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Hauptteil

1

Geschichte: Woher kommt die Erlebnispädagogik?

In diesem Kapitel gehen wir zunächst einigen Begriffen auf den Grund, die im Zusammenhang mit der Erlebnispädagogik eine Rolle spielen. Dann folgen einige Gedanken zu Vordenkern und Wegbereitern der Erlebnispädagogik.

Torsten Fischer und Jörg Ziegenspeck haben in ihrem „Handbuch Erlebnispädagogik“ (2000) in überzeugender Weise versucht, eine Ideengeschichte der Erlebnispädagogik zu verfassen. Wer sich also auf die Tiefenschichten der Historie konzentrieren will, kann zu diesem Werk greifen (vgl. dazu Michl / Schödlbauer 1999). Schon vor dem Zeitalter der Aufklärung entwickelten sich zwei wissenschaftstheoretische Ansätze. Die empirische, induktive Methode setzte auf Beobachtung, Experiment und Erfahrung, die auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten folgern ließen (Francis Bacon, 1561 – 1626). Der deduktive, theoretische Ansatz geht den Weg von der Theorie zur Praxis (René Descartes, 1596 – 1650). Der Philosoph John Locke (1632 – 1704), ein Vertreter der Empirie, schreibt in seinen „Gedanken über Erziehung“: „Weiter ist es für die Gesundheit eines jeden Menschen, besonders aber der Kinder, von großem Wert, sich viel in frischer Luft und so wenig wie möglich am Feuer aufzuhalten, selbst im Winter. (...) ...daß sie um so kräftiger und gesunder sein werden, je mehr sie an der frischen Luft sind...“ (Locke 2007, 14f.). Hier also sind die Anfänge des erlebnisorientierten Lernens zu finden.

Wichtige Begriffe

Pädagogik: Der Begriff Pädagogik stammt aus dem Griechischen und setzt sich zusammen aus pais (= der Knabe, das Kind) und agogos (= der Begleiter, der Führer). Im alten Athen waren es Sklaven, die die Knaben auf dem Weg zur Schule begleiteten. Interessanterweise hat sich im Abendland dieses Begleiten bzw. dieser Weg im Begriff des Erziehens durchgesetzt, nicht das Wort für Schule. Das sagt einiges über den Charakter der Pädagogik aus: Darin stecken das gemeinsame Gehen, das Unterwegssein, die Begleitung, das Schweigen und das Sprechen, die Führung und der Schutz – also vieles, was wir mit Erlebnispädagogik verbinden.

Peripatos: Das griechische Wort steht für Wandelhalle. Es gab der philosophischen Schule des Aristoteles ihren Namen, weil der Unterricht in einer Wandelhalle stattfand. Gehen und Philosophieren gehören zusammen, Raffael stellte dies in überzeugender Weise in seinem Gemälde „Die Schule von Athen“ heraus.

Kairos: Das ist in der griechischen Mythologie der Gott der Chance, der günstigen Gelegenheit. Man kann darunter auch einen „von den Göttern geschenkten Augenblick“ verstehen. Wir erleben in der Pädagogik viele solche Augenblicke. Wie wir wissen, bemüht man sich oft ganz vergeblich bei Kindern und Jugendlichen um Veränderungen und sieht lange Zeit keinen Erfolg. Doch eines Tages tritt ein Wendepunkt ein, eine Verhaltensänderung – ein Geschenk der Götter.

Beispiel – Zwei Heimerzieher sind mit ihrer Gruppe in Schweden mit Rucksack und Schlafsack unterwegs. Sie wollen sechs Wochen durch die Wildnis Schwedens streifen. Die Jugendlichen haben nicht allzu viel Lust dazu; zwei ziehen sich ganz zurück und lehnen jeden Kontakt mit den Erziehern ab. Sie sind schweigsam, trotzig und wollen keinesfalls mit diesen verrückten Pädagogen reden. Nach fünf Tagen rufen die beiden Jugendlichen am Morgen vor dem Zelt der Erzieher: „Ihr könnt aufstehen, wir haben für euch Kaffee gekocht“ – Das ist Kairos, einer dieser Augenblicke, den man als Pädagoge verspielen oder nutzen kann. Sagen die Pädagogen nun „Nein, wir sind noch müde“, dann versäumen sie eine günstige Gelegenheit zum Aufbau einer Beziehung, nehmen sie das Angebot aber an, können die Mauern fallen, die die Jugendlichen aufgebaut haben.

Zur günstigen Gelegenheit gehört also auch, dass Pädagoginnen und Pädagogen sie bemerken und nutzen. Man kann berechtigterweise behaupten, dass beim handlungsorientierten Lernen in der Natur mehr solche Augenblicke auftreten als in anderen Situationen.

Carpe diem: Spätestens seit dem Film „Der Club der toten Dichter“ ist dieser Begriff wieder bekannt geworden. Meist wird er übersetzt mit „Nutze den Tag“. Das ist nicht ganz treffend; die bessere Übersetzung lautet „Pflücke den Tag“, denn Carpo ist die Göttin der Früchte und der Ernte. Somit verweist Carpe diem darauf, dass jeder Tag Früchte mit sich bringt, die es zu ernten lohnt. Wer mit jungen Menschen in der Natur unterwegs ist, weiß, dass ein Tag viele Früchte bietet, die man gemeinsam pflücken kann.

Aufbruch: Ob zu einer Radtour oder einer längeren Reise, Aufbruch heißt zunächst packen. Mit diesem äußeren Aufbruch kann jedoch ein innerer Aufbruch einhergehen. Es kann sein, dass mit der Unternehmung etwas aufbricht, was lange Zeit in uns verdrängt war, was wir vergessen haben, was wir von uns weggeschoben haben.

Beispiel – Sommeruniversität 2007, Erlebnistage Harz: Mit 15 Studenten stehe ich vor einem alten dunklen Stolleneingang. Die Spannung steigt vor der Expedition ins Dunkle. Wir ziehen uns alte, warme und wasserdichte Kleidung an. Neben mir beginnt eine Studentin zu weinen. Ich tröste sie und weise sie darauf hin, dass sie hier im warmen Sommerwald auf uns warten könne. Sie verneint, will unbedingt mit. Auch im dunklen Stollen, ich gehe neben bzw. nahe bei ihr, weint sie. Zwei Stunden sind wir in diesem Stollen, aber sie beruhigt sich nicht. Erst nachdem wir wieder im Tageslicht sind, kann sie etwas durchatmen und sich fassen. Auf dem Heimweg kommen wir ins Gespräch. Sehr bald wird klar, dass sie in einer tiefen Lebenskrise steckt. Die Partnerschaft ging in die Brüche, im Studium läuft vieles schief, die Finanzen sind knapp, die Wohnung gekündigt. Der dunkle Stollen hat einiges ausgelöst, was mühsam verdrängt worden war. Jetzt konnte es bearbeitet werden.

Outward Bound: Dieser Begriff entstammt der englischen Seemannsprache und bezeichnet das zum Ablegen bereite Schiff. Kurt Hahn (siehe Kapitel 2), hat diesen Begriff, der genau seinen Ansatz bezeichnet, in die Pädagogik eingeführt: Das Kind steht sozusagen noch am Hafen und wird jetzt in die Pubertät aufbrechen. Dort wird es Wind und Wellen, Stürme und Unwetter geben, und der Pädagoge wird das Kind von der Pubertät bis zum Erwachsenendasein begleiten.

Merksatz

Spürt man den Bedeutungen einiger Begriffe und Ausdrücke wie Pädagogik, Peripatos, Kairos, Carpe Diem, Aufbruch und Outward Bound nach, dann fällt die enge Beziehung zum erlebnis- und handlungsorientierten Lernen auf. Insofern stellt die Erlebnispädagogik auch eine Wiederentdeckung dieser pädagogischen und philosophischen Ursprünge dar. Heute finden wir in Schule und Hochschule überwiegend eine Art „Sitzpädagogik“ vor, die diese Wurzeln vergessen hat.

Zwei Vordenker: Rousseau und Thoreau

1993 haben Bernd Heckmair und ich in der ersten Auflage des Buches „Erleben und Lernen. Einführung in die Erlebnispädagogik“ Jean Jacques Rousseau (1712–1778) und Henry David Thoreau (1817–1862) als Vordenker der Erlebnispädagogik bezeichnet, was mittlerweile in den Lehrkanon überging und selbst in „Wikipedia“ zitiert wird. Rousseau und Thoreau sind heute noch aktuell und haben auf ihren Kontinenten Spuren hinterlassen. Rousseau hat eine Staatsphilosophie formuliert, und der dazu passende Mensch sollte durch die Erziehung geformt werden. Rousseau philosophiert über Natur und das Leben in Einsamkeit und Einfachheit, Thoreau setzt dies in die Tat um.

Rousseau oder das Recht auf Kindheit. Rousseau nimmt einiges vorweg, was später in der Romantik zum Tragen kommt. Durch seine Ideen erfährt die Aufklärung einen ersten Bruch. In den „Bekenntnissen“ (1770) hat er wie in einer Psychoanalyse sein Innerstes schonungslos dargelegt. Es geht ihm um Hinwendung zum Individuum, um das Horchen auf die inneren Empfindungen. Der berühmte Satz von René Descartes (1596–1650) „Ich denke, also bin ich“, könnte im Rousseauschen Sinne umformuliert lauten: „Ich erlebe, also bin ich“.

1762 erscheinen Rousseaus Hauptwerke „Du contrat social ou principes du droit politique“ (Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundsätze des Staatsrechts) und „Émile, ou de l’éducation“ (Emile oder über die Erziehung 1975). Bei der Rousseauschen Staats- und Gesellschaftsphilosophie sind Pädagogik und Politik eng verzahnt, daher braucht sie den neuen Menschen, wie ihn Rousseau im „Émile“ beschreibt.

„Alles ist gut, wie es aus den Händen des Schöpfers kommt, alles entartet unter den Händen des Menschen“ (Rousseau 1975, 9), so lautet der berühmte erste Satz des „Émile“. Ziel ist die Erziehung ohne Erzieher, eine Minimalerziehung, bei der nicht der Pädagoge, sondern die eigenen Erfahrungen und die natürliche Strafe, d. h. die negativen Folgen von unpassenden Handlungen, den Menschen bilden. Einfluss auf unsere Erziehung haben „die Natur oder die Dinge oder die Menschen“ (10), wobei der Natur die größte Bedeutung zukommt und die Erziehung durch den Erzieher nur dazu dienen soll, die Erziehung durch die Natur und durch die Dinge zu ermöglichen. Der Erzieher ist lediglich der Anwalt der natürlichen Bedürfnisse des Kindes.

„Leben ist nicht atmen, leben ist handeln“ (15). Als Kind erforscht Émile seine Umwelt und die Natur. Er soll nichts theoretisch erfahren, sondern die Wissenschaften erfinden, wenn er sie braucht. „Anstatt das Kind an Bücher zu fesseln, beschäftige ich es in einer Werkstatt, wo seine Hände zum Nutzen des Geistes arbeiten; es wird Philosoph und glaubt, nur ein Arbeiter zu sein“ (104). Reden, Belehrungen, Bücher lehnt Rousseau ab. Ein Buch allerdings soll Émile doch lesen, denn „wenn man eine Situation erfinden könnte, wo alle natürlichen Bedürfnisse der Menschen sich in einer für den kindlichen Geist begreiflichen Weise darstellen und wo die Mittel, sie zu befriedigen, leicht erkennbar wären, so müsste man seine Einbildungskraft lebhaft damit beschäftigen“.

Das Buch, das diese Situation vorhält und das Rousseaus Erziehungskonzept erfüllt, ist „Robinson Crusoe“ (1719) von Daniel Defoe (1660– 1731). Handlung, Erfahrung und Erlebnis empfiehlt Rousseau auch Lehrern:

„Und denkt daran, dass ihr in allen Fächern mehr durch Handlungen als durch Worte belehren müsst. Denn Kinder vergessen leicht, was sie gesagt haben und was man ihnen gesagt hat, aber nicht, was sie getan haben und was man ihnen tat“ (Rousseau 1975, 80).

In der Aufklärung sollte zur Vernunft erzogen werden. Im Unterricht wird Wissen erworben, das Denken und die Ratio stehen im Mittelpunkt. Rousseau fügt neue Aspekte hinzu: Gefühle, Sinne und Sinnlichkeit, Erlebnisse und die eigene Erfahrung. So klingt seine Definition von Erziehung sehr romantisch. Erzogen ist jener Mensch, „der die Freuden und Leiden dieses Lebens am besten zu ertragen vermag“ (15). Rousseau geht es um Erlebnisse:

„Nicht wer am ältesten wird, hat am längsten gelebt, sondern wer am stärksten erlebt hat. Mancher wird mit hundert Jahren begraben, der bei seiner Geburt gestorben war. Es wäre ein Gewinn gewesen, wenn er als Kind gestorben wäre, wenn er wenigstens bis dahin gelebt hätte“ (16).

Diese Betonung der Gefühle und Emotionen, der Erlebnisse und Erfahrungen führt zum Appell eines handlungsorientierten Lernens: „Empfindungen sind die ersten Bausteine seiner Erkenntnisse. ... Das Kind will alles berühren, alles anfassen. Verhindert diese Unruhe nicht. ... Es lernt Wärme, Kälte, Härte, Weichheit, Schwere, Leichtigkeit der Körper kennen und Größe, Gestalt und alle anderen Eigenschaften beurteilen, indem es sie betrachtet, befühlt, belauscht“ (41).

Merksatz

Rousseau entdeckte die Lebensphase Kindheit. Erlebnisse und Abenteuer in der Natur und die Auseinandersetzung mit ihr sind die treibende erzieherische Kraft. Das unmittelbare und aktive Lernen fördert in optimaler Weise das Kind. Damit hat Rousseau die Grundmauern zum erlebnis- und handlungsorientierten Lernen geschaffen.

Henry David Thoreau oder „Into the Wild“. Sean Penn (*1960) hat vor kurzem den Roman „Into the Wild“ (2007) von Jon Krakauer (*1954) verfilmt, der den tragischen Rückzug eines jungen Menschen in die Natur beschreibt. Sowohl Krakauer und Penn als auch der jugendliche Held dieses Filmes sind inspiriert von Thoreau.

Zwei seiner wichtigsten Bücher „Walden oder das Leben in den Wäldern“ (1854) und „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“ (1849) verbinden wie bei Rousseau eine pädagogische Praxis mit einer politischen Weltanschauung. Auf einer Seite befinden sich das Leiden am und der Widerstand gegen den ungerechten Staat auf der anderen die Natur als die große Erzieherin und Lehrmeisterin. Thoreau will ein Exempel statuieren und verlässt seine Heimatstadt Concorde am 4. Juli 1845, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag. Zweieinhalb Jahre bewohnt er seine selbst gebaute Hütte am Walden-See. Thoreau verbindet mit diesem Leben in der Wildnis mehrere Ziele. Er will erstens beweisen, dass Unabhängigkeit durch selbst gewählte Armut und einfaches Leben zu erreichen ist. Es braucht weder die kommunistische Utopie noch die kapitalistische Ideologie. Inspiriert von Ralph Waldo Emerson (1803–1882) stellt er sich zweitens auch grundlegende philosophische Fragen nach Freiheit und Fortschritt, dem Verhältnis des Menschen zur Natur, den eigentlichen Bedürfnissen des Menschen, nach Religion und Spiritualität. Drittens ist sein Walden-Aufenthalt auch ein ökonomisches Modell; zweieinhalb Jahre lebt er vom eigenen Anbau und vom Tauschhandel, in einer Welt ohne Geld. Viertens schließlich könnte man diese Zeit des Rückzugs auch als eine Wildnistherapie bezeichnen. Die Einsamkeit soll ihm helfen, den unerwarteten Tod seines Bruders zu verarbeiten. In fast mittelalterlichem Geist bereitet er sich selbst auf das Sterben vor, er will die „ars moriendi“ erlernen.

„Ich zog in den Wald, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, dem eigentlichen, wirklichen Leben näherzutreten, zu sehen, ob ich nicht lernen konnte, was es zu lehren hatte, damit ich nicht, wenn es zum Sterben ginge, einsehen mußte, dass ich nicht gelebt hatte“ (Thoreau 1971, 184).

So wird er zum Zeitkritiker und weltlichen Einsiedler, zum Anarchisten, der den Staat ablehnt, zum Begründer der Idee des zivilen Ungehorsams und stellt für heutige Ökologen, Friedensbewegte und Aussteiger ein Vorbild dar. Seine einsame Hütte am Walden-See schützt ihn vor den Ablenkungen und der Hektik der Stadt. Weit entfernt von der Zivilisation kommt er seiner Wahrheit näher:

„Das meiste von dem, was man unter dem Namen Luxus zusammenfasst, und viele der sogenannten Bequemlichkeiten des Lebens sind nicht nur zu entbehren, sondern geradezu Hindernisse für den Aufstieg des Menschengeschlechts“ (26).

Seine kritischen Fragen an den technischen Fortschritt sind heute noch aktuell: „Wir beeilen uns stark, einen magnetischen Telegraphen zwischen Maine und Texas zu konstruieren, aber Maine und Texas haben möglicherweise gar nichts Wichtiges zu besprechen“ (61).

Thoreau zeigt, dass man sein Leben fast von heute auf morgen ändern kann und nicht auf jene besseren Zeiten warten muss, die Kommunismus und Kapitalismus versprechen. Dabei ist sein Weg in die Natur und die Wälder immer auch ein Weg ins eigene Selbst. Er ist Romantiker, der sich vom Walden-See inspirieren lässt, und zugleich Wissenschaftler, der den Dingen auf den Grund geht: „Die Ufer sind die Lippen des Sees, auf welchen kein Bart wächst. Er leckt sie von Zeit zu Zeit ab“ (184). Und:

„Es ist merkwürdig, wie lange die Menschen an die bodenlose Tiefe eines Sees zu glauben pflegen, ohne sich die Mühe zu machen, ihn zu messen. ... Ich nahm die Tiefenmessung mühelos mit Bindfaden und einem ungefähr anderthalb Pfund schweren Stein vor, dabei konnte ich genau sagen, wann der Stein den Grund verließ, weil ich dann um so fester anziehen mußte, ehe das Wasser darunterfloß, mir zu helfen“ (280).

Das Streben nach Reichtum betrachtet Thoreau als eine Gesellschaftsneurose. Arbeit schafft Wohlstand, dann werden Bedürfnisse geweckt und der Konsum steigt – und dies in einer immer schnelleren Folge. Wer sich verschuldet, wird abhängig vom System. Dagegen postuliert Thoreau: „... die Lebensbedürfnisse der Seele kosten kein Geld“ (319).

In seinem pädagogischen Konzept finden sich viele Ähnlichkeiten zu Rousseau: „Jedes Kind fängt im gewissen Sinn die Welt von vorne an und ist am liebsten im Freien, selbst bei Nässe und Kälte“ (119). Wie im „Émile“ und wie bei „Robinson Crusoe“ sollen Jagd und Sammeln prägen: „Man kann nur den Jungen bemitleiden, der nie eine Flinte losschießen durfte; er ist darum nicht humaner, nein, seine Erziehung wurde schwer vernachläßigt“ (212). Aber auch im Spiel erfassen die Kinder die Wirklichkeit und erkennen naturwissenschaftliche Gesetze: „... die Kinder, die das Leben spielen, erfassen seine Gesetze und Beziehungen richtiger als die Erwachsenen, die nicht fertig bringen, es würdig zu leben, sich aber durch Erfahrung, d. h.: das Fehlschlagen ihrer Pläne, für weise halten“ (103).

Merksatz

Thoreau war ein Aussteiger, Pädagoge, Poet und letztlich auch ein Tiefenpsychologe des 19. Jahrhunderts, der allen unnötigen zivilisatorischen Ballast auf dem Weg zum Unbewussten, zur Erkenntnis und zum geglückten Leben abwerfen will. Er wirkt v. a. durch seine Erlebnisse und Erkenntnisse, die er in seinen Tagebüchern aufgezeichnet hat. Sein Rückzug an den Walden-See wird später zum Muster für das Solo-Experience: einige Tage und Nächte allein in der Natur verbringen. Er ist tief im Bewusstsein der amerikanischen Adventure Education verankert.

Erlebnispädagogik

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