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1. Rückkehr

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Wir biegen gerade am Schild „Gymnasium Dachsberg“ rechts ab. Es ist ein heißer Tag im Juni. Oft bin ich schon zurückgekehrt an diesen Ort, wo wir uns kennenlernten: Thomas, Dobi, Guido und ich. Erinnerungen werden wieder wach. In diesem Jahr ist es schon das dritte Mal, dass ich nach Dachsberg zurück komme. Gestern waren Dobi und ich auf der Dachsberger Oberstufenparty, die zweimal jährlich stattfindet. Seltsam, wie es die ehemaligen Schüler immer wieder hierher zieht, vor allem die Internatsschüler. Fast alle meine früheren Klassenkameraden waren gestern auf der Oberstufenparty.

Guido und ich gehen an der Schule und am Schloss vorbei in das Ordensgebäude. Im Maierhof suchen wir Josy, den wir schnell finden. Als ich gestern mit Dobi hier war, wagte ich es kaum zu glauben, dass er ins Kloster zurückgekehrt ist. Überrascht erblickten wir ihn auf einer Leiter im Park, so wie früher. Josy, eigentlich Bruder Josef hat uns Internatsschülern immer viel Abwechslung im tristen Internatsleben geboten. Ich freue mich ihn wieder zu sehen, denn er hatte den Orden auf unbestimmte Zeit verlassen. Es war nie leicht für Josy, sich gegen abgehobene Patres zu behaupten. Auf jeden Fall ist mit ihm ein wichtiges Stück Dachsberg zurückgekehrt. In den letzten zwei Jahren sollte sich Josy entscheiden, im Kloster zu bleiben oder auszutreten. Er hätte mit seinen künstlerischen Fähigkeiten bessere Möglichkeiten gehabt, als im Orden die Gartenarbeit und Reparaturarbeiten zu erledigen. Für mich ist er so etwas wie ein Universalgenie. Er schnitzt aus Holz unglaubliche Kunstwerke, malt fast wie ein Michelangelo und hat aus einer Orgel vom Müll die Kirchenorgel fürs Kloster gebaut. Orgel spielen hat er sich selbst beigebracht und sogar Internatsschüler darin unterrichtet.

Schon als Jugendlicher musste Josy ins Kloster eintreten, da seine Mutter eines Ihrer Kinder Gott opfern wollte. Die Mutter ist zwar verstorben, aber wenn Josy aus dem Kloster austritt, ist er so gut wie mittellos. Er würde auch im Alter fast keine Pension erhalten. Das ist der Grund, warum Josy mit 50 Jahren wieder zurück im Kloster ist!

Er bietet uns Erdbeeren aus „seinem“ Ordensgarten an. Es sind gut gedüngte Walderdbeeren, die gleich groß sind wie Felderdbeeren. Dann zeigt er uns sein Holz zum Schnitzen, das er von jener Tischlerei erhielt, in der er die letzten zwei Jahre gearbeitet hat. Wenigstens kann so niemand behaupten wie schon einmal, dass er das Holz des Klosters unterschlagen hätte. Wir spazieren im Dachsberger Wald zur Lourdes-Grotte und frischen unsere Erinnerungen auf.


Am Rückweg zum Schloss treffen wir den Ordensrektor und Direktor des Gymnasiums, meinen ehemaligen Erzieher. Als ich mit Dobi voriges Jahr hier war, war er sehr unfreundlich. Wir klopften damals an Pater Angleitners Tür und grüßten ihn freundlich. Er erwiderte unseren Gruß nicht. Trotzdem fragten wir nach Wolfgang, unserem ehemaligen Erzieher, den wir besuchen wollten. Pater Angleitner nahm den Telefonhörer, wählte rasch und legte sofort wieder auf. So schnell hätte Wolfgang nicht ans Telefon gehen können! Der Pater murmelte genervt, dass niemand da sei und wir nicht länger stören sollen. Dabei kam in mir das ungute Gefühl wieder hoch, das ich während meiner ganzen Zeit in Dachsberg hatte. Am Maturaball, vier Jahre nach meiner Internatszeit, war Pater Angleitner sehr freundlich. Wahrscheinlich, weil wir am Ball freiwillig gearbeitet haben und damit eigentlich für ihn als Direktor.

Josy schlägt vor, uns im neuen Schulgebäude herumzuführen. Es hat sich einiges verändert hier. Josy probiert, ob sein Schlüssel zum ehemaligen Bastelraum noch passt. Zu Josys Überraschung wurde das Türschloss nicht ausgewechselt. Josy erinnert sich, als er mit uns die Weihnachtskrippen in diesem Raum geschnitzt hat: „Damals war die schönste Zeit meines Lebens!“ „Du hast Dich richtig aufgeopfert für uns!“, ergänze ich. Josy war damals Hausmeister des Klosters, Schulwart, Mesner, Organist und Gärtner. Seine Arbeit mit uns an den aufwendig geschnitzten Weihnachtskrippen machte er in seiner Freizeit und aus eigener Initiative. Josy meint: „Ich habe viel dabei gelernt, außerdem habe ich es sehr gern gemacht!“ Ich danke ihm, dass er mir einem handwerklich hoffnungslosen Fall beim Krippenbauen so sehr geholfen hat. Meine „Orientalische Weihnachtskrippe“ wird nach wie vor jedes Jahr zu Weihnachten aufgestellt. Immer noch glaubt mir fast niemand, dass ich zu so einem Kunstwerk fähig war!

Im Speisesaal des Ordens, der Hunderte Jahre das Gericht im Schloss Dachsberg war, plaudern wir über viele Erinnerungen und die zahlreichen Veränderungen. Die Sitzordnung der Patres und Brüder gleicht auch heute eher einem Tribunal, nur dass jetzt ein großes Gemälde vom Heiligen Franz von Sales anstatt des Doppeladlers in der Mitte der Wand hängt.

Wir verabschieden uns von Josy, der anmerkt: „Wenn Du einen eigenen Wagen hast, kannst Du ja öfter her kommen!“

Jährlich gibt das Internat Dachsberg eine Zeitschrift heraus, in der es hauptsächlich um das Leben im Internat geht. Aufgrund der Schilderungen von heutigen Internatsschülern merkt man, wie sehr sich alles hier zum Besseren verändert hat. Aus dem Internat Dachsberg ist jetzt eher ein Schüler-Wohnheim geworden.

Meine Erinnerungen an die für mich harte Zeit und die Veränderungen in Dachsberg sind Ansporn für mich, alles aufzuschreiben, was ich dort erlebt habe.

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