sein scheinen. Wenn die Kurse dann fallen, schauen viele Anleger in Schockstarre wie das Kaninchen auf die Schlange auf die Börsenentwicklung und hoffen, dass bald die Einstiegskurse wieder erreicht werden. Diese Hoffnung wird leider meistens enttäuscht und die Aktien kurz vor dem Wendepunkt, wenn die Tageszeitungen diesmal in den dunkelsten Farben von der Börse berichten, wieder verkauft.

Auch kann es passieren, dass in Zeiten stark schwankender Kurse, gerade in den temporären Hochphasen, Fondsanteile erworben und die günstigen Preise nicht genutzt werden.

Durch die Strategie der regelmäßigen Käufe können diese, oftmals emotional beeinflussten Aspekte ausgeschaltet werden und der Anleger erhält eventuell sogar mehr Anteile als bei einer Direktanlage. Dies macht den Cost-Average-Effekt aus.

Ein stark vereinfachtes Beispiel, wie es in ähnlicher Form in Fondsprospekten zu finden ist, soll den Effekt darstellen:



Monatliche Sparrate: 50 Euro

1. Monat: Preis eines Fondsanteils : 50 Euro

Anzahl der erworbenen Anteile : 1

2. Monat: Preis eines Fondsanteils : 25 Euro

Anzahl der erworbenen Anteile : 2

3. Monat: Peis eines Fondsanteils : 50 Euro

Anzahl der erworbenen Anteile : 1

4. Monat: Preis eines Fondsanteils : 75 Euro

Anzahl der erworbenen Anteile : 0,66

Eingezahlte Summe : 200 Euro

Durchschnittspreis der Anteile über die 4 Monate : 50 Euro

Gesamtzahl der erworbenen Anteile : 4,66


Eigentlich hätten Sie bei einer Kaufsumme von 200 Euro und einem Durchschnittspreis von 50 Euro/Stück nur 4 Anteilsscheine besitzen dürfen.

Tatsächlich haben Sie aber 4,66 Anteile – dies ist der Durchschnittskosten-Effekt.

Mal geht es gut und dann wieder nicht

Das hört sich für Marcel und Ann-Kathrin gut an, zumal der „unabhängige“ Geldberater auch gleich die passende Berechnung präsentieren kann.

Er leitet den beiden die Vermögensentwicklung her, wenn sie 1985 mit der Sparplananlage in einem bewährten Fond begonnen hätten und es im Januar 2000 zur Auszahlung gekommen wäre.

„Den Fonds zeichnet eine flexible, nicht starr an Index-Gewichtungen orientierte Anlagepolitik aus. Die Titelauswahl ist Stock Picking pur nach fundamentalem Ansatz. Das Fondsmanagement konzentriert sich auf Standardwerte, so genannte Blue Chips, rund um den Globus und achtet dabei auf eine der Marktlage angemessenen Mischung substanzstarker und wachstumsorientierter Unternehmen“. (Quelle: Fondsweb)

Dies bedeutet, dass Ann-Kathrin und Marcel ihr Geld weltweit in einem der ältesten deutschen Fonds anlegen, sich um Ihre Investition nicht kümmern müssen und gleichzeitig vom Durchschnittskosteneffekt profitieren.


DWS Akkumula

Monatliche Einzahlung : 200 Euro

Startdatum : Januar 1985

Enddatum : Januar 2000

Ausgabenaufschlag : 5 %

Summe der Einzahlungen : 36.200 Euro

Depotwert : 122.897,02 Euro

Performance:

Gewinn in Euro : 86.697,02 Euro

Prozentuale Wertsteigerung insg. : 696,09 %

Prozentuale Wertsteigerung pro Jahr : 14,84 %

(Quelle: Fondsweb)

Das Ergebnis ist beeindruckend. Marcel und Ann-Kathrin könnten zum Auszahlungszeitpunkt über den, in ihren glänzenden Augen Riesenbetrag von 122.897 Euro verfügen. Dies würde rund 61.000 Euro für die Berufsausbildung jedes ihrer Kinder bedeuten, womit gewiss ein großer Teil der Ausgaben z.B. für ein Studium abgedeckt wären.

14,84 % Wertsteigerung pro Jahr über einen Zeitraum von 15 Jahren? Die Zahlen sind nicht fingiert, sondern zeigen, dass so etwas unter glücklichen Umständen möglich ist.

Aber geht es immer gut?

Ist der Cost-Average-Effekt der Garant für hohe Renditen? Können die Anleger bei einer konservativ ausgerichteten Aktienstrategie, die auf exotische Zertifikate (s. 9. Mythos) oder der Investition in Schwellenländer verzichtet, darauf vertrauen, dass die regelmäßige, langjährige Geldanlage so erfolgreich wie im ersten Beispiel ist? Der Erfolg einer risikobehafteten Investition, wie der Kauf von Aktienfonds, ist dann gegeben, wenn der Ertrag deutlich höher ausfällt, als z.B. bei der Sparkassen- oder Volksbank-Festgeldanlage.

Wir bleiben beim oben aufgeführten Beispiel, der Fonds und die Zeitdauer werden beibehalten und nur der Beginn des Ansparens geändert. Dadurch ergibt sich folgendes Bild:


DWS Akkumula

Monatliche Einzahlung : 200 Euro

Startdatum : Januar 1997

Enddatum : Januar 2012

Ausgabenaufschlag : 5 %

Summe der Einzahlungen : 36.200 Euro

Depotwert : 40.788,83 Euro

Performance:

Gewinn in Euro : 4588,83 Euro

Prozentuale Wertsteigerung insg. : 26,23 %

Prozentuale Wertsteigerung pro Jahr : 1,56 %

(Quelle: Fondsweb)

In dieser Berechnung hätte im Januar 2012, wenn die Kinder von Marcel und Ann-Kathrin das Geld brauchen, die Rendite lediglich 1,56 % pro Jahr betragen. Dieser Gewinn rechtfertigt aber nicht das hohe Risiko, dass mit einer Anlage in einen Aktienfonds verbunden ist. Diese Wertsteigerung wäre in dem genannten Zeitraum mindestens bei der Festgeldanlage oder dem Kauf von Bundeswertpapieren erreichbar gewesen und zwar sicher, ohne die Gefahr eines möglichen Verlustes. (Ganz große, in der Bundesrepublik Deutschland noch die da gewesene Katastrophen sind hiervon selbstverständlich ausgenommen).

Wenn auch die prozentuale Wertsteigerung in dem Beispiel gering ist, so ist immerhin ein positiver Ertrag zu verzeichnen. Dass dies aber nicht immer so ist, zeigt die nächste Berechnung.

Nehmen wir an, die beiden wollten ihre gesamte Geldanlage und Versicherung in eine Hand geben und wären von ihrem Bankberater dahingehend beraten worden, einen europäischen Fond der Allianz-Gruppe zu erwerben.

„Der Fonds enthält überwiegend Aktien europäischer Unternehmen, die dem Shareholder-Value-Ansatz Rechnung tragen. Insofern investiert das Fondsmanagement in Titel von langfristig überdurchschnittlichen Eigenkapitalrenditen erwirtschaftende Unternehmen, die sich zudem möglichst auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Darüber hinaus wird auf eine aktionärsfreundliche Informationspolitik sowie eine eindeutige, zielgerichtete Unternehmensstrategie Wert gelegt“. (Fondsprospekt)

Hört sich gut an, oder? Der Fond ist in Europa aktiv, also in demokratischen Ländern mit überwiegend guter wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung. Zudem erfolgt die Aktienauswahl von Profis, die mit Sicherheit über ein überragendes Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge verfügen und die Investition in die einzelnen Unternehmen nach den neuesten Erkenntnissen der Portfolio-Theorie streuen.

Was spricht also für Ann-Kathrin und Marcel dagegen, für die Ausbildung der Kinder monatlich 200 Euro in diesen soliden europäischen Fonds zu investieren und den Cost-Average-Effekt mitzunehmen?

Die monatliche Einzahlungssumme sowie das Start- und Enddatum bleiben zum obigen Beispiel unverändert.

Allianz EuropaVision A

Monatliche Einzahlung : 200 Euro

Startdatum : Januar 1997

Enddatum : Januar 2012

Ausgabenaufschlag : 5 %

Summe der Einzahlungen : 36.200 Euro

Depotwert : 26.061,64 Euro

Performance:

Gewinn in Euro : - 9938,36 Euro

Prozentuale Wertsteigerung insg. : - 49,37 %

Prozentuale Wertsteigerung pro Jahr : - 4,44 %

(Quelle: Fondsweb)

Wenn Anne-Kathrin und Marcel das Geld einfach im Safe verstaut hätten, könnte jedes Kind nach 15 Jahren monatlichen Sparens über rund 18.000 Euro verfügen.

Obwohl die beiden eine relativ konservative Anlageform wählten und den Cost-Average-Effekt ausnutzten, muss sich jedes Kind jetzt mit 13.000 Euro begnügen und dies aus einem einzigen Grund: Anne-Kathrin und Marcel – und damit ihre Kinder – hatten einfach Pech. Sie mussten zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. Zeitraum verkaufen und dieser erwies sich leider als ungünstig.

Sie können selbständig viele Beispiele durchrechnen. Ich empfehle Ihnen den Fondsrechner auf www.fondsweb.de, mit dessen Hilfe alle Berechnungen der Wertentwicklung von Fonds in diesem Buch erfolgen.

Mit Hilfe dieses Rechners können Sie z.B. kalkulieren, was passiert wäre, wenn Sie im Februar 1997 in einem auf Bankaktien spezialisierten Fonds investiert hätten oder einem als konservativ bezeichneten Dachfonds usw. Viel Spaß.

Die Postbank z.B. schreibt, ehrlicherweise in dem oben zitierten Text weiter:

„In den meisten Fällen ist der Cost-Average-Effekt für Sie von Vorteil. Einzige Ausnahme: Wenn in den letzten Jahren der Sparplanlaufzeit die Preise ständig fallen. Dann verliert das Vermögen an Wert, und es bleibt keine Zeit mehr, die angefallenen Verluste einzuholen. Daher sollten Sie unbedingt Ihre Anlagestrategie überprüfen und ggf. eine Anpassung z. B. einen Wechsel zu einem wachstums- bzw. sicherheitsorientierten Fonds vornehmen. Sind dagegen zu Beginn der Sparplanlaufzeit die Kurse niedrig, stehen die Chancen nicht schlecht, dank Cost-Average-Effekt langfristig eine attraktive Rendite zu erzielen“. (Postbank)

„Einzige Ausnahme“ heißt nichts anderes, als sich auf ein Glückspiel einzulassen. Aber wollen Sie tatsächlich mit der Bildung Ihrer Kinder spielen, Ihrem meist sinnvollen Traum von Eigenheim oder dem würdigem Leben im Alter.

Eine weitere Frage, die Sie, lieber Leserin, sich stellen sollten ist, wer weiß, wann die Kurse niedrig sind?

Der Börsenorakeltest

Testen Sie bitte auf den nächsten zwei Seiten Ihre Fähigkeit als Börsenorakel, indem Sie sich in folgendes, reales Szenario hineinversetzen:

Im Januar 2008 ist der DAX®von 8100 auf 6384 Punkten gestürzt. Ein Einbruch der Kurse von 21 % innerhalb weniger Tage.



Abb.4: DAX®nach massivem Kursverlust im Januar 2008

Bevor Sie weiterlesen beantworten Sie für sich die folgenden Fragen:

 Bedeutet dieser Crash, dass die Kurse jetzt niedrig sind?

 Steigen die Kurse?

 Bleiben Sie in etwa gleich und schwanken nur im Tagesverlauf hin und her?

 Fallen die Kurse weiter?

 Würden Sie jetzt einsteigen?

Schreiben Sie Ihre Antwort auf einen Zettel und betrachten Sie den weiteren Verlauf des DAX®-Index


Abb.5: Wöchentlicher Kursverlauf des DAX®mit Markierung des Januar 2008

Falls Sie falsch gelegen haben und nicht vermuteten, dass der DAX®nach dem kräftigen Kursrückgang im Januar 2008 nochmals rund 50 % seines Wertes verliert – seien Sie getröstet, niemand kann einen Kursverlauf vorhersagen und sie können nur hoffen, dass Sie Ihren Fonds nicht in einer Phase intensiven Kursrückgangs verkaufen müssen. Der Durchschnittspreis-Effekt hilft Ihnen dann herzlich wenig.

Fazit

Der passive Ansatz „Regelmäßig kaufen und den Durchschnittskosten-Effekt nutzen“ kann für den Privatanleger eine erfolgreiche und bequeme Form der Geldanlage sein. So manche typische Falle wie „Privatanleger kaufen dann, wenn die Kurse am höchsten sind und verkaufen kurz bevor sich die Aktien wieder erholen“ lässt sich elegant vermeiden und durch den regelmäßigen Kauf können mehr Fonds- oder Firmenanteile erworben werden, als bei unsystematischen Käufen.

Aber:

Der Durchschnittspreis-Effekt führt nicht in jedem Fall zum Erfolg und kann selbst bei langfristigen Anlagen zu teilweise empfindlichen Verlusten führen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn die Fondsanteile oder Aktien in einem definierten Zeitraum veräußert werden müssen. Bedenken Sie, dass für Sie ungünstige Börsenphasen durchaus sehr, sehr lange dauern können.

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