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Der Kalender

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Das Wort Kalender leitet sich vom lateinischen calendarium ab und bedeutet so viel wie „Zeitweiser durch das Jahr“.

Die Einflüsse unterschiedlichster Völker und Kulturen bilden sich bis heute im Brauchtum und dem damit zusammenhängenden Kalender ab. Die Wurzeln einiger Bräuche sind manchmal in einer bestimmten Epoche erkennbar, aber häufig kann die Urheberschaft nicht punktgenau zugeordnet werden. Viele mythische Figuren (zum Beispiel Gottheiten, die später zu Heiligengestalten wurden) lassen sich weit zurückverfolgen und haben durch die Jahrtausende hindurch einen Grundcharakter bewahrt, der durch die jeweilige kulturelle, politische oder religiöse Entwicklung eingefärbt oder überlagert wurde. Der Kalender, auf den ich mich in diesem Buch beziehe, ist den meisten durch christliche Feste vertraut, geht aber in seiner Grundstruktur in vielen Bereichen auf vorchristliche, oft keltische oder kelto-germanische Überlieferungen zurück. Zahlreiche Bräuche lassen sich erst vor diesem Hintergrund deuten. Im Lauf der Zeit sind immer wieder neue Elemente hinzugefügt worden, etwa durch römischen Einfluss, am bedeutendsten war zuletzt die Christianisierung. Der Einfachheit halber wird für die vorchristlichen Elemente im folgenden Text die umfassende Bezeichnung alteuropäische Überlieferung verwendet.

In diesem Zusammenhang eine kurze Erläuterung zu Kelten und Germanen: Sowohl der Begriff Kelten als auch Germanen wird heute manchmal noch fälschlicherweise als Bezeichnung für jeweils „ein“ Volk verwendet, das es aber als einheitliches Volk so nie gegeben hat. In beiden Fällen handelte es sich um ein buntes Gemisch verschiedenster Stämme, deren Herkunft in einem bestimmten geografischen Raum lag, die sprachliche Gemeinsamkeiten aufwiesen sowie Gemeinsamkeiten in handwerklichen Techniken und in ihrer Siedlungs- und Bestattungsart und nicht zuletzt Gemeinsamkeiten in ihren Weltvorstellungen und religiösen Ideen hatten.

Weite Teile des Alpenraums bildeten über lange Zeit das Siedlungsgebiet keltischer Stämme. So gehörte ein Teil des südlichen Österreichs dem keltischen Königreich Noricum an. Neueste Theorien besagen, dass eines der Ursprungsgebiete der Kelten in einer Region nördlich von Etrurien in Oberitalien liegt. Von dort erfolgte die Ausbreitung über den Alpenraum bis nach Irland und Großbritannien, wo die indigene Bevölkerung die Kultur der Kelten übernahm. Die Christianisierung Europas erfolgte später zu einem Gutteil von Norden her durch Wandermönche der iro-schottischen Kirche, die auch als keltische Kirche bezeichnet wurde und viele Elemente der alten Kultur in sich trug. Im Jahr 664 fand in Whitby (im Nordosten Englands) eine Synode statt, auf der die römische Kirche ihre Dominanz bezüglich Inhalten und Riten durchsetzte.


Aus den genannten Gründen findet man über viele Regionen Europas verstreut Bräuche und Brauchtumsgestalten, die sich in vielem erstaunlich ähneln.

Brauchtum hängt naturgemäß auch immer mit dem Weltbild der jeweiligen Kultur zusammen, den Jenseitsvorstellungen und religiösen Ideen. Das religiöse Bestreben des Menschen ist wohl älter als jede uns derzeit bekannte Religion. Bei den folgenden Betrachtungen geht es nicht um eine Wertung der jeweiligen Ideen, sondern um ein Aufspüren der zugrunde liegenden Kräfte, die sich bis heute auf vielfältige Weise mitteilen können. Es scheint, dass Brauchtum quer durch die Jahrtausende im bildhaft-mythologischen Bewusstsein ein Wissen bewahrt hat: in Form von bunten, lebendigen Gestalten und den damit verbundenen rituellen Handlungen, die letztlich überdauert haben. Dies könnte bedeuten, dass wir tief in uns diese Kräfte immer noch erkennen und uns ihnen verbunden fühlen.

Alte Bräuche neu erleben

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