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Viertes Kapitel.

Das Frühstück des jungen Schotten bestand aus einer hervorragenden Perigord-Pastete. Dazu ein höchst schmackhaftes Ragout mit viel Knoblauch, den die Gascogner lieben und die Schotten nicht hassen; aus einem köstlichen Schinken mit feinstem Weißbrot in kleinen, runden Laiben, dessen Rinde so einladend war, dass es, selbst in Wasser getaucht, ein Leckerbissen gewesen wäre, und einem Becher der herrlichsten Burgundermarke. Durward, der in den letzten Tagen außer halbreifem Obst und einer mäßigen Portion Gerstenbrot nichts gegessen hatte, fiel über das Ragout her, und die Schüssel war auf der Stelle leer; hierauf griff er die mächtige Pastete an, fiel über den Schinken her und würzte dies Mahl gelegentlich durch einen Becher Wein, kehrte aber zum Erstaunen des Wirtes und zur Belustigung des Meisters Peter immer wieder zu der Schüssel zurück, bis er sie vollständig leer gekratzt hatte.

Der Letztgenannte schien, sich über die Esslust des jungen Schotten zu ergötzen, und als er endlich merkte, dass derselbe satt zu werden anfing, versuchte er ihn mit Konfekt und allerhand Naschwerk zur Fortsetzung seiner Mahlzeit zu reizen. Unterdes zeigte sich auf dem Gesicht des Meisters Peter eine gewisse gute Laune, die fast bis zum Wohlwollen stieg, und mit seinem gewöhnlichen scharfen, beißenden und strengen Charakter einen lebhaften Kontrast bildete.

Quentin Durward fand es mit der Zeit sonderbar, allein zu essen und er machte Meister Peter Vorwürfe, dass er ihn über seinen starken Appetit auslache, selbst aber nichts esse.

„Ich muss fasten!“, sagte Meister Peter, „und kann vormittags nichts genießen als etwas Backwerk und ein Glas Wasser! Lasst mir es doch durch Eure Frau herbringen!“ setzte er hinzu, sich zu dem Wirt wendend. Während dieser das Zimmer verließ, fuhr Meister Peter fort: „Nun, hab ich Wort gehalten betreffs des Frühstücks?“

„Ich hatte keine bessere Mahlzeit, seit ich Schottland den Rücken kehrte“, versetzte der Jüngling.

„Die königlichen Bogenschützen können sich solch Frühstück immer leisten“, sagte Meister Peter; „warum wollt Ihr denn nicht hier in Dienste treten, junger Mann? Euer Onkel könnte Euch schon einschieben, sobald eine Stelle vakant würde. Hört mal! Ich habe selbst eine Art Interesse bei der Sache und kann Euch behilflich sein. Ihr könnt doch ebenso gut reiten, wie den Bogen spannen, wie?“

„Unser Stamm zählt gewiss gute Reiter. Aber seht nur! Nahrung und Sold sind zwar nötige Dinge; allein in meinem Falle denkt man auch an Ehre, Beförderung und tapfere Kriegstaten. Euer König Ludwig aber, Gott segne ihn, der liegt hier in seinem Schloss und gewinnt Städte und Provinzen durch politische Gesandtschaften, statt sie in offenem Kampf zu erobern. Ich halt es schon lieber mit den Douglas, die stets im Felde stehen, weil sie lieber eine Lerche singen, als eine Maus quieken hören.“

„Junger Mann“, sagte Meister Peter, „urteilt nicht voreilig über die Handlung der Fürsten. Ludwig sucht das Blut seiner Untertanen zu schonen, und sorgt nicht um das eigene. Zu Montl'hery hat er sich als mutiger Mann gezeigt.“

„Nun ja“, versetzte der Jüngling, „allein das ist ein Dutzend Jahre her, wenn nicht länger; ich möchte lieber einem Herrn dienen, der seine Ehre immer so rein und glänzend erhält wie seinen Schild und in dem Schlachtgewühl sein Glück versucht.“

„Warum habt Ihr denn da nicht einen Versuch gemacht, in Brüssel beim Herzog von Burgund anzukommen? Der hätte Euch Gelegenheit gegeben, jeden Tag den Hals zu brechen, und Ihr hättet Euch sicher nicht umsonst bemüht, wenn er gehört hätte, dass Ihr seinen Förster verprügelt habt.“

„Wohl wahr!“, sagte Quentin; „mein unglückliches Geschick hat mir diese Tür verschlossen.“

„Abenteuer, bei denen die Jugend sich den Hals brechen kann, gibt's da draußen noch in Menge“, erwiderte sein Ratgeber. „Was denkt Ihr zum Beispiel von Wilhelm von der Mark?“

„Was sagt Ihr?“ entgegnete Durward; „dem mit dem Barte sollt ich dienen? Dem wilden Eber der Ardennen? Einem Räuberhauptmann und Anführer von Mördern, der einem das Leben nimmt um eines Ebers wegen, und Priester und Pilger erschlägt, als wären es Lanzenknechte und Reisige? Das wär ein ewiger Schandfleck auf dem Schilde meines Vaters.“

„Wohlan, junger Hitzkopf“, sagte Meister Peter, „warum folgt Ihr dann nicht dem jungen Herzog von Geldern?“

„Eher wollt ich dem bösen Feinde folgen!“, erwiderte Quentin. „Im Vertrauen gesagt, er ist eine zu schwere Bürde für die Erde; die Hölle verschlingt ihn gewiss. Wie man sagt, hält er seinen eigenen Vater gefangen und hat ihn sogar geschlagen. Könnt Ihr Euch so was denken?“

„Nach der Art, wie Ihr den Charakter der Fürsten beschreibt“, entgegnete Meister Peter, der über den Abscheu des Jünglings, mit dem er von kindlichem Undank sprach, ein wenig erregt zu sein schien, „wär's besser für Euch, wenn Ihr selbst ein Feldherr geworden wäret; denn wo soll ein so weiser Jungbursch einen Anführer finden, der sich zum Befehlshaber für ihn schickte?“

„Ihr lacht mich aus, Meister Peter“, sagte der Jüngling heiter, „und könnt recht haben; allein Ihr habt einen Mann nicht genannt, der ein wackrer Anführer ist, und eine tapfere Truppe hier zusammenhält, unter dem schon jemand Dienste suchen könnte.“

„Ich kann nicht erraten, wen Ihr meint.“

„Wen denn anders, als den, der zwischen den beiden Magneten hängt? Den man weder Franzosen noch Burgunder nennen kann, der aber die Waage zwischen beiden zu halten weiß; vor dem sich beide fürchten, und ihm zugleich dienen, so große Fürsten sie auch immer sind.“

„Ich erkenne nicht, wen Ihr meint“, sagte Peter, nachsinnend.

„Wen sollte ich meinen, als den edlen Ludwig von Luxemburg, den Grafen von St.-Paul und Großconnetable von Frankreich? Der behauptet seinen Platz mit seinem kleinen, tapferen Heer und trägt das Haupt so hoch, wie König Ludwig oder Herzog Karl, und schwebt doch zwischen beiden, wie der Knabe, der in der Mitte eines Brettes steht, während zwei andere sich an den beiden Enden auf- und abschwingen.“

„Er läuft aber Gefahr, am schlimmsten von allen Dreien zu fallen“, sagte Meister Peter. „Im Vertrauen gesagt, junger Freund, wisst Ihr denn, dass Euer Graf von St.-Paul der Erste war, der das Beispiel gab, das Land in Kriegszeiten zu verheeren?“

Da ging die Tür auf, und ein Mädchen, von etwa fünfzehn Jahren, trat herein, mit einem Präsentierteller, auf dem eine kleine Schale stand mit getrockneten Pflaumen, die der Stadt Tours seit je zu gutem Ruf verholfen haben. Allein der Anblick des Mädchens, das sie trug, fesselte Durwards Aufmerksamkeit in weit höherem Grade, denn ihr junges und liebenswürdiges Gesicht war ernster, als es sonst der Schönheit der Jugend eigen zu sein pflegt, und er zog mit der romantischen Einbildungskraft der Jugend sehr rasch den Schluss, dass über ihrem Schicksal ein romantischer Schleier liegen möchte. „Nun, Jacqueline“, sagte Meister Peter, als das Mädchen ins Zimmer trat, „was ist denn das? Ich wünschte doch, dass Frau Perette mich bedienen sollte. Dünkt sie sich etwa zu gut dazu?“

„Meine Mutter ist nicht wohl“, versetzte Jacqueline eilig, doch demütig; „sie muss das Zimmer hüten.“

„Hoffentlich allein!“, sagte Meister Peter mit einem Nachdrucke; „ich gehöre nicht zu denen, die erdichtete Krankheiten als Entschuldigung gelten lassen.“

Jacqueline wurde bleich und zitterte bei Meister Peters Antwort, dessen Stimme und Blick, stets rau, stechend und unfreundlich, in Fällen, wo er Zorn oder Verdacht ausdrückte, eine sehr düstere Färbung annahm. Quentin Durward aber eilte Jacqueline entgegen, um ihr die Last, die sie trug, abzunehmen. Sie ließ sie ihm auch willig, aber beobachtete mit schüchternem, ängstlichem Blick das Gesicht des zornigen Bürgers. Es war unmöglich, dem durchdringenden, um Mitleid flehenden Ausdruck ihrer Blicke zu widerstehen, und Meister Peter fuhr nun, nicht bloß mit vermindertem Groll, sondern mit Artigkeit fort: „Ich tadle Dich nicht, Jacqueline, denn Du bist zu jung, um das schon zu sein, was Du einst, ich denke nur mit Schmerz daran, werden musst, ein falsches, verräterisches Wesen, wie alle Deines wankelmütigen Geschlechts. Niemand erreicht das eigentliche Mannesalter, ohne dass sich ihm Gelegenheit geboten hätte, Euch alle kennen zu lernen. Hier ist ein schottischer Kavalier, der wird Dir dasselbe sagen.“

Jacqueline blickte augenblicklich den jungen Fremden an, so, als wollte sie nur Meister Peter gehorchen; allein so flüchtig der Blick auch war, so schien es Durward doch, als ob darin eine Aufforderung zu Unterstützung und Teilnahme liege, und mit der Schnelligkeit, die sein jugendliches Gefühl ihm eingab, sowie mit der durch seine Erziehung ihm eingeflößten romantischen Verehrung des weiblichen Geschlechts antwortete er: Er wolle sogleich seinen Handschuh jedem hinwerfen, der zu behaupten wage, dies Wesen, dem er jetzt ins Auge schaue, sei nicht von den reinsten und aufrichtigsten Gesinnungen beseelt.

Das junge Mädchen wurde totenbleich und warf einen misstrauischen Blick auf Meister Peter, der über die Prahlerei des galanten Jünglings nur verächtlich lächelte.

„Ihr seid ein törichter Mensch“, sagte er zu dem Schotten, „und versteht Euch ebenso wenig auf die Weiber, als auf die Fürsten, deren Herzen“, hier schlug er andächtig ein Kreuz, „Gott in seiner rechten Hand hält.“

„Und wer hält denn die Herzen der Weiber?“, fragte Quentin, entschlossen, sich von dem Übergewicht dieses seltsamen alten Mannes nicht weiter in die Enge treiben zu lassen.

„Da müsst Ihr schon in einem andern Quartier vorfragen“, sagte Meister Peter mit Ruhe.

Quentin war abermals zurechtgewiesen, jedoch nicht völlig aus der Fassung gebracht. Während er aber noch bei sich dachte, dass er dem alten Manne zu viel Ehre wegen des Frühstücks antue, und dass er doch ein schottischer Edelmann mit Stammbaum und Wappenrock bleibe diesem Handwerker von Tours gegenüber, streichelte dieser Jacquelinens lange Haarflechte und sagte mit Lächeln: „Der junge Mann da wird mich bedienen, Jacqueline; Du kannst wieder gehen. Ich werde es Deiner nachlässigen Mutter sagen, dass sie sehr übel daran tut, Dich so unnötigerweise jungen Gaffern auszusetzen.“

„Ich wollte Euch ja nur aufwarten“, sagte das Mädchen, „und hoffentlich werdet Ihr deshalb nicht böse sein auf Eure Verwandte, denn ...“

„Sappalot!,“ rief der Kaufmann, indem er ihr, obgleich nicht mit Rauheit, ins Wort fiel, „Du willst Dich doch nicht in einen Wortkampf mit mir einlassen, oder bleibst Du am Ende, um den jungen Mann recht zu betrachten? Geh nur! Es ist ein Edelmann und seine Bedienung ist hinreichend für mich.“

Jacqueline verschwand, und Quentin Durward nahm so großen Anteil an diesem plötzlichen Verschwinden, dass er darüber den Faden seiner Betrachtungen verlor und ganz mechanisch gehorchte, als Meister Peter, sich nachlässig in den großen Armstuhl werfend, mit dem Tone eines Mannes, der zu befehlen gewohnt ist, sagte: „Setze den Teller hier neben mich!“

Der Kaufmann senkte jetzt seine dunklen Augenbrauen über die scharfen Augen, so dass man sie kaum noch sah, oder schoss dann und wann einen lebhaften Blick darunter hervor, gleich Sonnenstrahlen hinter dunklem Gewölk. Je öfter und fester er ihn jetzt betrachtete, umso stärker ward seine Neugier, zu erfahren, wer und was der Mann eigentlich war, den er in seinen Gedanken wenigstens für einen Syndikus oder eine hohe Person von Tours hielt. Unterdessen schien der Kaufmann abermals in tiefes Gedanken versunken zu sein, aus dem er sich bloß erhob, um entweder das Zeichen des Kreuzes zu machen, oder etwas von den gedörrten Früchten nebst einem Stückchen Zwieback zu sich zu nehmen. Dann winkte er Quentin, ihm den Becher zu reichen, und als er den Wein, mit Wasser vermischt, ausgetrunken hatte, zog er einen großen, aus Seeotterfell verfertigten Beutel hervor und schüttete eine Menge kleiner Silbermünzen in den Becher, bis er über die Hälfte voll sein mochte.

„Ihr hättet wohl Ursache, dankbarer zu sein junger Mann“, sagte Meister Peter, „sowohl Eurem Patron Saint-Quentin, wie dem heiligen Julian, als Ihr es, dem Anschein nach, seid. Ich möcht Euch raten, in ihrem Namen Almosen zu verteilen. Bleibt indes in diesem Gasthaus, bis Ihr Euren Verwandten, Ludwig mit der Narbe, gesprochen habt; er wird nachmittags von der Wache abgelöst. Ich will's ihn wissen lassen, dass Ihr hier seid; denn ich habe Geschäfte im Schloss.“

Durward wollte sich entschuldigen, dass er die Freigebigkeit seines neuen Freundes nicht anzunehmen wage; allein Meister Peter sagte, indem er seine dunklen Augenbrauen zusammenzog und seine gebückte Gestalt mit einer Würde, die Durward noch gar nicht an ihm bemerkt hatte, emporrichtete, in einem gebieterischen Tone: „Keinen Einwand! Tu, was Dir befohlen wird!“ Mit diesen Worten verließ er das Gemach, Quentin durch einen Wink begreiflich machend, dass er ihm nicht folgen solle. Dieser blieb verwundert zurück und wusste durchaus nicht, was er von der Sache denken solle. Sein erster und natürlichster, wenn auch eben nicht der würdigste Antrieb war, in den silbernen Becher zu gucken, der über die Hälfte mit Geldstücken angefüllt war, die sich wohl auf einige Dutzend belaufen konnten, während Quentin in seinem ganzen Leben noch keine zwanzig besessen hatte. Ließ es sich aber auch mit der Würde eines Edelmanns vereinigen, das Geld von dem reichen Plebejer anzunehmen? Das war freilich eine bedenkliche Frage; denn wenn er auch ein gutes Frühstück zu sich genommen hatte, so hatte er doch kein Geld, um entweder nach Dijon zurückzureisen, falls er es wagen sollte, sich dem Zorn des Herzogs von Burgund auszusetzen, oder um sich nach Saint-Quentin zu begeben, wenn er sich für den Connetable Saint-Paul entschied. Vielleicht fasste er unter diesen Umständen den klügsten Entschluss, indem er sich vornahm, sich der Leitung seines Onkels anzuvertrauen. Er steckte einstweilen das Geld in den samtenen Falkenbeutel und rief den Wirt des Hauses, um ihm den Becher wieder zurückzugeben und sich über den freigebigen und verschwenderischen Kaufmann bei dieser Gelegenheit zu erkundigen.

Der Wirt zeigte sich, wenn auch nicht mitteilsam, doch gesprächiger als vorhin. Er weigerte sich unbedingt, den silbernen Becher zurückzunehmen, da er nicht ihm, sondern dem Meister Peter gehöre, der ihn seinem Gaste geschenkt habe.

„Aber ich bitt Euch“, rief Durward, „sagt mir bloß, wer dieser Meister Peter ist, der Fremden so beträchtliche Geschenke macht?“

„Meister Peter?“, fragte der Wirt, die Worte dabei so langsam aus seinem Munde fallen lassend, als ob er sie destillieren wolle.

„Ja doch!“ wiederholte Durward schnell und bestimmt; „wer Meister Peter ist, frage ich, und warum er mit seinen Geschenken in dieser Weise um sich wirft? Und wer der Kerl ist, der einem Fleischer ähnlich sieht und der das Frühstück bestellen musste?“

„Da hättet Ihr ihn selbst fragen sollen, den Meister Peter; was aber den Herrn betrifft, der das Frühstück bei mir bestellt hat, so mag uns Gott vor seinem näheren Umgange bewahren!“

„Dahinter steckt ein Geheimnis!“, sagte der junge Schotte; „Meister Peter hat mir gesagt, er sei ein Kaufmann.“

„So? Dann ist er auch sicher ein Kaufmann.“

„Mit was für Ware handelt er denn?“

„O, mit allerhand, besonders aber hat er Seidenmanufakturen hier angelegt, die ganz ebenso schöne Sachen liefern, wie die Venetianer aus Indien und Kathai bringen. Habt Ihr nicht die Reihen von Maulbeerbäumen gesehen, als Ihr hierher kamt? Die sind alle auf Meister Peters Befehl angepflanzt worden, zur Nahrung für die Seidenwürmer.“

„Allein das junge Mädchen, das die gedörrten Pflaumen hereinbrachte, wer ist denn die, guter Freund?“, fragte der Gast.

„Sie wohnt bei mir, Sir, mit ihrer Aufseherin, wohl einer Base, wenn ich nicht irre!“ versetzte der Gastwirt.

„Aber ist es denn bei Euch Sitte, dass Eure Gäste sich gegenseitig aufwarten?“ fragte Durward. „Denn ich hab's doch bemerkt, dass Meister Peter nichts aus Eurer Hand oder aus den Händen Eurer Leute nehmen wollte.“

„Reiche Leute haben nun so ihre Launen; denn sie können's bezahlen!“, sagte der Wirt; „das ist nicht das erste Mal, wo Meister Peter Mittel und Wege gefunden hat, vornehme Leute nach seinem Wink tanzen zu lassen.“

Der junge Schotte fühlte sich durch diese Äußerung einigermaßen gekränkt, verbarg aber seinen Verdruss und fragte, ob er hier für sich auf einen Tag, vielleicht auf noch längere Zeit, ein Zimmer bekommen könne.

„Das versteht sich“, sagte der Gastwirt; „solange es Euch beliebt, Ihr habt nur zu befehlen.“

„Darf ich den Damen meine Aufwartung machen, da ich nun doch unter einem Dache mit ihnen wohnen werde?“ Der Gastwirt wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Endlich erwiderte er: Sie gingen nicht aus und empfingen auch zu Hause keinen Besuch.

„Mit Ausnahme Meister Peters, nicht wahr?“, fragte Durward.

„Es kommt mir nicht zu, Ausnahmen anzuführen“, entgegnete der Wirt fest, aber achtungsvoll.

Quentin, durch die Antwort des Gastwirts neuerdings verletzt, verlangte in sein Zimmer geführt zu werden. Der Gastwirt stieg eine Wendeltreppe hinauf, dann eine Galerie entlang, auf die viele Türen führten. An ihrem äußersten Ende blieb er stehen, suchte einen Schlüssel aus dem großen Schlüsselbund hervor, den er an seinem Gürtel trug, und öffnete die Tür. Seinem Gast bot er ein zwar kleines, aber reinliches und trauliches Turmzimmer an, das mit einem Feldbett und einigem Hausrat versehen, in guter Ordnung war und ihm, im ganzen genommen, wie ein kleiner Palast erschien.

„War das ein glücklicher Gedanke, so vom Flecke weg in den Bach zu springen!“, rief Quentin Durward, als der Wirt sich entfernt hatte, und machte einen Freudensprung; „nie ist mir das Glück in einer besseren Gestalt erschienen.“

Er trat an das kleine Fenster, von wo aus man, da der Turm beträchtlich aus der Hauptlinie des Gebäudes hervortrat, nicht nur in einen hübschen, ziemlich geräumigen Garten hinab sah, sondern auch eine freundliche Anpflanzung von Maulbeerbäumen überschauen konnte. Wenn man aber von diesen entfernten Gegenständen das Auge hinwegwandte und längs der Mauer hinsah, so bemerkte man einen anderen Turm gegenüber mit einem ebensolchen kleinen Fenster wie das, an welchem jetzt Quentin stand. Nun würde es aber einem, der zwanzig Jahre älter wäre als Quentin, schwer begreiflich sein, warum diese Örtlichkeit ihn mehr interessierte, als der schöne Garten oder die freundliche Maulbeerpflanzung. Im gegenüberliegenden Fenster, hing eine Laute in einer Nische. Eine Laute ohne eine Sängerin, war bei Durwards jugendlichem Alter ausgeschlossen; weiter lässt sich leicht vermuten, dass Durward von der Besitzerin der Laute mehr zu erfahren wünschte, wenigstens darf man voraussetzen, dass es ihn interessierte, dahinter zu kommen, ob es etwa dieselbe Person sei, die Meister Peter so demütig aufgewartet hatte. Es ist sicherlich begreiflich, dass er sich nicht der vollen Länge und Breite nach in seinem eigenen Fenster zeigte. Nein! Durward verstand sich besser auf die Kunst, Vögel zu fangen; er wusste sich geschickt auf einer Seite des Fensters zu verbergen, und bloß durch den Laden guckend, hatte er das Vergnügen, einen schönen, runden, weißen Arm zu erblicken, der eben die Laute herabnahm, worauf auch seine Ohren für sein geschicktes Verhalten ihren Lohn empfingen.

Das Mädchen in dem kleinen Turm, sang eins von jenen kleinen Liedern, wie sie von den Lippen der Edelfrauen zur Zeit des Rittertums flossen, bei denen Ritter und Minnesänger lauschten und seufzten. In den Worten lagen weder viel Sinn, Geist und Phantasie, um die Aufmerksamkeit von der Musik abzulenken, noch zeigte diese so viel Kunst, um alle Empfindungen von den Worten abzuziehen. Das eine schien bloß für das andere da zu sein, und wäre der Gesang ohne die Noten rezitiert, oder die Musik ohne die Worte gespielt worden, so würde keins von beiden etwas wert gewesen sein. Aber auf Quentin übte beides eine mächtige Wirkung, zumal die Gestalt der Sängerin nur teilweise und nicht deutlich sichtbar war, so dass sich ein geheimnisvoller Zauberschleier über das Ganze breitete.

Nach dem Lied konnte der Lauscher nicht umhin, mehr von sich zu zeigen, um vielleicht mehr als nur einen kurzen Blick zu erhaschen. Allein die Musik hörte augenblicklich auf, das Fenster wurde geschlossen und eine dunkle, von innen vorgezogene Gardine setzte allen weiteren Beobachtungen ein Ende.

Quentin Durward

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