Читать книгу Marlowe - das Grauen - W.E. Pansen - Страница 7

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Kapitel 3

Das „Böse“

Das „Gute“ kann nicht gewinnen.

Weil es nicht böse ist.

Er hatte das Ferkel gleich beim Türöffnen mit dem Elektroschocker zu Boden geschickt. Angst hatte sich in dessen Augen wiedergespiegelt, als er die schwarze Hasskappe registriert hatte. Der Rest war schnell erledigt. Ferkel wurde mit den mitgebrachten Seilen am Küchenstuhl verschnürt, seine Hände mit zwei Gefrierbeuteln umhüllt und diese mit Gummibändern an den Handgelenken fixiert.

Dann hatte er den kleinen, handlichen Druckluftnagler auf den Tisch gelegt, sich eine Zigarette angezündet und auf das Erwachen gewartet. Ferkel saß zusammengesunken auf dem Küchenstuhl und stank so, wie sein schmieriges Unterhemd aussah.

Ferkel war ein Messie, der Schulkindern hinterherstieg, sich vor ihnen entblößte und sich dabei einen runterholte. Aber auch den Omis im Park zeigte er gelegentlich seine unappetitliche Männlichkeit.

Die Küche sah aus wie ein Schlachtfeld. Fertigfrass-Verpackungen, schimmlige Teller und Tassen, alles schmierig und verklebt. Ascher quollen über, auch Tassen und Dosen waren zu Aschern umfunktioniert, eine Ecke war mit alten Konservendosen, hauptsächlich Bohnen in Tomatensoße und Fischkonserven, vollgestapelt, überall waren leere Billigbier-Flaschen und größere und kleinere Magenbitter-Flachmänner verteilt.

Auf dem Fensterbrett jede Menge Magazine mit nackten Kindern, - keine Gewalt-Pornos, soweit man das nach einer flüchtigen Sichtung beurteilen konnte.

Während Ferkels Ohnmacht hatte eine weitere Sichtung der Videos im Wohnzimmer allerdings ein anderes Bild ergeben, - zumindest ging es wohl um Kinder, die sich an den Geschlechtsteilen von Männern zu schaffen machten und um Männer, die sich an denen von Kindern zu schaffen machten.

Marlowe hatte sicherheitshalber Ferkels Handy-Telefonbuch kopiert und die letzten Kontakte notiert. Vier Nummern, einige Kurzgespräche. Auch eine Reihe von sms hatte er an sein eigenes Handy weitergeleitet.

„Korn-Wolle“ war auf dem Weg. Hier waren härtere Bandagen erforderlich. Tito hatte in der Vergangenheit nicht ausgepackt, - warum sollte er es heute tun?

Marlowe hatte Wolle eingeschärft, dass er furchteinflößend, aber nicht wiedererkennbar auftreten sollte.

Während Ferkel sich noch in seinen, wahrscheinlich pädophilen, Träumen räkelte, nickte Sven kurz ein. Er war schlagartig wach, als die Wohnungstür zugeworfen wurde. Wolle!

Wolle sah tatsächlich zum Fürchten aus. Von Haus aus war er schon ein einschüchternder glatzköpfiger Riese mit beeindruckenden Muskelpaketen.

Heute war er mit Totenkopf-Kopftuch, schwarzem Ketten-Netzhemd, Nietenarmbändern, beeindruckenden, temporären Tattoos und Augenklappe angetreten.

Er trug Gummihandschuhe und hatte zusammengefaltete Plastikplanen unter dem Arm. In der anderen Hand hatte er ein kleines Leder-Arztköfferchen, dessen Inhalt er nun auf dem Küchentisch ausbreitete. Gruselige Zangen und allerlei anderes Zeug.

„Ist das nicht etwas übertrieben?“

„Das werden wir gleich sehen. Wer ist hier der Fachmann?“

Wolle holte eine dicke Plastiktüte mit Eis aus seiner Tasche. Anschließend breitete er eine Folie über dem Tisch und eine unter dem Tisch aus. Dazu musste er Ferkel, samt Stuhl kurz anheben.

„Ich arbeite, du fragst, - ok?“

Sven nickte, - Wolle trat in Aktion. Er setzte Ferkel den großen Eisbeutel auf den Kopf. Ferkels Augen begannen zu flattern. Wolle nahm den Druckluftnagler und fixierte damit Ferkels rechte Hand auf der Tischplatte. Ferkel war schlagartig wach und schrie. Wolle schlug ihm mit einem Schlagring gezielt einen Zahn aus.

„Schnauze! – Du machst den Mund nur auf, wenn du was gefragt wirst! – Verstanden?“

Ferkel nickte mit aufgerissenen Augen angst- und schmerzerfüllt, - starrte erst auf die Instrumente auf dem Tisch, dann die beiden Gestalten an, die, - einer furchterregender als der andere in seinem Gesichtsfeld auftauchten und registrierte dann entsetzt die Folien.

„2005, - die Kinderpornos: Wer waren die Auftraggeber, wer war beteiligt?“

„Weiß nicht, - lange her“. – Da war sie, - die hohe heisere Stimme.

Er stöhnte. Blut tropfte auf die Folie, - der ausgebrochene Zahn.

„Weißt du, mein Freund hier hat wenig Geduld“. Marlowe zeigte auf Wolle.

Wolle grinste grimmig und nahm eins der Instrumente in die Hand. Eine Verbandsschere. Er schnitt den Gefrierbeutel an der rechten Hand beim kleinen Finger gekonnt auf.

„Also: Antwort!“

„Boedecker“

„Falsche Antwort“

Wolle hatte eine kleine, silberne Astschere in der Hand und legte sie am kleinen Finger der rechten Hand an.

Ferkel kreischte „Da war noch einer!“

Wolle: „Ach ja?“ – Er setzte die Astschere etwas präziser am unteren Fingergelenk an.

„Wartet!“ – Pure Panik in Ferkels Augen. „Das Geld kam von Dallmann“.

Marlowe: „Du und der Boedecker, ihr habt das doch auf keinen Fall allein durchgezogen.

Wer hat da noch mitgemacht?“

„Kameramann, Regisseur und reiche Kerle“

„Namen!“

„Die bringen mich um!“ – Ferkel war jetzt kurzatmig.

Wolle: „Wir dich auch“.

Ferkel hustete und spuckte Blut.

„Der Kameramann kam aus Teterow, - Heinz hieß der, - Heinz Giessen, glaub ich“

„Weiter!“

„Der Regisseur war Profi, - Studio Hamburg“ – Wolle legte sich das Fingergelenk zurecht und drückte versuchsweise.

„Nein, nein, - Georg! - Georg Schlüter!“

„Ok, - und wie lief das Ganze ab?“

„Naja, - der Klaus und ich sind immer zu den Schulen und haben da Ausschau gehalten, wir wussten ja wonach wir suchen sollten“.

„Woher?“

„Na, der Dieter …“

„Was für ein Dieter?“

Ferkel hatte sich verplappert. Man sah ihm an, dass er angestrengt überlegte, wie er aus der Sache rauskam. Dicke Schweißperlen rollten von seiner Stirn.

„Dieter halt, - der war so dazwischen und hat die Anweisungen gegeben“.

„Nachname?“

„Weiß nicht, - wir kannten ihn nur als Dieter!“ – Ferkel schwitzte heftig, - es war offensichtlich, dass er log.

Ein hässliches Knackgeräusch, - dann ein erstickter Schrei „Ahhh, nein, ahh“.

Wolle drückte ihm den Eisbeutel zunächst auf den Mund, dann auf den Finger.

Marlowe hatte das Gefühl, dass ihm die morgendliche Fischkonserve zusammen mit Sergeijs Schnaps hochkam, - riss sich aber zusammen.

„Du siehst, wir machen keinen Spaß. Also: Weiter!“

Ferkels Gesicht war schmerzverzerrt, er stand unter Schock, wenn sie Pech hatten, würde er gleich ohnmächtig werden.

Ferkel stöhnte, blickte kurz auf das abgetrennte Fingergelenk, das Wolle in den Eisbeutel gelegt hatte und rang nach Worten.

„Glaser, - wie der Schauspieler. Dieter Glaser“.

„Ok, der hat euch also die Aufträge gegeben. Wie habt ihr die Mädchen dann in den Keller und ins Studio gebracht?“

„Der Dieter hat immer mit dem Ford-Kombi oder dem VW-Bus gewartet, - je nachdem wie viele bestellt waren. Wir haben sie reingesteckt, manchmal wurden sie dann betäubt und ab die Post“. Das war in einem fast herausfordernden, frechen Ton gekommen.

Wolle griff kurzentschlossen zu dem Druckluftnagler und fixierte auch die linke Hand.

Ferkel schrie wie am Spieß. Wolle drückte ihm den Eisbeutel, samt Fingerglied auf den Mund. Es wurde Zeit, dass sie verschwanden, - es war doch etwas laut geworden.

„Wie ging es dann weiter?“

Ferkel, nunmehr schluchzend: „Naja, - meistens waren wir ja gar nicht dabei, - aber, wenn, - dann ging es zum Keller. Da haben wir sie untergebracht. Feldbetten, Dusche, Klo, später was zu essen“.

„Und von da aus?“

„Ich war nur einmal dabei, - hab mit Dieter die Mädels in den Bus geschleppt und dann ab zum Studio“

„Wo war das?“

„In Hochkamp, in einer großen, alten Villa, zwei neben Waalkes seiner Bude“

„Links oder rechts?“

„Rechts, glaub ich, - gehörte einem reichen Macker“ – Ferkel war am Ende seiner Kraft.

„Und die Dreharbeiten?“

„Da waren wir nie dabei, - Dieter hat erzählt, die Schickies hätten da so Partys gemacht und zwischendurch immer mit den Mädels rumgemacht, - Kamera immer dabei und später gabs Abzüge für die Reichen“.

„Na gut, - eventuell belassen wir es bei einem Finger. Aber wie kommt Dallmann ins Spiel?“

Ferkel hatte gerade Hoffnung geschöpft, - sein Gesichtsausdruck spiegelte nun den blanken Horror.

„Äh, äh, - das hat der Dieter erzählt.“

„Ach ja?“ – Wolle kramte in den Instrumenten, - „Das hier ist für Fingernägel und so“

„Halt, halt, - einmal haben wir ihn gesehen. Er kam mit dem Dicken aus dem Haus, als wir gerade in die Auffahrt sind“

„Welcher Dicke?“ – Marlowe hatte jetzt den bösen Unterton von Wolle angenommen.

„Den kannten wir nicht!“ – Wolle setzte das silbern glänzende Werkzeug an.

Ferkel kreischte „Wirklich nicht, - wirklich, wir kannten ihn nicht. Das Gesicht haben wir auch nicht gesehen. Er war dick und hatte teure Klamotten an. Und – er ist in einen dicken Bentley eingestiegen. Mehr weiß ich nicht,- wirklich“ – Ferkel schluchzte.

„Ok, - und was wurde nach den Drehs?“

Ferkel blickte nach oben links zur Decke. Ein sicheres Indiz. Jetzt kam eine Lüge.

„Wir haben die Mädels dann abgeholt und in den Keller zurückgebracht“.

„So, - und dann?“ – Ferkel wusste nicht, was er sagen sollte.

„Äh, - ja, später haben wir sie dann irgendwo ausgesetzt“.

„Und vorher, - im Keller?“

Wolle hatte mit der Verbandsschere den Gefrierbeutel an der linken Hand aufgeschnitten, sich den linken Daumennagel vorgenommen und riss ihn nun ohne Vorankündigung heraus.

„Ahhhh!“ – Ferkel kreischte. „Ahhh, nein, aufhören!“ – Der Daumen blutete heftig.

„Was war zwischen Keller und Freilassen?“

„Naja, wo sie schon mal da waren, da haben Dieter, Klaus und ich sie uns vorgenommen, - waren ja nun keine Jungfrauen mehr“.

Sven sah, wie Wolles ohnehin schon angespannte Halsmuskeln sich verhärteten. Gleich würde es einen Toten geben.

„Gut, - wir gehen jetzt. Werkzeug einpacken! – Die kleine Beißzange lassen wir dir da“.

Wolle nahm die Beißzange und löste die linke Hand. Ferkel kreischte erneut. Wolle packte seine Werkzeuge und den Luftdrucknagler ein und griff zu einer kleinen Flasche aus dem Arztkoffer. Sagrotan.

„Nur noch kurz desinfizieren“.

Er kippte das Zeug über Ferkels Hände und anschließend über die frische Zahnlücke. Ferkel brüllte auf, - Wolle schlug ihm den, inzwischen schmaler gewordenen Eisbeutel kräftig über den Kopf.

„Gehen wir“.

Später in Wolles Auto: „Sven, du bist ein Weichei! – Solche Typen gehören wech! – Und zwar für immer!“

Sven war immer noch schlecht. – „Ja Wolle, - ich weiß, - aber das ist nicht unser Job“. Zweihundert Euro wechselten den Besitzer. Wolle setzte Marlowe bei der „Bunten Kuh“ ab.

„Bunte Kuh“, Früher Abend

Marlowe hatte sich vom Tresen einen Din-a-3-Block ausgeliehen und saß nun, mittlerweile beim vierten Bier und dem zweiten Schnaps, - ein guter Laphroaig, - am Tisch und skizzierte das Szenario von damals.

Spitze (unklar): Der Dicke mit dem Bentley (Korthals?)

Ferdinand Dallmann: Finanzen

Georg Schlüter: Regisseur

Heinz Giessen: Kamera

Dieter Glaser: Kontaktmann

Klaus Boedecker-Dinse: Aufreißer

Anatoli Tito: Aufreißer

Kunden: ?????????

Orte:

Keller

Studio (Villa) Hochkamp (Eigentümer?)

Holger kam an seinen Tisch.

„Ey, Mann, - bin grad zufällig rein und seh dich da sitzen. Was ist denn nun?“

Sven setzte Holger ins Bild.

„Das ist ja ein dickes Ding!“

Holger schüttete erstmal einen halben Halben in sich. „Aber, sach mal, - wo ist denn nun der Bezug zum aktuellen Fall?“

Sven blickte ihn erschüttert an. „Ach du Scheiße!“

Sie hatten vergessen zu fragen, - sie waren bescheuert gewesen, - Sven war ein Esel!

Das und noch mehr musste Holger sich anhören, - Sven brach regelrecht zusammen.

„Mann, ok, ihr habt da Scheiße gebaut, - aber ihr habt auch ne Menge rausgekriegt!“

Marlowe war erledigt. Da hatten sie nun stundenlang einen widerlichen Pädophilen gefoltert und waren im aktuellen Fall kein Stück vorangekommen. Ob der alte Fall überhaupt was mit dem Neuen zu tun hatte war völlig unklar. Klar, konnte man der Polizei ein paar Infos zu dem Kinderporno-Fall stecken, - vielleicht würde der sogar neu aufgerollt werden.

Aber sonst? – Das „knieflige“ Problem?

Gut, einige der „alten“ Akteure waren auch in den neuen Fall verstrickt, - aber wo zum Teufel waren die Zusammenhänge?

Sven bestellte sich ein Guinness mit Schuss.

Im Büro, Wundenlecken

Marlowe grübelte noch mit dickem Kopf über seine Niederlage. Bereits die zweite Kanne Tee stand vor ihm. Er betrachtete die Zeichnung vom Vorabend und verfluchte seine Blödheit.

Die Türglocke ging. Ein ziemlich unangenehmer Typ steuerte direkt auf ihn zu. Er trug ein schlechtsitzendes Sakko und sein ohnehin nicht sympathisches Gesicht hatte offenbar gelitten. Unaufgefordert setzte er sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch.

„Sie müssen mir helfen, da gibt’s so einen Typ, der taucht immer irgendwie aus dem Nichts auf und haut mir was aufs Maul. Ich kann das nicht mehr! - Sehen Sie sich das doch mal an“ Blutunterlaufenes Auge, Nase blaurot.

„Äh, ja, - und was meinen Sie, was ich da tun könnte?“

„Finden Sie den Kerl! – Halten Sie ihn auf! – Eines Tages bringt der mich noch um!“

„Haben Sie denn irgendwelche Feinde oder kennen Sie Personen, die Sie hassen?“

„Naja, Nachbarn, Kollegen, - aber keiner sieht aus wie der".

„Wie sieht er denn aus?“

„Wie der türkische Metzger"

Marlowe war genervt. – „Welcher Metzger?“

„Na, der bei der FABRIK"

„Aha?“

„Schlecht zu beschreiben“

„Na schön, - hat er denn mal was gesagt?“

„Ja, - dir zeig ich’s, - und – ich Schlag dir die Fresse ein, - und so"

„Wann hat das denn angefangen?“

„Gleich nach der Feier im Vereinshaus vom Schrebergarten"

„Was ist da denn passiert?“

Der Unangenehme blickte hilfesuchend an Wände und Decke.

„Ich will doch nur, dass das aufhört!“

Marlowe verlor die Geduld. „Herrje, irgendwas muss doch gewesen sein!“

Der Unangenehme wand sich. – „Naja, - es wurde getanzt und rumgeschäkert und so, - auch mal geknutscht und so"

„Und so? – Mit wem und so?“

„Na, so ne propere Südländerin"

„Ja, - und?“

„Wir sind dann in meine Hütte und da ging’s dann zur Sache“

„Mann, Mann, Mann, - hat das jemand mitgekriegt, - war die Frau allein auf der Fete, war sie in Begleitung oder was?

„Äh, - leise warn wir nicht grad, - äh, - und ihre Familie hat da auch ne Hütte“

„Ok, - und haben Sie den Typ da auch schon mal gesehen?“

„Klar, - und auf dem Gartenfest war der auch“

Marlowe hätte die Nase voll. „200 jetzt und 200, wenn das erledigt ist, - hier, - schreiben Sie den Namen und die Telefonnummer auf und die Adresse vom Schrebergarten und die Nummern von Ihrer Hütte und der von den Südländern.“ – Er reichte dem Unangenehmen Zettel und Stift.

„So, Herr Bodeit, - Sie hören dann in Kürze von uns.“

Bodeit verzog sich, - Marlowe atmete auf.

Wieder so ein komplett beknackter Fall.

Er googelte den Verein und fand eine Kontakttelefonnummer. Er wählte auf seinem alten Wählscheibentelefon.

„Ja, Hallo, hier Marlowe, - sagen Sie, können Sie mir sagen, wer die Parzelle 73 gepachtet hat, - ich soll dort eine Ladung Mutterboden abliefern und brauch den Namen für die Rechnung“

Eine quäkige Stimme antwortete. „Nein, Nein, - Wir schütten nichts auf den Weg, - ja, und vielen Dank auch",

Grammozis. Das war nun leider kein seltener griechischer Name. Er rief Olympiakos an.

„Hör mal, kennst du eine Familie Grammozis, die einen Schrebergarten hat? Der Mann heißt mit Vornamen Oktopus oder so“. – „Ob ich beknackt bin? – Nee, ich konnte den Vornamen nicht richtig verstehen".

„Onnophrios? – Aha, - und kennst du zufällig die Familie? – Ja, ich weiß, dass du nicht alle Griechen in Hamburg kennst. Dein Vater? – Achso, der kennt ihn? – Ok, du rufst zurück? - Danke".

Das war doch mal ein Anfang. Erst mal einen Tee und dann weiter mit Wanst und Co.

Er bestückte die große Pinwand mit den bekannten Daten und Fakten und einer Reihe von Fragezeichen. Sein Schädel brummte.

Also, - Dallmann hatte beim Italiener mit Tito zusammengesessen und Tito hatte ein „kniefliges Problem“ erwähnt. Kressin hatte mit jemand telefoniert und den offenbar wegen einer Tasche erpresst.

Ob das nun die Tasche von Korthals, - mit dem „Schwarzgeld“, - war, oder eine andere Tasche, - war unklar. Warum hätte jemand die Geldtasche aufbewahren sollen, statt die Kohle gleich irgendwo umzutauschen, - trotz registrierter Seriennummern? – Wer hatte überhaupt die Tasche geklaut? – Und wieso war Tito der Bote von Korthals und hatte er vielleicht außerdem mit Kressin zu tun, der seinerseits keine offensichtliche Verbindung zu Korthals hatte, - außer über Dallmann? – Und was hatte die ganze Kacke mit dem alten Kinderporno-Fall zu tun, - Verbindungen: Tito und Dallmann?

Wer war der Typ mit dem Regenmantel gewesen, der Tito die Tasche abgenommen hatte, Dallmann? - Überhaupt war unklar, wie die Tasche abhandengekommen war. Von einem „Überfall“ oder ähnlichem war jedenfalls zu keinem Zeitpunkt die Rede gewesen.

Die Knoten wollten sich nicht lösen.

Kressin und Dallmann. Und der Italiener. Dallmann und der Italiener? Nee.

Hatte Kressin versucht, die Tasche an Arschloch Dallmann weiterzureichen und war da in dem kroatischen Restaurant irgendwas schiefgelaufen?

War der Italiener der Verbindungsmann und er oder Kressin womöglich identisch mit dem Regenmantel?

Die Schwester und Korthals. Tito und Dallmann. Regenmantel und Tito. Korthals und Tito. Dallmann und Korthals.

Dallmann und Korthals: Korthals hatte von zwei Optionen zur Abholung gesprochen. Dallmann war klar eine davon. Wieso hatte er so getan, als wüsste er das nicht? Wer war die andere Person? Tito sollte die Tasche zum Übergabeort bringen.

Dann war aber der Regenmantel, eventuell Kressin, - oder der Italiener? aufgetaucht und damit abgehauen.

Das passte irgendwie nicht. Es sei denn, Tito hätte die Tasche gleich Dallmann gegeben, der dann „der Regenmantel“ gewesen wäre.

Kressin und der Italiener. Supermarkt. Kannten sich, - siehe Empfehlung Einstellung Supermarkt.

War Kressin der Typ mit dem Regenmantel gewesen? - Hatte der Italiener den Koffer geklaut? – Oder umgekehrt. – Oder beide?

Einigermaßen logisch wäre, wenn Kressin die Tasche hatte. Woher auch immer. Wenn ja, - war eigentlich Wurst, wer der Dieb war, - oder?

Interessant wäre ja auch die Variante, dass der Italiener im Auftrag von Kressin die Tasche geklaut hatte, weil der wusste, dass Dallmann scharf darauf war, aber woher sollte er das wissen.

Das war aber komplett unlogisch, da Dallmann Kressin ja vorher gar nicht kannte.

Der Italiener könnte über seine Schwester, Korthals Freundin, - von der Sache erfahren haben und das wiederum Kressin gesteckt haben. Korthals war jetzt jedenfalls der Dumme. Geld weg.

Kressin erpresste möglicherweise Korthals wegen „Rückgabe-Prämie" oder so.

Und der große Unbekannte hatte das Geld auch nicht erhalten.

Wieso konnte der Regenmantel überhaupt Tito mit der Tasche abpassen, bevor der große Unbekannte oder Dallmann aufkreuzten?

Waren beide aufgehalten worden, - von Kressin oder dem Italiener, - und wenn ja, wie hatten sie das angestellt, - Zeitpunkt und Ort der Übergabe, - mal eben mit dem Auto vorfahren, - Tasche schnappen und abhauen?

Hatte Tito gegenüber Korthals angegeben, er hätte Dallmann erkannt, - und wenn ja, warum, - wo er und Dallmann doch alte Bekannte waren, oder hatte Korthals sich das selbst so zurechtgelegt, weil er sich nichts anderes vorstellen konnte?

Wahrscheinlich hatte Tito gar keinen erkannt.

Sowohl Kressin, als auch Dallmann und der Italiener hatten in etwa die gleiche Figur, - hätten also alle drei „der Regenmantel“ sein können.

Tito zu fragen, war vergessen worden.

Loser Faden: Was hatte die Schwester bei Tito gewollt?

Wolle nochmal losschicken? – Eher nicht, - Wer wusste schon, was jetzt mit Tito war.

Er befasste sich erstmal mit Titos Handy-Adressen, den sms und den letzten Kontakten.

An Adressen gab es nicht viel:

Dallmann, Dieter (Glaser?), G.Fischer, Club (?), Pizzadienst 1, Pizzadienst 2, J.T. (?), Mutter (!), Taxiruf, Buchmacher (?), Korthals.

SMS gab es nur eine: Übergabe jetzt 18: 30 – Bekannter Ort (von: Unbekannt).

Letzte Kontakte: Ein Anruf von Unbekannt.

Dann, - eine Idee. – Er wählte einfach mal Titos Nummer mit dem Einweg-Handy.

Der Rufton lief zwölfmal, bis sich eine gequälte Stimme meldete. „Ja, hallo?“

„Anatoli, mein Freund, - was machen denn die Hände?“

Erschrockenes Schnaufen am anderen Ende.

„Schweine!“

„Nana, das ist ja wohl eher dein Gebiet, - hör zu, du Kinderschänder: Wenn du nicht noch mehr Ärger willst, wirst du jetzt die folgende Frage wahrheitsgemäß beantworten, - sonst kommen wir noch mal vorbei, - verstanden?“

„Was wollt ihr denn noch?“

„Ganz einfach: Hast du die kleine Italienerin auch gefickt, neulich, als sie bei dir war?“

„Was, nein, die ist doch viel zu …“

„Zu alt? – Wolltest du das sagen?“

„Nein, nein, was soll das?“

„Also, was wollte sie sonst bei dir?“

„Kenn sie vom Job, - ist die Freundin vom Chef“ – Anatoli Tito klang deutlich verängstigt, gleichzeitig auch irgendwie unaufrichtig.

“Ok, ich schick den Kollegen gleich nochmal vorbei“.

„Nein, hey, - ich, nein, - also …“

„Gut, bis gleich!“

„Halt, - sie hatte nur eine Nachricht“

„Die da lautete?“

„Also, sie hat gefragt: War es Dallmann? – Ich weiß auch nicht, was das sollte!“

Aha, Tito hatte anscheinend Angst vor Korthals. – „Und war er es?“

„Nein, auf keinen Fall, der sieht doch ganz anders aus …“ – Er hatte sich verplappert.

Marlowe beschloss, dem Grauen ein Ende zu machen, bevor Tito misstrauisch wurde und womöglich Dallmann anrief. „Na schön, - das interessiert uns nicht, - bleib sauber Ferkel!“.

Er drückte auf Ende.

Marlowe - das Grauen

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