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Tod von Arthur und Aufstieg von Heinrich

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Arthur unterdessen entwickelte sich zum Ebenbild des Vaters. Der Kronprinz lebte in einem eigenen Haushalt in Ludlow in Wales. Sein Vater war schon auf Brautschau gegangen, um die nächste Generation der Tudors zu sichern. In Spanien wurde er fündig. Das Ziel war der Abschluss eines Paktes mit Spanien. Dazu sollte Arthur nun Katharina von Aragon heiraten.

Um deren Eignung zu prüfen, traf Heinrich Tudor die zukünftige Braut seines Thronerben bei ihrer Ankunft im Oktober 1501. Das erste Treffen gestaltete sich zwar etwas unbeholfen, weil keiner die Sprache des anderen verstand, aber zufrieden war Heinrich dennoch.

Die künftige Mutter vieler Tudors hatte gerade ihren 16. Geburtstag gefeiert. Ausnehmend hübsch ist sie gewesen. Mit erdbeerblonden Haar und einen farbig blassen Teint. Ihr Name war Katharina von Aragon. Sie war die Tochter der katholischen Majestäten Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragonien. Ihre Urgroßmutter, Katharina von Lancaster, nach der sie benannt wurde, war eine Enkelin des englischen Königs Eduards III. Sie war ein unglaublicher Fand, den die Tudors dringend brauchten und die den englischen Thronfolger Arthur heiraten sollte.

An ihren Hochzeitstag sahen tausende Menschen eine der prächtigsten Prozessionen in der Geschichte der englischen Krone auf Londons Straßen.


Flämischer Wandteppich, Katharina und Arthur bei ihrer Hochzeit, ca. 1500

Und nicht nur die Braut trug ein cremefarbiges Kleid, auch Prinz Arthur war im hellen Gewand gekleidet, als Symbol für seine Jugend und Reinheit. Für Heinrich Tudor war es die perfekte Verbindung, denn diese Ehe festigte das Verhältnis zwischen England und Spanien und sicherte sein Haus.

Für Prinz Heinrich dagegen war es eine weitere Gelegenheit, an einer öffentlichen Veranstaltung teilzunehmen. Er war gerade zehn Jahre alt bei der Hochzeit seines Bruders und wie jeder kleine Bruder wirkte er wie ein frühreifer Gentleman und wollte etwas von der Aufmerksamkeit haben. Praktisch stahl er dem Brautpaar die Show. Ganz Europa blickte zu diesem Zeitpunkt auf England.

Wir wissen heute, dass Heinrich ein geborener Schauspieler war, eigentlich ein Angeber. Körperlich gut gewachsen zeigte er sich gern beim Tanz und war sehr gut darin. Es gibt Hinweise dafür aus der Zeit von Arthurs Hochzeit, wo er sich in den Vordergrund spielte. Er zieht seine luxuriöse Robe aus und tanzt einfach in seiner Strumpfhose und den Wams vor König und Königin, zusammen mit seiner Schwester Margaret und alle erfreuen sich an diesen charmanten jungen Mann.

Heinrichs Begeisterung steht im krassen Gegensatz zu seinem Bruder Arthur, den die Feierlichkeiten bald langweilen. Ob Arthur über seinen jüngeren Bruder so erfreut war, plötzlich im Schatten zu stehen, bleibt dahingestellt. Arthurs Hochzeit hatte seinen kleinen Bruder vorübergehend ins Rampenlicht gerückt, aber das war gar nichts, was bald darauf geschah.

Nach dem anschließenden Gelage wurde das Brautpaar am Abend von einem großen Gefolge, zeremoniell zu Bett gebracht, um die Ehe zu vollziehen. „Und so beschlossen und vollzogen diese ehrenwerten Personen die Wirkung und Vervollständigung des Ehebunds.“ schrieb der offizielle Herold. Laut Zeugen, die beinahe 30 Jahre später dazu befragt wurden, befahl Arthur am nächsten Morgen seinem Diener Anthony Willoughby, ihm einen Becher Ale zu bringen, „denn ich war diese Nacht inmitten Spaniens.“ Später soll der Prinz offen gesagt haben: „Meine Herren, es ist ein guter Zeitvertreib eine Frau zu haben.“ Zunächst einmal ließen sich Arthur und Katharina am 21. Dezember auf Schloss Ludlow an der englisch-walisischen Grenze und dort erkrankte Arthur schwer.

Am Ostertag 1502, dem 27. März, erkrankte Arthur plötzlich schwer. Innerhalb weniger Tage verschlechterte sich sein Zustand. Auch Katharina soll daran erkrankt sein. Doch während sie überlebte, erholte sich der Thronfolger nicht. Die Ehe dauerte insgesamt nur vier Monate, denn am 2. April 1502 starb Arthur. Die Ursache seines Todes ist heute bei der spärlichen Quellenlage und dem unterentwickelten medizinischen Wissen der Zeit nicht mehr nachvollziehbar. Die lange gehegte Theorie, dass er an Tuberkulose starb, gilt als überholt, andere mögliche Todesursachen sind die damals gefürchtete Schweißkrankheit und die Pest, die im Frühling 1502 beide in der Umgebung von Ludlow grassierten. Laut einer Theorie des Historikers David Starkey starb Arthur dagegen an Hodenkrebs, der häufigsten Krebsart bei 15- bis 19-jährigen Jungen. Gerade einmal 15 Jahre war er alt geworden.

Heinrich Tudor war erschüttert. Er hatte nicht nur ein Kind verloren, auch seine klugen Pläne waren zunichte gemacht. All das spiegelt die heikle Lage wieder, in der sich die Tudor-Dynastie befand. Sie hatten nicht ihren Sohn, sondern auch ihren Erben verloren. Das war der Junge, in dem Heinrich investiert hatte, alles war auf Arthur ausgerichtet. Jetzt mussten sie neu anfangen.

Zu Lebzeiten von Arthur wurde wenig Einfluss auf den jungen Heinrich ausgeübt. Erst dieser unzeitige Tod sollte Prinz Heinrichs Leben tiefgreifend verändern. Der zehnjährige Prinz war jetzt der Erbe des Throns.

Mit großer Sorgfalt hatte Heinrich Tudor den Erstgeborenen auf seine Position als zukünftigen König vorbereitet. Mit einem Schlag lag jetzt die Zukunft seiner Dynastie in den Händen seines Sohnes Heinrich, der dafür nie erzogen worden war. Man darf nicht vergessen, dass Heinrich VII. alles auf Arthur gesetzt hatte, der in der Kunst des Regierens ausgebildet wurde. Jetzt richteten sich alle Augen auf dem Reserveprinz, den verwöhnten Heinrich. Sollte dieser kleine Junge jemals König werden?

Zehn Jahre lang hatte Heinrich Tudor seinen jüngeren Sohn praktisch ignoriert. Doch jetzt musste der kalte Vater-König den Versuch unternehmen, den sorglosen Prinzen zu seinem klugen Ebenbild zu formen.

Trotz ihrer Differenzen ließ sich alles zunächst gut an. Sofort nach Arthurs Tod begannen Verhandlungen mit Katharinas Vater, um sie an den neuen Thronfolger zu transferieren. Heinrich selbst schien einzuwilligen. Eine schöne spanische Prinzessin zu heiraten, gefiel ihm sehr. Der nächste Schritt seines Vaters kam bei Heinrich ebenfalls gut an. Es kamen mehr Männer in das Gefolge des nun Elfjährigen. Dieser war froh, nun ein paar Männer um sich zu haben. Identifikationsfiguren, den er nacheifern konnte.

War dies alles bei seinem Sohn hoch willkommen, zeigte Heinrich Tudor allerdings sein wahres Gesicht kurz darauf. Boten des Königs brachten im Februar 1503 eine furchtbare Nachricht. Seine Mutter Elisabeth war gestorben. Da sein Vater ihm nicht persönlich vom Tod seiner Mutter unterrichtet hatte, musste den jungen Prinzen sehr verletzt haben. Von da an sollte sich die Beziehung der beiden verschlechtern.

Die Nachricht vom Tod seiner Mutter wurde ihm auf so unpersönliche Weise überbracht und das sprach Bände über ihre Beziehung und zeigte, wie fremd sich Vater und Sohn waren. Ein Gemälde ist das Einzige, was Heinrichs Verletzbarkeit zeigte. Weinend über das Bett gebeugt, trauert er um seine Mutter.


Elisabeths Tod bedeutete allerdings auch, dass Heinrich Tudor keine Erben mehr zu erwarten hatte. Seine Furcht um den Fortbestand der Tudors identifizierte das nur und die Aufmerksamkeit, die er Heinrich entgegenbrachte. Plötzlich wird jeder Schritt des Thronfolgers kontrolliert, ist er von Männern umgeben, die ihn gängeln und mit der Vorbereitung auf sein Regierungsamt langweilen. Doch wie Heinrich VII. bald herausfinden sollte, hatte sich der Prinz längst an ein sorgenfreieres Leben gewöhnt.

Alles ruht nun auf diesen einzigen Sohn. Die ganze Dynastie. Alles, wofür Heinrich VII. gekämpft hat, ruht auf dem Kind. Heinrich Tudor fühlt sich zu dieser Zeit wohl verwundbarer, als je zuvor. Seine Welt entgleitet ihm und Prinz Heinrich, der zukünftige Heinrich VIII. bedeutet jetzt alles. Sein Sprössling sollte bald mehr Aufmerksamkeit bekommen, als ihm lieb war.

Als Heinrich mit 13 Jahren mündig wird, weißt sein Vater ihn an, seinen bisherigen Wohnsitz zu verlassen und an den Hof in Richmond Palace zu kommen.


Richmond Palace

Von diesem einst prächtigen Palast, den Heinrich Tudor nach seiner Thronbesteigung erbaute, ist heute nur noch das Torhaus erhalten. Hier wohnten Vater und Sohn zum ersten Mal in ihrem Leben Tür an Tür zusammen. Für beide hätte es nun die Gelegenheit gegeben, einander näher zu kommen. Aber anstatt seinen Sohn Wärme und Trost nach dem Tod der Mutter zu schenken, konzentrierte sich Heinrich Tutor auf den Fortbestand der Dynastie.

Die gegensätzlichen Charaktere treten immer deutlicher zutage. Heinrich VII. war ein sehr gewissenhafter und umsichtiger Administrator. Ein strenger, sorgfältiger König mit sehr viel Liebe zum Detail. Persönlich hat er Rechenschaftsberichte unterzeichnet. Sein Sohn aber war das glatte Gegenteil, ein Angeber, der Anerkennung suchte. Der Prinz hatte eine kurze Aufmersamkeitsspanne. Ordentliche Verwaltungsarbeit fand er langweilig.

Prinz Heinrich und seine Vater sind so verschieden, wie Tag und Nacht. Unterschiedlicher könnten sie nicht sein. Man fragt sich, ob sie sich überhaupt gegenseitig gemocht haben. Prinz Heinrich hatte aus seiner Perspektive nicht nur mit seinen Vater zu kämpfen, sondern auch mit dessen Ratgebern. Unter ihnen Sir Richard Empson und Sir Edmund Dudley, die für Steuern und Finanzen zuständig waren. Unnötig zu sagen, dass man sich nicht besonders gut verstand. Für Historiker gelten sie als dunkle Gestalten. Der eine ist Anwalt und der andere Beamter eines Londoner Verwaltungsbezirks. Beide zeigen sich überaus geschickt darin, Geld aus der Stadt, den Bürgern und den Hochadel herauszupressen.

Beide haben sich unbeliebt gemacht, als Steuereintreiber, als Vollstrecker königlicher Regeln. Sie knöpften der ohnehin schon gebeutelten Bevölkerung jeden einzelnen Groschen ab. Es gibt viele Steuereintreiber in der englischen Geschichte, die sich bei der Bevölkerung extrem unbeliebt gemacht haben.


Sir Richard Empson (links), mit Heinrich VII. und Sir Edmund Dudley.

Prinz Heinrich weiß, wie wichtig sie sind, aber er weiß auch, dass sie eine Menge Leute sehr verärgert haben. Der Kontakt mit Empson und Dudley gab Heinrich Einblick in weniger erfreuliche Aspekte der Herrschaft seines Vaters. Allerdings hat Heinrich Tudor seinen Sohn auch mit einem Mann bekannt gemacht, der mehr nach dem Geschmack des Thronfolgers war. Einer der jungen Männer, die sein Vater mit Heinrichs Betreuung beauftragte, war Charles Brandon, sieben Jahre älter als der Thronfolger. Er ähnelte aber Heinrich so sehr, dass man Charles Barstadtbruder von Heinrich nannte. Rasch wurde er zu einem Favoriten des Thronfolgers.


Charles Brandon

Charles Brandons Vater war Fahnenträger in der entscheidenden Schlacht von Bosworth gewesen und hatte sein Leben im Dienst Heinrich Tudors verloren. Heinrich Tudor war überzeugt, dass Charles loyal zu ihm stand und seiner Gunst würdig sei und so stellte er ihm als Vorbild an die Seite des jungen Prinzen.

Charles Brandon war allerdings nicht der Mann, für den ihn Heinrich VII. ihn gehalten hatte. Vielleicht war dem König nicht klar, was für ein Typ Charles Brandon war. Er war ein Raufbold, ein Trinker, ein Schürzenjäger und vermutlich hatte er das, was man einen unheilvollen Einfluss auf junge Prinzen nennen konnte. Er war der Busenfreund des jungen Heinrich. Heinrich Tudor sollte noch feststellen, mit wem er seinen hoffnungsbeladenen Sprössling zusammen gebracht hatte. Sein Sohn jedenfalls war von so einer anrüchigen Gesellschaft nicht schockiert. Ganz im Gegenteil. Heinrich vergötterte Charles.

Wie der Sohn mit einem dominant agierenden Vater wollte Heinrich rebellieren. Er war sicherlich auch frustriert, dass er jetzt von seinen Vater und dessen Ratgebern bevormundet wurde und zwar aus seiner Sicht nur, weil sein Bruder gestorben und er der künftige Thronerbe war. Schon bald blieb Heinrich mit Brandon und den anderen jungen Männern des Hofes auf, trank und tanzte. Leider bekam sein Vater bald Wind davon. Er und seine Minister beendeten darauf die Aktivitäten des Prinzen und seiner Favoriten.

Charles sollte jedoch eine Schlüsselrolle im Leben des zukünftigen Herrschers spielen. Das erstickende Protagonistmus seines Vaters erreichte seinen Höhepunkt, als er Prinz Heinrich das lebensgefährliche Lanzenstechen untersagte. Heinrich, der sehr gut darin war, wollte bewusst dieses Risiko eingehen. Darum das väterliche Verbot. Arthur hätte getan, was ihm gesagt wurde, wäre einsichtig gewesen, aber Heinrich ist viel temperamentvoller als sein Bruder.

Und dann Katharina von Aragon. Heinrich Tudor beabsichtigte, Katharina selbst zu heiraten, um sich ihre Mitgift zu sichern. Prinz Heinrich war noch zu jung. In diesen Jahren wurde Heinrich Tudor bei seinem Volk immer unbeliebter. Von der Beliebtheit seines Sohnes ganz zu schweigen. Man freute sich auf eine Zukunft ohne ihn. Den 16jährigen Prinzen sah man längst als Hoffnungsträger an. Er präsentierte eine junge majestätische Alternative zu seinen sauertöpfischen Vater und dessen habgierigen Gehilfen, die nach wie vor die Steuerpflichtigen gnadenlos auspressten.

Der pubertierende Heinrich wird immer selbstbewusster. Er ist unbändig und zeigte schon bald die extrovertierte charismatische Art, die er während seiner gesamten Regierungszeit an den Tag legen wird. Heinrich Tudor ist nach unseren Maßstäben nicht besonders alt, aber durch seine unablässigen Bemühungen England unter Kontrolle zu bringen, ziemlich ausgelaugt. Man hält ihm für knauserig und misstrauisch.

Das Verhältnis dieses vernunftgeleitenden Vaters zu seinem lebenslustigen Sohn ist angespannt. Schaut der Thronfolger etwa erwartungsvoll in eine Zukunft ohne seinen Vater? Am 21. April 1509, um 11 Uhr Abends, war Prinz Heinrich diesen kontrollierenden Vater für immer los. König Heinrich VII. starb und bald wurde deutlich, dass die Versuche des alten Königs, den 17jährigen Nachfolger nach seinen Vorstellungen zu formen, wirkungslos geblieben waren. Zwar trugen beide denselben Namen, doch damit enden die Gemeinsamkeiten.

Der 17jährige Prinz Heinrich war über Nacht König Heinrich VIII. geworden. In den nächsten 37 Jahren sollte sich der liebenswürdige Prinz als tyrannischer König entpuppen. Ein König, wie es Heinrich VII. niemals war.

Der neue König liebte Prunk und Pracht im Stil eines Renaissancefürste. Er würde sechs Mal heiraten, die englische Kirch von Rom loslösen und unzählige Menschen aufs Schafott schicken. Was sich aber auch zeigen wird ist, wie bedeutsam die Männer des Königs waren, für das was sich entfaltete. Sie würden nicht nur seine Wünsche erahnen und seine Befehle ausführen, sondern auch seine Ansichten formen, insbesondere in sein Leben eingreifen, seine turbulente Herrschaft lenken. Heinrich im Gegenzug würde ihnen vertrauen, sie mit Ehren überhäufen und reich belohne. Aber wenn sie ihren Zweck erst einmal erfüllt hatten, würde er sie gnadenlos fallen lassen.

Lange dauerte es nicht, bis diese grausame Seite zum Vorschein kam und einmal geübt und entfesselt sollte aus ihm nach kurzer Zeit der brutale Tyrann werden, als der er bis heute in Erinnerung geblieben ist. Von Anfang an zeigte Heinrich deutlich, dass er nicht wie sein Vater war.

Ein König und seine Frauen

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