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Wenn die Mutter Gottes zu den Menschen spricht

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Maria kann theoretisch jeden erscheinen – ob Aposteln, Ordensfrauen oder Teenagern. Doch nicht nur die Menschen, auch die Orte an denen sie den Sterblichen Botschaften übermittelt, verändern sich. Wir stellen ein Wunder auf den Prüfstand, an das noch heute viele Christen glauben wollen.


Maria fährt zum Himmel. Gemälde von Mateo Cerezo (1626 -1666)

Medjugorje, 26. Juni 1981. Heiß ist es in Jugoslawien. Seit zwei Tagen soll hier an einem Berg einigen Jugendlichen die Jungfrau Maria erscheinen. Das zieht viele Dorfbewohner an. Sie sei gekommen, um die ganze Welt zu bekehren und zu versöhnen, soll die Gottesmutter zu der 15-jährigen Ivanka sagen. Die Menge, die das Wunder weder sieht noch hört, fordert ein Zeichen. Das lehnt die Jungfrau mit den Worten „Selig, die nicht sehen und doch glauben!“ ab. Am Ende fügt sie noch hinzu:

„Macht Frieden mit Gott, macht Frieden untereinander. Dazu müsst ihr glauben, beten, fasten und beichten.“

Was ist hier passiert? Erscheint Maria tatsächlich noch 2000 Jahre nach ihrem irdischen Leben? Wem und warum? Welche Botschaft bringt sie? Was sagen Skeptiker zu solchen mysteriösen Vorgängen. die jährlich Millionen Menschen an Orte wie Lourdes, Fatima oder Medjugorje pilgern lassen? Und wer war eigentlich Maria? Über ihre Vorgeschichte berichtet die Bibel nichts, dafür liefert das Protoevangelium des Jakobus aus dem 2. Jahrhundert eine Legende:

Marias Eltern Anna und Joachim waren lange kinderlos, was in jener Zeit als „Fluch“ angesehen wurde. Deshalb wies der Hohepriester Joachims Altaropfer zurück. Schließlich verkündete ein Engel dem Paar doch noch Nachkommen. Maria wurde geboren. Im Neuen Testament erfahren wir, dass Maria, als sie schon mit Josef verlobt war, der Engel Gabriel erschien. Er sagte: „Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir.“ Sie erschrak, doch der Engel sprach weiter: „Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade vor Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, den sollst du Jesus nennen. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David (Bezug auf die Offenbarung des Johannes 22,16; Jesus sagt hier: >Ich bin die Wurzel und der Stamm Davids<) geben, und er wird über das Haus Jakob (das Volk Israel; d. A.) ewig König sein und sein Reich kein Ende haben.“

Maria fragte, wie das geschehen solle. „Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten: darum wird auch das Kind heilig genannt werden und Gottes Sohn“, erklärte der Engel (Lukas 1, 26-38). Maria brachte Jesus in einem Stall in Betlehem zur Welt, danach spielte sie keine große Rolle mehr. Am Ende, kurz vor der Kreuzigung, entdeckte Jesus seine Mutter „und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte“. Er sprach noch einmal kurz mit Maria, auf Johannes weisend: „Siehe, dies ist dein Sohn.“ Danach sagte er zu dem Jünger: „Siehe, das ist deine Mutter.“ Und von der Stunde nahm sie der Jünger zu sich (Johannes 19,25- 27). Der Überlieferung nach ging Maria mit Johannes nach Ephesus, heute ein Ruinenfeld beim türkischen Selcuk. Eine andere Geschichte sagt, dass sie in Jerusalem blieb. Beide Orte werden als ihre Sterbeorte verehrt. In Ephesus soll sich ihr letztes Wohnhaus befinden, das die selige Anna Katharina Emmerick (1774-1824) „geschaut“ hat. Tatsächlich fand man bei Ausgrabungen eine Ruine, die der Beschreibung in etwa entsprach.

War Maria wirklich eine Jungfrau? Wozu wird dann Josefs Ahnenreihe im Neuen Testament aufgezählt? Und warum ist in den alten Fassungen der Bibel noch von „Geschwistern Jesu“ die Rede? Streitbare Theologen wie Gerd Lüdemann vertreten die Auffassung, dass Jesus aus einer vorehelichen Zeugung stamme, vielleicht sogar aus einer Vergewaltigung. Die Bibel liefert keine Aussagen dazu. Matthäus verweist zwar auf Jesaja 7,14, als er schildert, wie ein Engel Josef davon überzeugte, die schwangere Maria nicht zu verlassen (Matthäus 1. 18-25).

Dort steht aber ursprünglich gar nichts von einer Jungfrau, sondern es heißt, „eine junge Frau (hebr. alma) wird schwanger werden und einen Sohn gebären und ihn Immanuel nennen“. Erst in der griechischen Bibelübersetzung „Septuaginta“ aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., die Matthäus benutzt hat, wird das hebräische Wort alma mit parthenos (Jungfrau) übersetzt. Doch das, worauf es ankommt, ist etwas anderes, erklärt der Theologe Wolfgang Beinert: „Der Sohn Gottes wird ohne Zutun eines Menschen geschaffen. Maria ergreift die Hand, die sich ihr bietet. Die Erlösung kommt rein von Gott her. Es handelt sich um eine Neuschöpfung in Solidarität.“ Dafür ist die Vorstellung von der Jungfrauengeburt natürlich wichtig.

Übrigens war sie in der Antike nicht unüblich. Auch Kaiser wie Alexander oder Augustus sollen von Göttern abstammen. Die katholische Kirche trieb diesen Gedanken aber noch weiter. Maria soll selbst unbefleckt empfangen worden, vor, während und nach der Geburt von Jesus jungfräulich geblieben und leiblich auferstanden sein.

Damit war sie keine „normale“ Frau mehr. Reiner als alle anderen sollte sie sein, frei von der Erbsünde, die Eva, die Urmutter aller Menschen, in die Welt gebracht hat. Symbolisiert wird das auf Bildern häufig durch ihre Kleidung, die blau wie der himmlische Gott oder weiß wie das Licht ist, das für Reinheit und Vollkommenheit steht. Maria ist die wichtigste Heilige der katholischen Kirche. In der Position der „Himmelskönigin“ trägt sie sogar Züge einer Göttin.


Zum ersten Mal erschien Maria (noch zu ihren Lebzeiten) angeblich 41 n. Chr. im spanischen Saragossa auf einer Säule. Sie beauftragte dort den Apostel Jakobus mit dem Bau einer Kirche (Gemälde von Nicolas Poussin, 1629/30)

Psychoanalytiker wie C. G. Jung sahen sie als Archetypen der Mutter, zu dem auch heidnische Göttinnen wie Isis und Astarte gehören. Der Mutterarchetyp steht für die Vorstellung einer gebärenden, beschützenden Frau, hat aber auch negative Aspekte in Form der verschlingenden Mutter.

Dazu der Mariologie Wolfgang Beinert: „Analogie ist nicht gleich Genealogie. Maria weist zwar Ähnlichkeiten mit Isis auf, ist aber nicht aus ihr hervorgegangen. Mütterlichkeit und Fruchtbarkeit waren für die Menschen zu jeder Zeit wichtige Themen. (...) Sie ist aber keine Göttin, sondern ein Mensch. Die Verehrungsformen sind nicht unähnlich, weil wir nicht so viele Möglichkeiten haben, unsere Liebe zu jemandem auszudrücken.“

Spätestens seit dem frühen Mittelalter wurde Maria um Fürbitte gebeten. Wallfahrten, Wunder und Reliquienkult waren wichtige Elemente der Volksfrömmigkeit. Als Madonna mit dem Christkind tröstete Maria junge Mütter, als Pieta mit dem toten Jesus auf dem Schoß alle Leidenden. Unter ihrem weiten Mantel barg sie als „Schutzmantelmadonna“ die Gläubigen. Wunder sind in Zusammenhang mit ihr dann keine Seltenheit mehr, wenn man etwas nachhilft.

Die schwarze Madonna von Tschenstochau soll bei einem Schwedenüberfall auf Polen 1655 die Geschosse der Angreifer abgelenkt haben. Zum Dank ernannte der polnische König Johann II. Kasimir Maria zur Patronin des Landes.

An Wallfahrtsorten wie etwa Altötting finden sich besonders zu den Marienfesten viele Pilger ein: Am 8. September wird die Geburt Marias gefeiert, die Verkündigung der Empfängnis am 25. März und Marias Tod und ihre Himmelfahrt am 15. August. Orte, an denen man Wunder erlebt haben will, konkurrieren um die Gunst der Pilger mit Orten, an denen Maria selbst erschienen sein soll. Oft mischt sich auch beides.

Weit über 900 Erscheinungen soll es in den letzten 2000 Jahren gegeben haben, und es werden immer mehr: Allein im 20. Jahrhundert soll Maria 455 Mal gesichtet worden sein. Sie erschien nicht nur in Europa, sondern auch in Afrika, Asien und Amerika. Allerdings ist eine entsprechend geprägte Umgebung dafür notwendig. Genauer: Die „Seher“ sollten römisch-katholisch, orthodox oder koptisch orientiert sein.


Ekstatische Jungfrau: Die Ordensschwester Anna Katharina Emmerick (1774-1824) durchlitt 12 Jahre Iang jeden Freitag den Leidensweg Christi, bekam die Wundmale Jesu und hatte Visionen - auch zur Gottesmutter Maria. Gemälde von Gabriel Cornelius von Max, 1885

In Guadalupe in Mexiko soll Maria sich 1531 dem Indio Juan Diego auf dem Berg Tepeyac gezeigt haben. Als er daraufhin zum Bischof ging, entstand auf seinem Mantel auf unerklärliche Weise ein Bild Marias. Der Mantel ist noch erhalten, Guadalupe wurde einer der größten Marienwallfahrtsorte der Welt. 1968 soll Maria über der koptisch-orthodoxen Kirche von AI-Zeitun am Rande von Kairo erschienen sein.

Hunderttausende Menschen waren Zeugen der Lichtzeichen am Himmel. 1973 soll sie der Novizin Agnes Sagasawa in Akita in Japan mehrere Botschaften überbracht haben. Zum ersten Mal hat Maria 41 n. Chr. dem Apostel Jakobus in Spanien eine Nachricht übermittelt, so die Legende. Sie thronte in Saragossa auf einer Säule und trug ihm auf, eine Kirche zu errichten. Zu dieser Zeit lebte Maria allerdings noch in Jerusalem oder Ephesus. Die Erscheinung weist jedenfalls auf die Umstände hin, unter denen Maria in den nächsten 1700 Jahren meistens auftauchen sollte: Es ging in ihren Botschaften um die Gründung von Kirchen, Kapellen, Klöstern und Orden. In vielen Fällen erschien sie Männern, oft waren es Kleriker. Im Jahr 1110 bewegte sie Bernbard von Clairvaux, sich dem spirituellen Leben zu widmen. Thomas Becket verkündete sie seinen Märtyrertod. Sie unterstützte Dominikus bei der Ordensgründung der Dominikaner und im Kampf gegen die Katharer. Bis heute verbreitet der Orden besonders das Rosenkranzgebet, das Maria als Waffe gegen die Feinde des wahren Glaubens empfohlen haben soll.

Ab Mitte des 13. Jahrhunderts erschien Maria zunehmend Frauen, vor allem Nonnen, die später als Mystikerinnen in die Geschichte eingingen. 1250 besuchte sie Mechthild von Hackeborn und später ihre Schwester Gertrud, die beide im Zisterzienserinnenkloster in Helfta (bei Eisleben) lebten. Maria versprach dem, der sie mit den Worten „0 strahlende Lilie der Dreifaltigkeit, 0 hellglänzende Rose der himmlischen Anmut“ begrüßte, dass sie ihm bei seinem Tod Trost gewähren wolle. Birgitta von Schweden sagte sie über das Letzte Gericht: „Wehe den sich Verhärtenden! Barmherzigkeit für alle, die sich demütigen!“


Die schwarze Madonna im bayerischen Altötting kennt das Geheimnis der Gnade. Die 64 Zentimeter hohe, gotische Statue aus Lindenholz ist das Kultobjekt von Deutschlands größtem Marienwallfahrtsort. Papst Benedikt XVI. betete hier 2006 - und legte seinen Bischofsring vor der Figur nieder

Später erschien Maria immer häufiger Frauen und Kindern aus dem einfachen Volk, die Marias Worte meist in einer Art Trancezustand empfingen. Ihre Botschaften veränderten sich: War sie vorher eher eine geduldige Trösterin, warnte sie nun vor drohenden Katastrophen.

Der Theologe Beinert erklärt das so: „Die Französische Revolution war ein großer Schock für die Gläubigen. Dass Gott so etwas zuließ, so meinte man, würde darauf hindeuten, dass die Endzeit angebrochen sei. Es gab wirtschaftliche Krisen, dazu kam ein zunehmender moralischer Verfall. Die Ängste wurden auf die Erscheinungen projiziert. Hilfreich war, dass man den Eindruck hatte, doch etwas tun zu können. Wenn genügend Buße geleistet würde, könnte Maria Gott noch in den Arm fallen.“

Populär wurde eine Erscheinung nur, wenn sie auf ein Umfeld stieß, das den Botschaften Marias gegenüber aufgeschlossen war. Der Historiker David Blackbourn verweist auf ein Schema, nach dem die neuzeitlichen Erscheinungen verlaufen: Eine ungebildete Seherin aus dem Volk, die mit Armut. Krankheit oder Vernachlässigung konfrontiert ist, bekommt eine Botschaft mitgeteilt. Es fließt Heilwasser, und ein Heiligtum soll gebaut werden, gleichzeitig kommt es zu feindseligen Reaktionen der Zivilbehörden und des Ortspfarrers. Dennoch pilgern immer mehr Menschen zu dem Ort, Wunderheilungen geschehen und schließlich wird ein offizieller Kult eingerichtet.

Diesem Muster entspricht Lourdes, das im Jubiläumsjahr 2008 sechs Millionen Pilger erwartet. Maria begegnet einem in dieser kleinen Stadt in den Pyrenäen auf Schritt und Tritt. Heiligenbilder, Figuren in allen Größen und Rosenkränze gibt es an jeder Ecke. Der Ort lebt von den Menschen, die darauf hoffen, hier Heilung zu erlangen. 67 anerkannte Wunderheilungen sind verzeichnet, und viele Menschen empfinden eine deutliche Besserung ihrer Beschwerden nach einem Besuch in Lourdes. Dazu Beinert: „Heute weiß man von den psychosomatischen Ursachen vieler Krankheiten. Wenn jemand sich nun von Gott angenommen fühlt, kann es sein, dass seine Symptome verschwinden. Biblisch betrachtet kommt es auf die körperliche Gesundung aber gar nicht an. Jesus sagte mehrfach nach Heilungen: >Dein Glaube hat dir geholfen.< Das Wunder ist ein Appell an den Glauben, ein Zeichen Gottes.“

Begonnen hat alles damit, dass Maria der 14-jährigen Bernadette Soubirous (1844-1879) vom 11. Februar bis zum 16. Juli 1858 insgesamt 18 Mal in der Grotte von Massabielle erschienen sein soll. Bernadettes Familie war sehr arm. Das Kind, das unter Asthma litt, suchte mit anderen Kindern Holz, als es beim Durchqueren eines Baches etwas Ungewöhnliches entdeckte: „Ich sah eine weiß gekleidete Dame: Sie trug ein weißes Kleid und einen weißen Schleier, einen blauen Gürtel und auf jedem Fuß eine gelbe Rose“, erzählte sie später. Diese schaute sie lange an und bedeutete ihr, den Rosenkranz zu beten, Dann verschwand sie.

Immer mehr Gläubige begleiteten Bernadette zur Grotte. „Buße! Buße! Buße! Beten Sie zu Gott für die Sünder! Küssen Sie die Erde zur Buße für die Sünder!“, forderte die „Dame“ von Bernadette; und eine Kapelle wünschte sie sich auch an diesem Ort.

Später sollte das Mädchen das schlammige Quellwasser trinken, was sie tat. Die Quelle floss immer stärker und sprudelt mittlerweile mit 122400 Litern pro Tag. Analysen haben nichts Besonderes ergeben, aber das Wasser hat Trinkwasserqualität.

Schon am 26. Februar 1858 geschah das erste Wunder: Ein Steinbrecher wurde von einem Augenleiden befreit. Der Ortspfarrer hielt Bernadette zunächst für verrückt. Doch nachdem die „Dame“ auf Bernadettes Frage nach ihrem Namen „Ich bin die Unbefleckte Empfängnis“ geantwortet hatte, änderte er seine Auffassung. Papst Pius IX. hatte 1854 das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis verkündet, was Bernadette nicht wissen konnte. 1862 erkannte auch der zuständige Bischof die Erscheinung als echt an. Bernadette trat in ein Kloster ein. Sie hat von dem heilsamen Ort wenig profitiert. Nach einem Leben voller Krankheiten starb sie im Alter von nur 35 Jahren. Wahrscheinlich war das viele Wasser aus der Quelle doch nicht so gut. Aber wie viele Heilige vor ihr hat sie ihr Leid klaglos ertragen. Schließlich halle ihr die „Dame“ versprochen, sie nicht „in dieser Welt glücklich zu machen, wohl aber in der anderen“.

Die Botschaft von Lourdes kam der katholischen Kirche recht, bestätigte sie doch das Dogma von der „Unbefleckten Empfängnis“. Mit Papst Pius IX. brach das „Marianische Zeitalter“ an, das mit dem Dogma von der leiblichen Auferstehung Marias von Papst Pius XII. 1950 endete. Es war ein Kampf gegen die Säkularisierung der Gesellschaft, die Trennung von Staat und Kirche. Im 20. Jahrhundert kam auch noch der Kommunismus hinzu.

Vielleicht ist es so zu erklären, dass auch die apokalyptischen Botschaften der Erscheinungen von Fatima in Portugal kirchlich anerkannt wurden. Drei Hirtenkinder, Jacinta, Francisco Marto und Lucia dos Santos, sahen am 13. Mai 1917 auf freiem Feld die Jungfrau Maria. Sie sagte: „Betet, betet viel! Bringt ständig dem Allerhöchsten Gebete und Opfer dar. Bringt alles, was ihr könnt, Gott als Opfer dar, als Akt der Wiedergutmachung für die Sünden, durch die er verletzt wird und als Bitte um die Bekehrung der Sünder.“ Maria befahl ihnen, am 13. jeden Monats wieder hierher zu kommen. Die Kinder folgten der Aufforderung, und jedes Mal wurden sie von mehr Gläubigen begleitet. Insgesamt soll es hier sechs Erscheinungen gegeben haben. Am 13. Oktober beobachteten Zehntausende das „Sonnenwunder“, bei dem sich die Sonne zu drehen schien. Maria forderte, dass hier eine Kapelle zu ihrer Ehre erbaut werden sollte.


Mit Marienvisionen machte die Müllerstochter Bernadette Soubirous (Foto) im Jahr 1858 Lourdes zum Wallfahrtsort. Bis zu sechs Millionen Besucher pilgern jährlich durch die südfranzösische Stadt, die mit ihren Läden zum Shopping von religiösem Kitsch und Devotionalien einlädt. Erstaunlich, wie leicht man den Leuten das Geld herauslocken kann

Außerdem offenbarte sie den Kindern ein dreiteiliges Geheimnis. Der dritte Teil wurde erst im Jahr 2000 von Papst Johannes Paul II. veröffentlicht. Die Kinder hatten zunächst eine Höllenvision, dann prophezeite Maria einen großen Krieg, sofern keine „Andacht zu ihrem Unbefleckten Herzen“ begründet und Russland bekehrt würde. In der Tat brach im erwähnten Zeitraum der Zweite Weltkrieg aus. Im dritten Teil des Geheimnisses sahen die Kinder, wie der Papst durch eine zerstörte Stadt ging und versuchte, die Seelen der Getöteten zu retten. Am Ende wurde auch er, wie viele andere Kirchenleute, umgebracht. Papst Johannes Paul II. und Schwester Lucia, die dann als Nonne in einem Kloster lebte, deuteten die Vision als den Kampf des atheistischen Kommunismus gegen die Kirche, der dritte Teil soll sich auf das Papstattentat 1981 beziehen.

Zumindest für das „Sonnenwunder“ gibt es eine naturwissenschaftliche Erklärung, die der Wissenschaftsjournalist Bernd Harder erläutert: „Wegen der auch durch Dunst noch enormen Helligkeit der Sonnenscheibe versucht das Auge, ihr ständig auszuweichen. Dadurch scheint sich die Sonne zu bewegen. Das Sonnenwunder ist also nichts anderes als ein autokinetischer Effekt, der durch die Augenbewegungen entsteht. Der Farbwechsel der Umgebung ist auf den Nachbild-Farbumkehr-Effekt zurückzuführen. Die Umgebung nimmt die Farbe der Sonne im Nachbild an.“

Für die Marienerscheinungen an sich gibt es eine Erklärung aus dem Bereich der Psychologie: Einige Menschen verfügen über eine „eidetische Veranlagung“. Das bedeutet, dass sie innere Bilder in der Außenwelt sehen. Bernd Harder: „Eidetische Bilder brechen aus dem Unterbewusstsein hervor und lassen wegen ihrer Spontaneität und Kraft den Eindruck eines Eingreifens von außen entstehen.“ Der Psychiater Volker Faust erklärt Visionen als „szenisch ausgestaltete optische Halluzinationen“.

Als krankhafter Zustand kommen sie selten vor, häufiger hingegen während religiöser Ekstase oder bei der Meditation. Letztlich kann man nicht sagen, ob es sich bei einer „Erscheinung“ um ein übernatürliches Phänomen handelt. Selbst wenn sie übernatürlicher Herkunft sein sollte, ist nicht sicher, dass sie von Gott kommt. Der italienische Bischof und ehemalige Exorzist Andrea Gemma hat zum Beispiel die anfangs erwähnten Ereignisse in Medjugorje, das heute zu Bosnien-Herzegowina gehört, scharf verurteilt: Sie seien „vom Teufel“, und alles drehe sich nur ums Geld.

Die Kirche selbst hält sich in den meisten Fällen bedeckt: Marienerscheinungen gehören für sie zu den „Privatoffenbarungen“. Nach der katholischen Lehre ist Gottes Offenbarung mit dem Tod des letzten Apostels zu einem Ende gekommen. Nur sehr wenige Botschaften wurden von der Kirche anerkannt. Bedingung ist: Der Inhalt der Botschaft darf der Bibel nicht widersprechen und es müssen gute Gründe vorliegen, die Erscheinung zum Gegenstand eines Kultes werden zu lassen. Vorher werden die „Seher“ und die Umstände der Erscheinung geprüft. Für Medjugorje lautet das offizielle Statement des Vatikans: „Es steht nicht fest, ob es sich um Übernatürliches handelt.“

Die Marienerscheinungen, die 1981 dort im damals kommunistischen Jugoslawien begannen, sind jedoch politisch interessant. Mönche des Franziskanerordens, die sich während der jahrhundertelangen osmanischen Herrschaft um die geistigen Bedürfnisse der Katholiken gekümmert hatten, wurden seit 1881 durch vom Vatikan gesandte Geistliche unterstützt und zum Teil ersetzt. Damit war die Bevölkerung nicht einverstanden. Der Konflikt zog sich über ein Jahrhundert hin.

Die franziskanischen Priester in Medjugorje versuchten gerade, die charismatische Richtung des Katholizismus zu stärken, als in der 4300-Seelen-Gemeinde einer Gruppe von Jugendlichen die Jungfrau Maria erschienen sein soll. Der damalige Priester verlegte die „Erscheinungen“ in die örtliche Kirche, um mehr Kontrolle darüber zu haben. Die Gemeinde erblühte. Der Pilgertourismus nahm zu, sodass viele in der Region davon leben können. Selbst der Balkankrieg in den 1990er-Jahren hat Maria nicht verschreckt. Mittlerweile gibt es zwar keine täglichen Botschaften mehr, dafür treten die „Erscheinungen“ aber ortsungebunden auf.

Die für die ganze Welt bestimmten Botschaften werden von der „Seherin“ Marija Pavlovic-Lunetti am 25. jeden Monats aus Italien übermittelt, wo sie mit ihrem Mann und vier Kindern lebt. Nachzulesen sind sie auch im Internet. Die Botschaft vom 25. Juli 2008 lautet zum Beispiel: „Liebe Kinder! In dieser Zeit, wo ihr an die körperliche Erholung denkt, rufe ich euch zur Bekehrung auf. Betet und arbeitet so, dass euer Herz sich nach Gott dem Schöpfer sehne, der die wahre Erholung eurer Seele und eures Körpers ist. Er möge euch Sein Angesicht offenbaren, und Er möge euch Seinen Frieden geben.“

Obwohl die Worte Marias auch von einem ganz normalen Pfarrer in der Sonntagspredigt verkündet werden könnten, kommen jährlich mehr als eine Million Pilger nach Medjugorje. Sie berichten von tiefen Bekehrungen und Heilungen von seelischen Verletzungen.

Was an diesen Erscheinungen Wahres dran ist, muss wohl jeder für sich entscheiden. Maria, die Mutter von Jesus, hat sich stets im Hintergrund gehalten. Kann sie wirklich wollen, dass „Tempel“ zu ihrer Ehre errichtet werden? So einfach lassen sich die „Wunder“ manchmal erklären, man braucht nur dazu die Wissenschaft oder hilft selbst etwas nach. Wie auch beim nächsten „Wunder“ von der weinenden Maria.

„Papa, die Madonna weint Blut!“, rief die fünf jährige Jessica am Abend des 2. Februar 1995. Und Fabio Gregori, ein Angestellter aus Civitavecchia, stellte fest, dass seine Tochter nicht log: Auf den Augen der rund 40 Zentimeter hohen Statue bildeten sich Blutstropfen - und liefen ihr übers Gesicht. "Die Madonna weint, weil sie getröstet werden will“, soll Papst Johannes Paul II. erklärt haben, als er von dem Wunder - 60 Kilometer vor den Toren des Vatikans - hörte.

Der Staatsanwalt des Städtchens reagierte kritischer: Er ließ die Terracotta-Statue beschlagnahmen und im rechtsmedizinischen Labor untersuchen. Und siehe da: Es war echtes Blut - von einem Mann! Hatte sich Fabio aus Versehen verletzt? War sein Blut getropft? Einen DNA-Vergleichstest verweigerte er. Die Erklärungen für vermeintlich übernatürliche Marientränen sind vielfältig:

Manchmal halten Gläubige optische Täuschungen, flackerndes Kerzenlicht auf glänzenden Lasuren, für glitzernde Tränen. In den Niederlanden waren die Bluttränen das Harz, das als Klebstoff für die Kunstaugen diente und in der Sonne schmolz. Tränen auf Heiligenbildern entstehen durch Kondenswasser, manchmal kommen sie durch undichte Dächer oder Mauern - die meisten sind jedoch einfach nur Betrug. In Kanada brachte ein Mann sein mit Schweineschmalz vermischtes Blut an einer Marienstatue an, die kräftig weinte, wenn der Raum geheizt wurde. Der italienische Chemiker Luigi Garlaschelli von der Universität Pavia hat das Phänomen der weinenden Madonna nachgestellt: Man nehme eine hohle Statue aus porösem Material wie Gips oder Keramik, glasiere sie mit einer undurchlässigen Beschichtung, fülle dann (heimlich) die Statue mit Flüssigkeit und schabe (wieder heimlich) um die Augen etwas Glasur ab. Hat sich das poröse Material mit der Flüssigkeit vollgesogen, treten an gewünschter Stelle tränenartige Tropfen aus. Der Trick dabei: Ist der Hohlraum hinter den Augen klein genug, lassen sich kaum Spuren finden, wenn die ganze Flüssigkeit ausgetreten ist.


Auf wundersame Weise rollen Tränen von einigen Marienbildern herab. Was steckt hinter diesem Phänomen?

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