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ABU JAKUB BEN ISAAK

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Am späten Nachmittag desselben Tages beeilte Alec sich, von der Schule nach Hause zu kommen. Er hatte die letzte Unterrichtsstunde geschwänzt und konnte es kaum erwarten, von Henry zu erfahren, ob die Polizei schon etwas herausgefunden hatte. Enthielt die Injektionsspritze tatsächlich Gift? Hatte man Fingerabdrücke gefunden und gaben diese Aufschluss über die Person des Verbrechers? Der Polizeiinspektor hatte seinem Bericht aufmerksam zugehört und sogleich einen Streifenwagen zum Tatort geschickt. Als Alec sich seinem Elternhaus näherte, sah er eine große schwarze Limousine davor parken. Dahinter stand ein Polizeiauto. Er fing an zu rennen, denn er sah die kleine, rundliche Gestalt seiner Mutter in der Haustür stehen.

„Was ist los?“, rief er. „Die Polizei ist ja noch hier.“

Die Stimme seiner Mutter klang ruhig, doch ihr Gesicht wirkte müde. „Die Polizisten kamen vor einer Weile zurück“, antwortete sie, „und brachten einen Herrn mit, der behauptet, Blitz sei sein Eigentum.“ Sanft fügte sie hinzu: „Am besten gehst du gleich selbst hinüber zum Stall!“

Alec wandte sich um und rannte zum Tor. Hundert Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Auch das noch, nach allem, was sich in der Nacht ereignet hatte! Vielleicht war dies der Mann, der Blitz hatte töten wollen, und nachdem ihm das missglückt war, versuchte er auf diese Weise, ihn zu bekommen! Alec ging langsamer, als er sich der Stalltür näherte.

Henry sprach drinnen mit einem hochgewachsenen älteren Herrn. Zwei Polizisten standen hinter ihnen. Henry war der Erste, der Alecs schneeweißes Gesicht entdeckte.

„Alec“, sagte er, „dies ist Herr Abu …“ Er hielt inne und sah den Fremden fragend an.

„Abu Jakub ben Isaak“, ergänzte dieser.

Von Blitz, der in seiner Box stand, glitten Alecs Augen zu dem Fremden, dessen faltige Haut die Farbe von altem Mahagoniholz hatte. Er war schlank und hochgewachsen und hatte funkelnde schwarze Augen. Sein spitz geschnittener schwarzer Vollbart bewegte sich, wenn er sprach. Sein Haar war stahlgrau. Alec fand es schwer, sein Alter zu schätzen. Er trug einen tadellosen braunen Anzug und eine bestickte Weste.

„Mr Abu ben Isaak ist der Besitzer von Blitz, Alec“, sagte Henry gepresst.

Alecs Kehle war wie zugeschnürt. Er schluckte krampfhaft. Dann übermannte ihn der Zorn.

„Henry!“, rief er. „Da kann ja jeder kommen und das behaupten! Wo ist der Beweis? Und dann die Ereignisse gestern Nacht: die Injektionsspritze … die goldene Kette …“ Sein Blick suchte die Polizisten und kehrte dann zu Henry zurück.

„Enthielt die Spritze Gift? Hat man Fingerabdrücke gefunden? Ist es nicht sehr sonderbar, dass dieser Mann gerade heute auftaucht, nach all dem?“

Alle schwiegen zunächst, nachdem Alec geendet hatte, dann antwortete ihm Henry: „Ja, Alec, es ist in der Tat seltsam und kaum zu glauben, dass alles so zusammentrifft.“ Nach einer Pause fuhr er fort: „Die Polizei hat festgestellt, dass die Spritze tatsächlich ein tödlich wirkendes Gift enthielt. Fingerabdrücke wurden nicht gefunden. Mr Abu ben Isaak hat sich bei der Polizei legitimiert und Papiere vorgelegt, die beweisen, dass ihm Blitz tatsächlich gehört.“

„Ich möchte die Papiere sehen“, unterbrach ihn Alec und sah den Fremden an. Dieser händigte sie ihm aus. Alec las sie aufmerksam durch und fragte dann die Polizisten, ob ihnen Glauben zu schenken sei.

„Wir haben selbstverständlich an höherer Stelle Nachforschungen angestellt“, war die Antwort, „die Papiere sind in Ordnung.“

Abu ben Isaaks Gesicht war ernst und würdig, als er Alec erklärte: „Ich bin zur Polizei gegangen, um mich zu legitimieren; das war selbstverständlich nötig, bevor ich mein Pferd zurückfordern konnte. Du musst nämlich wissen, dass es mir seinerzeit gestohlen worden ist. Erst als mich in meiner Heimat – in Arabien – Berichte erreichten von einem großen schwarzen Hengst, der Donnerkeil und Zyklon geschlagen hatte, stieg in mir die Vermutung auf, dass der Rappe mein Pferd Scheitan sein könnte. Daraufhin ging ich zum amerikanischen Konsulat, wo ich erfuhr, dass du und der Hengst den Untergang der ‚Drake‘ überlebt hatten. Dann sah ich Bilder des Pferdes in den Zeitungen; es handelte sich tatsächlich um meinen Scheitan.“

„Wenn alles, was Sie sagen, auf Wahrheit beruht“, sagte Alec, während er dem Araber forschend in die Augen sah, „wie erklären Sie dann den Anschlag auf das Pferd in der letzten Nacht?“

Da Abu nicht gleich antwortete, ergriff Henry das Wort: „Wir vermuten, dass der Verbrecher, der Ihnen das Pferd gestohlen hat, noch am Leben sein könnte. Würde er irgendeinen Grund haben, den Hengst zu beseitigen? Hier ist die Injektionsspritze, die er benutzen wollte.“

Das Gesicht des Arabers war unbewegt wie Stein. Er nahm Henry die Injektionsspritze aus der Hand und betrachtete sie, sagte aber kein Wort.

Alec beobachtete ihn scharf. „Außerdem hat der Attentäter noch eine goldene Kette verloren“, warf er ein. „Zeige die dem Herrn doch einmal, Henry!“

Henry folgte der Aufforderung, doch in dem Gesicht des Arabers zuckte kein Muskel, als er die Kette ansah, ohne sie zu ergreifen. Trotzdem hatte Alec den Eindruck, dass der große Vogel mit den ausgebreiteten Schwingen für Abu ben Isaak etwas bedeutete, denn als er jetzt sprach, klang seine vorher freundliche Stimme kalt und hart: „Ich kenne sie nicht.“ Alec fiel auf, dass er die Kette nicht in die Hand genommen hatte, um sie genauer zu betrachten, wie er es mit der Spritze getan hatte. Seine ganze Haltung bestärkte Alecs Gefühl, dass es da vieles gab, was der Fremde für sich behalten wollte. „Ich werde in einer Stunde zurückkehren, um Scheitan abzuholen“, sagte Abu ben Isaak kurz, nickte den Polizisten zu und verließ mit ihnen den Stall.

Alec und Henry sagten kein Wort und sahen sich nicht an. Schweigend gingen sie an die Box. Blitz blickte sie an, seine Augen waren weit und glänzend. Er schien diesen Mr Abu tatsächlich zu kennen, denn er hatte sich nicht im Geringsten aufgeregt, wie er es sonst stets tat, wenn Fremde in den Stall kamen.

Alec fuhr ihm mit der Hand durch die herrliche dicke Mähne. „Mein Junge, was sollen wir denn bloß machen?“, sagte er verzweifelt und fuhr, als er Henrys betrübtem Blick begegnete, fort: „Was meinst du, ob er uns Blitz verkaufen würde?“

„Nein, Alec, er scheint größten Wert auf seinen Besitz zu legen. Aber selbst, wenn er sich umstimmen ließe, würde er einen enormen Preis verlangen. Woher sollten wir denn das Geld nehmen?“

„Ich würde es schon irgendwie auftreiben!“ Alec sagte es trotzig und verstummte dann, während der Hengst seinen Kopf an ihm rieb. „Henry, ich hab‘s! Vielleicht würden uns Mr Volence und Mr Hurst helfen, die Besitzer von Donnerkeil und Zyklon! Sie sind reich, sie könnten uns das Geld leihen!“

„Na ja, ganz ausgeschlossen scheint mir das nicht, denn sie sind ja beide sehr an ihm interessiert! Ich gebe dir recht, man könnte es wenigstens versuchen, falls Mr Abu verkaufen will.“

Die Minuten vergingen. Henry schlenderte ziellos im Stall umher und ordnete Zügel und Sättel, die ohnehin geordnet waren. Zum Schluss ging er zur Tür und setzte sich auf die Schwelle. Am besten ließ er Alec mit seinem Pferd allein, denn ihm blieb nicht viel Zeit. Henry zog sein Taschenmesser aus der Tasche und begann, an einem Stück Holz herumzuschnitzen. Sonderbar, wie lieb man so ein Pferd gewinnen konnte! Für ihn war das freilich nichts Neues. Da war damals Dynamo gewesen, der zähe kleine Braune, der mit ihm davongelaufen war bei seinem ersten Arbeitsgalopp. Er, Henry, war noch ein Lehrling gewesen, ein junges Bürschchen, wie jetzt Alec. Vielleicht wäre er von seinem strengen Lehrherrn hinausgeworfen worden, wenn Dynamo nicht die schnellste Viertelmeile gelaufen wäre, die man auf der Empire-Bahn jemals gesehen hatte. Ja, das waren alles gute Erinnerungen! Es gab noch einige andere famose Pferde in seinen jungen Jahren. Chang beispielsweise, der die Sprinter wie die Steher ausstach, Me Too, der so geduldig und still wie ein Pony am Start zu stehen pflegte, gelassen auf den Beginn des Rennens wartend, während alle anderen vor Ungeduld platzten; trotzdem war er niemals geschlagen worden. Und Flamme und Krieger – alles prächtige Rennpferde, die er niemals vergessen würde. Dann – viele Jahre später, nachdem er sich längst zur Ruhe gesetzt und seine Frau alles, was in ihrer Macht stand, getan hatte, um ihn die Rennbahn vergessen zu lassen – waren Blitz und Alec gekommen. Der schwarze Hengst war das beste Pferd, das er jemals geritten und trainiert hatte. Er hatte es gleich in der Nacht gewusst, als er ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Er musste lachen, wenn er sich daran erinnerte, wie Alec, der Junge von gegenüber, seine Frau gebeten hatte, ihm zu erlauben, sein Pferd in ihrem Stall unterzustellen. „Sein Pferd“ – wahrscheinlich hatte sie sich darunter irgendeine alte Mähre mit Senkrücken wie Napoleon vorgestellt! Sonderbarerweise hatte sie nie aufbegehrt, nachdem sie die Wahrheit herausgefunden hatte. Wer weiß, überlegte Henry, vielleicht verstand sie mehr von Pferden, als sie zugab.

Er hatte von dem Untergang der „Drake“ vor der spanischen Küste seinerzeit gelesen und erfahren, dass Alec als Passagier an Bord gewesen war, auf der Rückreise vom Besuch seines Onkels in Indien. Henry hatte Alec bis dahin nicht sonderlich beachtet; hin und wieder hatte er ihn zur Schule gehen oder am Nachmittag heimkehren sehen, das war alles. Ein magerer, stiller Junge, der auf jeden den Eindruck eines Stubenhockers machte. Als die Nachricht durch die Zeitungen lief, dass es bei dem Schiffsuntergang so gut wie keine Überlebenden gegeben hatte, hatte er Alecs Eltern einen Kondolenzbesuch abgestattet. Sie waren sehr niedergeschlagen gewesen, hatten aber trotz allem die Hoffnung nicht aufgegeben, dass ihr Sohn noch lebte. „Er ist ein zäher Kerl“, hatte Mr Ramsay gesagt.

Fünf Monate später war Alec Ramsay dann tatsächlich zurückgekehrt. Und nicht allein! Mit ihm kam der Rapphengst, ungezähmt, nicht zugeritten! Ja, und für jeden unzugänglich, außer für Alec. Zwischen ihm und Blitz, wie er ihn genannt hatte, war eine so innige Freundschaft entstanden, wie sie Henry noch nie zwischen einem Menschen und einem Pferd beobachtet hatte. Der Rappe war außergewöhnlich wild, ein „Killer“, ein Mörder, wenn er gereizt wurde, daran gab es bis heute keinen Zweifel. Henry lächelte, wenn er an die Monate zurückdachte, in denen sie den Hengst an Zaumzeug und Sattel gewöhnt hatten. Danach kamen dann die heimlichen Trainingsrunden in der Nacht auf der Rennbahn. Zuletzt das große Rennen … Noch lange Zeit würden alle für den Rennsport Begeisterten sich daran erinnern und darüber sprechen, wie Blitz die Hengste Donnerkeil und Zyklon, die schnellsten Pferde in ganz Amerika, geschlagen hatte. Vielleicht würde man niemals wieder ein solches Wunderpferd wie diesen Rappen zu sehen bekommen! Noch würden sie ihn selber jemals wiedersehen …

Henry schaute auf seine Uhr. Fast eine Stunde, seit Mr Abu ben Isaak sie verlassen hatte. Auf der Straße dröhnte ein Motor … da war wohl schon der Transportwagen? Ja, in der Ferne sah er ihn kommen. Er klappte sein Messer zu, erhob sich und ging mit schweren Schritten in den Stall: „Sie kommen, Alec.“

Der Junge stand mit dem Rücken zu ihm und hatte sein Gesicht an den Hals des Pferdes gepresst. „Er hat mir das Leben gerettet“, sagte er und wollte noch etwas hinzufügen, aber seine Stimme brach und seine Schultern zuckten – er weinte.

„Ja, ich weiß, Alec …“ Henry stockte, der Transportwagen war jetzt am Hoftor angekommen und würde gleich vor dem Stall halten. Der Alte trat zu dem Jungen und legte den Arm tröstend um ihn. Der Hengst warf den Kopf auf und entblößte die Zähne.

„Sieh mal, mein Junge, ich könnte dir viel erzählen über Pferde, die ich geliebt und verloren habe zu meiner Zeit, aber es würde zu nichts führen. Ich glaube, dass es keine größere Liebe gibt als die deine zu Blitz, ausgenommen die seine zu dir! Ich will dir nicht sagen, du sollst ihn vergessen, denn das kannst du nicht. Aber es nützt nichts zu weinen. Du bist ein tapferer Bursche, sonst wärst du heute nicht hier, sondern wärst damals ertrunken. Also reiß dich zusammen, und lass uns überlegen, was wir tun können, wir beide.“

Alec fuhr sich mit der Hand über die Augen, dann drehte er sich zu Henry herum.

„Du hast recht“, murmelte er.

„Wir stehen wie vor einer ganz hohen Mauer, Alec“, fuhr Henry fort. „Nach Recht und Gesetz gehört Blitz diesem Mr Abu. Sollte er bereit sein, ihn zu verkaufen, werden wir Himmel und Hölle in Bewegung setzen, uns das Geld zu beschaffen. Wenn er indessen nicht dazu bereit ist, sind wir machtlos, und Gott allein weiß, was wir dann tun könnten. Ich werde mit ihm sprechen und will versuchen, ihm zu erklären, welche Verbundenheit zwischen dir und dem Pferd besteht. Ich hoffe, dass er es verstehen wird. Doch dürfen wir uns nichts vormachen, wir wissen, dass er um die halbe Welt gefahren ist, um sein Pferd wiederzubekommen. Das tut niemand, dem nicht ungeheuer viel daran liegt und der nicht ganz schwerwiegende Gründe hat. Er sieht eigentlich sehr sympathisch aus, finde ich, und ganz und gar nicht, als ob er unvernünftig wäre, daher hoffe ich, dass er mir zuhören und mich verstehen wird.“

„Und du glaubst nicht, Henry, dass er mit dem, was in der vergangenen Nacht hier vorgefallen ist, etwas zu tun hat?“

„Nein. Abu ben Isaak will sein Pferd lebendig wiederhaben. Es ist jemand anders, der seinen Tod will. Wer das ist, weiß ich nicht; mag sein, dass er es weiß, obwohl er sagte, dass er das Medaillon nicht kennt.“

„Ich glaube doch, Henry, dass er es kennt; allerdings ist das nur ein Gefühl. Beweise habe ich nicht.“ Der Transportwagen stand jetzt vor dem Tor. Henry und Alec gingen hin. Mr Abu und ein Polizist kamen ihnen entgegen.

„Ich werde mit ihm sprechen, warte du hier“, sagte Henry.

Der Hengst wieherte und Alec wandte sich ihm rasch zu. Etwa zehn Minuten später betrat der Araber den Stall, gefolgt von Henry, in dessen Gesicht das Gegenteil dessen zu lesen stand, was Alec sich wünschte.

„Er will Blitz um keinen Preis verkaufen …“, sagte Henry niedergeschlagen.

„Auf keinen Fall, Sir? Auch nicht für eine hohe Summe?“

Der Araber sah den Jungen an, er schien sehr freundlich und in Alec stieg Hoffnung auf. „Mr Henry Dailey hat mir erzählt, wie viel mein Pferd dir bedeutet. Jedoch, mein Sohn – arabische Pferde sind nicht verkäuflich, unsere Pferde sind ein Teil von uns selbst! Zu Hause haben wir unsere Familien, aber in der Wüste sind die Pferde unsere einzigen Freunde und ein Mann verkauft niemals seinen Freund!“ Er machte eine Pause und zog seine Brieftasche heraus. „Ich möchte dir zurückgeben, was du dem Pferd Gutes getan hast! Bitte, nimm das.“

„Nein, danke, Sir!“, sagte Alec ruhig und fest. „Für das, was ich einem Freund getan habe, lasse ich mich nicht bezahlen.“

Abu ben Isaak sah erst Alec, dann Henry an. Sie wussten beide, dass es unmöglich sein würde, den Jungen von seiner Entscheidung abzubringen.

Der Fahrer des Transportwagens, der bis dahin am Tor gewartet hatte, wollte jetzt mit einem Führstrick zu Blitz gehen, aber Mr Abu hielt ihn zurück. „Ich werde ihn selbst führen“, sagte er. Alec und Henry beobachteten voller Spannung, wie er sich der Box näherte. Ohne zu zögern, öffnete er die Tür. Der Hengst zitterte, aber weder keilte er aus, noch versuchte er zu beißen. Wenn Alec noch Zweifel gehegt hatte, dass Abu der Eigentümer war, so verschwanden diese jetzt, denn kein Mensch, außer ihm selbst und Henry, hatten sich jemals dem Hengst nähern können, ohne sofort mit Hufen und Zähnen von ihm angegriffen zu werden. Abu ging furchtlos an ihn heran und legte seine Hand sanft auf den glänzenden Hals. Er sprach liebevoll auf Arabisch zu ihm und der Hengst spitzte die Ohren, die Laute waren ihm vertraut. Ohne Schwierigkeiten befestigte Abu den Führstrick am Halfter, befühlte die Beine des Pferdes, trat einen Schritt zurück und musterte Blitz sachverständig. Viele Menschen hatten Blitz angeschaut, aber niemals mit einem solchen Blick voller Liebe und Verständnis.

„Du bist gut zu Scheitan gewesen“, sagte er leise. „Er hat sich zu einem prächtigen Pferd entwickelt.“ Er sprach so leise weiter – mehr zu sich selbst –, dass Alec und Henry die nächsten Worte kaum verstehen konnten: „Es scheint mir, dass die Zeit doch nicht vergeudet worden ist.“

Der Hengst begann zu steigen, als Abu ihn aus der Box führen wollte, und Alec glaubte eine Sekunde lang, er wolle jetzt doch ausschlagen. Der Araber blieb reglos stehen, nur seine Augen folgten der Bewegung. Da ließ der Hengst davon ab und ergab sich. Sein Kopf fuhr zu Alec herum und er wieherte leise. Alec war nicht imstande, sich zu bewegen. Sein Pferd … War das Leben ohne Blitz überhaupt noch lebenswert? Er streckte seine Hand aus. „Hey, Blitz!“, wollte er sagen, doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Der Hengst, von Abu ben Isaak geführt, verließ ohne Widerstand seine Box. Seine Hufe klapperten auf dem Boden, als er zu Alec ging und den edlen kleinen Kopf senkte. Die Mähne fiel ihm über die Augen, und Alec strich ihm mechanisch das Haar zurück und kraulte ihn an der Stirn, wie er es immer getan hatte. Plötzlich wurde ihm klar, dass dies ein Abschied für immer war, und er warf ihm die Arme verzweifelt um den Hals, sein Gesicht an seine Stirn pressend. Minuten gingen vorüber, es war vollkommen still im Stall. Dann sah Alec auf und sein Blick traf den Abu ben Isaaks.

„Werden Sie auch gut zu ihm sein?“ Der Araber nickte. Alec streichelte noch einmal den Kopf des Hengstes, fuhr durch die Mähne, ging langsam um das Pferd herum und strich ihm über das glänzende schwarze Fell. Dann flüchtete er in die kleine Gerätekammer an der Rückwand des Stalles, setzte sich dort auf einen Koffer und hielt sich die Ohren zu, weil er das Davonklappern der Hufe und das schrille Wiehern nicht hören wollte. Aber er hörte es doch. Auch das Anlassen des Lastwagenmotors, das Einlegen des Gangs, das Geräusch der Räder auf dem Kies der Einfahrt. Sein Pferd war fort! Würde er es jemals wiedersehen?

Blitz (Band 2)

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