Читать книгу Die Spirale der Gewaltkriminalität IV / 4., neu bearbeitete Auflage - Volker Mariak - Страница 7
Оглавление1. Vorwort zur aktuellen Auflage
„Alles fließt“ konstatierte der alte Grieche Heraklit und meinte damit, dass sich im Zeitablauf alles fortbewegt und ohne längeren Bestand bleibt. Dies gilt ebenfalls für das Auf und Ab kriminologisch relevanter Geschehnisse. Nun hat es gerade im Jahre 2020 gesellschaftliche Zäsuren gegeben, die in der Bundesrepublik wohl seit den unmittelbaren Nachkriegsjahren ohne Beispiel sein dürften: Im Fokus stehen hier die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie (Corona). Diese Folgen, die längst nicht überwunden sind, wirken ein auf das Zusammenleben in den Familien und sonstigen sozial engen Beziehungen (Intim-Partner*innen).
Im Band der zweiten Auflage wurde u. a. der Brennpunkt „häusliche Gewalt“ erörtert: Studien (vorwiegend US-amerikanische) zeigen auf, dass hier ein gravierendes ethisches und strafrechtliches Problem besteht, welches über Jahrzehnte hinweg - und allein schon aufgrund mangelhafter polizeilicher Statistiken – unterschätzt wurde. Eng verknüpft mit diesem gesellschaftlichen Desaster ist das Problemfeld Tierquälerei / Tiertötung, so dass in vielen Fällen Letzteres als frühes Warnsignal vor der Gewalt gegen Menschen dienen sollte.
Mit dann folgenden Auflagen verbunden ist neben einer Überarbeitung bestehender Texte die inhaltliche Ergänzung zum Thema Covid-19-Pandemie. Wie von Fachwissenschaftler*innen kaum anders erwartet, haben die Kontaktbeschränkungen in der Pandemie bereits im ersten Covid-19-Jahr katastrophale soziale Folgen ausgelöst. So sind durch wiederholte Verhängungen mehr oder weniger „harter“ Lockdowns fast alle öffentlichen Aktivitäten zum Erliegen gekommen (Stichworte: Besuchsverbote selbst im Familienkreis, polizeilich kontrollierte Abstandsweisungen in der Öffentlichkeit, das Verbot größerer Feiern, die Beschränkung der Urlaubsfahrten, die zeitweise Aussetzung der Betreuungsarbeit in den Kindertagesstätten und die oftmalige Aufhebung des Präsenz-Unterrichts an den Schulen, die weitgehende Schließung der Gastronomie-Betriebe und des Einzelhandels, der Zwang zum „Homeoffice“, die Zusperrung von Freizeit-Einrichtungen plus der Einstellung kultureller und sportlicher Veranstaltungen, usw.).
Weitgehend auf den eigenen Wohnraum beschränkt, in der Krise derart sozial isoliert und mit der Verarbeitung existenzbedrohender Notlagen auf den engsten Familienkreis reduziert, steigt die Zahl häuslicher Konflikte und mit ihnen die Verübung häuslicher Gewalt gegen Mensch und Tier.
Gegenwärtig, im November 2021, befinden wir uns in der vierten Pandemie-Welle: Die Werte der bundesweiten Inzidenz-Messung des Robert Koch-Institutes (RKI) haben deutlich die Kennzahl 400 überschritten und streben einem bisher nicht gekannten Höchststand zu (Modus der Aussage: 7-Tage-Inzidenz aller gemeldeten hospitalisierten COVID-19-Fälle). Entbrannt sind hitzige öffentliche Debatten um die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht sowie einer Impfpflicht für spezielle Berufsgruppen. Und erneut wurden bereits gravierende Kontaktbeschränkungen veranlasst. Ein großes Thema ist die sog. Booster-Impfung, die als dritte Impfung in Folge den stark sinkenden Infektionsschutz so weit wie möglich erneuern soll. Die Furcht in der Bevölkerung wächst. Eine Spaltung der deutschen Gesellschaft in Geimpfte und Ungeimpfte ist nun klar erkennbar und wirft zwischen beiden Bevölkerungsteilen tiefe soziale Gräben auf.
Die Gewaltspirale erfährt in diesem Klima allgemeiner Zukunftsangst und der nicht nur gesundheitlichen Bedrohung eine kräftige, weitere Drehung. Diese Problematik konnte in einem Fachtext, der sich mit dem „Link“ zwischen der Gewalt gegen Mitmenschen und der Gewalt gegen Tiere befasst, nicht übergangen werden.
Weit davon entfernt, einen umfassenden Einblick in die bereits jetzt im Rahmen der Covid-19-Krise vorliegende Gewaltliteratur bieten zu können, soll der neue Textabschnitt auf soziale Auswirkungen der Pandemie hinweisen: In der Entstehung befindet sich ein brisant verschärfendes Negativ-Phänomen, das bei Nichtbeachtung auf seine Weise für unsere Gesellschaft ebenso gefährlich werden könnte, wie die Ausbreitung der Pandemie selbst. Dass zudem „häusliche Gewalt“ mit der Gewalt gegen (Haus-)Tiere erwiesenermaßen eng verknüpft ist, bietet für private und staatliche Schutzeinrichtungen beider Couleur die Chance effektiverer Eingriffe. Damit wird erneut deutlich: Tierschutz ist ebenfalls Menschenschutz.