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Måløy - 10. Oktober 2011

Die 3000 Einwohner zählende Ortschaft Måløy mit dem großen Fischereihafen lag bereits hinter ihnen. Die Liegezeit dort hatte nur eine halbe Stunde betragen, von 7.00 bis 7.30 Uhr. Für einen Landgang eine zu kurze Zeitspanne, weit wäre man nicht gekommen. Außerdem hatte Wieland an diesem Morgen nur schwer aus dem Bett gefunden. Nicht unbedingt ein Beinbruch, denn es war zu der frühen Stunde noch nicht einmal richtig hell gewesen.

Er hatte in aller Ruhe duschen wollen, was sich leider als nicht durchführbar erwies. Es sei denn, er hätte sich überwinden können, es mit kaltem Wasser zu tun. Aus irgendeinem Grund funktionierte die Mischbatterie nicht. Bei allen Hebelstellungen kam stets nur eiskaltes Wasser aus dem Hahn. So blieb ihm nichts weiter übrig, als nicht geduscht am Frühstückstisch zu erscheinen.

Sie trafen sich vor der Tür zum Restaurant »Saga Hall«. Wie Inga es geschafft hatte, vor ihm da zu sein, obwohl sie nach eigener Aussage eine notorische Langschläferin war, blieb ihr Geheimnis. Einen müden Eindruck machte sie auch nicht gerade, ganz im Gegenteil.

Gestern hatte Inga ihre dunkelblonden Haare zumeist unter der bunten Wollmütze versteckt, jetzt trug sie diese offen und zu einem Pferdeschwanz gebunden. Wieland fand, damit wirkte ihr Gesicht schmaler. Sie sah an diesem Morgen insgesamt fraulicher aus.

»Schau nur!«, rief sie begeistert und deutete auf den Speiseplan. Dieser hing seitlich an der Wand, war in drei Sprachen abgefasst und kündigte die Speisefolge für das abendliche Dinner an.

»Als Vorspeise gibt es Klippfischbolinhos mit Tomatensalat, dann als Hauptspeise Hühnchen Livéche mit Gemüserisotto, Paprikasauce und Linsenragout. Und zum Abschluss Apfelkuchen mit Vanilleeis. Gott, ich werde auf der Reise bestimmt ein Kilo zunehmen.«

Wieland musste unwillkürlich lachen. Am Morgen auf diese Art begrüßt zu werden, trieb die Müdigkeit aus den Augen.

»Lass uns erst einmal frühstücken«, sagte er.

Sie desinfizierten ihre Hände mit einer der Sprühflaschen, die auf einem Tischchen standen, und betraten das Bordrestaurant. Dort wurden sie vom Bedienungspersonal freundlich begrüßt. Die Frau hinter dem kleinen Empfangstresen erkundigte sich nach den Kabinennummern und dann noch, wo sie zum Dinner gerne sitzen wollten. Am Abend gäbe es nur reservierte Plätze, nicht die freie Tischwahl, wie jetzt beim Frühstücksbuffet. Die Norwegerin meinte, für sie beide käme zum Beispiel Tisch 58 in Betracht. Das sei ein runder Sechsertisch im hinteren Bereich, an dem sie bereits mehrere deutsche Passagiere platziert habe. Nach einem kurzen Blick auf den Tischplan stimmten Inga und Wieland zu.

Sie bedienten sich am reichhaltigen Buffet und fanden an einem der großen Fenster zwei freie Plätze. Der Blick auf die See war grandios.

Vorerst drehte sich Ihr Gespräch um Belanglosigkeiten. Bald aber schien es Wieland so, als hätte Inga irgendetwas auf dem Herzen. Deshalb beendete er das Wortgeplänkel und sagte: »Nun rück‘ schon raus mit der Sprache, Inga. Du willst mir doch etwas sagen.«

Sie nickte. »Mir sind heute Nacht, als ich nicht einschlafen konnte, einige Dinge durch den Kopf gegangen. Es hat zwar `ne Weile gedauert, doch dann habe ich die Lösung gefunden.«

»Für was?«, fragte er, neugierig geworden.

Sie zögerte einen kurzen Moment, dann sagte sie: »Du hast doch gestern gesagt, du hättest gern so eine Tochter wie mich. Wie wäre es also, wenn wir uns heute Abend am Tisch als Vater und Tochter vorstellen täten?«

Wieland fiel fast die Gabel aus der Hand. Alles hätte er erwartet, nur das nicht.

»Wie kommst du denn auf die Idee?«

»Na ja, wegen unseres Altersunterschieds! Wir sind schließlich kein Paar, wenn du verstehst, was ich meine. Lass die anderen denken, Vater und Tochter sind auf Reisen. Das führt nicht zu Spekulationen und wir haben unsere Ruhe.«

Er nahm einen Schluck Kaffee zu sich. Eigentlich gar keine schlechte Idee, dachte er. Die Vater-Tochter-Variante hört sich irgendwie plausibel an. Lustig war diese allemal. Er war bereit, das Spiel mitzuspielen. Vorher wollte er aber noch etwas geklärt wissen. »Gut und schön. Was ist aber mit unseren Nachnamen?«

»Na, ganz einfach! Dann war ich eben schon mal verheiratet.«

Wieland konnte nicht mehr an sich halten und prustete los. Was dazu führte, dass er sich an einem Bissen verschluckte und ihm die Tränen kamen. Als der Hustenanfall vorüber war und Wielands Gesichtsfarbe von Rot wieder in die Normalfarbe wechselte, sagte er sich, es muss der Herrgott gewesen sein, der ihm dieses Mädchen geschickt hatte. Wohl zu dem Zweck, um erkennen zu können, auf welchen Umwegen Frauen denken.

»Auf diesen Schachzug kann wirklich nur eine Frau kommen. Inga, Vater ist gut und schön, können wir nicht einfach sagen, ich sei dein Onkel?«

Sie schaute ihn entgeistert an. »Onkel? Das glaubt uns doch kein Mensch. Man würde erst recht denken, wir schliefen miteinander.« Und nach kurzem Zögern: »Du wirst doch nicht etwa die Absicht haben …?«

Wieland hob abwehrend die Hände. »Natürlich nicht!«

Ingas Gesicht bekam einen seltsamen Ausdruck, den er nicht recht deuten konnte. War es ein Fehler gewesen natürlich nicht zu sagen? Hatte er in ihren Augen falsch reagiert? Er suchte nach Worten, um zu relativieren und gleichzeitig Klarheit zu schaffen.

»Ich finde dich wahnsinnig attraktiv, Inga. Verstehe mich aber bitte nicht falsch. Wenn ich zwanzig Jahre jünger und nicht glücklich verheiratet wäre, dann wäre das vielleicht ein Thema. Du bist ein hübsches, attraktives Mädchen, das weißt du. Ich bin sehr gerne mit dir zusammen, und das genieße ich auch.«

Inga lächelte und hob drohend den Finger. »Da hast du dich gerade noch mal aus der Affäre gezogen. Gut, dann will ich dir einfach mal glauben.«

»Okay, dann machen wir es so, wie du vorgeschlagen hast. Ich meine, die Tochter-Vater-Geschichte.«

»Fein, ich wusste es!« Sie klatschte in die Hände wie ein kleines Mädchen, das vom Weihnachtsmann beschenkt wird.

»Als Vater muss ich aber einiges mehr wissen von dir, denkst du nicht auch? Sag mal, Inga, wie alt bist du eigentlich? Ich darf dich das doch fragen, oder?«

»No Problem. Ich bin im Juni sechsundzwanzig geworden.«

»Hätte ich nicht gedacht, du siehst wesentlich jünger aus.«

Inga lachte. »Danke für das Kompliment. Meine Großmutter sagt, ich sei trotz meiner sechsundzwanzig eine unreife Göre. Ich glaube, sie hat damit nicht einmal unrecht.«

»Na, ganz so würde ich das nicht sehen«, sagte Wieland mit einem leichten Lächeln. »Aber erzähle ruhig weiter von dir, mich interessiert vor allem deine Kindheit.«

SHOWDOWN AM NORDKAP

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