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ОглавлениеKind armer Leute
Jesus wird als Kind armer Leute in die dunkle Geschichte geboren.
“Wie kann man heute noch Kinder in diese Welt setzen?” Diese Frage kenne ich noch aus den 80er-Jahren. Sie wird heute von einem Bulli, der beschriftet durch Dresden fährt, beantwortet: ”Jedes Kind ist ein Stück Zukunft.”Ich ärgere mich immer, wenn ich diesen Satz, wenn er mir vor meinen Augen vorbeifährt, lesen muß. Kinder sind keine Stücke, Möbelstücke, Stückgut, etwas das nach Päckchen und berechnend nach Wirtschaftskraft klingt. Ich korrigiere dann immer für mich: Jedes Kind ist ein bisschen Zukunft. Mein Ärger verraucht dann aber ziemlich schnell, denn die, die meine Frage aus den 80ern beantworten, meinen es sicher gut, setzen sich für Kinder ein, auch wenn die Wortwahl etwas unglücklich ist.
Dass wir in Deutschland und Europa überaltern, weil zu wenig Kinder geboren werden, ist fast eine Binsenweisheit, die schon in zig Talkshows rauf und runter diskutiert worden ist. Da wird einem Angst und Bange. Wer wird mal meine Rente bezahlen? So viel erstmal zum Thema Zukunft.
Am Anfang habe ich von der Geburt Jesu gesprochen, der als Kind armer Leute in die dunkle Geschichte geboren wird. Dunkel in zweierlei Hinsicht: die gesellschaftlichen Zustände zur Zeit Jesu waren so, dass man auch da schon hätte fragen können: ”Wie kann man heute noch Kinder in diese Welt setzen?” Und dunkel auch deshalb, weil vieles um die Geburt Jesu herum im Dunkel der Geschichte verborgen bleibt.
Die drei Weisen aus dem Morgenland, die dem Jesuskind Geschenke bringen, oder auch der Kindermord des Herodes, der aus Angst vor dem neuen “König Jesus”, alle neugeborenen Jungen umbringen lässt, sind zwar von der christlichen Tradition überliefert, aber wissenschaftlich nicht nachweisbar.
Schleierhaft und geheimnisvoll bleiben auch die Umstände um die Zeugung Jesu. Geboren von einer Jungfrau? Oder hatte die Geburt Jesu doch andere Ursachen? Wir wissen es nicht.
Aber diese Fragen sind keine Alles-oder-Nichts-Fragen. Daran entscheidet sich nicht, ob ich den kompletten Glauben an Gott und Christus einfach über Bord werfe, weil ich “geboren von einer Jungfrau” nicht glauben kann. Kann ich diese Ungewissheit nicht einfach aushalten? Geht es nicht um Essentielleres? Sind wir Menschen denn letztlich nicht alle, wie das Jesuskind, aus dem Herzen Gottes geboren, d.h. von Gott gewollt, geliebt und erschaffen? Und dieses Erschaffen geschieht durch die Vereinigung von Mann und Frau, ganz fleischlich, lustvoll, triebhaft, gewollt oder aus Versehen.
Ja, dass die Kinder, die heute geboren werden etwas mit mir zu tun haben, sehe ich noch ein, weil sie meine Zukunft sichern, und weil es einfach schön ist, Kinder in ihrer Lebendigkeit und Spontaneität um sich zu haben. Aber was habe ich mit einem Kind zu tun, das vor 2000 Jahren geboren wurde? Noch dazu, wenn ich seine weiteren Lebensumstände betrachte.
Jesus lebte jahrelang ein Arbeiter-Durchschnittsleben wie eine graue Maus. Er wird nur ungefähr 30 Jahre alt. Erst die letzten 3 Jahre tritt er in den Fokus der Öffentlichkeit. Er zieht bindungslos und predigend durch die Lande, hat keinen festen Platz zum Schlafen und übernachtet wo es ihm gerade einfällt, oder wo er gerade von Freunden eingeladen wird. Er ist gesellschaftlich umstritten, zwar wird er zeitweilig von den Massen umjubelt, am Schluß bleibt aber nur eine Handvoll seiner Freunde übrig, die mit ihm durch dick und dünn gehen. Einer von ihnen, nämlich Judas, verkauft ihn an die Mächtigen. Einer seiner engsten Freunde, Petrus, verleugnet ihn, als es auf Leben oder Tod geht, und sagt, er kennt Jesus überhaupt nicht.
Ist für uns Menschen des 20. und 21. Jahrhunderts ein Bill Gates nicht viel interessanter, der uns Windows und die ganzen Möglichkeiten des Internets einfach zugänglich gemacht hat? Der der reichste Mann der Welt war, und sich nun als Wohltäter für die Menschheit einsetzt, indem er sein Geld selbstlos im Kampf gegen Malaria einsetzt? Ist der nicht ein zeitgemässeres Vorbild als Jesus? Verkörpert er nicht die Ideale und Träume, die wir selbst in unserem Leben zu verwirklichen versuchen? Wer von uns hat nicht schon daran gedacht: Wenn ich im Lotto gewinne, gebe ich eine Menge von dem Geld den Armen. Aber Jesus, was ist an dem schon dran?
Das ist es eben. Jesus war nichts Besonderes. Er hatte auch kein Geld, mit dem er sich bei den Mächtigen vom Tod freikaufen konnte. Er konnte keinen Deal machen. Aber eben weil Jesus so unbedeutend und machtlos war, konnte Gott alles in ihm sein. Er hatte kein Geld, das ihm den Blick auf Gott versperrt hätte. Dadurch hat er den Unterschied zwischen wirklichem Leben, das voller Vertrauen aus Gott lebt, und dem künstlichen, angsterfüllten Leben, das sich an materielle Dinge klammert, erkannt.
“Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Geld (dem Mammon).”
Ein Mensch, der so sehr im Vertrauen auf Gott lebt wie Christus, ist von sich selber frei, weil er sich selbst losgelassen hat. Gott ist ihm alles. Die materiellen Dinge entlarven sich ihm als wertlos.
Gott klatscht vor Freude in die Hände über einen solchen Menschen!
Ein solcher Mensch ist für die meisten seiner Mitmenschen ungewöhnlich, um nicht zu sagen ausgeflippt. Es sind nur wenige bei denen der Funke überspringt. Sie erkennen durch sein Wesen und seine Worte, wie und wer Gott ist. Hätte Jesus nur ein paar gute, zu Herzen gehende Predigten gehalten, wäre er nur ein guter Redner gewesen. Das kann auch ein redegewandter Politiker: die Herzen bis zu Tränen rühren. Aber Christus ist eben so, wie Gott sich den Menschen erträumt hat: Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild.
So wie dieser Christus bist du also, Gott. Liebevoll, vertrauenswürdig, voller Güte und Erbarmen. Aber diese Schwäche und Machtlosigkeit...
Gott, du zeigst uns dein Herz durch Christus, aber viele Fragen bleiben noch offen.