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Die königliche Hochzeit

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Der königliche Hof brach in Richtung Lyon auf. Zugleich setzte sich in Turin die Kutschenkolonne der Madame Royale mit demselben Ziel in Bewegung. Langsam und träge bewegten sie sich aufeinander zu. Der Zweck der beiden Reisen schien der Gleiche zu sein: die Verlobung und spätere Heirat des französischen Königs mit Marguerite von Savoyen. Für die Savoyer war es eine Herzenssache, den Franzosen bedeutete es so gut wie nichts. Die wenigsten Reiseteilnehmer wussten über Mazarins wahre Beweggründe Bescheid. Trotzdem betrachteten sie die Brautschau vor allem als Gelegenheit, sich zu amüsieren.

Nicht einmal Ludwig selbst war von Mazarin eingeweiht worden. Nach seiner Genesung hatte er sich in die Vergnügungen gestürzt, die der Hof so reichlich bot. Über die bevorstehende Heirat machte er sich kaum Gedanken. Dabei gefiel ihm die Vorstellung einer hübschen, jungen Frau an seiner Seite, die seinen Status weiter anheben und den Einfluss seiner Mutter mindern würde. Die einzige Bedingung, die er stellte, war, dass ihm seine künftige Gemahlin gefallen müsse.

Die Bilder, die man ihm vorlegte, zeigten ein zartes, ängstlich blickendes Wesen mit einem wahrscheinlich dunklen Teint, hatte sich doch sogar der beflissene Hofmaler gezwungen gesehen, dieses Merkmal anzudeuten. „Sie hat schöne Augen“, erklärte Marie höflich, als ihr Ludwig das Porträt seiner möglichen Braut zeigte. Dann aber brach bei aller Selbstbeherrschung das Mancini-Temperament durch, und Marie flüsterte ärgerlich: „Schämen Sie sich nicht, dass man Ihnen eine so unschöne Braut geben will?“ Danach schwieg sie aber, denn ihr fiel ein, dass bei ausreichender Hässlichkeit der Braut die Hochzeit vielleicht nicht zustande kam und der gegenwär-tige angenehme Lebensstil nicht gestört wurde.

Immer wieder betonten Ludwig und Marie, sie seien nur Freunde. Von Liebe könne keine Rede sein. Ludwig hatte noch nie Freunde gehabt. Der Gedanke gefiel ihm, mit diesem lebhaften, geistreichen Mädchen, das vor niemandem Angst hatte, befreundet zu sein. Olympia, die ebenfalls nach Lyon mitreiste, beachtete er kaum noch. Wenn sie an ihn herantrat und ihre Grübchen spielen ließ, neigte er höflich den Kopf und wandte sich dann wieder Marie zu.

Dabei verwirklichte sich, was Catherine de Beauvais über die Frauen gesagt hatte, die er mit seiner Aufmerksamkeit ins Licht rückte. Es dauerte nicht lange, und Marie stand im Mittelpunkt der eitlen, geltungssüchtigen Hofgesellschaft, in der nur zählte, wer im Gespräch war.

Marie entsprach im Gegensatz zu ihren Schwestern und den beiden Martinozzi-Mädchen nicht dem gängigen Schönheitsideal. Sie hatte das schwärzeste Haar von allen, und dunkel wie die Nacht waren auch ihre Augen, umrandet von einem Kranz langer, schwarzer Wimpern unter einem schön geschwungenen Frauenbogen. Ihre schmale Taille sei bemerkenswert, gestand man ihr zu, und ihr Mund ganz hübsch, vor allem, weil Marie mit einem Vorzug gesegnet war, den man nicht oft antraf: schneeweißen Zähnen, die sie mit ihrem Lächeln zeigte, wenn sie etwas erreichen wollte. Die strengen Schönheitskritiker bei Hofe fanden allerdings, dass Maries Haut indiskutabel war - glatt und makellos zwar, aber dennoch der dunkle Teint einer geborenen Italienerin. Und wann hätten die Franzosen je ihre südöstlichen Nachbarn zu schätzen gewusst?

Nach Ansicht der Kenner war das Beklagenswerteste an Marie jedoch ihre knabenhafte Gestalt, für die sie sich noch dazu nicht einmal schämte. Während die anderen jungen Damen in weiten Samtröcken zur Jagd erschienen, trug Marie zu ihren Stiefeln mit Vorliebe unweibliche Reithosen, knapp sitzende Samtjäckchen mit Pelzaufschlägen an Kragen und Ärmeln und manchmal auch eine große, schwarze Seidenschleife oben an der Bluse. Monsieur de Jarze, der sich so sehr für Mode interessierte, hatte als Einziger einmal gewagt, Maries schlanke Erscheinung als „hinreißend“ zu bezeichnen. Daraufhin waren die anwesenden jungen Damen empört über ihn hergefallen. In ihrem Ärger gingen sie sogar so weit, Jarze zu verdächtigen, Marie Mancini gefalle ihm nur, weil sie so wenig weiblich wirke. „Aber sie wirkt weiblich!“, widersprach Jarze. „Aber doch nur auf eine knabenhafte Art!“, antwortete man ihm streng. Damit war das Urteil gefällt. Doch ohne Ludwigs Zustimmung. Denn Marie war im Gespräch! Hatte man bisher boshaft darauf hingewiesen, dass sie „irgendwie anders“ sei, so versuchte man nun, dieses Anderssein zu ergründen. Was ein Makel gewesen war, gewann plötzlich an Wert.

Marie Mancini sei ein Bücherwurm, hatte man gespottet. Dabei genüge es doch für eine Dame von Welt, die Nase von Zeit zu Zeit in den Katechismus zu stecken.

Wer dann noch die seelenvollen Romane des Fräuleins von Scudery las, galt bereits als hoch gebildet. Alles darüber hinaus war „preziös“, und das überließ man getrost den wenigen Damen, die zwar auch zur Aristokratie gehören mochten, ihr Leben aber lieber in elitären Salons verbrachten, in denen von vornehmen Kavalieren wie Nicolas Fouquet bis zu einem Gesindel wie dem Dichter Scarron alles zusammenkam. Marie Mancini lag wohl auf der gleichen Linie. Nur die strenge Hand ihres Onkels verhinderte, dass sie in Kreise ausschwärmte, die eine Dame von Stand und Anstand besser mied.

Unter der Sonne geboren - 2. Teil

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