Читать книгу Marlowe - das Grauen - W.E. Pansen - Страница 5

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Kapitel 1

Der seltsame neue Fall

In der Eckkneipe traf er den direkten Wohnungsnachbarn von Kressin bei einem Holsten. Er setzte sich dazu und kam direkt zur Sache. „Wir ermitteln in einem etwas schwierigen Fall. Können Sie mir vielleicht etwas zu Ihrem Nachbarn Kressin erzählen?“

Nachbar Kröger musste nicht lange überlegen. „Ganz einfach, das ist ein Arschloch“

„Okay, aber geht es etwas genauer?“

„Naja, das ist halt so ne Type, - zu meiner Frau hat er zum Beispiel gesagt, mit ihrer Kittelschürze würd sie aussehn, wie die letzte Schlampe. Und dann, als ich ihn mal im Supermarkt getroffen hab, - ich hatte mir grad ne Flasche Korn gekauft, - da fragt er mich doch, ob ich mir ständig mit dem billigsten Fusel den Verstand wegpusten müsste.

Oder, Oma Mölders: Da macht er sie lautstark im Flur an, - wenn ihr ekelhafter Mistköter nochmal vor seiner Tür kläffen würde, würde er das Mistvieh die Treppe runter kicken. Die hat den ganzen Nachmittag geheult. - „Mein Fido, - ist doch ein ganz lieber…“ und so weiter. So ne Art Typ ist der, - beleidigend, - und irgendwas zu meckern hat der immer“.

„Wissen Sie sonst noch was über ihn?“

„Also, Gören hat der wohl etliche, alle so im Studentenalter, - hatte wohl Stress mit seiner Ollen und deshalb ist er hierhergezogen“.

„Aber sonst hatten Sie keinen Kontakt?“

„Nee, - oder doch, - ab und zu kommt er hier zu Heini, - wissen Sie. Komischerweise setzt er sich dann gern an meinen Tisch.

Bestellt sich ein großes Bier, - natürlich vom Teureren und dann kippt er auch die teuren Schnäpse runter, - also Cognac und so. Dabei wird er dann gern mal ziemlich gesprächig. Deshalb weiß ich auch genau, dass er mal in irgend ‘nem Handel ne große Nummer war, ist aber wohl nicht gut ausgegangen“. Kröger nahm einen ordentlichen Schluck von seinem Bier. „Einmal kam da so ein langhaariger Kerl mit Brille rein, setzte sich an den Tresen, bestellte Bier, sah sich um und sagte ziemlich laut zum Zapfer „Seltsame Kundschaft hier neuerdings“ und zeigte auf den Macker. Olli, der Barmann meinte nur „Keine Sorge, kein Stammgast“. Sah so aus, als hätten sich der mit der Brille und der Kressin gekannt, - jeweils hat der Arsch dann schnell bezahlt und ist abgehauen“.

„Sie würden sich also wahrscheinlich nicht wundern, wenn ihm jemand mal eine langt?“

„Nee, könnt dann eigentlich jeder gewesen sein, - verdient hätte der das allemal“.

„Na, danke erst mal, - das scheint ja ein ganz liebenswerter Zeitgenosse zu sein“.

Er bedankte sich bei dem Nachbarn und verließ die Kneipe.

Nun wusste er zwar einiges mehr über Kressin, - war aber nicht wirklich weiter. Klar war, dass er und das „Arschloch“ sich kannten, - woher und ob und was sie verband blieb weiter unklar. Passte ja, zwei Arschlöcher. Bei einer der „Beschattungsschichten“ wegen dem noch unbekannten „Arschloch“ war Mehmet auf ihn gestoßen, als er die Schicht gerade von Holger übernommen hatte.

Kressin und „das Arschloch“ hatten sich in der Nähe in einem größeren kroatischen Restaurant getroffen und „gestikulierend“ miteinander geredet. Das „Arschloch“ hatte sich dabei allerlei Notizen gemacht. Kressin hatte dem anderen irgendwas gezeigt und wäre „nach einigen braunen Schnäpsen mit hochrotem Kopf abgehauen“. Mehmet hatte dann spontan diesen Mann verfolgt. War das eine Spur oder hatte das eine überhaupt nichts mit dem anderen zu tun?

Der ganze neue Fall war ein einziges Rätsel. Der „Klient“ dazu eine besonders harte Nuss.

Sämtliche Vor-Informationen waren mehr als mickrig, aber der, doch einigermaßen hohe Vorschuss, - motivierte.

Mehmet

Mehmet war wirklich ein pfiffiger Mensch. Gerade erst 27 geworden, hatte er jede Menge Lebenserfahrung und offenbar sehr weitläufige familiäre und sonstige Beziehungen. Er war so gut wie immer zu nicht ganz geraden Touren bereit. Sie hatten sich vor ein paar Jahren bei einem von diesen Hundefällen kennengelernt.

Seitdem hatten sie ein recht freundschaftliches Verhältnis und arbeiteten gelegentlich mal zusammen. Mehmet war eine schier unerschöpfliche Informationsquelle, auch wenn seine eigene Beteiligung bei einigen Angelegenheiten meist etwas nebulös blieb.

Er hatte eine lockere Art mit Dingen und Situationen umzugehen, - manche Leute würden ihn wohl als „Gauner“ bezeichnen. Als Informationsquelle, gelegentlicher Beschatter und auch als Fahrer, wo er ungeahnte Qualitäten entwickelte, war er einfach unverzichtbar, zuverlässig und unbezahlbar.

Dazu war er auch noch einer der unauffälligsten Menschen, - zumindest in bestimmten Wohn- und Lebensumfeldern.

Unbezahlbar war er allein schon deshalb, weil er über die Autowerkstatt seines großen Bruders ständig Zugriff auf die verschiedensten Automodelle hatte.

Im Büro

Die Pizza war vom vermutlich schlechtesten Pizzadienst der Stadt. Sofort musste er an Ekel Alfred denken, der das mal schön in Worte gefasst hatte „Schmecken tuts wie vollgepisste Wolldecke.“ - Naja, ganz so schlimm war es nicht. Es wurde aber auch davon nicht besser, dass er plötzlich intensiv an leckere Involtini mit Sahnesauce dachte.

Stattdessen würde er sich mal wieder eine Nacht um die Ohren schlagen und das blöde Arschloch überwachen. Mehmet hatte am Telefon abgesagt „Dringende Geschäfte“. Verfolger-Holger war dafür im Moment nicht zu gebrauchen, würde wahrscheinlich nach seinem regulären Arbeitstag irgendwann irgendwo einschlafen. Überarbeitet. Zurzeit.

Irgendwie musste es doch möglich sein, das blöde Arschloch zu überführen oder ihn bei irgendwas zu erwischen. Wie wäre der „echte“ Marlowe wohl vorgegangen?

Er verfluchte den Tag, an dem er diesen Auftrag angenommen hatte.

Der Auftraggeber wollte nicht mit der Sprache rausrücken, was es mit der ominösen Tasche auf sich hatte, - hatte aber schon mal 2000.- auf den Tisch gepackt, - „Anzahlung, versteht sich“.

Einziger Anhaltspunkt war zunächst das anfangs namenlose „Arschloch“.

„Da steckt der dahinter, das ist mal klar“, hatte der „Wanst“ gesagt. Der Wanst war der Auftraggeber, ein eher etwas undurchsichtiger Hamburger Kaufmann aus angesehener Blankeneser Familie.

„Rufen Sie mich nicht an, - jaja, ich weiß, dass Sie rauskriegen wer ich bin, - schicken sie mir eine Mail an diese Gmx-Adresse“.

Die Informationen waren nun wirklich etwas dünn. Der Typ, der sich mit dem anderen Typ, also dem „Arschloch“ getroffen hatte, hatte eine „ziemlich hohe, etwas heisere Stimme“ gehabt.

Er hatte im Gespräch mehrfach von einem „kniefligen Problem“ gesprochen, was vermutlich „knifflig“ bedeuten sollte. Was genau das Problem war, hatte der Zeuge leider nicht mitbekommen „Straßenverkehr, war laut“.

Die Zusammenhänge wurden, zwar nebelhaft, - etwas klarer. Das Arschloch hatte dubiose Kontakte.

Vorsichtige Recherchen an seinem Arbeitsplatz hatten gar nichts ergeben, die wenigen „Zeugen“ waren eher unergiebig „Kann ich nicht mehr genau sagen, könnte so gewesen sein, gibt natürlich einige, die so ähnlich aussehen, Regenmäntel gibt’s ja viele“ etc.

Einzig brauchbar war die Aussage von dem, der nichts gesehen, dafür aber die Sache mit dem „kniefligen Problem“ gehört hatte. Arschloch hatte sich beim teuren Nobel-Italiener mit jemand anderem, - nicht Kressin, - getroffen.

Gab es einen Regionaldialekt bei dem kurze „i“ langgezogen wurden? MeckPom vielleicht? Und selbst wenn, brachte das die Sache irgendwie weiter? Nee, allein das blöde Arschloch musste den entscheidenden Durchbruch bringen. Eine Überwachung des Nobel-Italieners schied schon aus finanziellen Gründen aus. Er konnte sich nur zu lebhaft vorstellen, wie sein Kumpel, der „Verfolger-Holger“ so einen Auftrag gestalten würde.

Das Arschloch war schwierig zu packen.

Offiziell war er ein mit vielen Außendiensteinsätzen betrauter Versicherungs-Sachbearbeiter. Unauffällige Erscheinung.

Auch keine Auffälligkeiten im Privatleben, kein erkennbarer Freundeskreis, nur gelegentliche Kneipen- und Restaurantbesuche.

Man kannte ihn, man grüßte ihn, er war in gefühlt 12 Stadtteilen unterwegs, - per Bahn und Bus, - was das „Beschatten“ etwas anstrengend gestaltete. Offensichtlich hatte er ein individuelles Gleitzeitmodell, was dazu führte, dass er häufig überraschend Vormittage, Nachmittage oder auch mal ganze Tage frei hatte. Die armen „Beschatter“ hingegen…

Was für eine Kacke!

Laut dem Wanst war der Wagen „lautlos aus dem Nichts“ gekommen, - Arschloch oder jemand anders mit Regenmantel hatte sich den Diplomatenkoffer, bzw. die Tasche geschnappt, war damit in den Wagen eingestiegen und verschwunden. Welche Seite? Fahrerseite? - Beifahrerseite? - Man wusste es nicht. War das Arschloch überhaupt der richtige Typ? Die Beschreibung von dem alten Nachbarn mit Hund passte jedenfalls einigermaßen.

Am einfachsten wäre natürlich die Sache mit dem Italiener.

Der stets unrasiert wirkende Italiener stand schon länger im Verdacht, zusammen mit nicht näher bekannten Kumpanen den großen Supermarkt immer mal wieder um etwas zu „erleichtern“.

Mal fehlte dies, mal fehlte das, zuletzt war ein nagelneues Elektro-Auto verschwunden, das nun ausgerechnet dem Sohn vom Chef gehörte.

„Lautlos aus dem Nichts“? – Könnte doch sein?

Die Kameraüberwachung des Marktes hatte zu keinen Ergebnissen geführt, - tatsächlich war der Italiener so gut wie nie im Bild. Das war schon deswegen ungewöhnlich, weil er für das Entladen und Beladen zuständig war.

Und er schwatzte oft mit dem Fleischerei-Personal, - die Fleischerei hat den Hinterausgang an der Rampe. Das hatte ihm Abmahnungen eingebracht.

Er gab „Elektro-Auto“ in die Suchmaske des Laptops ein. Neben verschiedenen Teslas gab es anscheinend inzwischen allerhand davon. Mann, Mann, Mann, - was für eins gehörte denn wohl dem Supermarkt-Heini?

Er rief seinen alten Informanten Schnodder an.

„Heilsarmee?“ war die Antwort.

„Witzig, - sag mal was für ne Marke hatte denn die Karre vom Supermarkt-Junior?“

„Also, es war kein Unimog, eher was Schickes“

„Geht es auch etwas genauer?“

„Beiersdorf, blauschwarz, Speziallackierung“

„Danke“. Übersetzt bedeutete das vermutlich: Beiersdorf = Tesa = Tesla.

Er warf ein Blick auf die alte Nähmaschine, trank erstmal seinen Seagram´s VO und dann seinen Tee aus, zog seinen Sommer-Colani über, verschloss die Bürotür und ging in Richtung „Bunte Kuh“. Das regelmäßige Treffen wartete.

„Bunte Kuh“, Freitagstreff

Seine Freunde waren schon schwer in Aktion. Sven setzte sich mit seinem Bier dazu.

„Holger, was war denn nu mit die Radfahrers?“ Bernie arbeitete im Hafen und hatte es nicht so mit Grammatik.

„Also, das war so: Ich geh grad über die Ampel und seh auf der anderen Seite diese kleine Treppe mit vier Stufen. Und damit all die Rollifahrer, Radfahrer und Görenkutschentussies da klarkommen, gibt es so ne kleine Auffahrt mit ner Kurve, - und einer halbhohen Mauer. Ich seh also, wie ein Schuljunge mit Dämlack-Fahrradhelm da hochwill. Neben mir kommt plötzlich son Radfahrer mit Hinnerk-Mütze angerast und steuert von der Straßenseite die Auffahrt an, weil er da runter will. Die also aufeinander zu, ohne Hingucken und so.

Naja, ich denk, das kann ja heiter werden, - aber in allerletzter Sekunde bemerken sich die beiden, - Dämlack knallt gegen die Mauer und Hinnerk legt sich hin. Hähä, - und beide gucken sich bedröppelt an. Den Tach vergessen die wohl beide nicht so schnell!“´

„Was, die sind beide so aufeinander los, ohne hinkucken und so?“

„Ja, fast wie diese Smartphone-Zombies!“

„Alter, Alter, - die Welt hat ja nun deutlich mehr Beknackte als Vernünftige“. Das war mal wieder der, - wie gewohnt -, kurze, heisere Kommentar von Jan-Hein.

„Ach du Scheiße, - da kommt das Gespenst!“ – Kalle deutete auffällig unauffällig Richtung Eingang.

„Du ahnst es nicht, - der „Dritte Mann“, stellte Bernie fest.

Das „Gespenst“ war ein „seltener Stammgast“, wie Gurki sich immer ausdrückte. Niemand wusste irgendwas Genaueres über ihn, aber seine Auftritte waren immer etwas bizarr. Er war hager, blass, - und immer ganz in Weiß gekleidet, mal im weißen Jeans-Anzug, mal mit weißem Mantel, redete nie mit jemandem, außer gelegentlich mit sich selbst, abgesehen von seinen Bestellungen, - hatte blassblaue Augen und einen durchdringenden Blick, - stierte meist ins Nichts und vermittelte eine „seltsam unangenehme Aura“, wie Jan-Hein mal trefflich bemerkte.

Von ihrem Achtertisch in Halle B aus, konnten sie leider nicht hören, was an der Bar besprochen wurde. Kearney, der irische Freitags-Wirt ging aber offensichtlich ganz cool mit der Situation um. Nach einem sehr kurzen Dialog hatte „Das Gespenst“ einen Pernod-Wasser vor sich stehen und fing an sich in eins seiner zahllosen kleinen Notizbücher zu vertiefen. An der Bar waren kurz alle Gespräche verstummt, bis das „Gespenst“ seinen ersten Schluck genommen hatte.

Holger und Kalle mussten pinkeln und gingen nach vorn. Da Klo befand sich neben dem Tresen an der Grenze zwischen Halle A und Halle B. „Alter, Alter, - der braucht sich in der Geisterbahn nicht zu verkleiden“, meinte Holger auf dem Weg.

Auf dem Rückweg trafen sie neben der Bar am Stehtisch auf Telschi und Gurki. Telschi war ein netter Kerl, doof wie Brot, laut Jan-Hein und bekanntermaßen der Pechvogel der Kneipe. Seine gescheiterten Beziehungsanbahnungsversuche waren legendär. Die Jungs von der Freitags-Runde kannten nicht alle seine Abenteuer, aber man hörte so einiges.

Heute war Telschi bester Laune. „Hey Jungs, ihr werdet es nicht glauben, aber nächste Woche gehe ich mit Qualli ins Kino!“

„Mann Telschi, wie hast du das denn gedreht?“, fragte Kalle.

„Och du, das war diesmal ganz easy, - ich hab gefragt und sie hat ja gesagt“.

„Gibt’s nich“, meinte Holger.

„Doch, ohne Scheiß!“.

„Na dann, - viel Spaß“, war Kalles dröger Kommentar, bevor sie wieder an den Tisch zurückgingen.

„Qualli“, eigentlich Nina, war eine supernette, pummelige Mittelblonde. Nina war laut Jan-Hein immer etwas „unterversorgt“ und manchmal sehr anlehnungsbedürftig. Marlowe war ein paarmal bei ihr zuhause gewesen und hatte es nie bereut.

Aber Telschi? – Das konnte doch nie nicht klappen, oder?

Nach längeren Schwadronaden zum Thema „Unfähige Politiker“ machte Holger eine Atempause und griff zum Bierhumpen.

„Hey Mann, - wirst du wohl dein Paddel von meinem Bier lassen!“, raunzte Jan-Hein und eroberte mit entschlossener Bewegung sein Bier zurück.

Holger reagierte ungewohnt sprachlos, während Jan-Hein triumphierend einen langen Schluck nahm.

Einsatz Bernie: „Hab ich euch eigentlich schon von diesem neuen Haus bei mir an der Hauptstraße erzählt? – Also, da sind im Winter so neureiche Asos eingezogen, - Miete 1000 Euro, - muss man sich mal vorstellen, - naja, - ich steh also an der Ampel und kuck rüber und siehe da: Balkon, 2. Stock, - Mann, Mann, Mann, - was für Asos, - auf dem Balkon ein künstlicher Schneemann, der sich im Wind versucht loszureißen, Tannenbaum, Lichterkette mit psychedelischem Flackerlicht, - da fällt einem doch nichts mehr zu ein!“.

„Aso“, oder auch „Elmo“ waren die Standardbegriffe für bürgerlichdämliche „Bild“-Leser und ähnliche Zeitgenossen.

Dummdreist, wie sie waren, tauchten sie in allen möglichen und unmöglichen Lebenssituationen auf, nervten allgemein rum oder waren einfach doof wie Brot.

„Das passt Eins A zu den zwei Hohlbratzen, die ich neulich im Pennertreff (gemeint war der nahegelegene Penny-Markt) beobachtet hab. Er wühlt in dem Plastikmüll, den die da vor Weihnachten als Geschenke für Gören anbieten und haut sich dabei zwei Kümmerling, direkt aus dem Regal rein.

Sie schnappt sich währenddessen am Obststand so eine Großpackung Weintrauben, reißt die Packung auf und versteckt eine Kiwi zwischen den blauen Weintrauben und macht den Deckel wieder drauf. Dann meint sie „Kuck mal, das is doch was für deine Mudder und wedelt mit einer billigen Mon-Cheri-Kopie“.

Er hat sich zwischenzeitlich für einen scheußlichen, dafür aber großen roten Plastikbagger entschieden, „Für Wölfi“. Zehn Minuten später treff ich die beiden an der Kasse wieder, - er mit mordsmäßiger Kümmerling-Fahne, - sie packt alles aufs Band. Die Kassiererin, gar nich so doof wie sie aussieht, betrachtet das Pärchen, schiebt alles, bis auf die Trauben über das Scanner-Teil und klingelt gleichzeitig nach Verstärkung.

Flilial-Otto kommt vorbei, - tuscheltuschel mit der Kassiererin und fragt ihn: „Haben sie da vorhin grad zwei Kümmerling aus dem Karton genommen?“ – Er, - tut harmlos: „Wieso, die Packung war doch schon auf“. Filial-Otto öffnet die Trauben-Packung: „Und wie kommt die Kiwi zwischen die Trauben?“ – Was meint ihr, was sie dann sagt?“ – „Da kommt ihr nicht drauf! Sie sagt: „Das war schon so“.

Allgemeines Gelächter und Gepruste. Kalle, der sonst eigentlich eher schweigsam war, hatte einen Volltreffer gelandet.

„Und dann?“, wollte Jan-Hein wissen.

„Filial-Otto hat die Tür abgeschlossen und dann:

Tatütata, tatütata, - Auftritt Polizei, - als ob die nix besseres zu tun hätten, - Personalien aufnehmen, - Diebesgut bezahlen, 3 Euro irgendwas - und die ganze Peinlichkeit!“ Man merkte, wie sehr Kalle diesen Gipfel der Blödheit genossen hatte.

„Und dann vor der Tür, die Bullen inzwischen weg: Großes Ehedrama. Sie: „Du Blödian, hast du zuhaus nich genug zu saufen?“. Er: „Ach ja, wer wollte denn die Avocado klauen?“.

Allgemeines Gelächter und Gepruste: „Avocado, - Alter, - gibt’s doch gar nicht, ohhauahauhah“.

Bernie: „Darauf ne Runde Saure!“. Marlowe, der grad vom Klo zurückkam, konnte sich die allgemeine Heiterkeit nicht erklären. Es dauerte allerdings nur etwa 2 Minuten, bis Holger assistiert von Kalle ihm die Geschichte nochmal ganz von vorn erzählt hatte und nun alle gemeinsam vor sich hin feixten.

Sonntag, Zuhause

Er wachte auf und öffnete zunächst vorsichtig ein Auge. Das andere schien irgendwie verklebt zu sein und wollte sich nicht so recht öffnen. Er sah seinen Wäschekorb, der sich seltsam verändert hatte. Im Wäschekorb lag so ein terrierartiger langhaariger Schnuffel, mit kurzen Beinen und schlief. Er stellte sein Auge etwas schärfer und stellte fest, dass neben dem Korb seine mittelgroße Salatschüssel, - offenbar mit Wasser gefüllt, stand.

Er schloss das Auge und begann zu grübeln. Er riss beide Augen auf und überlegte nun offenen Auges. Er aktivierte weitere Teile seines Sensoriums und stellte fest, dass er auf seinem Sofa lag. Er zog die Decke fester um sich und schloss die Augen. Sofa, Decke? Er kuschelte sich in das weiche Kissen. Kissen? Er befand sich in seinem Wohnzimmer, auf seinem Sofa, war in eine Decke gehüllt und hatte ein weiches Kissen im Genick. Und im Wäschekorb lag ein zufrieden schlafender Hund. Ah, gestern waren Manni und Katrin zu Besuch gekommen.

Sven hatte sie spontan eingeladen, hatte jede Menge Frikadellen gebraten und einen gar nicht mal so üblen Kartoffelsalat improvisiert. Manni hatte am Telefon gesagt, sie würden eventuell noch eine nette Freundin mitbringen.

Da er wusste, dass die beiden gern Vodka-Bowle tranken oder auch aßen, hatte er eine ziemlich leckere Bowle mit viel frischem Obst und Dosen-Ananas in seinem größten Gefäß angesetzt. Soweit, so gut. Das erklärte zwar zunächst seinen Brummschädel, sonst aber nichts.

Warum lag er in seiner eigenen Bude mit Decke und Kissen auf dem Sofa und wieso schlief ein ihm unbekannter Hund in seinem Wäschekorb?

Rekapituliere: Manni und Katrin waren da gewesen, sie hatten zusammen Bowle gehabt, Frikadellen und Kartoffelsalat gegessen. Er erinnerte sich, dass man sich angeregt und gutgelaunt unterhalten hatte. Im Laufe des Abends hatte der Hund mit traurigem Blick zum Tisch hochgesehen. Er hatte daraufhin eine Frikadelle erhalten und Wasser in der mittelgroßen Salatschüssel hingestellt bekommen. Na schön, aber warum lag Marlowe auf dem Sofa? Manni und Katrin hatten keinen Hund.

Er verschob die Lösung des Problems vorläufig, stand seufzend und etwas wackelig auf und ging aufs Klo. Nachdem er sich erleichtert hatte und nach einigen Handvoll kalten Wassers schlurfte er in die Küche und setzte den Teekessel auf. Er setzte sich an den mit den Resten des Vorabends belegten Küchentisch und betrachtete unschlüssig den Teekessel. Er nickte ein und wachte schlagartig vom Pfeifen des Kessels auf. Becher, Teebeutel, Heißwasser, Zucker.

Er rührte mit dem Stiel einer herumliegenden Gabel um, nahm einen Schluck und verbrühte sich die Unterlippe.

Jetzt war er hellwach. Und zornig. Von der Ablage seines Küchenschranks fischte er Zigaretten, Feuerzeug und Ascher. Immer noch zornig, vorsichtig die verbrühte Stelle vermeidend begann er zu rauchen und zu grübeln.

Der Hund. Er, auf dem Sofa. Ein Verdacht setzte sich in seinem erwachenden Hirn fest. War womöglich noch jemand in der Wohnung und wenn ja, wer? Das Wo war eigentlich klar.

Es gab nur noch einen weiteren Raum. Er beschloss, sich zunächst um den Tee und die Zigarette zu kümmern.

Die Axt, die verfluchte Axt! Ihn ergriff Panik. Er riss die Augen auf. Keine Axt. Er musste wohl kurz eingenickt sein und geträumt haben. Er hatte Schweißperlen auf der Stirn.

Die Zigarette war aus, aufgeraucht, der Rest des Tees noch lauwarm. Er konnte also nur kurz eingenickt sein.

Er trank aus und ließ Wasser in die Spüle laufen. Etwas „Frosch“ dazu. Teller in die Spüle, Restfrikadellen, Senf und Restsalat in den Kühlschrank. Es war noch Bowle übrig, - bei gut acht Litern eigentlich kein Wunder, das ergab aber noch zirka vier Henkelgläser. Er kellte ein Glas voll und nahm einen Schluck. Lecker! Er machte sich über den Abwasch her.

Nachdem alles abgetrocknet und eingeräumt war schenkte er ein weiteres Glas voll, nahm eine ordentlichen Schluck und beschloss sich erstmal unter die Dusche zustellen. Er ging zurück ins Wohnzimmer, warf einen misstrauischen Blick auf den Wäschekorb und zog sich aus. Er begab sich ins Bad und ließ kurz darauf etwa zwanzig Minuten lang Heißwasser auf seinen immer noch angegriffenen Kopf prasseln. Er trocknete sich ab, föhnte die Haare, putzte sich die Zähne und zog seinen wunderbar flauschigen Bademantel an.

Er ging zurück in die Küche, setzte nun erneut den Kessel auf und stellte die kleine blaue Teekanne mit einem Firstflush-Darjeeling parat. Er rauchte und goss den Tee auf. Mit dem Tee, Becher, Kandis, Löffel, Zigaretten, Feuerzeug und Ascher ging er ins Wohnzimmer und schmiss den Fernseher an. 12: 15 Uhr, ARD-Büffet.

Der Dauergrinser erzählt was über Gärten. Die, heute wieder besonders scharfe Bastelfee stellte was mit Heissklebepistole vor. Ein Lammbraten wurde vorbereitet. Dösen.

Aufwachen, ein Geräusch. Die Dusche läuft. Blick auf den Fernseher, - nee, Nachrichten, - es ist die Dusche. Leichte Panik. Jemand ist in der Wohnung. Blick auf den Hund. Der hat ein Auge auf und scheint zu grinsen.

Wettervorschau im Fernsehen, Fortsetzung ARD-Büffet. Dösen.

„Hast du noch ein trockenes Handtuch?“ - Augen aufreißen. Mein Gott, eine brünette Schönheit mit nassem Haar, spärlich bedeckt mit dem großen Handtuch lächelt ihn fragend an.

„Äh, - ja klar, nur nen Moment“.

Kurzer, gefühlter Sprint ins Schlafzimmer, Schrank aufreißen und nervös das größte, flauschigste Handtuch herausziehen, dann ein kurzer, gefühlter Sprint zurück ins Wohnzimmer.

Tatsächlich, eine brünette Schönheit mit nassem Haar steht erwartungsvoll lächelnd da. „Bitteschön“ - „Danke“, und schwupp ist sie verschwunden. Geräusche vom Föhn. Sofa. Kein Blick mehr für die schöne Bastelfee.

Erinnerung: Manni und Katrin hatten tatsächlich eine Freundin mitgebracht. Sie hatte einen terrierartigen, langhaarigen, kurzbeinigen Hund dabeigehabt. Sie hatten zu viert zusammengesessen, Frikadellen und Kartoffelsalat gegessen, Bowle getrunken und sich angeregt unterhalten. Mann, Mann, Mann.

Sie kam zurück, jetzt in das große, bunte, flauschige Handtuch gehüllt, die Haare geföhnt und gebürstet, - einen Becher in der Hand. „Bekomme ich was ab von dem Tee?“

Sie sah umwerfend aus, gleicher Typ wie die Bastelfee, um die 35, strahlend, frisch.

Er fühlte sich schlagartig alt und wurde sich bewusst, dass er ungekämmt im Bademantel vor ihr saß. „Äh, ja klar, setz dich doch“.

Sie setzte sich in den Sessel vor dem Sofa, schenkte sich Tee ein, nahm Kandis, benutzte den Löffel und legte ihn auf den zwischen ihnen stehenden Tisch.

„Vielen Dank, dass ich hier übernachten durfte, war wohl etwas viel Bowle gestern“.

„Äh, ja, da nich für, aber ich glaub auch“.

„Ich wollte dich wirklich nicht anbaggern, war nur plötzlich todmüde und ich wohn ja nicht grad um die Ecke“.

„Kein Problem“. „Mir wäre es wohl ähnlich gegangen“. Er fühlte sich plötzlich wie ein schüchterner Teenager. „Ich hoffe, ich habe mich nicht danebenbenommen?“.

„Ach was, du warst ganz süß, wie du mich zugedeckt hast und mich zum Einschlafen auf die Stirn geküsst hast.“

Puh, er hatte also anscheinend trotz reichlich Bowle keinen Scheiß gebaut. Jetzt deutlich entspannter fragte er dann einfach mal: „Es ist mir zwar peinlich, aber ich habe grad deinen Namen vergessen“.

„Das macht doch nichts“.

„Hmm, würdest du mir trotzdem nochmal sagen, wie du heißt?“.

„Griet, Freunde sagen Grietje“.

„Ah, ich weiß, - die Perle, aus dem friesischen oder holländischen, das passt ja super“.

Scheiße, jetzt hatte er sich aus dem Fenster gehängt, sie würde denken, dass das eine besonders doofe Anmache war.

„Haha, an ein paar Sachen von Gestern kannst du dich also erinnern“. Sie hatte ein umwerfendes Lächeln, ihre schönen braunen Augen blitzten fröhlich, er hatte das Gefühl noch nie vorher eine sympathischere und anziehendere Frau getroffen zu haben.

Bisher hatte er angestrengt vermieden sie näher zu betrachten, nun konnte er nicht mehr anders. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen und es waren schöne Beine, - das Handtuch, auch wenn es ein extragroßes Badehandtuch war, ließ ahnen, dass sie auch eine ansprechende Oberweite hatte. Sie hatte ein tolles, leicht ovales Gesicht mit einer nicht kleinen, aber niedlichen Nase und einem ausgeprägten, Energie ausstrahlenden Kinn.

Da er sich nach wie vor an vieles vom Vorabend nicht erinnern konnte, wusste er nicht die Bohne, wie er mit der Situation umgehen sollte.

Sie schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln und fragte „Was hältst du denn von einem späten Frühstück in einem Café, - Elfriede müsste wohl auch mal raus?“.

Elfriede? - Herrje, der Hund!

„Ah, ich sehe der Detektiv hat das Problem erkannt“.

War das nun Verarschung, - nein, dieses fröhliche Lächeln musste echt sein.

„Ok, wenn du willst kann es in fünf Minuten losgehen“. Er stand auf, hatte dabei ganz vergessen, dass sein Bademantel keinen Gürtel mehr hatte, - den hatte er vor zwei Wochen in der Küche um das tropfende Abflussrohr geknotet. So stand er kurz im Freien. „Sorry“.

Sie lachte und verschwand Richtung Schlafzimmer. Im Weggehen rief sie: „Gestern warst du da deutlich prüder“.

„Prüde“ wollte er so nicht auf sich sitzen lassen und ging hinterher.

Er kam gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie sie das Handtuch aufs Bett warf und nach ihrer Unterwäsche fischte. Da er kein Gentleman war, auch nie einer hatte sein wollen, - wandte er seinen Blick nicht ab, sondern sah vielmehr genau hin. Seine Vermutungen wurden voll bestätigt.

Sie hatte nicht nur schöne Beine mit kräftigen Oberschenkeln, - die hatte er immer schon geliebt, sondern dazu einen wunderschönen schlanken Körper, sehr volle Brüste mit tollen ausgeprägten Brustwarzen und gesprenkelten Warzenhöfen, - einfach perfekt.

Spätestens jetzt hätte er sich umdrehen müssen, um seine Klamotten herauszusuchen, aber die waren ja im gleichen Raum und überhaupt ……..

Jedenfalls blieb er mit offenem Bademantel in der Türfüllung stehen und sah zu, wie sie sich anzog.

„Das ist aber etwas frech!“.

„Tschuldigung“. Er öffnete den Schrank, schnappte sich Unterwäsche, Socken und das „Metallica“-T-Shirt und verschwand ins Wohnzimmer. Kurz danach stand er ihr verlegen grinsend wieder gegenüber.

„Da konnte ich nicht weggucken, - es tut mir leid, aber ich bereue nix!“.

Sie küsste ihn spielerisch auf den Mund. „Ich war ja gewarnt“.

Das Frühstück im Café schien ihm dann im Nachhinein das schönste seines Lebens gewesen zu sein. Sie verabschiedeten sich mit Küsschen und die nächsten vier Wochen war leider Sendepause.

Supermarkt

„Der Italiener, - jaja, Collucci, Franco, - heißt er. Also, - unser bester Mann ist er nicht gerade, - aber es gibt nichts, was man ernsthaft gegen ihn vorbringen könnte.“ – Dem Personalchef war das Gespräch sichtlich unangenehm.

„Aber man hört doch, er hätte mehrfach unter Verdacht gestanden?“

„Ach, wissen Sie, - unter Verdacht ist hier von Haus aus erstmal jede und jeder, - wissen Sie, was die Leute hier verdienen?“

„Na schön, aber was ist denn das für eine Sache mit dem Elektro-Auto?“

Der Personalchef zuckte die Schultern. Hatte wohl schon so einiges erlebt und gesehen. „Ach, das ist so eine typische Sache vom Junior-Chef, - wissen Sie, der kommt hier immer so großkotzig angefahren, - das haben Sie aber nicht von mir, - lässt dann den jeweiligen Wagen entweder mit laufendem Motor oder ohne abzuschließen, oder beides, auf dem Hof stehen und fängt dann entweder an mit den Mädels am Käsetresen zu schäkern oder geht den Abteilungsleitern mit seinem unausgegorenen Gewäsch auf die Nerven, - das haben Sie aber nicht von mir.“

„Sie würden Collucci also den Diebstahl des Wagens nicht zutrauen?“

„Nein, der ist zwar kein Engel, aber sowas…“

„Danke, - können Sie sich vielleicht noch erinnern, wie der Mann zu Ihnen gekommen ist?“

„Aber ja, das war eine Empfehlung von Kressin, - der war früher mal eine große Nummer in der Zentrale“

„Ach, - und heute nicht mehr?“

„Nein, nein, - da war mal irgendwas, als er noch Vollprokura hatte, - man weiß nichts Genaues, aber der hat damals das Unternehmen mit einer sehr hohen Abfindung verlassen, - kennt aber immer noch Gott und die Welt und kommt ab und zu vorbei“

„Gut, - wahrscheinlich hat das alles gar nichts zu bedeuten, - trotzdem vielen Dank für Ihre Bereitschaft“

„Wie gesagt, - das haben Sie alles nicht von mir“.

Büro, Nachdenken über die Anfänge

Sein Vater war schon ein verrückter Hund gewesen. Sein Sohn hieß nun Sven D. Marlowe. Von seinen Freunden wusste keiner, wofür das „D“ stand.

Sein Grundschullehrer hatte es gewusst und der hatte schallend gelacht. Vor der ganzen Klasse. Sein Vater hatte die Bücher nicht gekannt, dafür aber die Filme. Er hatte oft über die verschiedenen Darsteller geredet: Dick Powell, Humphrey Bogart, Robert Montgomery, James Garner, Elliott Gould, Robert Mitchum. Die Verfilmung mit James Caan hatte er nicht mehr gesehen. Wer war wohl der beste „Marlowe“ gewesen? Tatsache war, dass der erste Film-Marlowe eine klassische Fehlbesetzung war. Den „Hard-boiled“-Detektiv konnte dem wirklich niemand ernsthaft abnehmen.

Tatsache war auch, dass die Bücher von Raymond Chandler waren, und nicht von Dashiell Hammett. Scheiß drauf, der Name war jedenfalls Hypothek. Auch wenn er die meiste Zeit seines Lebens etwas anderes gemacht hatte.

Den Privatdetektiv hatte er im ZAD-Fernkurs absolviert. Die Praxis danach war allerdings eher ernüchternd.

Die Anmeldung nach § 34a GewO war noch relativ easy gewesen, auch wenn es da eine Verzögerung wegen dem Nachweis der steuerlichen und sozialversicherungstechnischen Unbedenklichkeit und dem polizeilichen Führungszeugnis gegeben hatte, da eine ältere Sache aus unerfindlichen Gründen nicht gelöscht worden war.

Die ersten Fälle der Detektei „Nahtlose Ermittlungen Marlowe“ waren nun auch nicht grade das Gelbe gewesen.

Schrebergartendiebstähle, Diebstähle in Mietshäusern, Eifersuchtsgeschichten, dazu vermisste Hunde, - davon reichlich. Einbrüche, bei denen der oder die Täter bekannt waren, denen aber nichts nachzuweisen war, später hatte er dann die etwas skurrile „Gully-Affäre“ aufgeklärt, naja, etc. pp.

Und die Einnahmen, das Geld? Haha. Der Anfang war hart gewesen. Inzwischen gab es auch Aufträge, die anständige Honorare einbrachten, aber die „Masse“ waren doch eher Bagatell-Geschichten.

„Das abhandengekommene Ki“ war da noch einer der interessanteren Fälle gewesen, - auch wenn die Bezahlung in „Naturalien“ erfolgte. Die Sache mit diesem geklauten Sprit und der bizarren Nazi-Connection war interessant gewesen, - die Bezahlung erfolgte bis zum heutigen Tage in Raten und Naturalien, seitdem war er immer mit Seagram´s VO versorgt.

Die „verschwundene Nichte“ mit dieser unsäglichen Tante Muriel führte zu einem der nützlichsten Kontakte. Sergej, der undurchschaubare, freundliche, seltsame, aber lustige Pornoproduzent. Mein Gott, was hatte er in diesem Zusammenhang schon alles erlebt.

Die, von Sergej vermittelten Aufträge waren immer schwierig, meistens lukrativ und immer von Sergejs eigenen Auffassungen von Recht und Gerechtigkeit geprägt.

Überhaupt „Gerechtigkeit“. Wenn überhaupt irgendwas relativ war, dann war das ja wohl dieser Begriff. Wer hatte zum Beispiel Recht, wenn eine Beziehung gescheitert war und sich einer der Partner deshalb neu orientierte?

War es ok, wenn ein Kind, das tagein, tagaus mit ansehen musste, wie es allen anderen Kindern prächtig ging und dessen eigener Vater nicht mal Geld für einen Tretroller hatte, sich auf dem Spielplatz einen fremden Roller „ausborgte“? – Das andere Kind heulte nun, weil der Roller weg war. Gerechtigkeit?

War es in Ordnung, wenn ausgerechnet der widerlichste Mensch in der ganzen Siedlung im Lotto gewann?

Gerechtigkeit lag doch wohl eher im Auge des Betrachters.

Büro, Telefongespräche, Vorbereitungen

Mehmet war genervt. – „Sven, ich hab dir doch schon oft genug gesagt, dass du Beschattungen mit Holger machen sollst. Ich fahr euch gern mal rum und spring auch mal ein, aber ich habe selbst einige Sachen zu regeln und außerdem einen Job“.

„Mann, das weiß ich doch, - aber ich habe nun mal drei Typen zu überwachen, wie soll das denn gehen?“

„Ok, dann übernehme ich halt das Arschloch, - weil, der ist ja viel unterwegs, - das mach ich mit dem Auto, - aber nur bis zwei Uhr nachts, dann muss ich pennen, - habe morgen einen wichtigen Termin“.

Holger war genervt. – „Sven, ich hab dir doch gesagt, dass ich heut was vorhabe. Antje will sich mit mir treffen!“

Ach du liebe Güte, - Antje war Holgers Ex, sie hatten sich letztes Jahr im Sommer endlich getrennt, nachdem klar war, dass sie nicht zusammenpassten.

„Mann, Holger, hör auf mit dem Scheiß, - das wird doch wieder die Voll-Katastrophe!“ –

„Meinst du? - Ich mein, naja, im Januar, das war schon krass“.

Im Januar hatten sie sich zum ersten Mal nach langer Zeit in der Fabrik getroffen, - Holger hatte schon ein paar Bier intus und nach einer eher gestammelten Begrüßung wieder mal versucht Antje abzuknutschen. Leider war in dem Moment der neue Macker mit zwei Bier um die Ecke gekommen. Hatte eins Antje in die Hand gedrückt, das andere über Holger ausgegossen und ihm Schläge angedroht. Holger war dann abgehauen und seitdem war Sendepause.

„Holger, was ist denn nun?“

„Na gut, ich übernehme den Kressin“.

„Ok, - aber denk dran: Bei 50.- ist Schluss!“

„Jaja, alter Geizkragen, du machst die Kohle und ich die Arbeit“

Mein Gott, - immerhin hatte er jetzt sein „Team“ zusammen. Sam Spade hätte sowas allein hingekriegt, - von Mike Hammer ganz zu schweigen.

Die große Beschattung

Den Italiener zu beschatten, gestaltete sich schwierig. Anscheinend hatte der eine größere Tour vor. Vier Kneipen, ein Taxitreff, zwei Restaurants. Überall trank er ein Kleines, - in den Restaurants konnte Marlowe nicht mithören, - wie beknackt hätte das wohl gewirkt, wenn er sich da an den Tresen gestellt hätte „Nein Danke, ich brauche keinen Tisch, will auch nichts essen“, - in den Kneipen hatte der Italiener sich lediglich umgesehen.

Im Taxitreff hatte er nach „Gustavo“ gefragt, aber keine Antwort erhalten. Jetzt stand er an der dänischen Hotdog-Bude auf dem Kiez und telefonierte. „Hey, Hasi, - wollen wir uns morgen treffen, - geil, ja, - um 19 Uhr? – Super!“ – Er bestellte ein Hotdog und mampfte genüsslich vor sich hin. Sven war inzwischen schwer genervt, - und hungrig.

Na, toll, - jetzt steuerte der Italiener das Lehmitz an. Sven hatte jetzt die Schiebermütze auf, - die Wendejacke hatte er inzwischen in die Umhängetasche gestopft und mit einer „Metallica“-Weste vertauscht. Er bestellte ein Bier.

Es kam, wie es kommen musste, - vier Bier, vier „Mexikaner“ und der Italiener fuhr um zwei Uhr morgens mit dem Bus nach Hause. Vierzig Euro für den Arsch, - na super.

Nächster Morgen, 10 Uhr, Büro

Dicker Kopf, - eine Dose Würstchen als Gourmet-Frühstück.

Telefonat mit Holger: „Mann, hab ich einen dicken Kopp, - also der Kressin, der kann ja ganz schön was ab, - erst vier Kneipen, - so etwas bessere mit entsprechenden Preisen, - jeweils ein Bier und ein Cognac, - dann ein Telefongespräch, - ich hinterm Busch, - das war ganz interessant, - er zum Telefonpartner: „Wenn Sie die Tasche wiedersehen wollen, müssen Sie schon mal ein Angebot machen, - sonst wird es eng“. Dann ist er nachhause.

Telefonat mit Mehmet: „Arschloch ist den ganzen Abend mit einem Mietwagen kreuz und quer durch Hamburg gefahren, hat dabei ständig telefoniert und ist dann in Billstedt über eine Stunde in einem Bordell verschwunden. Da konnte ich ja nun nicht hinterher, - jedenfalls nicht bei deinem Spesensatz. Circa 24: 30 kam er grinsend wieder raus und ist nachhause gefahren.“

Na super, das war ja ein voller Erfolg. Immerhin sah es danach aus, als würde Kressin die Schmutzarbeit erledigen. Jetzt war der Senf alle, - das fünfte Würstchen musste ohne auskommen.

Er beschloss, den Auftraggeber zu kontaktieren. Der Wanst hatte zwar ausdrücklich darauf bestanden, dass er nur bei Erfolg kontaktiert würde, aber nun sah die Sache ja etwas anders aus. Er überlegte, wo und wie der Kontakt am besten zu realisieren war.

Die Türklingel schellte, - ein Überbleibsel der alten Schneiderei, die jetzt sein Büro war.

Er ging nach vorn. Eine etwas übergewichtige Matrone, ca. 55 Jahre, mit verheulten Augen stand vor seinem Schreibtisch.

Er wusste es, bevor sie den Mund aufmachte: Ein Hund.

„Ich habe ihr Schild gesehen, - Ermittlungen aller Art, - naja“, sie schluchzte „und nun, wo doch mein Rolfi weg ist, - habe ich gedacht“ – Der Rest ging wieder in Schluchzern unter.

„Was ist denn passiert, Frau?“

„Korthals, Melanie Korthals“

„Nun, Frau Korthals, - nehmen Sie doch Platz und erzählen Sie ganz in Ruhe, - möchten Sie vielleicht einen Tee, Kaffee habe ich leider nicht da?“.

Nachdem Frau Korthals einen schönen Tee „Nur ein Stück Zucker bitte“ vor sich stehen hatte, erzählte sie ihr Leid. Sie hatte Rolfi, - selbstverständlich hatte sie ein Foto in ihrer Handtasche, vor dem ReWe „bei der FABRIK, wissen Sie“ angeleint und war reingegangen. „Ich wollte mir nur ein schönes Franzbrötchen holen und für Rolfi eine Dose PAL“. Als sie dann wieder herauskam, war Rolfi verschwunden.

Sie hatte dann noch alle möglichen Passanten befragt und immer wieder „Rolfi, Rolfi“ gerufen, aber ihr Rolfi war nicht wiederaufgetaucht. Bei der Polizei hatten sie gesagt „Der wird schon wiederauftauchen, - kommen Sie Ende der Woche doch nochmal vorbei“.

„Aha, - und dann?“

„Dann kam der Anruf, gestern, - stellen Sie sich vor, - 500 Euro oder Sie sehen Ihre Töle nie wieder, mein Rolfi, - eine Töle, also sowas“. – Erneutes intensives Schluchzen.

Das kam Marlowe bekannt vor. „Hören Sie, ich denke das können wir lösen“, - er hatte sich angewöhnt, den Eindruck zu erwecken, als hätte er diverse Mitarbeiter – „aber alles hat seinen Preis“.

„Wieviel?“ – Schluchz, schluchz.

„Mit 100 Euro müssen Sie wohl rechnen“.

„Hier nehmen Sie, bringen Sie mir bloß meinen Rolfi zurück!“ – Sie legte zwei Fünfziger auf den Tisch, - erhob sich schluchzend. „Achso, - meine Telefonnummer“ – Sie legte einen Zettel auf den Tisch.

„Frau Korthals, Sie hören in Kürze von uns“.

Nachdem sie das Büro verlassen hatte, griff er zu dem alten Wählscheiben-Telefon.

„Schnodder? – Pass mal auf, - schon wieder so eine Tölen-Geschichte, - kann das wieder Stumpen gewesen sein?“

„Nee, Mann, Stumpen is dood, aber ich glaub Flux ist da jetzt dran, - außerdem schuldest du mir noch ne Kiste Maibock!“

„Geht klar, - wo muss ich suchen?“

„Bist du doof oder was, - Flux wohnt jetzt in Stumpen sein Wagen und die Garage hat er auch übernommen“

„Wie sieht Flux denn aus?“

„Mann, klein und bunt würd ich sagen“

„Na super, - danke“

„Da nich für“.

Das war nicht schwer, das war nicht weit.

Er trank seinen Tee aus, rülpste ausgiebig, - die Würstchen waren seit einer Woche abgelaufen gewesen - und machte sich, nachdem er seine „Ramones“-Lederjacke übergezogen hatte, auf den Weg.

Er traf am Bauwagen auf drei Berliner Punks. „Flux gesehen?“

„Wer will das wissen?“

„Ich, du Blödeimer, - ich hab hier noch nen Zwanni für ihn“

„Flux is zur Garage, wollte was nachsehn“

„Ok, dann weiß ich Bescheid“. Sicherheitshalber ließ er ein paar Zigaretten da.

Das Garagentor stand offen.

„Guter Hund, hier kommt dein Happi-Happi“

„Und hier gibt’s was auf die Fresse!“ – Sven hatte sich so hingestellt, dass eine ausreichend große Lücke blieb. Flux war sofort wieselflink an ihm vorbeigeschossen und verschwunden.

In der Garage saß Rolfi und leckte begeistert den Napf aus. Sven warf einen Blick auf die Dose: „Old Commercial Room Labskaus, 550g“, - offensichtlich geklaut, vermutlich bei dem gleichen ReWe. Er kannte das Produkt, hatte es immer schon für überteuert und qualitativ mittelmäßig gehalten. Na, egal, - Rolfi hatte es geschmeckt.

Also, - auf zu Frau Korthals.

Korthals, Korthals?

Der Wanst! – Natürlich! – Der Wanst hieß auch Korthals. Weiß Gott kein gängiger Name in Hamburg.

Sein Tablet war zuhause, sein Computer im Büro. Na super. Smartphones lehnte er ab, - konnte man schlecht was drauf lesen. Dabei hatte er nur das Handy. Er rief seinen Freund Olympiakos an.

„Hör mal, ich hab nur kurz Zeit, - weißt du was über einen Blankeneser Kaufmann namens Korthals?“

Olympiakos gähnte laut und ausgiebig. „Mann, weißt du wie spät es ist?“

„Ja, 11: 15“.

„Ja, in deiner Welt, - ich hatte Nachtschicht“

„Also, was is nun?“

„Ja doch, - Korthals ist so ein richtiges Arschloch, - hat Beteiligungen an allem Möglichen, auch ein tolles Restaurant mit nordischer Küche, - lebt getrennt von seiner Frau und residiert irgendwo in Blankenese“

„Ja und, - irgendwas kriminelles?“

„Weiß man nicht, - der ist schlau, - man munkelt er hätte mit Schwarzgeld zu tun, - hat auf jeden Fall reichlich Schotter und eine ganz junge spanische Freundin“

„Sicher spanisch?“

“Könnte auch italienisch sein, - auf jeden Fall Südeuropa, - das sieht man“

„Wieso, kennst du sie?“

„Nicht direkt, - aber es scheint, dass er sie bei Stavros, - dem Griechen mit der syrisch-italienischen Küche, - kennengelernt hat, - sie war Model, - also in Echt, - Mode-Model“.

„Danke, schlaf weiter“.

Sein nächster Stopp war der ReWe. Er kaufte zwei Franzbrötchen und zwei Dosen PAL.

Frau Korthals hatte sich plötzlich von einer Klientin in eine interessante Quelle verwandelt.

Rolfi blickte ihn treuherzig an.

Marlowe - das Grauen

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