Читать книгу Ein König und seine Frauen - Walter Brendel - Страница 6
Der edle Prinz
ОглавлениеIm Schatten dieses Erben von Camelot sollte fünf Jahre später Prinz Heinrich geboren werden, ein Prinz in Reserve. Aber Heinrich VII. war zunächst entschlossen, Arthur als König und Nachfolder zu erziehen. Allerdings, gesichert war die Tudor-Dynastie damit noch lange nicht. Andere hatten besser begründete Ansprüche. Heinrich Tudors Rivalen warteten nur darauf, die Macht an sich zu reißen.
Die Kindersterblichkeit war hoch in dieser Zeit und deshalb brauchte der Tudor-Häuptling deinen weiteren Sohn, um seinen Feinden eine strake Botschaft zu senden. Heinrich war deshalb überglücklich, als Elisabeth am 28. Juni 1491 in Greenwich einen weiteren Sohn zur Welt brachte. Es sollte der zukünftige König Heinrich VIII. sein.
Elizabeth of York, die Mutter Heinrichs VIII.
Anders als beim Erstgeborenen wurde die genaue Uhrzeit der Geburt nicht aufgezeichnet. Nur das Datum wurde festgehalten und selbst das musste später korrigiert werden. Bei seiner Taufe wurde der Junge nun nach seinen Vater Heinrich benannt, der nun endlich den ersehnten Reserveerben hatte.
Aber kaum war man aus der Kirche herausgetreten, schwand das Interesse des Vaters. Die Erziehung des Prinzen wurde seiner Mutter Elisabeth überlassen. Fernab vom Hof verbrachte Heinrich einen Großteil seiner Kindheit im abgelegenen Schloss auf Eltham Palace im Südosten Londons. Heute ist nur noch die große Halle davon erhalten. Obwohl es kaum Aufzeichnungen über Heinrichs früherem Jahre gibt, wissen wir, dass er hier eine angenehme, sogar verwöhnte Kindheit verbrachte.
Die Große Halle gehört noch zur Bausubstanz des historischen Eltham Palace
Das Personal dieses königlichen war überwiegend weiblich. Aber es gab von Anfang an eine einflussreiche männliche Persönlichkeit in seinem Leben. Arthur Plantagenet, den unehelichen Halbbruder seiner Mutter Elisabeth. Er hatte den Ruf eines Mannes von Integrität und Bildung. Nach allem was man weiß, war er eine sanfte Persönlichkeit. Elisabeth könnte sich darauf verlassen, dass ihr Halbbruder Heinrich eine zeitgemäße ordentliche Erziehung gab. Allerdings erzog Arthur den Prinzen nach eigenen Vorstellungen, die denen Heinrich Tudors nicht entsprachen. So brachte er seinen Neffen das Lanzenstechen bei, von dem Heinrich begeistert war. Der fühlte sich als Ritter. So wollte er auch werden, wenn er einmal groß ist. Ritter waren die Stars dieser Epoche, überall gefeiert. Schon als kleiner Junge hatte Heinrich versucht, dem Ritterstand nachzuahmen. Sein Pony besteigen, eine Lanze zu packen und sich mit den Großen zu messen. Davon träumte er. Später als König sollte Heinrich weiterhin derartige Aktivitäten leidenschaftlich verfolgen, die ihm sein Bastardonkel nah gebracht hatte. Er liebte den Onkel mehr als seinen Vater, den er nur selten sah. Die Zeit, die sein Vater neben den Regierungsgeschäften mit seiner Familie verbringt, widmet er fast ausschließlich dem Prinzen Arthur, seinem Thronfolger.
Der Hofstaat von Heinrich VII. zog von Ort zu Ort, um seine noch ungesicherte Herrschaft zu stützen. Die Kinder Arthur und Heinrich waren für verschiedene Positionen bestimmt. Der erstgeborene war der Erbe und wurde für den Thron streng erzogen. Prinz Heinrich dagegen war für die Kirche bestimmt und sollte Erzbischof von Canterbury werden. Historisch ist das allerdings unbestimmt, denn dagegen spricht Heinrichs Erhebung zum weltlichen Titel des Duke of York, der mit erheblichem Landbesitz einherging und seine Ausbildung an den Waffen. Er wurde aber viel akademischer ausgebildet.
Wie jeder Junge wollte aber auch Prinz Heinrich oft seinen Vater sehen und Zeit mit ihm verbringen. Aber wie erwähnt, war das nur selten möglich, denn Arthurs Erziehung zum Herrscher und die Sicherung der Tudor-Herrschaft hatte Vorrang. Es kann durchaus sein, dass der junge Prinz sich als Reserveerbe ungeliebt fühlte. Vielleicht beeinträchtigte dieses auch sein Selbstvertrauen. Doch es war allgemein auch üblich, dass Königskinder ihre Eltern oft sehr wenig sahen. Doch bald sollte Heinrich Gelegenheit haben, das besser einzuordnen und seine Familie zu sehen. Berichte darüber sind bis heute erhalten geblieben. Diese zeigen, dass die Familientreffen großen Eindruck auf den kleinen Heinrich machten.
Der junge Prinz war im Jahre 1494 drei Jahre alt, als er zum Herzog of York ernannt wurde. Sein erster großer öffentlicher Auftritt, zeitlebens wird er das in Erinnerung behalten. Endlich wurde er von seinen Vater beachtet, zuvor durfte er nur dessen Serviette zum Malen benutzen. Es bedeutete ihm wirklich unglaublich viel. Dieser Prinz, der seine bisherige Kindheit im Schatten Arthurs verbrachte, genoss den kurzen Moment im Rampenlicht.
In öffentlichen Auftritten scheinen alle Tudors bereits in den jungen Jahren geschickt zu sein. Heinrich VIII. ist da keine Ausnahme. Es muss schon für ihn sehr interessant gewesen zu sein, von der Frauenseite der Kinderstube in die Welt der Männer und der Politik zu kommen. Von Anfang an scheint er Aufsehen zu erregen, selbst als dreijähriger. Doch leider war es damit bald wieder vorbei. Heinrich wurde zurück nach Eltham Palace gebracht und die Aufmerksamkeit seines Vaters richtete sich wieder ausschließlich auf seinen älteren Bruder. Nur Arthur sollte in die Fußstapfen seines Vaters treten.
Das ganze Gewicht der Dynastie lastete auf Arthurs Schultern, sein Leben wurde durch den Vater streng kontrolliert. Schon früh führte er Arthur in die Regierungskunst ein. Heinrich dagegen wurde verwöhnt, vergöttert von seiner Mutter und seiner Großmutter, Margaret Beaufort. Einen Lebenszweck hatte er in diesen frühen Jahren nicht, denn er schließlich nur für die Kirche bestimmt. In dieser Vorbereitung auf eine hohe Position im Klerus mangelte es Heinrich an einer Sache nicht: Bücher. Deren Verfasser sollten einen gewissen Einfluss auf seinen späteren Regierungsstil haben. Begeistert haben ihm besonders die Ritterromane, in denen er geschmökert hat. Geschichten von Königen, wie etwa Heinrich V. Darüber hinaus wurde er beeinflusst von Männern wie Erasmus von Rotterdam. Erasmus war der berühmteste internationale Gelehrte seiner Zeit. Seine humanistischen Schriften über die Fähigkeiten des Einzelnen, sich durch Bildung zu erziehen, beeinflussten das Europa der Renaissance.
Erasmus porträtiert von Hans Holbein dem Jüngeren (1523)
Heinrich lernte Erasmus persönlich kennen, als dieser im Jahre 1499 Eltham Palace besuchte. Augenscheinlich waren die beiden voneinander beeindruckt. Diese persönliche Beziehung und einige Werke von Erasmus beeinflussten Heinrich sehr.
Der Gelehrte zeigte sich beeindruckt vom Können Heinrichs. Er schrieb: „Als wir in die Halle kamen, war alles Gefolge versammelt […]. In der Mitte stand Heinrich, neun Jahre alt, bereits mit einem gewissen königlichen Auftreten ausgestattet, ich meine einer Geistesgröße, kombiniert mit erstaunlicher Höflichkeit“.
Heinrich sollte dieses Treffen nie vergessen. Beide führten eine umfangreiche Korrespondenz in lateinischer Sprache, die den Intellekt des jungen Prinzen viele Jahre prägen und stimulieren sollte.
Außer Heinrich waren in Eltham Palace auch seine Geschwister Margaret, die später Jakob, König von Schottland, ehelichte, Mary und Edmund.
Heinrich und seine Schwester Margaret beim Besuch von Erasmus (moderne Darstellung des 19. Jahrhunderts in Westminster Hall)
Heinrichs erster Lehrer war ab 1496 der Hofpoet John Skelton, von dem er die typische Renaissanceausbildung der Zeit erhielt, mit besonderem Augenmerk auf Latein, Geschichte und antike Autoren neben Musik und Poesie. Später setzte Heinrich seine Ausbildung mit einem anderen Lehrer, William Hone, fort, zu dem sich noch der Französischlehrer Giles Duwes und ein Musik- und Waffenlehrer gesellten. Mit dieser Ausbildung wurde der junge Prinz später der erste König Englands mit einer umfassenden humanistischen Bildung, der fließend Latein und Französisch sprach, Musik komponierte und Gedichte verfasste.