Читать книгу Selig - Volker Schunck - Страница 8
Einleitung
ОглавлениеIch habe mich seit Wochen in die theologische Literatur über die Bergpredigt vertieft und mich unter anderem mit der Frage auseinandergesetzt: Was hat Jesus wirklich gesagt von dem, was in der Bergpredigt steht (ipsissima vox), und was hat ihm Matthäus nach bestem Wissen und Gewissen in den Mund gelegt, was seiner Meinung nach Jesus der Gemeinde des Matthäus außerdem noch hätte sagen können oder sagen müssen? Dazu gehört z.B. Mt 6, 1-18, in der Schlachter-Bibel mit “Vom Almosen geben”, “Vom Beten” und “Vom Fasten” überschrieben. Aber er nimmt auch Ergänzungen vor, die dem besseren Verständnis dienen sollen. Wie ist das z.B. gemeint, wenn Jesus im Lukasevangelium sagt: Selig sind die Armen, denn ihnen gehört das Himmelreich. (Lk 6,20)? Sind damit wirklich nur die Menschen gemeint, die kein Geld in der Tasche haben und von der Hand in den Mund leben? Oder ist das zu kurz gegriffen? Ist damit nicht viel eher etwas Immaterielles, Geistiges oder Geistliches gemeint? Nicht eher eine Herzenshaltung? Und so ringen wir nicht nur heute um eine Interpretation der Jesusworte, sondern schon die frühen Christinnen und Christen haben selbstverständlich die Worte Jesu zu verstehen versucht. Für Matthäus bedeutete das: Die Armen sind nicht nur die materiell Armen sondern die geistig oder geistlich Armen. Das ist nichts Verwerfliches, wie es Gerd Lüdemann in seinem Buch “Der erfundene Jesus” suggeriert. Er spricht davon, dass der Vers, der auch im Lukasevangelium steht, von Matthäus “umgebogen” worden ist (S. Lüdemann, Gerd, Der erfundene Jesus, Unechte Jesusworte im Neuen Testament, 2008, S. 68).
Also bitte! Trifft das den Kern seiner Motivation, Jesus seiner Gemeinde nahe zu bringen und in die Herzen zu schreiben?
Wie dem auch sei. Ich habe mich in der Textauswahl dort wo es mir plausibel schien und Lüdemann mit seiner Begründung stichhaltig ist, auf ihn eingelassen. Zumal einiges davon in der theologischen Fachwelt Konsenz ist. Den gesamten Text in der Übersetzung der Schlachter-Bibel von 1951 (Public Domain) habe ich als Anhang an das Ende des Buches gestellt. Im Vergleich mit meiner Übersetzung - oder besser gesagt: Übertragung - fällt auf, was ich von der Bergpredigt aus oben genannten Gründen ausgelassen habe.
Ich will mich nicht tiefer in den Dschungel der theologischen Diskussion begeben. Zu schnell kommt man vom “Hölzchen auf’s Stöckchen” - gemeint ist, man verwirrt sich schnell in theologischen Meinungsstreitigkeiten und unterschiedlichen Anschauungen und ist nicht mehr fähig die Stimme Jesu aus dem Text zu hören (selig sind die Einfältigen).
Aber so viel sei doch noch theologisch gesagt: Die Bergpredigt gibt es so nicht. Vermutlich hat Jesus auch auf einem Berg gepredigt, vermutlich lautete seine gute Botschaft (Evangelium) auch da: Kehrt um und glaubt an das Evangelium, denn das Reich Gottes ist nah (Mk 1,15). Aber die Zusammensetzung der Rede Jesu hat Matthäus vorgenommen.
Matthäus, ein unbekannter Judenchrist, hat sein Evangelium zwischen ca. 80 - 90 n. Chr. an eine judenchristliche Gemeinde geschrieben. Aus verschiedenen Quellen hat er zusammengenommen, was für ihn den Kern der Botschaft Jesu ausmachte.
Von Zv0486~commonswiki - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0,https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=51143429
Was wir bei Lukas traditionell als “Feldrede” kennen (Lk 6,17-46) (s. Anhang), findet im Matthäusevangelium auf einem Berg statt. Deshalb, weil der Berg für die Juden traditionell der Ort der besonderen Offenbarung Gottes ist. Mose empfing auf dem Berg Sinai die “Zehn Gebote”, Die Zuhörerinnen und Zuhörer “auf dem Berg” empfangen Jesu Botschaft. Jesus ist nicht der neue Mose, sondern Jesus spricht als Gottes Sohn an Gottes Stelle zum Volk, das in der Bergszenerie von Matthäus die Rolle des Mose einnimmt (S. Stiewe, Martin; Vouga, François, Die Bergpredigt und ihre Rezeption als kurze Darstellung des Christentums, 2001, 9-10)
Inhalt