Читать книгу Ein König und seine Frauen - Walter Brendel - Страница 8
Der junge König
ОглавлениеHeinrich VII. starb am 21. April 1509, zehn Wochen vor dem achtzehnten Geburtstag seines Sohnes. Sein Tod wurde zwei Tage lang geheim gehalten und Heinrich ließ sich noch bis zum 23. in der Öffentlichkeit als Prinz ansprechen. Erst am 24. April wurde er in London als König ausgerufen. Hinter den Kulissen spielte sich ein politischer Machtkampf ab, der zum Sturz der beiden wichtigsten und unbeliebtesten Minister des alten Königs führte, Empson und Edmund Dudley. Sie wurden als die Schuldigen für dessen tyrannische Finanzpolitik inhaftiert und nach über einen Jahr im Tower of London hingerichtet. Heinrichs Begründung dafür war, dass Empson und Dudley den König und dessen Rat gegen deren Willen beherrscht hätten. Anschließend gewährte er allen Schuldnern seines Vaters eine Generalamnestie.
Nur wenige Tage nach seiner Krönung starb Heinrichs Großmutter Margaret Beaufort.
Keine zwei Monate nach seiner Thronbesteigung, kurz vor seinem 18. Geburtstag, heiratete Heinrich Katharina von Aragon am 11. Juni 1509. Er behauptete, damit den letzten Willens seines Vaters zu erfüllen. Allerdings, die Schnelligkeit, mit er die spanische Prinzessin heiratet, verblüfft. Er verliert keine Zeit, heiratet sie und steigert damit allseitig seine Beliebtheit. Sein ungestümes Handeln zeigt, dass es von jetzt an ganz anders laufen wird.
Die ersten Monate seiner Regierungszeit brachte Heinrich mit Vergnügungen zu. Es wurden Turniere und Bankette veranstaltet. Danach beginnt seine eigentliche Arbeit. Zuerst die Umgestaltung des Privy Council, den geheimen Staatsrat.
Meist führten die dortigen Ratgeber König Heinrichs Willen aus. Heinrich tauschte einige Ratsmitglieder aus, durch Männer, die ihm nahe standen. Da waren zum Beispiel sein Busenfreund Charles Brandon, der Heinrichs Begeisterung für Turniere, Kampf und Krieg teilte und der Herzog von Buckingham, Edward Stafford und ein gewisser Thomas Howard, Herzog von Norfolk und zufällig der Onkel von zwei gewissen Damen, namens Anne Boleyn und Catherine Howard. Beide sollten noch eine Rolle in Heinrichs Leben spielen. Er hatte bereits Heinrichs Vater gedient, musste sich aber jetzt an das neue Regime anpassen.
Zug um Zug verändert sich der geheime Rat. Es sind jetzt Männer, die mit Heinrichs neuen Stil als kriegerischer und prächtiger Renaissancefürst sympathisieren. Auf eine Weise, wie es die älteren Berater Heinrichs VII. nie getan hätten. Den Staatsrat hatte Heinrich bereits nach seinen Wünschen neu geordnet. Auch die unmittelbare intime Umgebung des Königs, wo Männer für das Wohlergehen ihres Herrschers sorgten, wurde umgestaltet. Heinrich umgab sich gern mit sportlichen, gewitzten jungen Männern, die seine Interessen teilten, doch wusste er auch philosophische Dispute mit gebildeten Männern zu schätzen. Diese Zusammenkünfte sollten eine neue Bedeutung bekommen, ja länger Heinrich herrschte. Es ist jetzt ein Ort, wo der König gern nur rumhängt, es ist seiner Männerhöhle. Diese handverlesenen Männer waren jung, teilten seine Leidenschaften und Vorlieben, sie waren diejenigen, mit denen Heinrich sich in seiner Freizeit umgab.
Heinrich VII. hatte strikt zwischen den Männern getrennt, die ihm berieten und die ihm bedienten. Bei seinem Sohn war das anders. Sein Busenfreund Charles saß im Staatsrat, aß und trank mit Heinrich in der Freizeit. Ein beispielloser Einfluss auf den jungen König war die Folge. So entsteht das, was man eine Politik der Intimität nennen könnte.
Diese jungen Kerle hatten Macht, nicht weil sie ein Amt trugen, sondern weil sie Favoriten waren und der König auf sie hörte. Entscheidungen fielen im privaten Kreis, nicht im Staatsrat, wie es bei Heinrich VII. der Fall war. Es ist nicht das große Bankett und das Fest, es sind Menschen, die ihm entkleiden, sich um seine persönliche Hygiene kümmern und dabei ganz individuell mit ihm über Politik diskutieren. Heinrich entspannt sich in ihrer Nähe, genießt ihre Gesellschaft und ist nur allzu gern bereit, sie zu belohnen.
Das war ein revolutionärer Umbruch der Königsherrschaft. Ein Monarch fährt gut, wenn er Distanz zu allen Untertanen hält. Der junge König ahnte nicht, dass seine allernächste Umgebung bald versuchen würde, eigennützige Vorteile aus dieser besonderen Nähe zu ihm zu ziehen.
Im August 1510 zeigte Heinrich zum ersten Mal, dass der großzügige König auch eine düstere Seite hatte. Die engsten Berater seines Vaters wurden hingerichtet. Für die neuen Männer um ihn herum, hätte das als Lehre dienen können. Heinrich hatte die Macht sie aufzubauen und die Macht, sie zu zerstören. Allerdings sollte für Heinrich bald mehr nötig sein, um aus dem Schatten seines Vaters herauszutreten. Der Geiz, das Pfennigfuchsern des alten Königs waren Geschichte, die puritanischen Werte von Heinrich VII. sollten durch eine neue Pracht ersetzt werden und diese brachte neue Prioritäten mit sich. Die Erziehung zur Sorglosigkeit, abseits des Hofes, hatte auch aus Heinrich einen Mann gemacht, der den eigenen Vergnügen den Vorrang vor allem anderen einräumte. Er wollte sich nicht für das Wohl des Staates die Finger wund und den Rücken krumm arbeiten, wie sein Vater.
Heinrich wollte das Leben lieber in vollen Zügen genießen. Ritterturniere standen wieder auf der Agenda und wer im Turnier gegen ihn kämpfte, konnte den König garantiert beeindrucken. Für den König aber war Lanzenstechen mehr als nur ein Zeitvertreib. Er etablierte es im Herzen des Hoflebens und damit seiner europäischen Politik. Ritterturniere waren eine gute Gelegenheit, Herrscher anderer Länder zu treffen. Lanzenstechen wurde für die Diplomatie und Eheschließungen genutzt. Eheschließungen zwischen den bedeuteten Adelshäusern Europas. Die Turniere waren ein Teil der Feierlichkeiten, darüber hinaus aber auch eine großartige Möglichkeit, Gegner einzuschätzen und für Heinrich gab es kaum eine bessere Gelegenheit, sich zu zeigen und zu demonstrieren wer der Stärkere und der Bessere ist. Risikobereitschaft zeichnete Heinrich wohl wirklich positiv aus. Auch ein Zeichen des Umbruchs. Er bleibt bis Mitte der dreißiger Jahre der gefeierte Lanzenstecher Europas.
Heinrich besteht darauf, so früh in seiner Regierungszeit und ohne Erben an einem so lebensgefährlichen Sport teilzunehmen. Er geht voll auf Risiko. Während Heinrich bei den Turnieren seinen Vergnügen nachging und den Fortbestand der Tudors gefährdete, lenkte der Staatsrat das Land. Dieser Herrschaftsstil war, diplomatisch ausgedrückt, unkonventionell. Nach außen wirkte Heinrichs Herrschaft wie die des Vaters, doch wann immer möglich, hatte der Vater an Sitzungen des Staatsrates teilgenommen und Entscheidungen sofort bestätigt. Sein Sohn tat dies nicht. Er interessierte sich mehr für die Vergnügungen des Lebens. Schon immer war Heinrich VIII. selbstverliebt gewesen. Nie hatte er wirklich Verantwortung übernehmen müssen, anders als Arthur. Als er den Thron bestieg, war er kaum vorbereitet. Er wollte lieber auf die Jagd gehen, Lanzenstechen, flirten und Geld ausgeben.
Aber da der Rat nicht ohne König handeln konnte, musste man über einen Vermittler die Zustimmung des Königs einholen. Hier kommt nun Thomas Wolsey ins Spiel, der rasch zu einem einflussreichen Freund und Berater wurde. Bereits im November 1509 war der gewitzte, charismatische Wolsey Heinrichs Almosenier geworden und beteiligte sich an den Aktivitäten des Königs und seiner Freunde. Er war der Sohn eines Metzgers aus Ipswich (nicht gesicherte Quelle) und stammte aus einer Familie, ganz weit unten. In den Rängen der Kirche stieg er auf. Die Position, die er schließlich an der Seite des Königs hatte, war von nie vorhergesehener Bedeutung, wenn man bedenkt, wo er herkam. Immer mehr seiner königlichen Verantwortung wird Heinrich VIII. auf diesen Mann übertragen. Er sollte militärische Operationen vorbereiten, Bündnisse schmieden und wie kaum ein zweiter die Gedankenwelt und Haltung des Königs formen. Doch er musste darauf achten, nicht den Zorn einer so launischen Natur auf sich zu ziehen. In einem Moment exekutierte ein Mann den Willen Heinrichs, im anderen Moment wurde er selbst exekutiert.
Kardinal Thomas Wolsey
Es sollte noch viele Männer brauchen, um Heinrich zu den zu machen, was er schließlich wurde. Um die Macht an diesem brutalen Tudor-Hof wetteiferten nämlich viele.
Und es musste ein Erbe her und dafür riskierte Heinrich VIII. wieder sehr viel. Damit kommen zum 2. Teil unserer Betrachtung der Tudors.