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Drittes Kapitel

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Inhaltsverzeichnis

Als Afra und der junge Gutsherr das Schloß nahezu erreicht hatten, erschien es dem Mädchen, als sei es nicht gut, sich nun schon zu trennen, denn alles, was noch an Worten gefallen war, befriedigte sie nicht und ließ eine Leere in ihr zurück, wie es oft kommt, daß die Nachwehen eines etwas gewaltsam eingetretenen Erlebnisses enttäuschten. Irgend etwas mußte bestimmter geworden sein, ehe sie ihn entließ, ihr war, als müßte er greifbare Zugeständnisse gemacht und mehr gegeben haben als diese nachgiebige Höflichkeit, der sie mißtraute, weil sie ihr neu war. Gewiß, sie war ungeduldig, aber es lag in ihrer Art, sich eher mit einer geringen Sicherheit zu begnügen als mit einer ungewissen Aussicht.

Ihm war bei alledem so seltsam zumut wie nicht oft in seinem Leben. Aber viel mehr als die Geschehnisse und ihre Verwirrungen wirkte Afra selbst auf ihn. Er wagte kaum noch den Kopf nach ihr zu wenden, weil er fürchtete, sie möchte längst schon gemerkt haben, wie über alles gewöhnliche Maß hinaus sie ihn erregte und fesselte. Wenn er versuchte, sie sich vorzustellen, so war sein Eindruck zuerst der einer ganz eigenartig klar geschiedenen farbigen Härte. Der Hut, das goldene Haar, die Farbe des Angesichts, die des Tuchs ihres Kleides ... alles erschien ihm in seiner Vorstellung von jener bedeutungsvollen und eindringlichen Gesondertheit wie die Farben auf den Bildern alter Meister. Jener Meister, die den Farbenwert nicht in unendlich viel ergänzenden Nuancen suchten, sondern die den Mittelton fanden und gaben, klar und wie in unfehlbarer Gewißheit, daß er alles Leben und alle Vielgestalt des Lichts dennoch voll enthielte und ausstrahlte. Diese entschiedene und geschlossene Gestalt neben ihm offenbarte ihm im Grunde ihr Wesen doch allein durch das Leben ihrer schönen und unschuldigen Augen. Diese Augen erschienen ihm so ungebrochen, so unberührt und selig in sich selbst, in ihrer Wirkung und Gewalt, wie nur die Dinge der Natur auf einen Menschen wirken können. Diese Kühnheit, die ohne einen Schein von Frechheit doch so herausfordernd und überlegen wirkte, so selbstherrlich machtvoll und voll reiner Unerfahrenheit und Klugheit zugleich. Er kannte diesen Blick bei Kindern, deren Gedanken vielleicht bei den Spielen im Garten sind, während sie ernst und ohne Aufmerksamkeit den Worten der Alten lauschen, die sie noch nicht verstehen können. Kinder, deren Menschentum in seiner seligen Beschränkung der gewichtigen Erfahrung der Großen oft so weit überlegen ist. Solche Augen schienen ihm beides in einem Herzen zu wecken: Heimweh und Schuldbewußtsein.

Sie hatten eine Weile geschwiegen. Afra betrachtete den Mann an ihrer Seite, der mit gesenktem Haupt neben ihr dahinschritt und dem sie deutlich anmerkte, daß seine Gedanken bei ganz anderen Dingen weilten als die ihren. Er wußte nicht einmal, was sie beschäftigte. Erst als er, beinahe wie aufgeschreckt durch ihr leises Lachen, rasch den Kopf hob, besann er sich darauf, daß die Interessen der jungen Dame an seiner Seite wohl kaum bei seinen Träumereien weilten. Er überdachte ihre Lage und empfand sich als lieblos und selbstsüchtig.

»Warum lachen Sie denn?« fragte er.

»Woran dachten Sie denn?« gab sie zurück.

Nun lächelte er.

»Ach, wenn ich's der Wahrheit nach sagen soll, so dachte ich mehr an Ihre Person als an Ihre Lage, und letztere sollte mir doch eigentlich aus vielen Gründen am Herzen liegen; aber meine Bitte wird mir nicht ganz leicht. Sie wird mir um so schwerer, als ich noch vor kurzem eine Kränkung ausgesprochen habe statt des Danks, den ich Ihnen schulde. So viel weiß ich wohl aus den Mitteilungen anderer, denen ich meine Erfahrung von heute morgen zugeselle, daß die Verwaltung des Schlosses und aller Güter bisher beinahe ganz in Ihren Händen gelegen hat. Sie waren die Vertraute des alten Herrn und sind sicher in alle Notwendigkeiten und in alle Verwaltungspflichten viel besser eingeweiht, als ich es jemals sein werde. Sehen Sie, und meine Bitte geht nun darauf hin, ob Sie uns die Liebe erweisen wollen, es in Ihrer Stellung zu allem und zu uns beim alten zu lassen? Ich erbitte vielleicht mehr, als Sie leichten Herzens gewähren können, denn ich zweifle keinen Augenblick daran, daß einzig die Neigung des Herrn Grafen zu Ihnen und die Ihre zu ihm Sie hier gehalten hat ...«

Er stockte und sah sie besorgt und liebevoll an. Mochte es sein, weil dem Namen Erwähnung getan war, Afra mußte an den Toten denken, der sie geliebt hatte, und an seine stolze und vornehme Art, in der er alle seine Gaben dargebracht hatte, als sei er der Empfangende. Es quälte und beglückte sie zugleich. Sie schritt mit gesenktem Haupt dahin, das Angebot erschien ihr als das Vorteilhafteste, was ihr vorläufig geschehen konnte, aber sie nickte nur nachdenklich und zögernd. Mochte er denken, sie sei undankbar, es war immer noch besser, als daß sie sich ihm durch Dankesworte für verpflichtet erklärte.

Die Rosenhecke des Schloßparks begann. Jasmin und Holundersträucher drängten über die blühenden Rosen hin, nur Vögel fanden den Weg durch dieses verworrene Dickicht, drang einmal der Blick hindurch, so blinkte hinter dem Grün die schwermütige Farbe des toten Grabenwassers, das an drei Seiten die Schloßmauern umzog und tief im Park einen ruhigen See bildete. Hart am Zaun, am Weg, stand eine alte Holzbank im Schatten eines verwilderten Apfelbaums. Afra blieb stehen. Er verstand sie und lud ein, ein wenig zu rasten. Sie warf die Zügel des Pferdes lose in ein Büschel Zweige.

»Es bleibt schon«, sagte sie. Die Hunde ließen sich ihr zu Füßen nieder, hängten die hellroten Zungen aus den schwarzen Wolfsmäulern und sahen zu ihr auf.

»So bitte ich Sie auch herzlich«, begann er nach einer kleinen Weile wieder, »Ihre Zimmer im Schloß wieder zu beziehen. Gewiß nicht allein aus Gründen der Autorität vor den Bediensteten, sondern auch aus Pietät gegen den Willen des Toten. Wenn Sie mir die Freude machen wollen, heute mittag unser Gast zu sein, so daß ich Ihnen meine Frau vorstellen kann, möchte ich Ihnen auch gern den Brief des alten Herrn zeigen, in dem ich nun vieles besser verstehe.«

»Ich muß so kommen, wie ich bin«, sagte Afra, ohne zu danken, »ich habe wenig Kleider.«

»Bitte«, sagte er einfach.

Obgleich Afra nicht groß war, empfand er sich als klein und schwächlich neben ihr. Er sah zu, wie sie ihre Reitgerte zwischen den Fußspitzen pendeln ließ, sah ihre harte, schöne Hand, den klaren, geneigten Umriß ihrer Schultern, fast ohne Wehmut, und doch von großer Lieblichkeit. In allen Einzelheiten, die zwischen ihnen besprochen waren, hatte er seine heimliche Überlegenheit in Dingen einer bewußten Gemütskraft empfunden, aber ohne Genugtuung und im Tiefsten befangen. Ihm war, während er so dasaß und die Schweigende verstohlen betrachtete, als käme es im eigentlichen, wahrhaftigen Daseinskampf auf ganz andere Kräfte an als auf die, welche er zu besitzen glaubte. Eine ganz feine, bohrende Besorgnis wuchs in seiner Seele empor. Er strich sich über die Stirn, als verscheuchte er eine dunkle Ahnung. Wollte sie denn noch lange hier sitzenbleiben? Oder lag es nicht eigentlich an ihm, aufzubrechen? Nun, es kam ja auf ein halbes Stündchen gewiß nicht an. So geschah es denn, daß Afra ihn nach einer Weile entließ, beinahe ein wenig gnädig, wie man jemand fortschickt, dem man schließlich zugeben muß, daß er getan hat, was in seinen Kräften steht.

In der Nachmittagssonne durchschritten sie nebeneinander die Räume des Schlosses. Afra erschien dem jungen Schloßherrn auf ganz neue Art, nun sie in der intimeren Kleidung des Hauses bei ihm war. Aus Bildern und Wandteppichen schaute die Vergangenheit auf sie nieder, die Freude und die Trauer des Verflossenen.

»Diese hohen Fenster sind neu«, sagte Afra, »die alten waren eng und klein, wie sie jetzt noch drüben gegen den Park zu sind.«

Er nickte und betrachtete nur sie, wie sie mitten in der Sonne stand. Er dachte mit leisem Grauen an die vergangene Stunde, in der Afra und seine junge Frau sich zum ersten Male begegnet waren. Aber das mußte doch anders werden, es war einzig der verwirrende Geist des Neuen, der auf sie beide eindrang, auf sein Weib und ihn; alles war fremd und geheimnisvoll, schien sie zu ängstigen und abzuweisen, aber es würde weichen, würde sich verlieren ... Er besann sich. Was denn nur? Er kannte sich nicht wieder, so verwirrt und benommen wie er war.

»Fräulein Afra«, sagte er plötzlich, »es gibt Geister.«

»Was für Geister?« fragte sie und sah ihn groß und erwartungsvoll an.

Er schämte sich plötzlich. Diese Augen, die ihm so gefahrvoll erschienen, wenn er ihrer gedachte, ernüchterten ihn nun in ihrer unschuldigen Härte. Aber nun mußte er sprechen:

»Ich meine, die Toten leben noch lange fort. Nicht in weißen Tüchern als Gespenster, die nachts umherirren, sondern um vieles vergeistigter und machtvoller. Die Sage von Gespenstern erfand nur das ungeklärte Bewußtsein des Volks, das leicht für unverstandene Gefühle faßbare Unverständlichkeiten einsetzt. Nein, ich meine, daß die Spuren der Toten zurückbleiben und daß in ihnen ihr Geist fortlebt, ihre Güte, ihre Bosheit, ihre Vorsicht oder ihre Schuld.«

Afra ließ sich in einen geschnitzten Sessel nieder, dessen schmale hohe Lehne ihr blondes Haupt überragte. Er sah über ihren Haaren den bäurisch derben und gediegenen Zierat des Schnitzwerks und folgte mit den Augen den Ornamenten, als zeichnete er sie nach.

»Sie sehen ja über mich weg«, sagte sie. »Bitte sprechen Sie doch weiter. Sie legen in alle Dinge viel mehr hinein, als darin ist, das tat auch Ihr Oheim, aber er tat es ... wie soll ich es nennen ... weniger vorsichtig und sehr bestimmt. Ihm hätte man nicht widersprechen können, dafür glaubte man ihm aber auch nicht immer.«

Tief überrascht sah er auf.

»Es ist erstaunlich, Afra, es ist unendlich wunderbar ...«

Sie wußte nicht, daß er sie und ihre Entgegnung bewunderte, so blieb sie unbefangen und bei der begonnenen Unterhaltung. Noch vor Stunden hatte er geglaubt, daß sie ihm die Lage verdankte, in der sie sich ihm und dem Schloßgut gegenüber befand, er hatte gehofft, einen Schein von Erkenntlichkeit in ihrem Wesen zu finden, nie hätte er für möglich gehalten, daß sie so selbstverständlich annahm, was er bot. Es muß ihr Recht vor Gott und allen Menschen sein, dachte er, und seine Erschütterung bewegte ihn plötzlich bis zur Trauer.

Ihre Blicke zwangen ihn, gleichmütig lächelnd, zur Unterhaltung zurück.

»So finde ich auch in Ihrer Art und in Ihrem Wesen den Geist des Toten wieder«, sagte er. »Es gibt Gespenster von Fleisch und Blut, die die Sonne mehr lieben als die Nacht, die sich nicht auf die zwölfte Stunde beschränken, sondern die Tag und Nacht umgehen, voller Grauen nur durch die überwindende Lieblichkeit, in der sie das Vergangene uns Vergänglichen als bestehenden Wert darbieten.«

»Es ist wahr«, sagte Afra einfach, »ich verdanke dem Grafen, was ich geworden bin. Ich hätte die Dorfschule in Wartaheim besuchen müssen. Zwei Stunden lang hätte ich durch die Sonne oder durch den Schnee laufen müssen und wäre heute nicht viel mehr als die Mädchen, die draußen das Heu wenden. Das wollten Sie doch sagen, nicht wahr?«

»Nein«, sagte er, ohne einen Trotz in seine Entgegnung zu legen. »Sie wären immer geworden, was Sie heute sind. Zufällig ist an allem nur die äußere Lage und ein Teil der Erscheinungen, nicht aber das Wesentliche. Unseren Drang nach Bildung gibt uns niemand, wir empfangen ihn mit unserem Blut nach dem Maß unserer Werte. Und was Sie reich und stark macht, hat Ihnen niemand gegeben. Bildung hat so wenig mit Wissen gemein«, fügte er hinzu, »wer ganz geworden ist, was er seinen Anlagen nach hat werden müssen, der ist gebildet.«

Sie unterbrach ihn ungeduldig.

»Sagten Sie, ich sei reich?«

»Ja, Afra.«

»Ihr Oheim sagte das Gegenteil.«

»So verstehe ich meinen Oheim nicht, oder er meinte es in einem anderen Sinn und Zusammenhang.«

Sie schwieg. So wußte er nicht, um was sie ihn, wie einst den alten Mann, oft heimlich beneidet hatte. Es war gewiß nicht einzig der äußere Besitz. Sie empfand, beide hatten ihr irgend etwas voraus, das durch keine Verluste im Leben zu verlieren war. Sie fühlte sich plötzlich verstimmt und stand auf. Diesen schmerzhaften Gedanken jetzt haßte sie tief in ihrer Seele, dieses Empfinden des Zurückgesetzten, der stets empfangen muß, das einst ihr väterlicher Freund mit so viel glückhafter Herablassung in ihr geweckt hatte. Nie war sein Gesicht schöner gewesen, als wenn er gab ... Sie waren von gleicher Art, diese beiden, nur erschien es ihr, als sei jener ein Mann gewesen und als sei dieser ein Jüngling.

Sie schritten durch den Saal, in dem die Bilder der Toten des Geschlechts hingen. Afra zog mit hartem Ruck die schweren Vorhänge von einem der Fenster zurück, eine feine Staubwolke drängte sich träge in die Sonnenstrahlen, ein tiefer goldener Atemzug der erwachenden Vergangenheit.

»Wie einfach, wie schön«, sagte er bewundernd im Umschauen. Langsam schritt er an den Bildern entlang. Sie folgte ihm neugierig mit den Blicken und lehnte sich an das Fenstersims.

»Welch einen Sinn für Maß haben die Männer gehabt, die hier geherrscht und gebildet haben«, sagte er. »Nichts ist hier in Prunksucht und Gier nach fremden Gütern herbeigeschafft worden, alles ist im Lande geboren, mit ihm hat es sein Angesicht erhalten, sein Gepräge, seine Schönheit. Die Bildrahmen sind aus den Eichen von Wartalun, die Möbel und Verkleidungen der Wände tragen die Farben der Äcker, ihr Wert scheint einzig in ihrer Nutzbarkeit zu liegen, und alles ist ernst und groß wie das geduldige Land. So sind auch diese Angesichter. Diese verstanden zu herrschen, weil sie zu arbeiten verstanden. Die Züge erheischen Gehorsam, aber keine Unterwürfigkeit ... wir sind anders ...«

Sie hörte ihm kaum zu. Erst als ein erstaunter Schreckensruf sie traf, trat sie hinzu. Es war dämmrig im Winkel des Saals, in dem er stand, die Schatten schienen von dem ungeheuren Kamin zu sinken, dessen grüne Kacheln ergraut waren unter der feinen Staubschicht, die sie trugen.

»Wer hat das getan?« fragte er und wies auf einen farbigen Wandteppich von großer Schönheit, aus dem von ungefüger und hilfloser Hand kleine Stückchen herausgeschnitten waren.

»Vögel«, sagte Afra, »Tauben waren darin. Damals wollte ich sie.«

»Sie haben diese Gobelins zerstört?«

»Ich war fast noch ein Kind und bat um die bunten Vögel aus irgendeiner Laune. Er erlaubte mir, sie herauszuschneiden.«

»Afra ... das ist unmöglich.«

»Es ist schade«, meinte sie. »Der Graf legte keinen großen Wert auf diese Dinge, wenigstens zuweilen nicht. Ich muß in einer ungünstigen Stunde gebeten haben. Später kamen ihm Tränen in die Augen, als er es sah.«

Erschauernd trat er zurück, und den flimmernden Blick am Boden, ging ihm zum erstenmal eine Ahnung von der ganzen Gewalt und Tiefe des Märtyrertums dieses sterbenden Liebenden auf. Er empfand seine eigene Schwäche bis zum Zittern. In einer grellen und zugleich traurigen Vision sah er die ermüdete Herrlichkeit einer alten Zeit dem jubelnden Ansturm und dem bedachtlosen Frohsinn einer neuen weichen. Er stützte die blasse Stirn. Rosen entblätterten sich vor seinen inneren Augen, tieffarbig und langsam, dunkel in die Farben eines sinkenden Tages gestreut. Die Vögel sangen nirgends, es wurde still, und die Toten schliefen in einer Nacht ohne Morgen. Er dachte an sein junges Weib, das ihn vor kaum einer Stunde mit flehenden Blicken gebeten hatte, Afra fortzuschicken ... Über allem wurde ihm haltlos wehmütig zu Sinn, eine beinahe heldenhafte Traurigkeit wehte hinüber und hüllte sein Herz in tränenfeuchte Schleier.

»Afra, Sie sollten ... fort — — große Städte und viele Menschen sehen, andere Menschen. Es müßten sich Ihnen Gelegenheiten bieten, Ihre Kräfte und Gaben vor ganz neuen Aufgaben zu bewähren ...«

»Später«, sagte sie kühl. »Es geht jetzt nicht. Was würde aus Wartalun?«

»Das ist wahr«, sagte er. Irgend etwas stimmte ihn froh an ihrer klaren Entschiedenheit. Er fühlte sich erleichtert und verstand, nun da er ihr argloses, sinnendes Lächeln sah, seine Besorgnis nicht mehr recht.

»Wie eigen mich hier alles berührt«, meinte er, »wie es beginnt, mich zu verändern.«

Sie gingen weiter. Unten im Herrenzimmer, dem Arbeitsraum des Toten, ward ihm wieder eigen beklommen zumut im Dämmerlicht der dickwandigen Erker. Über dem Schreibtisch hing ein verhülltes Bild Afras. Das Mädchen nahm den Schleier ab. Es raschelte darunter von verwelkten Blumen, und die Blätter sanken flüsternd auf die Gerätschaften des großen Tisches, zwischen die grünlichen Bronzeleuchter, deren Kerzen halb heruntergebrannt waren.

»In einem Sommer zog ein junger Mann durchs Land, dessen Beruf es war, Bilder zu malen«, erklärte Afra wichtig. »Er war unser Gast und mußte dies Bild machen. Er sagte mir, daß es nicht ganz vollendet sei, aber dem Herrn Grafen gefiel es wohl. Eines Morgens war er fort.«

»Weshalb?«

»Oh — er wollte sich mit mir verheiraten. Wo er stand, sprach er davon.«

»Und Sie wollten nicht?«

Afra drehte eine verdorrte Nelke in der Hand, ganz rasch, daß sie schwirrte.

»Ich?« fragte sie und begann zu lachen.

Er nahm ein Kuvert aus einem Schubfach und zog einen Brief heraus. Ehe er davon sprach, meinte Afra über seine Schulter hin:

»Das ist seine Schrift.«

»Ja. Es ist jener Brief, von dem ich heute morgen gesprochen habe. Wollen Sie ihn anhören? Dieser erste Teil bezieht sich auf Angelegenheiten der Verwaltung, vielleicht darf ich ihn später mit Ihnen betrachten, dieser Teil handelt von Ihnen. Er ist so stolz, so zurückhaltend und einsam. Was ich heute morgen darüber gesagt habe, war Torheit ...«, er stockte. »War das denn dieser Tag, ist das heute morgen gewesen?«

Wartalun: Der Niedergang eines Geschlechts

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