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Als wir uns am nächsten Morgen im Besprechungszimmer von Mister McKee trafen, lag bereits eine vorläufige Rekonstruktion des Tathergangs im "Hot Spot" vor. Unser Innendienst-Kollege Max Carter erläuterte uns die gebündelten Erkenntnisse der Scientific Research Division und unserer eigenen Spezialisten. Danach war Alex Shkoliov von einem seiner eigenen Leute erschossen worden.

"Wir werden sicher noch lange nicht jede Einzelheit dieses äußerst brutalen Massakers aufdecken können", erklärte Max Carter. "Aber erstens dürfte feststehen, dass Alex Shkoliov durch Verräter in den eigenen Reihen ans Messer geliefert wurde und zweitens gibt es einen sehr aufschlussreichen Zeugen."

Milo und ich sahen uns erstaunt an.

Auch Clive Caravaggio machte einen ziemlich verblüfften Eindruck. "Als ich dort war, gab es nur jede Menge Leichen... Ich hätte niemanden gesehen, der noch zu einer Aussage fähig gewesen wäre!"

"Ich spreche von der hochmodernen, computergesteuerten Lichtanlage des Hot Spot. Das Modernste, was man sich in dieser Hinsicht wünschen kann! Jeder Beleuchtungswechsel wird von der Anlage elektronisch protokolliert. Es ist genau nachzuvollziehen, wie zu jedem Zeitpunkt der Raum ausgeleuchtet wurde. Gleichzeitig wissen wir, dass die meisten Opfer von der Bühne aus erschossen wurden."

Clive runzelte die Stirn. "Worauf willst du hinaus, Max?"

"Wir haben Grund zu der Annahme, dass Shkoliov und seine Leute in eine böse Falle gelockt wurden. Das Licht wurde bis auf einen minimalen Rest gelöscht. Dieses Restlicht dürfte kaum ausgereicht haben, um die Hand vor Augen noch zu sehen. Aber für den Einsatz eines gängigen Army-Nachtsichtgerätes reichte es vollkommen."

"Mit anderen Worten: Shkoliovs Leute hatten keine Chance", ergänzte Mister McKee. "Sie waren blind, während ihre Mörder sie vermutlich wie Hasen abschießen konnten." Unser Chef atmete tief durch. "Was Max uns gerade vorgetragen hat, ist natürlich bislang nur Hypothese. Zum Beweis fehlen uns die Nachtsichtgeräte der Killer. Aber da wahrscheinlich mehr als zwei Dutzend Killer entsprechend ausgerüstet gewesen sind, könnte es sein, dass jemand in Little Italy von der Anschaffung der Geräte gehört hat."

"Ich werde sehen, dass ich unsere Informanten in Little Italy mal in dieser Hinsicht ausquetsche", versprach Clive. Die Chancen, auf diesem Weg etwas herauszufinden standen tatsächlich nicht schlecht. Der Gangsterkrieg war erst nach Jack Scarlattis Ermordung ausgebrochen. Vorausgesetzt, das Massaker im "Hot Spot" stand tatsächlich im Zusammenhang mit dieser Tat, so hatten die Killer nicht viel Zeit zur Vorbereitung gehabt und die Nachtsichtgeräte vermutlich sehr schnell beschaffen müssen.

Mister McKee hatte weitere Neuigkeiten zu berichten.

Michael DiAngelo verweigerte bislang die Aussage.

Eine Anwaltskanzlei, die ansonsten für Ray Neverio und andere Mitglieder der Scarlatti-Familie tätig gewesen war, vertrat seine Interessen. Wahrscheinlich hoffte DiAngelo, dass sein Boss ihn irgendwie heraushauen würde. Eine Illusion. Juristisch sah es rabenschwarz für ihn aus, nur berieten ihn seine Verteidiger nicht zu seinem Vorteil.

Möglicherweise würde er später offen für ein Angebot des District Attorney sein.

Aber im Moment nützte uns das wenig.

Ray Neverio wurde beschattet und telefonisch überwacht, und wir konnten nur hoffen, dass dabei etwas herauskam, was uns weiter brachte.

Der anonyme Anrufer, der uns darüber informiert hatte, dass sich der alte Scarlatti bereits im Lande befand, hatte sich nicht wieder gemeldet.

Wie wir wenig später von Mister McKee erfuhren, würde er sich vielleicht auch nie wieder melden können.

Bei der routinemäßigen Durchsuchung von Evita Jacksons Wohnung durch unsere Erkennungsdienstler Sam Folder und Mell Horster war ein Stimmenverzerrer aufgetaucht. Es lag daher nahe, dass Evita die Anruferin gewesen war.

"Evita Jackson muss die Spionin der Shkoliovs bei den Scarlattis gewesen sein", schloss ich. "Kein Wunder, dass Neverio sie aus dem Weg haben wollte..."

"So lange DiAngelo schweigt, können wir Neverio den Mordauftrag nicht beweisen", gab Mister McKee zu bedenken.

Damit hatte er leider Recht.

Unser Chef nippte an seinem Kaffeebecher, stellte ihn dann auf den Tisch. Er fuhr fort: "Wenn Evita Jackson über das Auftauchen des großen Alten aus Marokko informiert war, dann können wir davon ausgehen, dass die Ukrainer ebenfalls darüber Bescheid wussten..."

Eines der zahlreichen Telefone auf Mister McKees Schreibtisch klingelte.

Der Special Agent in Charge machte zwei Schritte, nahm den Hörer ab. Als er wenig später auflegte, wandte er sich an meinen Kollegen Milo Tucker.

"Das war das St. James Hospital, Milo. Oleg Shkoliov geht es sehr schlecht. Er liegt im Sterben."

"Verdammt", murmelte Milo.

"Oleg möchte allerdings unbedingt mit Ihnen reden Milo! Mit Ihnen persönlich - und mit niemand anderem! Sie müssen einen großen Eindruck auf ihn gemacht haben!"

"Bin mal gespannt, was er mir zu sagen hat", antwortete Milo.

Die Vernehmung des überlebenden Chauffeurs war mehr oder minder ohne Ergebnis verlaufen. Unser Verhörspezialist Dirk Baker hatte dadurch nur bestätigt gefunden, dass es sich bei den Männern, mit denen sich Oleg getroffen hatte, um ehemalige Söldner gehandelt hatte. In unseren über das Verbundsystem NYSIS zugänglichen Datenbanken waren ganze Dossiers über diese Leute zu finden. Offenbar hatte Oleg neue Leute gesucht, um den Krieg gegen Little Italy fortsetzen zu können.

"Reden Sie mit Oleg", wandte sich Mister McKee noch einmal an Milo. "Vielleicht erfahren Sie ja etwas, das uns weiter bringt."

Ich trank meinen Kaffee leer und wandte mich an Milo. "Wir sollten keine Zeit verlieren! Wenn Olegs Zustand wirklich derart kritisch ist..."

"Für Sie habe ich eine andere Aufgabe, Jesse!", unterbrach mich Mister McKee

Ich sah ihn fragend an.

"Sir?"

"Der Westernmantel dieses Roller-Skates-Fahrers ist aus dem Labor zurückgekommen. In Kniehöhe befand sich ein Blutfleck, aus dem testfähige DNA gewonnen werden konnte."

"Scheint, als wäre Rico Jarmaine nicht so hundertprozentig sicher auf den Blades, wie er uns gegenüber getan hat!", meinte ich.

Mister McKee schüttelte den Kopf.

"Die gesicherte DNA stammt nicht von Rico Jarmaine."

Ich hob erstaunt die Augenbrauen. "Dann hat er die Wahrheit gesagt und ihm gehörten die Sachen wirklich nicht?"

"Ja. Aber diese Spur ist trotzdem nicht kalt. Die Kollegen aus dem Labor sind überzeugt davon, dass die gefundene DNA von einem nahen Verwandten stammt..."


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