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Kapitel VII - Sarazenen

Rhônetal, in der Nähe von Avignon

1456 anno Domini, Sommer

»Hey, was macht der Kleine denn da?« fragte sich einer der Osmanen auf dem vorderen Floß, aber da war es bereits zu spät für eine verbale Antwort.

… kawummm …

… machte es - es krachte und donnerte, es blitzte und Funken stoben auf.

»Merde« schreckte der Sarazenenhauptmann auf. »Was war das denn?« Durch die Explosion aufgerüttelt, sprang er wie gestochen hoch. Er blickte vom hinteren Floß - auf dem er bis gerade eigentlich noch eine einigermaßen unauffällige Fahrt verbracht hatte - zum nun steuerlos vor sich hintreibenden, vorderen Floß. Qualm breitete sich vor ihm aus und Bretter flogen durch die Luft. Er sah gerade noch, wie einige Körperteile seiner Leute ins Wasser eintauchten, nachdem sie in hohem Bogen durch die Luft geworfen worden waren. »… was ist denn …? wieso …? und woher kam denn …?« Er versuchte seine Gedanken zu ordnen. »… Schneller fahren. Los, schneller fahren« rief er seinen Leuten zu und die versuchten jetzt das zerborstene Gefährt vor ihnen einzuholen, indem sie das Ruderblatt zusätzlich im Wasser schwenkten und so von hinten zusätzlich beschleunigten. Doch die Rhône schäumte vor Wut, dass sie jemand in ihrem Wasserbett aufgerüttelt hatte und so gab sie alles, was sie an Unbill aufbringen konnte, und schüttelte die Männer auf beiden Flößen gewaltig durch.

»Da ist der Kleine« rief einer der Soldaten und zeigte auf einen Wellenkamm. Er hatte gerade den Küchenjungen entdeckt, wie er im Fluss - tot oder bewusstlos - umhertrieb. Padong … da wurde er auch schon vom Rand des Floßes erfasst und unter das Holz gedrückt.

»Lasst ihn - er ist tot. Das überlebt man nicht lange. Schade eigentlich« entgegnete der Hauptmann. »Aber die da vorne sind noch nicht tot … los jetzt … schneller.«

Der Fluss kochte. Überall waren Felsbrocken im Wasser und sie erzeugten Untiefen, Blasen und weiße Wände aus Schaum. Beide Holzflöße tanzten förmlich auf dem Wasser - sie wurden hochgeworfen und wieder aufgefangen, machten Schlenker, wischen aus und drehten sich im Kreis. Aber langsam kam das hintere dem vorderen Floß näher.

»Da, noch einer.« Die Beine eines Mannes hingen abgetrennt, aber noch immer gut zu erkennen, an einem Stück vom abgesprengten Teil der mittleren Verankerung des vorderen Floßes. »Allah …« rief einer der Muselmanen, denn er hatte gerade erst bemerkt, dass der Rest des Mannes hinter seinen Beinen hertrieb - leblos.

Überall kamen jetzt Holzteile und Körperteile angeschwommen. »Da … der lebt noch« bemerkte ein anderer Soldat hektisch. Noch ein Sklave trieb jetzt vor ihnen her und er schien sogar noch etwas schwimmen zu können. »Entweder der Kerl verstellt sich für uns, damit wir ihn schwimmen lassen, oder ihm geht gerade wirklich die Luft aus.«

»Einfangen … Los, einfangen« rief der Sarazenenhauptmann und sofort rannten zwei Soldaten längsseits und drei weitere nach vorne zum Bug, um den Flüchtling einzusammeln, aber es war bereits zu spät. Das Floß war mittlerweile einfach zu schnell und der Sklave … dong … dong … dongledong … verschwand unter dem Holz.

»Nach hinten, ihr Idioten.« rief der Sarazene. »Gleich kommt er hinten wieder raus.«

Die fünf rannten nach achtern, aber da kam keiner. »Der ist sicher irgendwo hängen geblieben, oder hat sich …«

»Schwachkopf« sprang der Hauptmann ins Wort. »Der will uns nur täuschen. Er versucht nur uns auszu…« … dong … dong … wurde der Sarazene jetzt selbst unterbrochen.

»Er ist noch immer unter uns« reif einer der Soldaten und versuchte die Position zu orten. Hektisch lief er von einer Stelle zur anderen - immer weiter achtern - Richtung Heck, zur Ruderanlage.

Die anderen Sklaven auf dem Floß schauten sich an und glaubten ihren Ohren nicht zu trauen. »Diese Wahnsinnigen glauben wirklich, dass der noch lebt, und sie täuschen will.« … Zack … war die Antwort eines Soldaten, der das ebenfalls gehört hatte.

… dong … dongledong … dong … »Da … jetzt kommt er gleich raus« rief einer, als der unter Wasser mitgeschleppte Sklave endlich zum Vorschein kam und … und er noch immer lebte. Sein zu Eis erstarrter Kopf schoss aus dem Wasser und holte tief Luft … dann war er wieder weg. Zu spät für die Soldaten, ihn noch einzufangen. Nur ein Schlag mit dem Ruderblatt konnten sie noch austeilen, dann tauchte er wieder unter.

»Der ist tot. Bei dieser Temperatur hält keiner lange stand« meinte der Sarazene. »Wir müssen uns um die da kümmern« und er zeigte dabei auf das vordere Floß, mit dem sie jetzt bereits auf fast gleicher Höhe waren. »Längsseits gehen und rammen« rief der Hauptmann und darauf wurde das Ruderblatt hart nach außen gezogen. Langsam kam das zerstörte Floß näher und wurde angefahren … bummm … Die Soldaten warfen schnell einige Seile zur anderen Gruppe auf dem zerstörten Floß und beide Boote wurden nun aneinander geschnürt, so dass die restliche Fahrt gemeinsam fortgesetzt werden konnte. Etwas später, an einer seichten Stelle, als der Fluss langsam etwas ruhiger vor sich hinfloss, wurde das angeschlagene Gefährt angelandet, und der entstandene Schaden begutachtet.

Ein Großteil der Ruderanlage war durch die unerwartete Explosion im hinteren Bereich vollständig zertrümmert worden, so dass ein Lenken nicht mehr möglich war. Einen Wächter, es war Abdul Faisal - der Neffe des Sarazenen und verantwortlich für die gute Behandlung der Sklaven - hatten sie bereits während der Durchfahrt durch die Stromschnellen verloren - wahrscheinlich war er darin ertrunken. Zwei weitere Kollegen, die die Lenkstange bedienen sollten, waren gerade eben durch die Explosion in tausend Fetzen zerrissen worden und hingen noch immer in kleinen Stücken an dem einstigen Holzgeländer des halb zerstörten Floßes. Leider waren auch ein paar Sklaven dabei drauf gegangen, was den Gewinn der anderen deutlich schmälern würde. Bisher war auch noch nicht vollständig geklärt worden, was die Explosion überhaupt ausgelöst hatte. Einer der Wachen des zerstörten Floßes hatte lediglich gesehen - und das berichtete er gerade - dass, kurz vor dem Anschlag, der Küchenjunge ins Wasser gehopst war »… und das sogar, obwohl er noch am Karren angekettet war. …« Das führte dazu - so erzählte er »… dass er mit untergetauchtem Kopf einige Meter hinterher gezogen wurde. Dann krachte es schon und der Karren mit samt Jungen waren gleich darauf verschwunden. Der ist sicher auch in kleinen Fetzen davon geflogen« vermutete der Orientale belustigt.

»Das ist er nicht, du blöder Idiot …« hörte man den Hauptmann schreien. »… dieser Scheißkerl hat uns das Floß in die Luft gejagt, und unsere Gefangenen ebenfalls« schnauzte er seinen verblüfften Untergebenen an. »Aber womit?« überlegte der Sarazene. Es fiel ihm schwer einen klaren Gedanken zu fassen, denn sein Ärger über dieses Missgeschick und die nicht kalkulierten Einbußen, verhinderten es. »Schwarzpulver vielleicht? … Woher hatte er das? Wieso hat er es überhaupt entzünden können?« kamen bei ihm quälende Fragen auf. »Die habt ihr ihm doch nach dem Essen immer wieder weggenommen?« fragte der Hauptmann seine Leute, die im Spalier aufgereiht vor ihm standen und sich keiner Schuld bewusst waren.

»Haben ihm was weggenommen, Chef?« fragte einer aus der hinteren Reihe.

»Die Zunderbüchse natürlich, du saudummer Dämel. Die habt ihr ihm doch immer wieder weggenommen? Oder etwa nicht?« Doch es kam keine Antwort. Die einzige, die sie ihm ehrlicher Weise hätten geben müssen, wurde nicht ausgesprochen. Doch ihr Schweigen war so gut, als hätten sie die Wahrheit gesagt. Der Sarazene tobte vor Wut, seine Stimme bebte und sein Blut kochte. Er war so sauer darüber, dass ihm jemand den Verdienst geschmälert hatte - weniger über den Tod seines geliebten Neffen - dass er in diesem Moment nicht gezögert hätte, die Anzahl der Söldner noch weiter zu verringern, nur um seinen eigenen Anteil damit zu erhöhen. »Ich hacke euch die Köpfe ab … Ihr blöden Deppen … Ich werde euch ins Loch werfen lassen, wenn wir wieder auf dem Schiff sind, das verspreche ich euch … Ich lasse euch rudern, bis ihr tot umfallt. Geht mir aus den Augen, ihr Möchtegernkrieger, oder besser noch … stecht euch selber ab, dann bleibt mehr für mich übrig.«

»Aber wie konnten wir denn ahnen, dass dieser kleine …« … sssssst … flllooppp … »… äaahhh« war alles was einer der Soldaten als Versuch der Erklärung noch über seine Lippen brachte, bevor der Sarazenenhauptmann, mit einem kalten Stahl, seinen angefangenen Satz wirsch unterbrach, er auf die Knie sackte und sein abgetrennter Kopf dabei zur Seite kippte.

»Habt ihr jetzt begriffen, was ich mit jedem mache, der noch einmal Mist baut« erwiderte der Hauptmann und wischte das Blut von seinem Säbel. »Ich will keine Entschuldigung mehr von euch hören. Überlegt euch die nächsten Taten besser, oder ihr werdet es bereuen.«

Einigermaßen aufgewühlt über den Vorfall begaben sich die Soldaten, wie angeordnet, in den benachbarten Wald um Baumstämme zu besorgen und das Floß damit notdürftig auszubessern. Einige der Söldner errichteten ein Lager, andere bauten die Zelte auf oder entzündeten Feuerstellen. Die Sklaven selbst wurden nur zum Teil und unter strengster Bewachung, dann aber auch nur für einige leichte Arbeiten, herangezogen - niemand wollte noch weiteren Schaden anrichten. Frustriert, verängstigt und eingeschüchtert machten sich die osmanischen Soldaten ans Werk, und versuchten das zerstörte Floß notdürftig auszubessern. Einige der mitgenommenen Werkzeuge waren zuvor auf dem vorderen Floß verstaut worden, darunter auch Stemmeisen und Hammer. Diese gingen bei der Explosion leider verloren, weshalb einige Handarbeiten, wie zum Beispiel das Glätten des Ruderblattes, nur mit unzureichenden und eigentlich dafür nicht geeigneten Gegenständen angefertigt werden mussten. Das Ausbessern des Floßes dauerte aus diesem Grund mehr als vier Tage und kostete sehr viel Schweiß, bevor man auch nur daran denken konnte, wieder Fahrt aufzunehmen. Außerdem wurden zwischendurch einige Kräfte gebunden, die zur Nahrungssuche und Jagd abgestellt werden mussten, denn mit einer derart unkonventionellen und ausgedehnten Bootsfahrt hatte der Sarazene nicht gerechnet und der mitgenommene Proviant war bereits nach drei weiteren Tagen verbraucht. Alles in allem war es so ziemlich das Schlimmste, was dem Hauptmann in den letzten fünf Jahren passiert war, und er war mehr als erbost darüber, was er auch einige Male an seinen Leuten ausließ, niemals aber an seiner Ware. Noch mehr als vorher, gab er jetzt Acht auf alles, das seinen Gewinn weiter hätte verringern können.

Auch die Späher und Wächter hatten jetzt beide Augen offen, und horchten aufmerksamer als je zuvor in die Nacht hinein. Einer glaubte daher auch melden zu müssen, dass er ein kleines Licht gesehen hatte. Am Waldrand, etwa zwei Meilen weiter Flussaufwärts. Es flackerte kurz auf, und erschien ihm wie ein Lagerfeuer, auf das gerade ein Scheit Holz gelegt worden war, denn es flogen Funken hoch, die sich ganz deutlich vom tiefschwarzen Sternenhimmel abhoben. »… Es brennt vielleicht noch immer« beteuerte er. Aber der Hauptmann, der bereits einige Stunden geschlafen hatte und etwas verknautscht aussah, schien nicht daran interessiert zu sein und wiegelte nur ab.

»Wahrscheinlich ein Landstreicher oder ein Gaukler. Versuch’ ihn einzufangen und bring’ ihn her. Er kann uns den angerichteten Schaden etwas mildern …« Dann legte er sich wieder hin und schloss die Augen. »… und jetzt raus mit dir« greinte er und lag bereits wieder im Halbschlaf.

Unbeachtet und wenig ernst genommen verließ der Soldat das Zelt und machte sich auf, den Landstreicher zum Sklaven zu degradieren. Drei Mann kamen mit ihm. Doch als sie endlich an der Stelle angekommen waren, an der der aufmerksame Melder glaubte, das Feuer gesehen zu haben, war es bereits erlöschen. Nur noch einige kokelnden Holzreste zeugten davon, dass hier tatsächlich gerade noch jemand genächtigt, sich aber offenbar ein paar Minuten zuvor, aus dem Staub gemacht hatte. Die drei Kameraden standen still und versuchten in der Nacht nach ungewöhnlichen Geräuschen zu lauschen. Vielleicht konnte man in der Ferne noch etwas von dem herumstreunenden Strauchdieb hören. Doch sie vernahmen nur ein leises Rasseln, wie wenn sich ein Blatt im Wind bewegt. Nachdem einer der Soldaten sein Schwert ein paarmal - vielleicht aus Sorgfaltspflicht - durchs Gras hatte gleiten lassen, verließen sie den Lagerplatz unverrichteter Dinge und gingen zurück zu ihrem eigenen, um dort dem Hauptmann Meldung zu machen. Einige hundert Meter davor waren schon Geräusche und einiger Tumult zu hören.

Im Morgengrauen, eine halbe Stunde nach der Meldung des Soldaten, war auch dem Hauptmann endlich klar geworden, dass der Landstreicher vielleicht auch der Küchenjunge hätte sein können. Sofort entbrannte wieder seine Wut über diesen elenden Bengel und er sprang aus dem Bett und schrie wie ein Irrer das ganze Lager zusammen. »Verrat … Diebe … Gauner« rief er und wütend schwang er sein Schwert. Die Soldaten, die unverhofft aus dem Schlaf gerissen worden waren, schreckten auf und griffen ebenfalls nach ihren Waffen. Sie liefen wie wild umher und suchten nach den elenden Verrätern, die gerade versuchten, das Lager anzugreifen und auszurauben. Es dauerte gute zehn Minuten und viel Redekunst bis auch der letzte Soldat endlich verstanden hatte, dass niemand das Lager anzugreifen oder auszurauben versuchte. Stattdessen hatte der Hauptmann nur seinen Verstand zurückerhalten. »… Ich will diesen Sauhund haben. Findet ihn - er soll dafür bezahlen« rief er und schickte seine Leute mitten in der Nacht los, um einen wahrscheinlich längst ertrunkenen oder explodierten Küchenjungen zu finden.

Fackeln wurden entzündet und die vom Hauptmann dafür eingeteilten Soldaten liefen unverzüglich los. Ihre Suche begann an der Lagerstätte, wo die drei Soldaten das Geräusch, dieses Rascheln, gehört hatten, doch hier war, genauso wie auch schon zuvor, nichts mehr von dem Feigling zu finden. »Ins Wasser wird die Ratte kaum gegangen sein, nachdem, was er heute Mittag darin bereits durchgemacht haben muss« sagte einer. »Wenn er es überhaupt ist, was ich bezweifle« sagte ein Zweiter.

»Und Flussaufwärts wird er auch nicht gelaufen sein. Da kommt man nicht weit. Zu steil sind die Hänge und zu dornig die Sträucher« fügte ein Dritter an.

»Also nach Westen, denn Flussabwärts wäre er uns in die Arme gelaufen« glaubte ein Vierter.

Die Soldaten rannten in kleinen Abständen nebeneinander, mal nach links, mal nach rechts abbiegend, aber immer zielstrebig Richtung Westen, der vor ihnen liegenden Hügelkette entgegen. Als die Sonne schon langsam aufging, schien es einem der Soldaten, als hätte er kurz eine Gestalt über den Bergkamm huschen sehen. Hastig beschleunigten sie ihr Tempo und beschritten nun den Hügel auf direktem Wege, ohne dabei noch weiter auf die buschigen Seiten zu achten. Auf dem Kamm des vor ihnen liegenden Hügels angekommen, blieben die Männer stehen und schauten nach Westen in das vor ihnen liegende schwarzbraune Tal - verdorrt und verbrannt war die Gegend und nichts rührte sich darin. Links und rechts wurde die steil abfallende Ebene von kleinen Berggraten eingegrenzt. Im Tal selbst wuchsen nur dornige Sträucher, kaum Bäume und keine Blumen.

»Eine ziemlich unfreundliche Gegend« sagte einer, denn es war wirklich nichts außer Gestrüpp zu sehen und selbst das war offenbar zuvor von einem Brand versengt worden.

Die Ebene breitete sich auf Meilen vor ihnen aus, unbarmherzig und unfreundlich, trocken und kahl. Der Wind verstummte und selbst die Vögel schienen den Atem anzuhalten. Alles hatte den Anschein, als dass die gesamte Welt nur darauf warten würde, was die Suchenden jetzt als nächstes tun würden.

»Er ist abgestürzt« sagte einer der Soldaten, der direkt vor dem Abgrund stehen geblieben war. »Hier, die Steine rollen noch.«

»Blödmann. Das warst du selbst« sagte ein anderer.

»Nein, sieh doch. Er hat sich den Schädel aufgeschlagen« erwiderte er. Frisches Blut lag verschmiert auf einem Stein, der Abhang war noch immer in Bewegung und die Abbruchkante zeigte deutlich, dass hier jemand ausgerutscht und abgestürzt sein musste. »Autsch … hier liegt sogar noch ein Stück seines Schädels und sein rotes Haar klebt noch daran … Er hatte ziemlich dickes Haar, wie mir scheint. Ist mir gar nicht so aufgefallen.«

»Sollen wir runter steigen und das Schwein wieder raufholen?« fragte der vordere.

»Ach was. Es genügt, wenn er tot da unten liegt. Von Mitbringen hat der Hauptmann nichts gesagt, zumindest nicht, wenn er schon tot ist« meinte ein anderer.

»Und ich hab’ auch keine große Lust, selbst noch auf die Fresse zu fallen. Soll er liegen, wo er liegt. Tot ist er auch da unten« stimmte ein anderer zu.

»Du hast recht, einen solchen Absturz überlebt keiner« waren sich alle einig. Die Soldaten machten kehrt und rannten ins Lager zurück, wo sie ihrem Anführer - dem Sarazenen - einen detaillierten Bericht erstatteten und anschließend ihr wohlverdientes Frühstück einnehmen wollten.

»Seid ihr ganz sicher?« fragte er die Betroffenen.

»Jaja« antworteten sie in einer Stimme. »Er ist abgestürzt. Wir haben es genau gesehen.«

»Abgestürzt … Hhm? Er ist in einen Abgrund gefallen und hat sich den Kopf aufgeschlagen? … Und das habt ihr wirklich gesehen?« fragte er nach.

»Jaja. Überall lag Blut, der Hang war sogar noch in Bewegung, und die Kante war abgebrochen. Überall lagen blutige Steine herum. Er ist runtergefallen und hat sich den Schädel gespalten.«

»Aber habt ihr ihn auch da unten liegen sehen?« fragte der Hauptmann noch einmal nach.

»Ja sicher, er lag im Tal und war von Steinen bedeckt«, sagte einer der Soldaten schnell. Was interessierte es denn, ob sie ihn wirklich gesehen hatten. Wichtig war doch nur, dass er tot im Loch lag.

»Und er ist sicher tot« fragte der Hauptmann erneut.

»Ja doch …« hieß es als Antwort. »… er hat auch nicht mehr geatmet.« Eine kleine Notlüge würde niemanden weh tun, den Sarazenen aber vielleicht von einer vorschnellen Tat abhalten.

»Warum habt ihr das Schwein dann nicht mitgebracht?« fragte er weiter und den Soldaten wurde langsam schwindlig im Kopf. Wieso stellte er nur so viele Fragen? Fragen, auf die sie keine guten Antworten hatten.

»Na ja … er war blutig, zerschmettert … und er hat bereits gestunken« erklärte einer. Die Soldaten wurden unruhig, denn spürten jetzt, dass der Hauptmann sich damit nicht so einfach abspeisen lassen würde. Also musste man noch eine weitere Lüge anhängen. »Es saßen sogar schon Fliegen auf ihm und Vögel knabberten sein Fleisch vom Knochen. Was sollten wir also noch mit ihm anfangen? Er hatte keinen Wert mehr für uns. Man kann ihn nicht mehr verkaufen« schob ein anderer deshalb sofort hinterher. »

»Das stimmt allerdings. Tot nutzt er uns nichts mehr … Na also gut. Die Sau hat seine Strafe bekommen. Lassen wir ihn da liegen.«

Ein Gefühl von Erleichterung ging durch die Mannschaft. Der Sarazene war endlich zufrieden gestellt. Er hatte seine tödliche Gewissheit bekommen und niemand musste deshalb mehr den Kopf verlieren.

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