Читать книгу Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 25

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Das "Hot Spot" war einer der mondänsten Nachtclubs in der Avenue A. Das nördlich der Lower Eastside gelegene Gebiet um die Avenue A, B und C wird auch Alphabet City genannt. In den letzten Jahren hatte sich dort eine ganze Anzahl neuer Nachtlokale und Discotheken der gehobenen Klasse angesiedelt.

Die Wagenkolonne von Alex Shkoliov und seinem Tross hielt vor dem "Hot Spot".

Insgesamt waren es fünf Limousinen und ein Van.

Seit dem Anschlag auf seine Villa ging Shkoliov auf Nummer sicher. Zurzeit residierte er in einem Hotel in Boston. Dort hatte er mit seinen Leuten eine ganze Etage gemietet. Aber der große Boss des Ukrainer-Syndikats aus Brooklyn wusste nur zu gut, dass das keine Dauerlösung war.

Dazu war er einfach schon viel zu lange im Geschäft.

Seine Leute verloren den Respekt vor ihm, wenn er sich aus dem Staub machte und irgendwo in der Ferne verkroch. Von jemandem wie ihm erwarteten die Mitglieder der Organisation, dass er vor Ort war.

Jemand, der für Ordnung sorgte, damit die dunklen Geschäfte florieren konnten.

Alex Shkoliov hatte an diesem Abend ein Treffen aller Unterbosse seines Syndikates einberufen.

Ich muss Präsenz zeigen!, ging es dem Ukrainer durch den Kopf. Sein Anzug spannte. Mit der Kevlar-Weste unter seiner Kleidung wirkte er mindestens zehn Kilo schwerer. Etwas ungeduldig saß er auf dem Rücksitz seiner gepanzerten überlangen Daimler-Limousine.

"Wir haben alles unter Kontrolle, Boss", sagte der Mann auf dem Sitz neben ihm. Es handelte sich um einen massigen Mann mit vollkommen kahlem Schädel. Über einen Ohrhörer und einem Mikro am Hemdkragen bestand Funkverbindung mit den fast zwei Dutzend Leibwächtern, die Alex Shkoliov bei diesem Anlass begleiteten. "Der Laden gehört uns ganz allein. Das normale Publikum hat keinen Zutritt!"

Alex Shkoliov nickte leicht.

Sein Blick wirkte abwesend.

"Die Italiener lassen es auf einen richtigen Krieg ankommen!", stellte er fest. "Die wollen es wirklich wissen!"

"Dann werden wir ihnen die passende Antwort geben, Boss!", grinste der Kahlkopf.

"Davon bin ich überzeugt, Boris!"

Einige der Bodyguards stiegen aus den Limousinen. Sie trugen MPis und automatische Pistole im Anschlag.

Einer der Guards sprach mit dem Türsteher. Auch das war an diesem Abend einer von Shkoliovs Leuten.

Der kahlköpfige Boris lauschte angestrengt an seinem Ohrhörer,

"Alles klar, Chef. Wir können hinein."

"Dann los!"

Boris gab über Funk den Einsatzbefehl für weitere Bodyguards, die mit der Waffe im Anschlag ausschwärmten, um ihren Boss abzusichern.

Schließlich öffneten zwei der Männer die hinteren Türen von Shkoliovs Limousine. Weitere Bewaffnete in kugelsicheren Westen umringten den großen Boss. Der ganze Pulk ging auf den Eingang des "Hot Spot" zu. Der Türsteher öffnete. Flankiert von seinen Männern betrat Alex Shkoliov das Foyer des Nachtclubs. Die Versammlung sollte im großen Saal des "Hot Spot" stattfinden. Die Tische waren zu seiner langen Tafel zusammengestellt worden.

"Hey, was soll das denn? Noch niemand da?", knurrte Alex Shkoliov verwundert. Er wandte sich an Boris. "Ich dachte, wir wären die Letzten!"

Boris wich seinem Blick aus.

Ein surrendes Geräusch war von der Bühne her zu hören, auf der normalerweise halbnackte Tänzerinnen zu sehen waren. Der Vorhang glitt zur Seite. Ein Spot Light erhellte einen Teil der Bühne, während der Rest vollkommen dunkel blieb.

Alex Shkoliov fiel der Kinnladen herunter.

Der Ukrainer wurde blass.

Er sah einen Haufen übereinandergelegter menschlicher Körper. Die Gesichter waren Masken des Entsetzens. Blut sickerte hier und da aus einer Schusswunde.

Eine Lautsprecherstimme ertönte.

"Guten Abend, Mister Shkoliov. Es tut mir sehr Leid, dass die Konferenz, an der Sie teilnehmen wollten, bereits stattgefunden hat! Wie Sie sehen, war mit einem Teil Ihrer Leute leider keine Übereinkunft zu erzielen!"

"Wer spricht da, verdammt noch mal?", krächzte Shkoliov. "Sind Sie das, Neverio?" Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Er griff sich instinktiv an den Hals, lockerte die Krawatte und den obersten Hemdknopf.

Jemand verriegelte die Tür, durch die der Ukrainer mitsamt seinem Gefolge eingetreten war.

Die Lautsprecherstimme ließ ein schallendes Gelächter hören.

Das Spot Light schwenkte auf einen anderen Punkt der Bühne. Die Leichen verschwanden im Dunkel. Stattdessen wurde jetzt ein Mann von etwa 35 Jahren in dunklem Nadelstreifenanzug angeleuchtet. Lässig steckte die rechte Hand in der Hosentasche.

"Neverio! Sie Schwein!", rief Shkoliov.

Der Italo-Amerikaner lächelte kalt.

"So schnell verlieren Sie die Fassung, Shkoliov? Sie enttäuschen mich!"

Shkoliov lief hochrot an. Er wandte sich an seine Leute. "Worauf wartet ihr Wichser? Warum legt ihr den Kerl nicht um!" Shkoliov drehte sich zu Boris herum und erstarrte. Er blickte direkt in den Lauf einer Beretta.

"Tut mir leid, Mister Shkoliov", sagte Boris kalt. "Aber das Angebot von Mister Neverio konnte ich einfach nicht ablehnen."

Auch die anderen Bodyguards drehten sich jetzt zu ihrem Boss herum. Fast zwei Dutzend Mündungen von MPis und automatischen Pistolen waren auf den Boss des Ukrainer-Syndikats gerichtet.

"Boris!", stieß Shkoliov hervor. Er hatte Boris vertraut. Offenbar ein Fehler!, durchzuckte es ihn jetzt bitter. "Boris, ich kann das nicht glauben! Da liegen unsere Leute zusammengeschossen auf einem Haufen und..."

"Man sollte sich nicht zuviel Sentimentalität leisten, Mister Shkoliov", erwiderte Boris eisig. "Ist schlecht fürs Business. Ich glaube, Sie waren es, der das mal zu mir gesagt hat."

Shkoliov schluckte.

Er wandte den Blick, sah in die Augen der Männer, die er für seine Leibwächter gehalten hatte.

Der große Boss sah ein, dass er verloren hatte.

Endgültig.

"Mein Sohn Oleg wird euch alle ausradieren!", brüllte er.

Shkoliov stürzte sich mit bloßen Händen auf Boris.

Dieser drückte die Beretta ab. Der erste Schuss traf Shkoliov in Brusthöhe und wurde durch das Kevlar unter dem Anzug aufgefangen. Die Wucht des Geschosses war dennoch groß genug, um Shkoliov zu stoppen. Der Ukrainer rang nach Luft. Den zweiten Schuss zielte Boris auf den Kopf seines Bosses.

Shkoliov sank zu Boden.

Regungslos blieb er liegen.

Ray Neverio klatschte demonstrativ Beifall. "Gut gemacht, Boris!"

"Ich hoffe doch, es bleibt bei unserer Vereinbarung!", sagte Boris.

"Sie und Ihre Leute haben einen großartigen Job gemacht, Boris! Da gibt's nur einen kleinen Haken!"

"Welchen Haken?"

"Ich kann Verräter nicht leiden!"

"Was soll das heißen?"

Die vage Ahnung, aufs Kreuz gelegt worden zu sein, stieg in Boris hoch. Er riss die Beretta herum.

Das Licht ging aus. Es war von einer Sekunde zur anderen stockdunkel im Hauptsaal des "Hot Spot". Im nächsten Moment blitzten ein paar winzige Leuchten an der Decke auf. Wie eine Handvoll funkelnde Sterne im Nachthimmel wirkten sie. Ihr Licht reichte nicht aus, um etwas sehen zu können.

Von der Bühne her blitzten plötzlich Dutzende von Mündungsfeuern. MPis knatterten los. Ein wahrer Geschosshagel erfüllte die Luft. Draußen würde man davon nichts hören. Das "Hot Spot" war schalldicht isoliert.

Schreie gellten in der Dunkelheit.

Nach einigen Augenblicken verebbten die Schüsse.

Es wurde hell.

Bewaffnete Männer mit Sturmhauben und Nachtsichtgeräten sprangen von der Bühne. Die bis dahin verriegelten Türen wurden aufgestoßen. Weitere Bewaffnete betraten den Raum.

"Alles in Ordnung, Mister Neverio!", rief einer von ihnen.

Ray Neverio stieg als letzter die Treppe hinunter, die zur Bühne hinaufführte.

Überall lagen auf dem Boden verstreut Tote in ihrem Blut.

Die Verräter hatten keine Chance gehabt, sich gegen Neverios Leute verteidigen zu können. Sie waren buchstäblich wie blind gewesen.

Einer der Killer deutete zur Decke. "Das Restlicht war schon beinahe zu hell! Ich hatte schon Angst, dass die Bastarde uns sehen könnten! Mit unseren Nachtsichtgeräten wären wir auch mit ein paar Lux weniger zurechtgekommen."

Ray Neverio machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich weiß nicht, was du hast, Michael! Hat doch alles prima geklappt!"

Ein ächzender Laut war schwach zu hören.

"Hier lebt noch einer!", meldete ein Mann mit hochgeklapptem Nachtsichtgerät.

Neverio war in wenigen Augenblicken dort. Es war Boris, der da in einer Blutlache lag und sich noch rührte.

Ray Neverio schnipste mit den Fingern.

Einer der Killer warf ihm eine Automatik zu.

Neverio fing sie sicher auf. Er zielte kurz und drückte ab. Boris Körper zuckte, als die Kugel ihn traf.

"Ich hasse schlampige Arbeit!", meinte er mit einem zynischen Lächeln um die Lippen. Wenigstens eine Sache, die ich mit dem "Großen Alten" aus Marokko gemeinsam habe!, ging es ihm durch den Kopf.


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