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Wer war der Schuldige am Staatsbankrott?

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Nachdem man zunächst den Ex-Premierminister Brühl (Brühl hatte mit dem Tod des Königs seinen größten Gönner verloren und trat freiwillig von seinen Ämtern zurück, zumal der neue Kurfürst, Friedrich Christian, über Jahre zu seinen schärfsten Kritikern gehört hatte) bzw. seiner Leiche den Prozess machen wollte (Brühl starb am 28. Oktober 1763 in Dresden) und noch im selben Jahr wurde gegen den Verstorbenen und seine engsten Mitarbeiter ein Prozess angestrengt, der allerdings nie zu einem Ergebnis kam. Denn Brühl hatte in allen Punkten mit der Einwilligung und auf Weisung des Landesherren gehandelt, und diesen konnte der neue Regent Prinz Xaver nicht verurteilen, ohne den Staat insgesamt in Frage zu stellen. Der Vorwurf, Brühl habe sich an der Staatskasse vergriffen, wurde durch neuere Geschichtsforschung „ad absurdum“ geführt. Brühls Reichtum ist demnach erklärbar durch die „Vielzahl finanzieller Gnadenbeweise und Sachwertzuwendungen, die sich noch heute in den Akten des sächsischen Hauptstaatsarchivs nachweisen lassen.

Ein Zeitgenosse schrieb, dass Brühl „ein so geregeltes Benehmen und so viel Eifer zeigte, dass ihn der König (August der Starke) bald von der Menge unterschied und in seine Nähe zog. Er erkannte sein gesundes und gründliches Urteil, seine leichte Auffassungsgabe, seine für sein Alter rasche Erfassung aller Angelegenheiten, seine Verschwiegenheit und vollkommene Verlässlichkeit, verbunden mit edler Offenheit und einer Art und Weise, die schwierigsten Dinge leicht und angenehm mitzuteilen. Er beschloss, dass ein solcher Untertan zu den großen Staatsgeschäften emporgehoben zu werden verdient […].“

Der ungarische Historiker Aladar von Boroviczeny stellt in seiner Biografie fest: „Bei der Durchsicht der sehr umfangreichen Literatur über den Grafen Brühl begegnete ich zu meiner Überraschung bloß abfälligen Urteilen über den Mann […]. Und als ich an die unmittelbaren Quellen kam, fand ich nicht eine einzige historisch begründete Tatsache, welche das landläufige ungünstige Urteil über den sächsischen Premierminister rechtfertigte“. Boroviczeny führt das vor allem auf Verleumdungen zurück, die Preußenkönig Friedrich II. über Brühl in die Welt gesetzt habe. Dessen „glühender Hass“ auf Brühl habe sich daraus gespeist, dass Brühl Frankreich und Österreich miteinander versöhnt und damit die politischen Pläne Friedrichs II. durchkreuzt habe. Nie bestritten wurde, dass Brühl ein erfolgreicher Diplomat und erprobter Organisator war.

Ein durchaus negatives Bild des Grafen und weit entfernt von historischen Tatsachen zeichnete auch der polnische Schriftsteller Józef Ignacy Kraszewski in zwei Romanen aus den 1870er Jahren („Graf Brühl“, „Aus dem Siebenjährigen Krieg“). Eine genauer und wahrheitstreue dazu gibt es von Gunter Pirntke „Graf Brühl: Premier und Sündenbock“, DDV EDITION; New Edition, ISBN: 978-3943444377)

Der Siebenjährige Krieg (1756–1763) tat ein Übriges zum Staatsbankrott. Sachsen wurde von der preußischen Armee besetzt und musste den Großteil der anfallenden Kriegskosten bezahlen. August III. und Brühl flüchteten nach der Kapitulation der sächsischen Armee mit einem Teil des Hofstaates nach Polen, wo sie bis zum Kriegsende blieben. Friedrich II. ließ im Krieg alle Brühlschen Besitzungen plündern und zerstören, so auch das Schloss Pförten am 1. November 1758. Dabei wurden auch wertvolle Kunstschätze und Gemälde zerstört und geplündert.

Nach dem Ende des Krieges kehrten August III. und der gesundheitlich bereits stark angeschlagene Brühl ins bankrotte und stark zerstörte Sachsen zurück.


Graf Heinrich von Brühl, Gemälde von Louis de Silvestre

Nun hielte man sich an den Sekretär von Brühl, Carl Heinrich von Heineken. Der intime Kunstkenner am Hof soll Unmengen von Staatsgeldern veruntreut haben. Der Mann verdient, näher betrachtet zu werden.

Er war Kunstschriftsteller und -sammler, Bibliothekar, Direktor des Dresdner Kupferstichkabinetts, Diplomat, Kursächsischer Geheimer Kammerrat sowie Erb-, Lehn- und Gerichtsherr von Altdöbern.

1739 trat Heineken als Privatsekretär und Bibliothekar in den Dienst des Grafen Heinrich von Brühl, dessen Vertrauter er bald wurde und der ihm 1741 die Verwaltung seiner Kassen, Güter und Manufakturen in Sachsen übertrug. Auf Veranlassung des Kurfürsten Friedrich August II. amtierte Heineken ab 1746 – als Nachfolger des verstorbenen Hofarztes Johann Heinrich von Heucher – bis zu seiner vom Kurfürsten Friedrich Christian am 14. Dezember 1763 angeordneten Absetzung als Direktor des Dresdner Kupferstichkabinetts. Während des Siebenjährigen Krieges geriet Heineken mehrmals in preußische Haft.

Am 27. Oktober 1763 – am Vorabend des Todes von Brühl – ließ Kurfürst Friedrich Christian Heineken in dessen Palais am Taschenberg in Dresden arretieren. Da Brühl in seinen letzten Regierungsjahren die uneingeschränkte Verfügung über die königlichen Kassen gehabt hatte, deren Geld zu Spekulationen verwandte und sich dabei neben Kammerrat Hausius, dem Leiter der Akzise-Überschuss-Kasse (einer Steuerbehörde), seiner beiden Vertrauten Gartenberg (1714–1786) und Heineken bediente, erfolgte am 3. Februar 1764 die Anklage gegen diese drei Günstlinge wegen Veruntreuung und Bereicherung auf Kosten des Staates. Der Regent Prinz Xaver beauftragte deshalb mit der Aufklärung der erhobenen Vorwürfe den Konferenzminister Stammer, der sofort eine Untersuchungskommission – die nach ihm benannte Stammer-Kommission – bildete.

Die Anklagevertretung befasste sich auch mit Heinekens Privatbesitz. Er galt der Anklage als besonders tatverdächtig, da er zum Zeitpunkt seines Dienstantritts bei Brühl (1739) als mittellos geführt wurde, zum Zeitpunkt des Prozesses jedoch einen umfangreichen Privatbesitz vorweisen konnte, zu dem auch die Rittergüter in Altdöbern, Bollensdorf (heute Ortsteil von Ihlow (Fläming)), Kleinjauer und Muckwar sowie das Dresdner Palais am Taschenberg gehörten.

Heineken konnte jedoch nachweisen, dass er – mit Ausnahme des Gutes Bollensdorf, welches er nach eigener Aussage von Brühl als Lohn für seine 24 Dienstjahre bekommen hatte – alle Rittergüter von seinem Schwiegervater, dem Hofkoch Nöller, geerbt hatte. Er behauptete des Weiteren, seinen Lebensunterhalt nur durch seine Einkünfte als Direktor des Kupferstichkabinetts und mit dem Handel von Kupferstichen bestritten zu haben.


Carl Heinrich von Heineken. Carl Gottlieb Rasp nach Marcello Bacciarelli (zugeschrieben)

Da Heineken keine Unterschlagungen staatlicher Gelder nachgewiesen werden konnten, erfolgte gegen ihn eine weitere, politisch als Abrechnung mit dem Brühl-Regime gewollte, Anklage wegen unerlaubter Veräußerung von Kunstschätzen ins Ausland. Sein Nachfolger im Amt des Direktors des Kupferstichkabinetts, Christian Ludwig von Hagedorn, bestätigte jedoch in einem Gutachten, dass Heineken während seiner 17-jährigen Amtszeit den Bestand von 80.917 auf 130.028 Kupferstiche vermehrt sowie von 396 auf 794 Bücher erhöht hatte und somit der eigentliche Schöpfer des Kupferstichkabinetts sei.

Hagedorn würdigte in seinem Plädoyer die Arbeit seines Vorgängers und dessen herausragende Stellung im Dresdner Kunstleben. Er wies nach, dass Heineken vom Kurfürsten Friedrich August II. als ausgewiesener Kunstkenner geschätzt, bei wichtigen Neuerwerbungen von Gemälden gefragt und beim Ausbau sowie bei der Neuorganisation seiner Sammlungen konsultiert worden war. Der Kurfürst hatte Heineken deshalb 1746 zum Direktor des Kupferstichkabinetts berufen. In dieser Funktion vollzog Heineken eine tief greifende Reorganisation der graphischen Sammlung, die er nach Schulen, nach Gattungen oder nach thematischen Gesichtspunkten systematisierte. Er regte während seiner Amtszeit die erst 1764 erfolgte Gründung der Dresdner Kunstakademie an, förderte den Aufkauf von Kupferstichen Dürers und kaufte persönlich Werke Rembrandts und van Dycks in den Niederlanden oder in Hamburg auf. Des Weiteren lenkte er Kunsteinkäufe durch Mittelsmänner wie Algarotti, Guarienti und Rossi in Italien, De Brais und Le Leu in Frankreich oder Talon in Spanien. Ebenso leistete Heineken wegweisende, kuratorische Ansätze beim Aufbau der Graphiksammlung Brühls.

Aufgrund Hagedorns Gutachten wurde Heineken eine Freilassung auf Kaution, wie im Fall des ebenfalls Angeklagten Gartenberg, angeboten. Heineken lehnte im Gegensatz zu diesem jedoch ab, da er zu Recht befürchtete, die hinterlegte Kaution – auch bei Nachweis seiner Unschuld – für immer zu verlieren. Schließlich wurde die Anklage aus Mangel an Beweisen fallengelassen. Heineken, dessen Bleiben in Dresden unerwünscht war, verkaufte das Palais am Taschenberg für 5.000 Taler (weit unter dem tatsächlichen Wert) und siedelte nach Altdöbern über, wo er 1766 eine Tabakfabrik gründete. Das Schloss Altdöbern hatte er seit 1750 prunkvoll ausbauen und den Park fast auf das Sechsfache vergrößern lassen, er wurde mit Kanälen, Wasserbecken, Springbrunnen, Brücken, Pavillons und kostbaren Sandsteinplastiken ausgestattet.

Der gestürzte Günstling kämpfte in den nächsten Jahren für das Wiedererlangen seines Rufes und leistete am 22. März 1769 den Reinigungseid, wobei die Staatskasse alle Kosten für die Untersuchung übernahm. Er verbrachte seinen Lebensabend – unterbrochen nur von Reisen nach Holland, nach Dresden oder nach Paris – in Altdöbern als Schriftsteller und Kunstsammler und förderte zielstrebig die Landwirtschaft, insbesondere den Obstanbau, auf seinen Gütern sowie die Tabakverarbeitung in seiner Fabrik. Die Öffentlichkeit nahm dieses Wirken nur am Rande wahr. Aufgrund der Namensähnlichkeit mit dem korrupten, ehemaligen Konferenzminister Hennicke blieb Heineken als gewissenlose Kreatur Brühls bis zu seinem Tod verfemt.

Die neuen Herrscher in Dresden konnten also keinen Schuldigen ermitteln und haben sich gründlich blamiert. Das soll es auch heutzutage noch geben.

Der Schatz der Sachsen und der Remmo-Clan

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